Martini von Malerin ================================================================================ Kapitel 2: Mord --------------- Viel Spaß beim Lesen! _________________________________________________________ Als ich dem Lehrer eine Entschuldigung, die Gin noch schnell hin gekritzelt hatte, wegen meiner fehlenden Uniform hinlegte, nickte dieser nur. Heute schien ich noch mehr das Interesseobjekt aller zu sein. Natürlich war ich jetzt noch auffälliger, da ich statt meiner blauen Uniform jetzt tiefschwarz gekleidet war. Außerdem wurde ich immer wieder von den Lehrern ermahnt, da ich mich kaum wach halten konnte. Ich hatte Halsschmerzen und wünschte mich nur noch ins Bett. Die Nacht auf der Bank und auf dem harten Betonboden hatte mich einen verspannten Rücken gekostet. Nach der ersten Stunde sah mich Mai besorgt an. „Alles in Ordnung, Kai? Du siehst krank aus.“ „Nein, mir geht’s gut.“, meinte ich, was sich auch für Mai gleich darauf als Lüge herausstellte, als ich anfing zu husten. „Was hast du gestern Abend noch gemacht, dass du jetzt völlig krank bist?“, wollte sie wissen. Auf einer Parkbank geschlafen. Mit nassen Anziehsachen rumgelaufen. In Unterwäsche auf Betonboden geschlafen. „Nichts. Weiß auch nicht.“, erklärte ich, wobei ich gleich darauf niesen musste. Sie legte mir ihre Hand auf die Stirn. „Du glühst ja.“, behauptete sie. „Ach quatsch.“ „Doch wirklich. Lass uns zur Krankenschwester gehen.“ Da mir schummrig wurde, wehrte ich mich nicht, als sie mich sanft am Arm nahm und mich aus dem Klassenzimmer führte. Ich hörte noch, dass einige unserer Klassenkameraden uns hinterherpfiffen. Dummes pubertierendes Pack. *** „Du legst dich am besten hin. Lass dich von deinen Eltern abholen.“, erklärte mir die Krankenschwester, nachdem sie mir das Fieber gemessen hat. „Geht nicht, der arbeitet.“ „Na gut, dann schlaf dich hier aus bis dein Vater dann Zeit hat.“ Ich nickte benommen und setzte mich auf ein Bett. Mai umarmte mich. „Gute Besserung. Schade, heute kannst du wohl nicht mit zu mir.“ Ich wurde rot. Sie lächelte mich an und verließ wie eine tanzende Fee das Zimmer. „Deine Freundin?“, kicherte die Krankenschwester. Ich wusste nicht wieso, aber ich nickte. Ich legte mich hin und machte die Augen zu. Mai. Meine Freundin. Wie schön wäre das? *** „Marty?!“ Ich kuschelte mich an mein Kissen. Wollte mich gerade jemand wecken? War mir egal. „Marty Kai!“ Sollte derjenige doch noch etwas warten. „Marty.“ Jemand zog die Decke von mir runter. Wie unhöflich. Aber ich ließ mich davon nicht beeindrucken. Schließlich hatte ich die Nacht auch auf einer Parkbank verbracht. Jetzt schüttelte mich jemand an der Schulter und wurde mit der Zeit immer gröber. Ich blinzelte. Es war hell. Ich schaute mich um bis ich Gin wütend vor mir stehen sah. Ups. „Marty. Warum musste mich die Schulleitung um fünf anrufen um zu sagen, dass ich dich im Krankenzimmer abholen soll?“ „Seien sie ihm nicht böse, er hat sich stark erkältet.“, entschuldigte mich die Krankenschwester. Doch Gin funkelte sie böse an und sie zuckte gleich zusammen. Kommentarlos stand ich auf, bedankte mich bei der Krankenschwester und wollte zur Tür gehen. Gin folgte mir, doch die Krankenschwester hielt mich auf. „Warte.“, meinte sie noch immer eingeschüchtert von Gin „Das hat deine Freundin für dich hiergelassen.“ Sie überreichte mir eine Box und etwas zu essen. Ich wurde rot, bedankte mich noch einmal und ging raus. „Deine Freundin?“, fragte Gin verächtlich. „Sie ist nicht meine Freundin… nur eine Klassenkameradin, die mich ins Krankenzimmer gebracht hatte.“ Gin riss mir das Paket und den Zettel aus der Hand. „Hey?!“, beschwerte ich mich, doch mein Vater las schon den Zettel laut vor. „Lieber Kai, Tut mir leid, dass ich nicht gewartet habe bis du wieder wach warst, aber ich musste nach der Schule direkt nach Hause um auf Kogoro aufzupassen. Hier ist meine Lunch Box, ich hatte mir heute Morgen zwei gemacht, aber mir war das dann doch zu viel. Vegetarisches Sushi, sehr lecker. Ich dachte mir, du hättest bestimmt Hunger, wenn du aufwachst… Schade, dass du heute nicht bei uns essen kannst, aber wenn du willst, kann meine Mama uns bestimmt noch einmal Pizza machen. Du kannst mich jeder Zeit besuchen! Wenn es dir besser geht ruf mich doch an, wegen der Hausaufgaben, hier hast du meine Nummer….“ Gin nahm den Zettel und warf ihn samt der Box in den Müll. „So ein Quatsch. Vegetarisches Sushi.“ „Hey, das war für mich.“, beschwerte ich mich noch einmal, doch Gin zerrte mich über den leeren Schulhof zu seinem Auto. Ich war noch immer zu benommen von der Erkältung, als dass ich mich wehren könnte. „Ich dachte du hättest dir Pizza gekauft.“, stellte Gin fest. „Na gut, ich hab bei einer Freundin gegessen. Und? Wärst du pünktlich gekommen, wäre ich nicht mit ihr gegangen.“ Wir schwiegen uns an bis ich ihn fragte: „Fahren wir eigentlich nach Hause?“ „Nein. Wir fahren schießen üben. Auf einem Übungsplatzt.“ Ich seufzte. Das war das Letzte, was ich tun wollte. „Ich bin krank, können wir das nicht verschieben?“ Zur Antwort bekam ich von Gin nur ein zynisches Lachen. *** Etwas außerhalb von Tokio waren wir auf einem „geheimen“ Übungsplatzt der Organisation. Gin drückte mir ein Gewehr in die Hand. „Was für eine ist das?“, fragte er mich, während er wir weitergingen. „Eine M24.“ „Hmm. Richtig. Weiter?“ „Genauer gesagt eine M24 A2. Sie hat zehn Patronen, während die gewöhnliche M24 SWS nur 5 hat. Außerdem hat sie einen geänderten Lauf für einen Schalldämpfer.“ „Hat dir deine Mutter doch etwas beibringen können…“ „Komm schon, Dad. Das war einfach. Die M24 ist das Standartgewehr US Army.“ „Es heißt Gin für dich. Nicht “Dad“.“ Während Gin gelangweilt in der Ecke stand und rauchte, übte ich schießen. Es war nichts Neues für mich. Mir war das Gewehr förmlich in die Wiege gelegt worden. Bei 800 Yard verfehlte ich mein Ziel. „Besser geht’s nicht?“, hörte ich Gin kommentieren. Ich versuchte es weiter. Dann traf ich. Ich spürte, dass mich Gin beobachtete. Ich schoss noch einmal. 850 Yard. Geschafft. Ich atmete aus. Konzentration. 900 Yard. Geschafft. Ich schloss die Augen, meine Gedanken kreisten nur noch um mich, die Waffe und das Ziel. Ich öffnete die Augen, Schuss. 1000 Yard. Dann spürte ich, dass mich die Kraft verließ und mir schwindelig wurde. Noch einmal würde ich nicht treffen, daher stand ich auf und sicherte meine Waffe. Gin sah mich an. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. So hatte er mich noch nie angesehen. War es Stolz? Nein, das könnte nicht sein. Das würde ja heißen, dass er mich als seinen Sohn akzeptiert hätte. „Korn und Chianti werden dich hassen.“, meinte Gin grinsend und ich verstand nicht, was das hieß. Wir gingen zum Auto. „Vermouth hatte nicht übertrieben, was deine Fähigkeiten anging.“ Sollte das ein Kompliment sein? „Danke.“, flüsterte ich vorsichtshalber. „Lass uns essen gehen.“ „Ich würde lieber nach Hause. Schlafen.“ „Nichts da. Danach haben wir einen Auftrag.“ Ich sah ihn erschrocken an. Mir drehte sich der Magen um. „Ich… ich… fühl mich noch nicht breit.“, brachte ich es mit letztem Mut hervor. Verachtend sah er mich an. „Oh doch, und wie bereit du bist.“ Wir gingen in ein vornehmes Restaurant essen. „Gin, ich fühl mich nicht so passend gekleidet… für so einen Laden.“ Ich deute auf das Hemd und die Hose, die ich heute Morgen bekommen hatte. An sich sah das Schwarz elegant aus, doch da alles, vor allem die Hose labberig an mir herunterhing, ähnelte alles mehr einem Pyjama. „Nerv nicht.“, gab mir Gin nur zur Antwort. Wir setzten uns hin und ich merkte wie wir angestarrt wurden. Es gab ja genug Gründe, die uns die Aufmerksamkeit anderer verlieh. Mit nur einem bösen Blick schaffte Gin es, dass in Sekundenschnelle ein Kellner vor uns stand. „Für mich bitte die chinesische Ente. Und zwei Gläser Martini, bitte.“ Der Kellner notierte hastig Gins Bestellung und sah dann mich an. Mein Magen knurrte. Welches Gericht war eigentlich vegetarisch? Ich hatte leider keine Karte und an Gin ungeduldigen Blick konnte ich erkennen, dass ich nach keiner Karte fragen sollte. „Ähm… Salat bitte und eine Cola.“ Ich spürte wie sich mein ausgelaugter Körper beschwerte, aber Mais traurigen Augen ließen mich einfach nicht in Ruhe. „Nein, keinen Salat, Kai. Bestell etwas Richtiges.“, kritisierte Gin. Ich war kurz verwundert. Er nannte mich nicht oft „Kai“. „Dann Reis.“, meinte ich. Diesmal lächelte der Kellner. „Wir servieren nicht nur Reis. Der Reis ist nur Beilage. Soll ich dem Herr eine Karte bringen?“, schlug er freundlich vor. „Nein. Dafür haben wir keine Zeit. Einfach auch eine Ente für den Jungen.“, bestellte jetzt Gin für mich. Ich wollte mich gerade beschweren, aber der Kellner war schneller weg. „Salat? Bist du Neuerdings ein Mädchen?“, lachte mich Gin aus. Beschämt guckte ich weg. Ich müsste mich das nächste Mal darauf vorbereiten und rausfinden, was alles vegetarisch ist. Jetzt einmal Ente essen würde doch nicht schaden, oder? Der Kellner kam und servierte unsere Getränke. Ich wollte gerade zur Cola greifen, doch Gin drückte mir den Martini in die Hand. „Du bist kein Kind mehr, Marty. Oder besser gesagt:Martini.“ Ich widersetzte mich nicht und trank ihn mit einem Schluck runter. Ich musste zugeben, dass ich in Amerika schon häufig mit ein paar wenigen Mitschülern heimlich etwas getrunken hatte. Es wunderte mich außerdem nicht, dass mein Vater sich nicht um das Jugendschutzgesetzt scherte. Dann endlich kam das Essen. Mein Magen knurrte mittlerweile schon ganze Opern. „Guten Appetit.“, meinte wir beide im Chor und fingen an zu essen. Doch plötzlich erging es mir genauso wie beim Schinkensandwich am Morgen. Mais Stimme erklärte mir, dass Tiere essen unmoralisch sei. Das es Mord sei. ‚Was kümmert‘s mich? ‘, redete ich mir ein ‚Bei dem Auftrag gleich muss ich wahrscheinlich einen Menschen töten.‘ Ich nahm ein Stück Fleisch auf die Stäbchen. Mais Augen sahen mich an. Dieses Mädchen. Es hatte mir völlig den Kopf verdreht. Und auch den Magen. Mir wurde schlecht, als mir der Geruch des Fleisches in die Nase kam. Würde ich heute einen Menschen umbringen müssen? Was würde Mai von mir denken, wenn sie es wüsste? Was sollte ich tun? Mir fielen die Essstäbchen aus der Hand. Mein Körper zitterte. Gin, der schon zur Hälfte aufgegessen hatte, sah mich an. „Martini, was ist los?“ Ich sah ihm in die Augen. Er zeigte keine Emotion. Sah er, dass ich mit den Tränen kämpfte? Ich hoffte nicht. „Mir geht es echt nicht gut. Muss ich wirklich den Auftrag mitmachen?“ „Hast du Angst?“, spottete Gin. „Nein, es ist nur…“ „Was?!“ Ich antwortete ihm nicht. „Iss.“, forderte er mich wieder auf. Ich schüttelte den Kopf. „Du bist ja schlimmer als du als Kleinkind warst.“ Ich lachte kurz, ironisch. Wieso konnte ich mir meinen Vater nicht vorstellen, wie er mich als ich klein war gefüttert und gewiegt hat? Wieso hatte ich das Gefühl, dass er mir einfach Martini oder sonst was zu trinken gegeben hat bis ich still war? Ich kämpfte noch so zehn Minuten innerlich mit meinem Essen, wobei mir Gin dabei zornig zusah. „Willst du was anderes Essen?“ Ich nickte. „Was? Salat?!“ Ich zuckte mit den Schultern. „Mit egal.“ „Es kann dir ja nicht so egal sein. Was ist an Ente falsch?“ Ich zuckte wieder mit den Schultern. Gin bestellte den Kellner: „Mein Sohn scheint wohl wählerisch zu sein. Können Sie ihm irgendwas anders bringen?“ „Was willst du denn?“, fragte mich der Kellner wieder freundlich. Ich zuckte mit den Schultern. Gin schien den letzten Nerv zu verlieren. „Ich will jetzt zahlen. Wenn der Herr nichts essen will, bitte... Ich trag dich nicht nach Hause, wenn du zusammenbrichst.“ Er klang fast schon so zickig, wie meine Mutter manchmal. Kaum fünf Minuten später verließen wir das Restaurant. Ich war hungriger als vorher. *** Wir trafen auf Wodka begleitet von Chianti und Korn. Gin erklärte uns den Auftrag. Taktisch sehr simpel. Wir hatten einen Politiker erpresst, das Geld schon bekommen. Aber wir wollten ihn nicht leben lassen. Wir würden ihn heute, wenn er eine Rede in einer Eliteschule halten würde, erschießen. „Es ist Polizei da. Es kommen nur Schüler und Eltern mit Einladung rein“ Wir nickten. Natürlich kamen wir trotzdem rein. Gin öffnete seinen Mantel und holte eine dunkelblaue Einladung heraus. „Martini, du gehst rein. Hier hast du eine Einladung. Du bist am wenigsten auffällig.“ „Ich unauffällig?“, erwiderte ich und deutete auf meine blonde Löwenmähne. „Es gibt viele internationale Schüler auf dem Gymnasium. Keine Sorge.“ Ich nickte jetzt verständnisvoll. „Wir haben auch eine Schuluniform der Schule für dich.“, erklärte er mir weiter und drückte mir eine Packung Kleider in die Hand. „Okay, er geht rein und was machen wir?“, wollte Chianti ungeduldig wissen. „Chianti unterbrich mich nicht.“, befahl Gin, wobei diese genervt die Arme verschränkte. „Hier hast du eine Waffe, Martini. Sie ist klein genug um sie unter der Uniform zu verstecken. Du schießt vom dritten Stock auf den Kerl. Einen genauen Kopfschuss bitte. Genau um 20:00 Uhr, wenn er auf die Bühne geht. Dann verschwindest du in das Klassenzimmer 312. Das linke Fenster ist offen. Du kletterst die Regenrinne runter, springst auf das Dach des niedrigeren Gebäudes. Von da springst du auf Nachbargrundstück. Dort warten wir auf dich.“ Ich war entsetzt. Innerlich entzweigerissen. Ich hatte zwar Angst vor Gin und den Konsequenzen, wenn ich versagen würde, aber genauso sehr fürchtete ich mich vor dem, was ich tun sollte. Mein ganzes Leben war ich auf diesen Moment vorbereitet worden. Warum kam es mir trotzdem so vor, als wäre ich ins kalte Wasser geschubst worden? „Und was sollen wir tun?“, Chianti starrte zornig auf Gin „Wenn ich dich richtig verstanden hab, macht Martini die ganze Arbeit.“ „Du gehst auf dieses und Korn auf dieses Hochgebäude. Ihr greift ein, falls Martini versagt. Dann darfst du Chianti, den Kerl erschießen. Korn hilft uns aus, wenn wir eventuell verfolgt werden.“ „Warum darf dieses Kindergartenkind schießen? Ich meine, wir sind Ausgebildete Scharfschützen.“ „Weil…“, wollte Gin gerade erklären, doch ich unterbrach ihn. „Genau Gin, warum muss ich das machen? Außerdem mir geht es nicht gut. Wer weiß was passiert, wenn ich von der Regenrille falle, weil mir schlecht wird. Soll sich doch Chianti in die Schule schleichen. So schwer kann das nicht sein.“ Böse starrt mich Gin an. „Zieh dir die Uniform an. Keine Widerworte mehr. Von niemanden.“ *** Natürlich kam ich ohne verdächtig zu werden in die Schule rein. Einige Lehrer nickten mir sogar freundlich zu, so als würden sie mich kennen. Ich war kurz belustigt. So gut kannten also die Lehrer einer Eliteschule ihre Schüler. Ich ging in den dritten Stock. Dieser war leer und kurz darauf merkte ich auch wieso. Die Akustik war schlecht, man konnte kaum verstehen, wenn unten etwas gesagt wurde. Ich nahm mir einen Tisch aus einem offenen Klassenzimmer und stellte ihn an das Geländer von dem man in das Atrium, wo die Bühne war runterschauen konnte. Ich hatte ein praktisches zusammenbaubares Gewehr. Die Zeremonie begann. Ein Jahrgang hatte seinen Abschluss gemacht. Einzeln wurden die Schüler auf die Bühne gerufen. Ihnen wurde das Dokument überreicht und sie stellten sich in die hinter zwei Meter hinter das Rednerpult. Ich hatte mittlerweile mein Gewehr aufgebaut. Durch dieses konnte ich sie beobachten und meinen Schuss planen. Sobald ich die Waffe in der Hand hatte, war ich in der Lage gewesen alle Emotionen bei Seite zu legen. Was könnte ich auch tun? Es gab für mich keinen Ausweg. Wenn ich nicht schießen würde, dann würden es Chianti und Korn tun. Wenn ich nicht schießen würde, würde es meinen Tod bedeuten. Ich erinnerte mich zurück an die Worte meiner Mutter, als sie mir erklärt hatte, warum ich nach Japan fliegen sollte: „Sweetie, you are not a kid anymore. The syndicate wants you to be part of it. I can’t protect you any longer. If you don’t work for the syndicate, you will have to die. Even I cannot change that fact.” Mir war schon immer klar gewesen, dass genau dieser Moment kommen würde. Die Waffe in der Hand gab mir das Gefühl dafür bestimmt zu sein. Es war kurz vor acht. Meine Waffe war geladen und schussbereit. Der Politiker ging auf die Bühne. Ich erkannte sein Gesicht sofort. Noch war es nicht acht. Also ließ ich ihn seine Rede anfangen: „Liebe Schülerinnen und Schüler, ich freue mich heute hier eingeladen worden zu sein...“ Ach wirklich? Sollte er besser nicht. „…ich blicke in diese jungen, engagierten Gesichter und sehe vor mir die Zukunft, die Hoffnung…“ Hmm, hätte ich auch gesagt, wenn ich dafür vom Staat dafür bezahlt würde. „…Ihr habt die Schule erfolgreich beendet, aber ihr steht vor dem Anfang, vor einer Kreuzung, die zu verschiedenen erstrebenswerten Zielen führt…“ Noch 30 Sekunden… „…Wir, eure Familie, Lehrer und viele andere Menschen haben euch bis hier hin begleitet. Doch jetzt liegt es an euch, den richtigen Weg einzuschlagen…“ Eine Lüge. „Wir leben in einem Land, das euch alle Möglichkeiten bietet. Lasst euch von niemand einreden, was ihr tun sollt oder müsst, denn es könnte falsch sein…“ Und wie falsch es war. Es war acht Uhr, doch ich schoss nicht. „Entscheidet nach eurem Herzen.“ Aber das konnte ich nicht, oder? „Jeder von euch ist wichtig für die Gesellschaft. Jeder von euch kann dazu beitragen, dass Japan, nein, dass die Welt, ein Stückchen besser wird…“ Das war die größte Lüge, die ich jemals gehört hatte. Plötzlich brach Chaos aus. Menschen schrien. Schrille Frauenstimmen. Kindergekreische. Dann sah ich ihn. Der Politiker lag auf dem Boden. Ein Schuss in seinen Kopf. Man sah kaum Blut. Doch ich sah Blut. Blut an meinen Händen. Und ich würde es nie wieder abwaschen können. Polizei trat ins Spielfeld. Sie baten nach Ruhe. Wie eine Maschine folgte ich den Worten die mein Vater mir vorher gesagt hatte. Ich sah das Zimmer 312. Gerade als ich meine Waffe eingepackt hatte hörte ich, was ich mir nicht erklären konnte, eine einzige Stimme aus der Menge von Hilferufen heraus: „Daddy!“ Ich konnte nicht anders als das letzte Mal über das Geländer zu schauen. Ich sah ein kleines Mädchen, das vielleicht gerade die Grundschule besuchte, das sich an den toten Mann klammerte. Wieso? Wieso hatte mir das keiner gesagt? Das wollte ich nicht. „Martini, was ist los? Du hättest schon seit einer Minute bei uns seien sollen.“, ich erschrak als ich Gins Stimme hörte, aber gleich darauf viel mir ein, dass ich über ein Headset mit ihm verbunden war. „Ich bin gleich da.“, murmelte ich und rannte los. Die Polizei würde nicht lange brauchen bis sie mich verfolgen würden. Das linke Fenster war tatsächlich offen. Es war wirklich nicht schwer die Regenrinne runter zu klettern. Ich schaffte es auf das andere Dach und sprang in das Grundstück der Nachbarn. Der schwarze Porsche wartete auf mich. Ich stieg ein, wir fuhren los. „Hast du ihn erschossen?“ „Ja.“ „In den Kopf?“ „Ja.“ „Gut.“ Ich bildete mir ein, Mai auf dem Schulhof zu erkennen. Mai. Mir wurde klar, dass sie zu einer anderen Welt gehörte, die ich nie wieder betreten durfte. Was ist der Sinn von dem Umbringen eines Tieres? Es ist falsch, wir machen es nur um uns kurz an dem Geschmack zu erfreuen. Es ist Mord. Wieder schossen mir ihre Worte in den Sinn. War das nicht pure Ironie? Vor kaum drei Stunden hatte sie mich davon abgehalten Fleisch zu essen. Jetzt, da ich meinen ersten Mord begangen hatte, war es einfach nur noch albern. Wieso hatten ihre Worte mich nicht davon abhalten können zu schießen, wieso? Die Welt war verdreht. Ich verstand nichts mehr. Liebe? Was war das? Mai? Sie war nur ein dummes, naives Mädchen. Wie hatte sie mich nur beeinflussen können? Ich fing an laut zu lachen. Ich spürte wie mich Gin und Wodka beobachteten. Meinen Wangen wurden nass, aus meinen Lachen wurde Schluchzen. Mir rollten Tränen der Verzweiflung über das Gesicht. Ich krümmte mich zusammen. Ich hatte Bauchschmerzen wie noch nie im Leben. Den Rest der Fahrt schwiegen sowohl Gin als auch Wodka. Auch als wir die Wohnung betraten und ich in mein Zimmer ging, sagten wir nichts. Ich lag schon im Bett, als sich meine Zimmertüre nochmal öffnete. „Hier, was zu essen. Vegetarisch.“ Mein Vater betrat nicht mein dunkles Zimmer, sondern legte den Teller nur auf den Boden. ____________________________________________________________________ Seit bitte nicht zu enttäuscht von Martini! Lest weiter und richtet dann über ihn ;-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)