Die Geflügelte Schlange - Schatten von Erzsebet (* * make love, not war * * - Teil 2) ================================================================================ 4. Kindereien ------------- Als Barida mit ihrem Sohn am späten Vormittag den großen Beratungsraum betrat, waren die Schlachtplanungen anscheinend schon abgeschlossen. Um den Sandtisch standen ihr Feldherr, die Oberbefehlshaber der Verbündeten und der Birh-Melack ihrer neuen Söldner, außerdem der Kriegs- und der Finanzminister und ein in Tetraos ansässiger Fernhändler, dessen Geschäfte mit dem Süden und Osten zumeist über Hannai abgewickelt wurden. Das Gefolge der Minister und der kahlköpfige Leibwächter des Osheyprinzen saßen auf den Bänken entlang der Wand. Die Männer des Kriegsrates rückten beim Eintritt der Regentin und des Königs beiseite, damit auch sie einen Blick auf die aus dem feuchten Sand modellierte Landschaft um Hannai werfen konnten. Holzhäuschen verkörperten die Städte und Dörfer, Pferde und Soldaten aus Holz mit bunten Stoffbändern die Einheiten, und mit Griffeln in den Sand gezogene Pfeile sollten die Marschrichtungen verdeutlichen. Der Feldherr der Tetraosi übernahm es, die Regentin und ihren Sohn zu informieren. "Es bietet sich an, die Schlacht hier in dieser großen Ebene vor Nemis zu schlagen, Majestät", begann er und zeigte mit dem Griffel auf eine halbwegs ebene Fläche, an deren Rand einige Häuschen standen. "Die Hannaiim pflegen ihr Heer bei Nemis lagern zu lassen, ein Vorbeizug bis Hannai ist also ohnehin schwierig. Außerdem gibt es hier", und der Feldherr zeigte mit dem dünnen Stöckchen auf die betreffende Erhebung, auf der ein Soldat mit grünem Bändchen stand, "einen kleinen Berg, der als Aussichtspunkt ideal ist. Wir sollten auf jeden Fall anstreben, diesen Aussichtshügel zu erobern und unser Lager vielleicht an seinem Fuße errichten." Grün war bei den früheren Beratungen stets die Farbe der Hannaiim gewesen. "Der Hügel befindet sich also in der Hand der Hannaiim?" fragte Barida nach. Der Feldherr nickte. "Es gibt dort einen kleinen Posten, Majestät, einen Aussichtsturm. Unsere Planung sieht vor, unsere Verbündeten aus Letran zusammen mit der Leichten Reiterei vorzuschicken und den Hügel einzunehmen. Die Letrani werden dann dort oben ihr Lager errichten, der Rest des Heeres wird an seinem Fuße etwa hier", mit dem Griffel zog er einen Halbkreis in den Sand, "lagern." "Welche Leichte Reiterei?" fragte Barida nach, während ihr Sohn begann, mit dem Zeigefinger ein Loch in den Aussichtshügel zu bohren. Sie zog sanft an seinem Ärmel und er ließ von dem Hügel ab. Der Feldherr ignorierte das Verhalten des Königs. "Ich spreche von der Reiterei unserer neuen Söldner, Majestät. Wir werden sie am Morgen des zweiten Marschtages mit den Reitern der Letrani vorschicken, so können wir die Hannaiim sicherlich erfolgreich überraschen." "Da seid ihr zuversichtlich?" richtete Barida ihre Frage an den Oberbefehlshaber der Letrani und Amemna Darashy. Die beiden Männer nickten. "Wirr können mit unserren Pferrden Pfade jenseits derr grroßen Handelsstrraße nehmen, Majestät", ergänzte der Birh-Melack und lächelte Barida in einer Weise an, die ihr mehr als freundliche Höflichkeit zu enthalten schien. "Die Hannaiim werrden uns errst bemerrken, wenn wirr berreits die Ebene errreicht haben." Baridas Herzschlag beschleunigte sich, als sie an ihre Pläne für diese Nacht dachte. "Aber Pferde müssen doch auf den Wegen laufen, nicht wahr?" ließ sich überraschend der König vernehmen. Die Männer des Kriegsrates sahen Barida hilflos an, denn sie wußten nicht, wie sie mit einer Frage des Königs umgehen sollten. Der Birh-Melack jedoch nahm eine der Pferdefiguren mit einem gelben Band um den Bauch von der Seite des Sandtisches und führte sie in galoppierenden Bewegungen über die hügelige Landschaft nördlich der Handelsstraße zwischen Tetraos und Hannai. "Unsere Pferde können auch hier laufen, denn sie tragen keine großen Lasten, mein König." Der König lachte vor Freude, als der Birh-Melack das Pferd bis vor ihn galoppieren ließ und es ihm dann in die Hand drückte. "Und was ist mit der Schlacht selbst?" fragte Barida, um die Anwesenden wieder an den Grund ihres Hierseins zu erinnern. Der Feldherr berichtete also über die zu erwartende Aufstellung des Heeres der Hannaiim, über die in der Schlacht gewonnenen Erkenntnisse über die besonderen Stärken und Schwächen des Gegners, über die an diese Erkenntnisse angepaßte Aufstellung der Tetraosi und ihrer Verbündeten, und er illustrierte seinen Bericht mit der Plazierung einzelner Holzfiguren mit grünen, blauen, roten und gelben Bändern auf dem Sandtisch. Zuletzt war die Ebene so gefüllt, daß kaum eine der Figuren umfallen konnte, ohne alle anderen mit sich zu reißen. Der König hatte in der Zwischenzeit wieder damit begonnen, die Hügel der Landschaft um Hannai zu unterminieren. Barida tat jedoch so, als sähe sie es nicht und fragte statt dessen, welche Aushebungen für diesen Schlachtplan noch erforderlich waren und wie lange die Vorbereitungen voraussichtlich dauern würden, denn bei der Schlacht gegen die Hannaiim vor sechs Tagen hatten die Truppen der Tetraosi empfindliche Einbußen hinnehmen müssen. Der Finanzminister rechnete der Regentin vor, daß die Kosten überschaubar bleiben würden und in drei bis vier Tagen auch alle Vorbereitungen abgeschlossen sein müßten, genaueres könne er am kommenden Tag sagen, da die Antworten der kriegsdienstpflichtigen Dörfer dann eingetroffen sein sollten. Nicht viel Zeit für Barida, das Liebesspiel mit dem Birh-Melack zu genießen. Plötzlich griff der König sich ein weiteres gelb beschärptes Pferdchen, lief zur Tür, stieß sie auf, rief dem Birh-Melack "Fang mich doch!" zu und war verschwunden. Der junge Osheyprinz grinste, sprang auf und lief hinterher. Das brachte Unruhe in den Kriegsrat. "Ungehöriges Verhalten für einen Söldnerführer", stieß der Feldherr mit einem tiefen Seufzer flüsternd hervor. Sicher war das nicht für Baridas Ohren bestimmt gewesen, also reagierte sie darauf nicht. Aber da ihr Sohn von dem jungen Birh-Melack ebenfalls begeistert schien, warum sollte sie ihm das Vergnügen vorzeitig nehmen? Sie hatte ihn selten so lebhaft im Umgang mit anderen erlebt. "Haben wir denn nicht für heute alles besprochen?", fragte sie. "Soweit ich verstanden habe, müssen wir noch die Antworten der tribut- und kriegsdienstpflichtigen Dörfer abwarten, um eine genaue Zeitplanung aufstellen zu können." Der Feldherr gab Barida untertänigst recht, denn sie war natürlich die Regentin. Wenn sie eine Besprechung für beendet erklärte, war sie beendet, mit etwaig noch ungeklärten Details mußte sie sich nicht befassen, solange alles in der versprochenen Weise funktionierte. Barida neigte knapp den Kopf vor dem versammelten Kriegsrat und verließ ebenfalls den großen Beratungsraum. Auf den Gängen des Palastes wiesen die Pagen, Diener und Wächter Barida den Weg, den der König und der ihn jagende Birh-Melack genommen hatten. Amemnas kahlköpfiger Leibwächter folgte ihr nun, aber er hatte seinen Herrn nicht abgehalten, dem König hinterher zu laufen. Vielleicht hätte die Anwesenheit seines Lehrers Amemnas eigenes jugendliches Ungestüm etwas gebremst. So aber hatte der König offensichtlich sein Vergnügen. Den letzten Rest des Weges konnte Barida auch dem weithin zu hörenden ausgelassenen Gelächter der beiden jungen Männer folgen. Sie jagten sich um die Säulen des hinteren Innenhofes, die beiden Holzpferdchen, die der König vom Sandtisch entführt hatte, schwammen in dem großen, flachen Wasserbecken, das den Boden im Zentrum des Hofes einnahm. "Du kriegst mich nicht!" rief der König triumphierend und rannte mit hoher Geschwindigkeit den Säulengang hinunter, so daß er fast gegen die Mauer lief, bevor er die Kurve nehmen konnte. Aber der junge Osheyprinz stand ihm kaum nach. Genauso wild kürzte er planschend quer durch das Wasserbecken ab und stellte sich dem König entgegen, der ihm in die Arme lief und den Birh-Melack umriß. Lachend kugelten sie sich über den Steinboden, obwohl der Sturz Barida schon beim Zusehen Schmerzen bereitet hatte. Und endlich waren sie vor lauter Lachen so außer Atem, daß sie keuchend ruhiger wurden und sich voneinander lösten. Amemna blieb auf dem Rücken liegen, aber der König sprang auf und setzte sich rittlings auf ihn. "Hah, hab ich dich doch besiegt, großer Krieger", und piekste ihn mit dem Zeigefinger auf das Brustbein. Nun lachte Amemna wieder. "Hab Erbarmen, mein König. Ich will dir auch stets treu dienen." Und Barida kam ein fast genialer Einfall, als sie die beiden so spielen sah. Wieso nicht Amemna Darashy zur Gattin ihres Sohnes machen? Sie würde ihn kastrieren lassen und alle Ärzte und Hebammen würden bezeugen können, daß er tatsächlich eine Frau war, trotz seiner tiefen Stimme. Falls er sich als Frau unfruchtbar erwies, aber in der vergangenen Nacht Barida geschwängert hatte, konnte man das von ihm gezeugte Kind als ein von ihm geborenes ausgeben. Ansonsten würde man, gegen eine entsprechende Belohnung, schon ein ansehnliches Mädchen aus gutem Hause finden, das bereit war, dem König ein Kind zu gebären und darüber zu schweigen. Noch immer balgten sich die beiden wie Kinder auf dem Boden des Säulenganges, während die Bediensteten schon gafften. Täuschte es, oder waren tatsächlich beide Jünglinge deutlich erregt? Nun mußte Barida wohl einschreiten, bevor einer der beiden hier, vor den Augen des ganzen Hofes, auf die Idee kam, noch weniger unschuldige Spiele zu spielen. "Mein König, steht auf", rief Barida den Säulengang hinunter und eilte zu ihrem Sohn. "Ich will aber noch weiter spielen", protestierte der König, während Amemna schon aufgesprungen war und seine Kleidung richtete. Dann verneigte der Osheyprinz sich vor der Regentin. "Wenn ihr weiter spielen wollt, Majestät, dann geht bis zur Mittagsruhe in einen der Palastgärten. Wenn es euch beliebt, nehmt auch gerne den Birh-Melack mit. Er wird euch in allem gehorchen." "Au fein!" rief der König aus, sprang auf und rannte schon wieder los. Und Amemna rannte genauso flinkt hinterher. Der kahlköpfige Leibwächter mußte ebenfalls laufen, um den Anschluß an seinen Herrn nicht zu verlieren. Es wäre natürlich eine furchtbare Verschwendung, Amemna das hübsche Glied und die Hoden abschneiden zu lassen. Vielleicht ging es ja auch ohne Kastration. Sie durfte nicht außer acht lassen, daß Amemna Darashy ein Oshey war und er sich Baridas Vorhaben - trotz der Aussicht, Gemahlin des Königs und damit Regentin von Tetraos zu werden - zu sehr zu Herzen nehmen mochte. Man könnte vielleicht vor der ärztlichen Überprüfung des Geschlechts einfach die männlichen Genitalien mit einem Tuch wegbinden und die Untersuchung unter einem Gewand und von hinten stattfinden lassen, um die Gefühle der angehenden Königsgattin nicht zu verletzen. Das hätte auch den Vorteil, daß die Vermählung des Königs sogar noch vor dem Feldzug offiziell bekannt gegeben werden konnte, da nicht erst Wochen oder sogar Monate das Abheilen der Kastrationsnarbe abgewartet werden mußte. Barida würde Amemnas tiefste, aufrichtigste Dankbarkeit erlangen müssen, um ihn zu dem Plan mit der Hochzeit zu überreden, das war ihr klar. Aber es sollte zu machen sein, mit Hilfe ihres rothaarigen Lieblingseunuchen. * "Herrin, etwas Furchtbares!" weckte das panische Geschrei der Zwergin Barida. Sie war sofort hellwach und fuhr von ihrem Ruhelager hoch. "Was ist geschehen?" "Ein Attentat, Herrin, auf euren Söldnerführer", stieß die Zwergin keuchend hervor. Offenbar war sie eine lange Strecke bis in die Räume des Königs gerannt, wo Barida sich auf einer Liege zur Mittagsruhe gebettet hatte. Der König dagegen schlief trotz der plötzlichen Unruhe weiterhin tief und fest, das Herumtollen mit Amemna hatte ihn erschöpft. "Was für ein Attentat und wo?" fragte Barida, legte den Schleier zurecht und stand auf. "In der Amalaube", war die gekeuchte Antwort. "Ein Besucher, ein Kind, hat mit einem Dolch auf den Söldnerführer eingestochen." Die Zwergin eilte voran, doch Barida hatte sie rasch ein- und überholt. Als sie zur Mittagsruhe ihren Sohn in seine Gemächer geleitet hatte, bestand Amemna darauf, sich allein in die Amalaube zurückzuziehen. Seinen Leibwächter hatte er weggeschickt, und Barida hatte es zugelassen, da die Laube ja versteckt in einem der Palastgärten lag und an diesem heiligen Ort auch keine Gefahr zu vermuten war. "Sind die Ärzte da?" schnappte sie, nun von dem Weg über Treppen und Flure ebenfalls außer Atem. "Ich weiß es nicht. Ich kam sofort zu euch, als ich von dem Angriff erfuhr, Herrin." Sie hatten den Garten erreicht, kamen in Sichtweite der von Efeu und Wein umrankten Amalaube. Einige von Baridas Wachen standen in einem Grüppchen neben der Laube, außerdem zwei Dienerinnen mit Wasserschalen und Schwämmen und drei Ärzte in ihrer Nähe. Und im Näherkommen sah Barida, daß im Eingang der Laube Amemna saß, der Hals und das weiße Untergewand von Unmengen an Blut besudelt. Er hielt einen kleinen Jungen im Arm, der ebenfalls blutbefleckte Kleidung trug und herzzerreißend weinte. Amemna streichelte sein Haar, flüsterte ihm anscheinend Worte der Beruhigung zu. Barida verschnaufte einen Moment und fragte dann den Kommandanten ihrer Wache im Flüsterton: "Was genau ist passiert?" Der Mann sah erschüttert aus, dabei wußte Barida, daß es kaum das viele Blut sein konnte, das ihn erschreckte. "Majestät, zwei Besucher wollten zu dem Birh-Melack der Söldner, eine Frau, die sagte, sie sei die Amapriesterin aus dem Söldnerlager und ihr Sohn, dieser Junge dort. Der Birh-Melack schickte den Wächter, der die beiden begleitet hatte, fort und sprach wohl eine Weile mit der Frau, die den Garten dann wieder verließ, allerdings ohne ihr Kind. Dann hörten wir, wie der Junge wild schrie. Als wir dazukamen lag der Birh-Melack in seinem Blute und der Junge stieß ihm wiederholteinen Dolch in die Kehle. Und dann, bei allen Göttern, erhob der Birh-Melack sich und sagte, es ginge ihm gut und er verbot, den Knaben anzurühren." "Jemand soll die Leibwächter des Birh-Melack holen", befahl Barida und ging näher an den Eingang der Laube. Der süßliche Geruch des Blutes ließ die Übelkeit in ihr aufsteigen, aber sie riß sich zusammen, hielt ein Ende ihres parfumierten Schleiers vor Mund und Nase. "Majestät", wandte der Kommandant der Wächter ein, aber Barida schüttelte den Kopf. Der Dolch, mit leicht gekrümmter Klinge und weißem, blutbeflecktem Griff, lag mitten in der Laube, vor dem Bild der Ama, außerhalb der unmittelbaren Reichweite des Jungen oder Amemnas. Die kostbare Steinskulptur war von oben bis unten mit Blut bespritzt. "Ama verzeih", entwich es Barida flüsternd, als sie die Schändung des Bildnisses entdeckte. "Was ist hier passiert?" verlangte sie dann von Amemna zu wissen, als sie noch eine Armlänge von ihm entfernt stand. Der Junge ruhte mit der Wange an Amemnas Brust in dessen blutigen Armen, und mit blutbeschmiertem Gesicht sah der junge Osheyprinz zu Barida auf. Seine hellgrauen Augen wirkten in diesem Moment nicht exotisch sondern bedrohlich fremdartig. "Dieserr Knabe wollte eine Schuld begleichen, Majestät", sagte Amemna leise, strich dem Jungen noch einmal mit seinen blutroten Händen liebevoll über das Haar. "Was für eine Schuld?" wollte Barida wissen. Amemna hob das Kinn des Jungen an, so daß dieser den Osheyprinzen ansehen mußte. "Sprrichst du fürr dich selbst?" Der Junge nickte und sah Barida an. "Es war eine Schuld am Ungenannten, Herrin", flüsterte er dann kaum hörbar. "Aber ich war verblendet. Ich hielt den Unirdischen für einen Dämon, weil er das Opfer an den Ungenannten verhindert hatte. Ich hatte nicht verstanden, daß es der Wille des Ungenannten war, daß ich nicht geopfert werde." "Der Unirdische? Sprichst du von meinem Söldnerführer Amemna Darashy?" fragte Barida nach. Ob das der Sohn des Feldherrn war, den Amemna Darashy durch einen Trick vor der Opferung an den Ungenannten gerettet hatte? Aber mit welchem Trick hatte er sich selbst vor den Stichen des blutigen Dolches dort in der Laube gerettet? Mit welchem Trick hatte er eimerweise Blut in der Laube und auf seinen Gewändern verteilt, ohne eine Verletzung aufzuweisen? Der Junge sah ungeachtet seiner Tat so unschuldig aus, daß es Barida bei dem Anblick seiner von den blutigen Gewändern des Birh-Melack gefärbten Wange einen Stich gab, als sei der Knabe Opfer eines Überfalles geworden, nicht der junge Osheyprinz. "Ich habe dein Blut verrgossen, du hast nun mein Blut verrgossen. Sind damit alle Schulden beglichen?" fragte Amemna den Knaben leise. "Ja, Herr", antwortete der Junge ebenso leise. "Ich würde gerne mit meiner Mutter zurück ins Lager gehen, Herrin", sagte er dann zu Barida. Barida konnte nicht fassen, daß das Geschehene so spurlos an dem Jungen abglitt, als habe zufällig jemand einen Eimer Farbe ausgegossen. Nicht einmal ihren schwachsinnigen Sohn hätte dieses Blutbad ungerührt gelassen. "Majestät, die Mutter des Kindes wartet am Eingang des Gartens", ließ sich der Kommandant der Wachen vernehmen. "Sie ist eine Priesterin der Ama, nicht wahr? Dann soll sie, nachdem das ganze Blut weggewaschen worden ist, die Laube auch spirituell reinigen. Danach mag sie mit ihrem Sohn gehen." Die einzige Erklärung dafür, daß Amemna blutüberströmt aber anscheinend wohlauf vor ihr saß und sich nun geschmeidig zum Stehen erhob, war, daß er tatsächlich ein Engelswesen war. "Ich würrde mich gerrne säuberrn und dann im Lagerr nach dem Rrechten sehen, Majestät", sagte Amemna nun mit einer Verbeugung. "Ich würde mich freuen, wenn ihr dem König und mir beim Nachtmahl Gesellschaft leisten würdet", entgegnete Barida daraufhin mit einem mechanischen Lächeln, drehte sich um und lief fast dem kahlköpfigen Leibwächter Amemnas in die Arme. "Verzeiht mir, Majestät", beeilte sich dieser sofort zu sagen, mit auffällig bleichem Gesicht, wahrscheinlich durch den Anblick den sein Herr ihm bot. Barida verdrängte das Bild des blutbesudelten Jünglings, versuchte, keinen Gedanken zuzulassen, der mit Amemna, diesem Attentat oder größeren Mengen an Blut zu tun hatte und eilte in ihre eigenen Gemächer. Eine ihrer Zofen brachte ihr von dem Ostlergetränk und sie stürzte zwei, drei volle Becher hinunter, bis ihr so schwindelig war, daß sie kaum mehr stehen konnte. Dann ließ sie sich auf ihr Bett fallen. War ihr da von den Göttern wirklich ein Engel als Liebhaber und zukünftige Gattin ihres Sohnes gesandt worden? Den Göttern hatte es auch gefallen, ihren König viel zu jung zu sich zu holen und seinem Sohn auf Dauer den Verstand eines kleinen Kindes zu geben. Warum sollte sie jetzt nicht eine Wiedergutmachung dafür erhalten? * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)