Himmelskind von EvilKiss ================================================================================ Kapitel 21: Das Zeichen ----------------------- An der Steuerbordseite, direkt an der Reling, standen vor den Whitebeardpiraten drei geschmückte Holzsärge. Momoka und ihre Mitarbeiter hatten sich wirklich mühe gegeben und drei schöne Särge, perfekt für eine Seebestattung, besorgt. Allgemein hatten sie sich viel mühe gegeben und das in einem Tempo, was bemerkenswert war. Auf jedem Sarg zierte groß das Whitebeard Zeichen, sowie die Zahl der Division, in präziser Feinarbeit in das Holz geschnitzt. Noch war das Schiff am auslaufen. Sie konnten ja schließlich nicht die Bestattung in Ufernähe ausführen. Sie mussten auf die hohe See. Einige Wachleute von Momoka blieben auf der Insel um aufzupassen. Genauso hatte Elena, mit ihrem Charme dafür gesorgt, dass auch einige Piraten einen Wachdienst schoben. Was ein tiefer Ausschnitt und die Versprechungen von kostenlosem Sake doch bewirken konnten. Ansonsten befanden sich auch Momoka, Elena und einige Mitarbeiter der Insel, mit auf dem Schiff, um den Gefallenen die letzte Ehre zu erweisen. „Danke Momoka, für die Mühe mit den Särgen. Sie sind wirklich schön geworden“, sprach Whitebeard zu der alten Frau, mit erstickter Stimme. Diese hingegen winkte ab, als wäre es das einfachste gewesen. „Das ist doch selbstverständlich, Edward“, nuschelte sie. Die Segel wurden eingeholt, der Anker ausgeworfen. „Ja, die Stelle ist gut. Hier gibt es viele Strömungen, die von der Insel wegführen“, flüsterte sie dem alten Mann zu, der nur betreten nickte. Die Mannschaft positionierte sich an der Reling, um die Särge und Whitebeard trat vor, genauso wie Marco, Izou und Namur. Whitebeard begann zu sprechen, doch hörten das weder Isbjorg, noch Olaf oder Vitus. Denn die drei Nords starrten wie gebannt auf einen leeren Fleck an Deck, neben den Särgen. Schuldbewusst kaute sich Is auf der Unterlippe. „Is?“, flüsterte Olaf ihr leise ins Ohr. „Siehst du auch was ich sehe? Ich glaube das Kaiserschwein sieht sie auch“, flüsterte er weiter. Knapp nickte Is und versuchte den Blick abzuwenden. Doch immer wieder glitt ihr Blick zu der vermeintlich leeren Stelle. Marco merkte ihre Unaufmerksamkeit und ihr Unbehagen, sowie die Trauer, die immer deutlicher in ihren Augen glänzte. Auch er warf einen Blick zu der Stelle, die alle drei Nords in ihrem Blick hatten, doch sah er nichts, außer das Holz des Decks und der Reling. Fragend hob er seine Augenbraue und versuchte wieder seinem Vater zu zuhören. Dieser erzählte nämlich gerade, mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie Sascha zur Crew kam. Laut Whitebeard, legten sie damals an einer Insel an und eines Tages, kurz bevor sie ablegen wollten, torkelte Sascha betrunken auf das Schiff. Er amüsierte sich köstlich über die Piraten, denn er hielt sie für Zirkus Artisten, kippte dann letztendlich mitten auf dem Deck um und schlief seinen Rausch aus. Damals ließ Whitebeard das relativ kalt und sie legten einfach ab. Als Sascha dann wieder wach wurde, war er ungehalten. Er war wütend, weil er sich entführt fühlte, ängstlich wegen den Piraten und neugierig, weil sie ihn nicht getötet oder von Bord geworfen hatten. Und obwohl Whitebeard seine Tränen der Trauer kaum unterdrücken konnte, lachte er auf. Einige aus der Crew stimmten leise mit ein, sogar Sam grinste breit und konnte sich dieses Szenario bildlich vorstellen, auch wenn sie damals noch nicht Teil der Crew war. „Warum?“, wimmerte auf einmal Isbjorg auf und alle Blicke legten sich auf sie. Etwas verwirrt, wollte Whitebeard ihr antworten, weil er dachte die Frage bezog sich darauf, warum sie Sascha nicht von Bord warfen. Doch merkte er schnell, dass sie ihn nicht anblickte oder ihm diese Frage stellte. Noch immer blickte sie stur die leere Fläche an. „Warum lächelt ihr mich an?!“, knurrte sie auf, schluchzte und sackte auf die Knie. Olaf folgte ihr sofort und gab ihr eine Stütze. „Ich bin doch schuld! Wegen mir seid ihr gestorben! Also warum steht ihr da und lächelt mich an, als wäre ich eure Freundin?“, wimmerte sie und weinte auf. Ungehalten flossen ihre Tränen, doch störte sie sich nicht daran. Ihr war es egal, vor allen zu weinen. Sie hielt die Luft an und horchte auf. Sie lauschte, hörte zu. Genauso wie Olaf und Vitus. Olafs Blick, starrte ernst die leere Fläche an und hielt Is fest im Arm. Er konnte ihren Schmerz nachvollziehen. Sie gab sich für alles die schuld. Selbst Vitus erwischte sich dabei, wie er einen mitfühlenden Blick, zu seiner Kontrahentin warf. Doch schüttelte er den Kopf, um diese Sentimentalitäten los zu werden und blickte zu Whitebeard und den drei Kommandanten, die irritiert Is und Olaf musterten. „Keine Sorge. Sie ist nicht verrückt“, nuschelte er und Marco blickte Vitus an. Auch Whitebeard schenkte seinem Sohn nun Aufmerksamkeit. „Wir Nords haben besondere Beziehungen zum Totenreich. Und unsere drei Gefallenen nehmen an ihrem Abschied teil. Sie stehen da hinten“, erklärte er knapp und zeigte auf die leere Fläche. Die restliche Crew warf sich zweifelnde Blicke zu, ein paar wenige tippten sich sogar an die Stirn, als würde Vitus wirres Zeug reden. Doch Whitebeard, sowie Marco, nickten ihm zu. Sie hatten das schon einmal gehört. Also, dass die Nords sehr Feinfühlig und offen, für die Seelen der Verstorbenen waren. Isbjorg hatte es einst den beiden erzählt. Nämlich, dass ihr verstorbener Mann, ab und zu Kontakt zu ihr aufnahm. Whitebeard blickte zu der leeren Stelle und lächelte traurig. Auch wenn er sie nicht sehen konnte, wusste er, dass Vitus die Wahrheit gesprochen hatte und er hätte schwören können, die Anwesenheit von Kenta, Yuuka und Sascha zu fühlen. „War ich ein guter Vater?“, fragte er die Geister leise und die Crew hielt die Luft an. Isbjorg wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte auf. „Danke, dass ihr mich nicht hasst“, hauchte sie und lächelte gequält. Dann blickte sie zu Whitebeard. „Sie wirken erschüttert, dass du so etwas fragen kannst. Sascha sagt, dass du der beste Vater bist, den man sich wünschen kann und die anderen zwei geben ihm recht. Und das du keine Zweifel haben sollst, denn das wäre unnötig. Sie lieben dich, genauso wie sie diese Crew lieben“, sprach sie leise und ihre Stimme klang brüchig. Langsam nickte Whitebeard. Die Bestattung ging langsam weiter. Nachdem Whitebeard fertig war, sprachen auch Marco, Namur und Izou ein paar Worte zum Abschied. Als auch sie fertig waren blickte Isbjorg nervös alle vier an. Unsicher kaute sie auf der Unterlippe herum. „Darf ich auch noch was los werden?“, fragte sie vorsichtig und blickte in die Runde. Die Crew nickte langsam und auch die drei Kommandanten, nickten. „Natürlich darfst du, mein Kind. Jeder soll heute so Abschied nehmen, wie er es für richtig hält. Und wenn jemand noch etwas sagen möchte, so darf derjenige das“, erklang Whitebeards Stimme ruhig, ja fast sanft. Isbjorg trat vor, aber nicht zu den Särgen, sondern zu der „leeren“ Stelle an Deck. Traurig lächelte sie und wischte sich die Tränen von der Wange. „Ihr sollt wissen, das mir das alles so unendlich Leid tut. Ihr habt das nicht verdient, sondern ich. Und ich... ich...“, ihre Stimme brach ab und sie schluchzte auf. Dann schüttelte sie mit dem Kopf. „Natürlich könnte ich mich jetzt mit „Ich werde euch vermissen“ und so weiter verabschieden, aber das brauch ich euch nicht zu sagen. Das wisst ihr. Mein Abschied sieht anders aus, denn manchmal braucht man einfach keine Worte. Das ist für euch, meine Freunde“, hauchte sie den Geistern zu und drehte sich um. Erst zupfte sie an einem Verband um ihren Hals und löste diesen langsam. Als er ab war und die Crew sich fragend anblickte, strich sich Isbjorg ihre Haare nach vorne. Olaf und Vitus sahen, wie sich die drei Geister erfreut anblickten und glücklich Isbjorg anlachten. Dann ließ Is ihre Haare wieder in den Nacken fallen, blickte die drei Geister erfreut an und ging langsam zurück in die Menge. Über die Monate hinweg, waren ihre Haare wieder um einiges länger geworden und fielen ihr mittlerweile bis zum Unterrand der Schulterblätter. Und so versteckten sie ihren Nacken wieder. „Was hast du da gemacht, Is?“, fragten einige aus der Crew und beäugten ihren Nacken. Auch Whitebeard blickte sie neugierig an und sie seufzte. Langsam ging sie weiter vor und blieb neben Marco stehen. Sie strich ihr Haar nach vorne und präsentierte der Crew ein Tattoo. Es zeigte das Whitebeard Zeichen, welches von Nacken, bis zum Anfang der Schulterblätter reichte. Da sie nur ein Top trug, war es gut zu erkennen. Es war das gleiche Zeichen, welches Marco trug, und um das Logo wurde ein Rosenkranz tätowiert. In dem Rosenkranz erkannte man drei Buchstaben, nämlich links außen ein K, oben ein S, und rechts außen ein Y. Lächelnd schüttelte Whitebeard den Kopf. Nicht nur, dass sie endlich sein Zeichen trug, nein sie hatte sogar noch zugleich die drei Gefallenen geehrt. Wie könnte er anders reagieren, als mit Stolz? Auch Marco grinste breit auf. „Ach, deswegen schimpfte unser Doc.“, gluckste er, doch ignorierte ihn die Nordfrau gezielt, ließ ihr Haar wieder zurück fallen und humpelte zu Olaf. Er gab ihr direkt eine Stütze und grinste sie zufrieden an. „Du bist immer für eine Überraschung gut, Isbjorg“, gluckste er und sie grinste zurück. Viele Crew Mitglieder traten noch vereinzelt vor und gaben einige Worte zum Abschied preis. Oder sie erzählten kleine Geschichten, die sie mit ihren verstorbenen Freunden erlebt hatten. Die Meisten die vortraten, gehörten zu den drei betroffenen Divisionen. Es wurde teilweise gelacht und geweint, und mit jedem gesprochenen Wort merkte man deutlich, wie der Zusammenhalt in der Crew wuchs. An diesem Tag waren sie alle gleich. Jeder war ein Teil des Ganzen. An diesem Tag gab es keine Kommandanten und keinen Käpt´n. An diesem Tag gab es nur eine Familie, die gemeinsam trauerte und Abschied nahm. Als die Abenddämmerung langsam näher rückte, folgte der Abschluss der Bestattung. Ein Sarg, nach dem anderen wurde ins Wasser gelassen und dem Meer geschenkt. Und auch, wo sie schon alle drei versunken waren, stand die Crew noch eine Weile da und starrte auf die Wellen, des Meeres. „Lichtet den Anker und setzt die Segel. Wir fahren zurück zur Insel“, brummte Whitebeard. Seine Stimme war ruhig und ausgeglichen. Zwar noch immer in Trauer versunken, aber man merkte ihm deutlich an, dass diese Bestattung ihm gut getan hatte. Wie jeder aus der Crew, konnte auch Whitebeard mit der Trauer nun besser auskommen. Er konnte seinen verstorbenen Kindern, die letzte Ehre erweisen und Abschied nehmen und das gab seinem trauernden Vaterherz, ungemein viel Kraft zurück. Als das Schiff wieder unterwegs war, humpelte Is zu Marco herüber. Kühl blickte sie ihn an. „Marco?“, fragte sie und er drehte sich überrascht um. Mit ihr hatte er jetzt nicht gerechnet, doch verriet ihm ihr Blick sofort, dass sie noch immer nicht bereit war ihm zuzuhören. „Was gibt es?“, fragte er ruhig und lächelte sie an. „Ich schulde dir noch einen Wachdienst im Krähennest. Den würde ich heute Nacht gerne übernehmen“, murmelte sie und er zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. „Aber du bist doch noch verletzt. Werde erst mal wieder fit, dann können wir über deine Nachtschicht sprechen“, antwortete er ruhig, doch blockte das an ihr ab. „Mach du dir über meinen Gesundheitszustand keine Gedanken. Ich möchte diese Nachtschicht heute Nacht und ich habe keine Lust darüber zu diskutieren. Also klär das bitte, mit der eigentlichen Nachtschicht. Oder ist das zu viel verlangt, mein Kommandant?“, zischte sie und vor allem den letzten Teil, betonte sie mit einer Gleichgültigkeit, dass ihm ganz anders wurde. Seufzend nickte er. „Schon gut. Ich klär das. Du lässt dich ja sowieso nicht von deinen Ideen abbringen“, murmelte er und wand sich ab. Seufzend suchte er Bruno auf, der heute eigentlich Nachtschicht hatte. Nickend nahm er seine neuen Befehle entgegen. ~ Es war schon tiefe Nacht und ruhig auf dem Deck, sowie der Insel. Isbjorg saß gemütlich im Krähennest, stützte ihren Oberkörper auf dessen Rand und blickte gedankenverloren auf das schwarze Meer. Sie war müde, aber sie würde diese Schicht durchziehen. Weil Isbjorg wusste genau, wenn sie schlafen würde, dann nur kurz. Die ganze Sache ließ sie einfach nicht in Ruhe. Die drei Todesfälle waren so unendlich sinnlos und auch wenn sie wusste, dass keiner der drei Verstorbenen ihr die Schuld gab, ließen sie ihre Schuldgefühle nicht in Ruhe. Mittlerweile blutete schon ihre Lippe, weil sie so verzweifelt darauf herum kaute. Sie horchte auf, als sie ein Klappern wahr nahm und sie drehte sich um. Das Erste was sie sah, war ein flackerndes Licht und die Konturen eines Menschen. Und dann erkannte sie die markante Frisur und verzog das Gesicht. Marco krabbelte in das Krähennest und hielt eine Kanne mit zwei Tassen in der einen Hand, sowie eine Laterne im Mund. Er biss sich am Griff der Laterne fest und setzte seinen zweiten Fuß hinein. Dann schnappte er sich die Laterne mit der freien Hand und grinste Is an. „Hallo“, begrüßte er sie fröhlich und sie brummte genervt auf. Mit einer Mischung aus Zorn und doch Neugierde, musterte sie ihn. Er kam langsam zu ihr und setzte sich im Schneidersitz direkt neben sie. Noch immer musterte sie ihn stumm und zog eine Augenbraue hoch. „Okay. Ganz ruhig Is“, flüsterte sie sich zu und schloss kurz die Augen. „Erstens: Was willst du hier? Zweitens: Wieso schläfst du nicht? Drittens: Warum gehst du mir dann auf den Keks?“, knurrte sie und blickte wieder zum Meer. „Ich kann nicht schlafen. Die Bestattung geht mir nicht aus dem Kopf. Und da ich sowieso wach bin, dachte ich, kann ich dir ja Gesellschaft im Nest leisten. Nachtdienst kann nämlich verflucht langweilig sein“, erklärte er und grinste. Ihre Augenbraue hingegen zuckte, doch atmete sie tief ein. „Warte! Nicht ausflippen. Ich hab Kaffee mitgebracht“, gluckste er und sie blickte ihn überrascht an. „Willst du mich bestechen?“, murmelte sie und beäugte die Kanne. „Blödsinn. Aber ich will mit dir reden und ich hoffe du hörst mir zu“, antwortete er und goss ihr eine Tasse ein. „Eine Wahl hab ich ja eh nicht. Ohne Hilfe komme ich sowieso nicht aus dem Krähennest. Dann sprich. Auch wenn ich mir denken kann, worum es geht“, antwortete sie und trank einen kräftigen Schluck. Es tat unheimlich gut. „Ich wollte dich nicht los lassen. Wirklich nicht, Is. Das musst du mir glauben! Ich würde dich niemals absichtlich fallen lassen, das solltest du doch wissen. Und es tut mir wirklich leid“, entschuldigte er sich aufrichtig und sie seufzte. „Natürlich weiß ich das. Und eigentlich bin ich auch gar nicht mehr sauer auf dich, sondern auf dieses Sumpfhuhn, weil das pure Absicht war. Und da kannst du sagen was du willst, aber man sieht mir meinen derzeitigen Zustand deutlich an. Und du stützt mich nicht grundlos. Und warum ich dennoch so bockig war? Weil ich ungern von alleine nachgebe“, erklärte sie und wand den Blick ab. „Typisch“, gluckste er und lehnte sich zurück. „Also redest du wieder mit mir?“, fragte er vorsichtshalber und schlürfte den heißen Kaffee. Is drehte ihren Kopf ein Stück zur Seite und beäugte ihn skeptisch. „Als könnte ich dir lange böse sein, du nervige Ananas“, murmelte sie und seufzte. Marco hingegen lachte auf, beugte sich vor und wuschelte ihr erfreut durch die Haare. „Hey! Lass das“, knurrte sie und zog einen Schmollmund. Dann lehnte auch sie sich zurück und blickte hoch in den Sternenhimmel. „Dich nimmt das Ganze ziemlich mit, oder?“, fragte er leise und sie blickte ihn an. Dann nickte Is vorsichtig. „Alle nimmt das sehr mit, Is. Aber du darfst dir nicht die Schuld an diesem Dilemma geben. Wir wären früher oder später eh an diese Elfen geraten. Und wer weiß, was dann alles passiert wäre...“, murmelte Marco und schenkte sich frischen Kaffee ein. „Das Gleiche hat Vater auch schon gesagt...“, murmelte sie, „...aber ihr versteht das nicht“. „Dann erkläre es mir, Isbjorg“, forderte Marco sie auf, doch grinste sie nur bitter auf. Dann summte sie leise eine Melodie. „Ein Held, ein Held nach Kriegerherzen fragt. Wahrlich, wahrlich, das Drachenblut naht! Mit machtvoller Stimme, nach alter Nord Art. Glaubt mir, glaubt mir, das Drachenblut naht!“, fing sie leise an zu singen. Marcos Kopf drehte sich überrascht zu ihr. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie zu singen anfängt. Irritiert hörte er ihr weiter zu. „Die Feinde von Himmelsrand, finden ihr Ende. Weh euch, weh euch, das Drachenblut naht! Zum Licht ward das Dunkel, es lebt die Legende. Fürwahr, fürwahr, das Drachenblut ist da!“, beendete sie dieses Liedchen und lachte voller verbitterter Traurigkeit auf. Dieses Lied war wohl bekannt, in ihrer alten Heimat. In jeder Taverne wurde es gespielt, vor allem zu Alduins Zeit. Die Leute fanden Hoffnung in dem Lied, doch für Isbjorg bedeutete dieses Lied nur eines: Seelenpein. „Das, mein lieber Kommandant, ist das Problem. Ich bin das Problem. Du kennst meine Geschichte. Und zwar die ganze Geschichte. Überall wo ich wandle, folgt das Unglück. Meine Eltern werden getötet, doch ich lebe. Mein Lehrmeister will mich vergewaltigen, er stirbt, ich lebe. Ich werde gefangen genommen, soll geköpft werden. Eine ganze Stadt stirbt, doch ich lebe. Ich ziehe in den Krieg, viele Brüder und Schwestern sterben, doch ich lebe. Mein Mann und mein Kind werden getötet, doch ich lebe! Und jetzt... Drei Familienmitglieder sterben. Doch ich lebe! Merkst du was? Fällt dir denn nichts auf?! Mein Weg wird von Leichen gepflastert. Überall wo ich lang gehe, fließt Blut!“, rief sie energisch, diese quälenden Worte aus und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Marco konnte nicht sagen ob sie weinte, oder sich einfach nur verstecken wollte. Aber er hob traurig die Augenbrauen. Marco mochte es nicht, die tapfere Kämpferin so zu sehen. Zu oft zeigte sie ihm in letzter Zeit dieses Bild, der zerbrechlichen Frau. Und es passte einfach nicht zu ihr. Vorsichtig legte er einen Arm um sie und zog sie näher. „Wenn du wüsstet, wie oft ich schon mit dem Gedanken gespielt habe, meinem Leben ein Ende zu setzen. Aber, dafür ist mir die Aussicht auf Sovngarde zu wichtig. Und nach Sovngarde kommen nur die tapfersten Kämpfer. All jene, die in Ehre starben. Und Selbstmord ist nicht ehrenhaft. Und tapfer auch nicht. Suizid ist feige. Und ich will eines Tages nach Sovngarde. Ich will zu Farkas. Ich will mit einem Schwert in der Hand sterben, so wie es sich gehört. Also muss ich wohl durch diese Hölle, meinst du nicht auch?“, murmelte sie durch ihre Hände hindurch und Marco festigte seinen Griff. Soweit hatte er noch gar nicht gedacht. Natürlich war ihre Vergangenheit schlimm, aber sie wirkte immer so selbstsicher und auch lebensfroh. Irgendwie erschütterte ihn diese Aussage. „Vermutlich. Aber du bist diesmal nicht alleine. Also heb gefälligst deinen Kopf hoch! Du magst ein Unglücksrabe sein, kleines Nordmädchen. Aber Unglücksraben passen doch perfekt in eine Piratenbande. Eine Bande von Taugenichtsen, die selbst das Unglück verfolgt hatte. Findest du nicht auch?“, versuchte er sie aufzubauen und Is hob tatsächlich den Kopf. Dann gluckste sie leise. „Vermutlich“, nuschelte sie und lächelte ihn schwach an. „Siehst du. Also hör auf, deinen Strohkopf so hängen zu lassen und lach mal wieder. Du und die Anderen. Ihr habt diesem Elfenpack so dermaßen in den Arsch getreten. Wie gerne hätte ich mit gemacht. Also sei stolz auf diese gewonnene Schlacht!“, sprach er fröhlich aus und lachte auf. Is hatte das Gefühl, jetzt kam er so richtig in fahrt, wenn es darum ging sie wieder aufzubauen. Sie konnte nicht anders und grinste. Irgendwie hatte er ja recht. „Über dieses „Strohkopf“, reden wir beide noch einmal, wenn ich wieder fit bin. Weil das lass ich nicht auf mir sitzen, Fallobst“, nuschelte sie und streckte ihm die Zunge raus. Isbjorg trank ihre Tasse leer und fischte ihren Ehering hervor. Stumm musterte sie das gute Stück und verfiel in Gedanken. Marco beobachtete sie neugierig. „Was mich wundert ist, dass Farkas mich noch nicht gemaßregelt hat, weil ich mich wieder so hängen gelassen habe. Normalerweise hat er mich immer aus dieser depressiven Stimmung gejagt“, nuschelte sie und grübelnd hob sie beide Augenbrauen. „Denkt er vielleicht, ich brauche ihn nicht mehr, weil ich jetzt euch habe?“, fragte sie traurig ihren Kommandanten, doch schüttelte er ruhig mit dem Kopf. „Das glaub ich nicht. Vielleicht will er sehen wie du dich hier entwickelst. Du hast mir ja selbst erzählt, er darf sich nicht so oft melden, wie er will. Wegen irgendwelchen Naturgesetzen. Vielleicht will er nicht, dass du zu sehr an ihm klammerst, einfach um dich selbst zu schützen und nicht noch depressiver wirst. Einfach das du nun lernen kannst, los zu lassen“, grübelte er mit. Auch wenn er Farkas nicht kannte, war das für ihn die einzige logische Erklärung. Denn er wusste, dass Whitebeard und seine Crew, Isbjorg sehr wichtig waren. Aber er wusste auch, dass sie und Marco selbst, niemals diesen Platz einnehmen könnten, wie ihr verstorbener Gatte. „Vielleicht hast du recht“, hauchte sie und lächelte, „denn das würde zumindest zu ihm passen“. „Wie habt ihr euch damals eigentlich kennen gelernt?“, fragte der Vize in freudiger Neugier. Überrascht blickte sie ihn an. „Willst du das wirklich wissen? Weil es ist eigentlich keine interessante Geschichte. Sondern mehr Zufall und nicht gerade spannend“, erklärte sie verdutzt. „Ach komm erzähl. Die Nacht ist noch lang und ich bin neugierig, wie der werte Herr durch deinen Dickschädel brach“. „Hey. Das ist aber nicht nett, verehrter Vize“, lachte sie auf. „Okay Marco. Also alles begann damals...“ Ralof und ich hatten Helgen gerade hinter uns gelassen. Unsere Köpfe saßen zum Glück noch da, wo sie hin gehörten. Wir waren erschöpft, verletzt und standen noch immer unter Schock. Ein Drache hatte Helgen verwüstet! Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Und zu allem Überfluss, brach der Kontakt zu Ulfric Sturmmantel ab. Wir hatten keine Ahnung, ob er es lebend heraus geschafft hatte. Wir konnten nur hoffen. „Wir gehen nach Flusswald. Meine Schwester betreibt dort eine Sägemühle. Dort können wir uns ausruhen und stärken“, schlug mir Ralof vor und müde nickte ich. Flusswald war nicht so weit weg und so liefen wir, flink wie wir noch konnten, den Bergpfad hinab. Ich roch Wasser und war mir sicher, der Weißfluss musste ganz in der Nähe sein. Wie sehr sehnte ich mich danach, mich zu waschen. Und Wasser bedeutete Leben, also flackerte die Hoffnung, heil aus dieser ganzen Angelegenheit heraus zu kommen, immer mehr. „Wir müssen vorsichtig sein. Die Kaiserlichen könnten hier Patrouille gehen. Sollten wir auf Kaiserliche treffen, überlasst mir das reden, Isbjorg“, murmelte der Nordmann und ich nickte. Mir war das nur recht. Ich hatte nicht das Bedürfnis, auch nur mit einem Kaiserlichen zu reden. Sollte er das doch übernehmen. Unsere Blicke hoben sich und legten sich auf einen Berg, gegenüber von uns. Unten im Tal sah ich den ruhigen Fluss und oben im Gebirge, ein gigantisches Bauwerk. Selbst vom Weiten, sah es unheimlich alt und makaber aus. „Das ist das Ödsturzhügelgrab. Ein grausiger Ort. Ich konnte nie verstehen, wie meine Schwester im Schatten dieses Grabes leben konnte. Aber man gewöhnt sich wohl an alles. Kommt, es ist nicht mehr weit“, erklärte mir Ralof und ich blickte voller Ehrfurcht auf das Gebilde. In Himmelsrand gab es unzählige dieser Grabstätten. Wir Nord hatten schon immer diesen Drang unseren Toten, einen würdigen Platz zum Ruhen zu geben. Vor allem unsere Vorfahren, waren sehr eifrig, wenn es um solche Bauten ging. Nicht nur, dass fast alle Grabstätten durch Fallen gesichert waren, sie galten auch noch als verflucht. Denn die Toten wandelten in ihnen. Sogenannte Draugr, wandelten in den Gebilden und griffen Eindringlinge an. Widerliche Dinger, waren das. „Und in Flusswald, hast du schon Farkas getroffen?“, fragte Marco plötzlich und sie blickte überrascht auf. „Nein, noch nicht. Schweife ich zu weit aus? Entschuldige, ich kürze den Anfang etwas ab. Also wir waren dann irgendwann in Flusswald, haben Gerdur und ihren Gatten Hod kennen gelernt und sie haben uns versorgt. Gerdur bat mich um einen Gefallen, denn sie waren alle mindestens genauso geschockt, wie Ralof und ich, dass wir Kontakt mit einem Drachen hatten. Sie bat mich, nach Weißlauf zu gehen und dem Jarl davon zu berichten. Flusswald war nur ein kleines Dorf, ohne schützende Mauern oder eine Miliz. Deswegen sollte ich den Jarl darum bitten, Wachen nach Flusswald zu entsenden. Ach und zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich das legendäre Drachenblut bin. Das kommt erst später, wenn du die Geschichte dann auch hören magst. So, wo war ich stehen geblieben?“, fragte Is und Marco lächelte. „Gerdur hat dich um diesen Gefallen gebeten“, erinnerte er sie. „Ja richtig. Also...“ „Und wie komme ich nach Weißlauf?“, fragte ich Gerdur und sie dachte kurz nach. „Geht hier unten über die Brücke. Dann halten Euch auf dem östlichen Weg. Also einfach dem Fluss folgen. Irgendwann kommt ihr dann zu den Wasserfällen und von dort aus, könnt Ihr im Tal schon Weißlauf sehen. Glaubt mir, Ihr werdet es nicht verfehlen. Wir zählen auf Euch, Isbjorg“, erklärte sie mir den Weg und nickend aß ich schnell meinen Teller leer, stand auf und verabschiedete mich. „Ach Isbjorg?“, rief mir Ralof noch zu. „Denkt bitte über mein Angebot nach. Himmelsrand sucht immer wahre Söhne und Töchter, die bereit sind für ihre Freiheit zu kämpfen. Solltet Ihr vor mir in Windhelm ankommen, sagt Jarl Ulfric, ich bürge für Euch“, lachte er mich an und ich nickte. Breit grinste ich, denn ich war eine wahre Tochter von Himmelsrand. Als würde ich es auf mir sitzen lassen, dass dieses kaiserliche Dreckspack mich köpfen wollte. Schnellen Schrittes huschte ich durch Flusswald und sah schon die Brücke, die mich über den Fluss führen sollte. Als ich diese überquerte, folgte ich dem Weg nach Osten. Einige Zeit des Laufens und ein toter Wolf später, erblickte ich neben mir einen riesigen Wasserfall, der laut plätschernd ins Tal strömte. Ich ging um die Kurve und hielt erst einmal den Atem an, vor Überraschung. An meine Heimat konnte ich mich nur vage erinnern, denn ich war ja noch ein Kind, als meine Eltern und ich nach Cyrodiil aufbrachen. Ich blickte auf eine weite Tundra Landschaft, in dessen Mitte eine Stadt stand. Auf einem Hügel lag Weißlauf, mit seiner prachtvollen Drachenhalle. Vor der Stadt erblickte ich viele Höfe und auch einen Stall, der vor den Stadtmauern stand. Und in mir wuchs die Vorfreude, endlich Weißlauf zu erkunden. Diese Stadt strahlte einfach so viel Schönheit aus. Und so wanderte ich ins Tal, bog Richtung Westen ab. Ich erblickte zu aller erst eine Met Brauerei, die Honigbräu Brauerei, die sich doch tatsächlich für einen würdigen Konkurrenten, gegenüber der Schwarzdorn Brauerei hielt. Absoluter Blödsinn! Es gab nichts besseres, als eisgekühlter Schwarzdorn Met! Das wusste doch jeder. Dann folgte ein Bauernhof, auf dem ein wüstes Treiben herrschte, welches sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Riese wütete mitten auf dem Feld und um ihn, ein paar Kämpfer, die auf ihn ein prügelten. Na das war doch jetzt genau das Richtige für mich. Ein Kampf zum warm werden, an diesem kühlen Morgen. Ich zog meinen Bogen, huschte näher und schoss meine Pfeile, voller Begeisterung, auf dieses Monstrum. Gerade als er auf mich aufmerksam wurde und auf mich zu rennen wollte, sprang eine junge Frau nach oben und rammte dem Gegner ihr Schwert in die Flanke. Wütend brüllte der Riese noch auf, taumelte und stürzte zu Boden. Kurz zuckte er noch und starb dann. Jubelnd streckte ich meinen Bogen in die Himmel und grinste voller Euphorie auf. Es tat einfach gut. Die Frau kam auf mich zu und musterte mich abschätzend, mit einer kühlen Neugierde. „Ihr habt gut gekämpft. Wir suchen immer tüchtige Kämpfer. Kommt uns doch mal in Jorrvaskr besuchen“, meinte sie zu mir und lächelte mich schief an. Jorrvaskr..., Jorrvaskr? Ja das sagte mir etwas. Die Methalle der Gefährten. Und bevor ich reagieren konnte, ging sie schon wieder Richtung Stadt. Gefolgt von einer jungen Kriegerin. Ein Mann kam auf mich zu und musterte mich aus freundlich blickenden Augen. Er war muskulös, mit wilden, länglichen Haaren und einem leichten Bart im Gesicht. Er grinste mich freudig an, als er sich meiner Aufmerksamkeit bewusst war. „Genau. Kommt nach Jorrvaskr und tretet den Gefährten bei. Ihr seid tapfer und stark. Genau solche Frauen und Männer suchen wir“, sprach er mich mit seiner tiefen Stimme an und überrascht nickte ich vorsichtig. „Wir sehen uns“, rief er noch, hob die Hand zum Gruß und folgte seinen Mitstreitern. Ich war irritiert. Sie kannten mich noch nicht einmal und hatten mich nur für einen Atemzug kämpfen sehen und trotzdem sollte ich ihnen beitreten? Aber warum nicht? Ich kannte kaum noch jemanden aus meiner Heimat und vielleicht fand ich so den ersten Anschluss. Mit einem Lächeln im Gesicht schlenderte ich weiter, Richtung Stadt. Verträumt lächelte Isbjorg den Sternenhimmel an. Marco blinzelte verwundert, denn er hätte schwören können, einen leichten Rotschimmer in ihrem Gesicht zu erkennen. „Ah jetzt verstehe ich. Der Mann, der dich ansprach, war Farkas. Hab ich recht?“, gluckste Marco. Begeistert nickte Isbjorg. „Ja, das war er. Diese erste Begegnung, war wirklich sehr einprägsam. Er war so freundlich und sympathisch. Sein Gesicht verfolgte mich noch so lange, bis ich wieder vor ihm stand“. „Und wie geht es weiter?“, fragte Marco. Er mochte es ihr zuzuhören, wenn sie etwas aus ihrer Vergangenheit erzählte. Ihre Art und Weise, wie sie diese ganzen Sachen erzählte, zog einfach ihr Umfeld in den Bann. Wenn sie sprach, schwiegen alle und hörten zu. Sie spielte mit den Worten und das war bemerkenswert. „Hol du erst einmal eine neue Kanne Kaffee. Dann erzähl ich weiter“, lachte sie und nickend stand Marco auf. Und ehe sie sich versah, sprang er mit der leeren Kanne aus dem Krähennest, verwandelte einen Arm in einen Flügel und landete lautlos auf dem Deck. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)