Wild Beasts von jakey-lynn (Träume nicht dein Leben, leb' deinen Traum! - Für die Freiheit lohnt es sich zu kämpfen!) ================================================================================ Kapitel 19: Kapitel 10 – Bam / Saviour oder Ein ruhiger Tag Teil 3 ------------------------------------------------------------------ Kapitel 10 – Bam / Saviour oder Ein ruhiger Tag Teil 3 Etwa eine Viertelstunde später war ich fertig in kurzen schwarzen Socken, schwarzer, stylisch-zerrissener Hotpants und feuerrotem Tank-Top mit Tiger-Print. „So, da bin ich wieder“, begrüßte ich Ruffy, der sich mittlerweile sicher war, was er kochen wollte. Kurz sah er zu mir. „Gut siehst du aus“, kommentierte er sofort. „Danke. Und, Meisterkoch, was gibt es zu Abend?“ „Ich hab mir überlegt, dass wir, zur Abwechslung mal, eine Champignonsauce mit Semmelknödel essen könnten. Ist nicht so aufwendig und macht satt.“ „Hört sich toll an.“ Ich wusste nicht wieso, aber ich war heute besonders gesprächig und wollte auf keinen Fall, dass eine Stille entstand. Aus diesem Grund schnappte ich mir einen Sessel und setzte mich in die linke Ecke der Küche, um einen guten Überblick zu haben. „Was haben du und Ace heute so gemacht?“, begann der 19-Jährige interessiert, während er die Champignons putzte. „Also den Tag haben wir mit Frühstück im Bett begonnen.“ „Ne, ernsthaft, was habt ihr gemacht?“ „Wir haben den Tag mit Frühstück im Bett begonnen.“ „Hältst du mich zum Narren?“ Unsicher blickte Ruffy zu mir. „Nein“, gab ich ihm ehrlich zu verstehen. Ungläubig beäugte mich der Strohhutjunge und hörte kurzzeitig damit auf sich um die Champignons zu kümmern. „Ist das denn so ungewöhnlich?“, fragte ich vorsichtig. „Sogar sehr. Ace ist noch nie freiwillig früher aufgestanden, um seiner Freundin Frühstück zu machen. Geschweige denn es ihr ans Bett zu bringen.“ „Ist das jetzt schlecht?“, wollte ich zögerlich wissen. „Nein, überhaupt nicht! Ja nicht falsch verstehen! Was war sonst noch?“, meinte mein Gesprächspartner eilig und beobachtete mich interessiert, was ich ihm sonst noch so erzählen würde. Das Essen war vorzeitig in Vergessenheit geraten. „Er hat für mich Waffeln mit Schokosauce gekocht und mich damit gefüttert. Na ja, ich hab es hin und wieder auch gemacht. War ja genug da. Wir haben uns auch gefragt, was uns so im Kopf herumgeht. Ich hab ihm erzählt, weshalb ich manchmal auf Abwehr gehe und niemanden mehr heranlasse. Und zwar deshalb, weil ich lange Zeit niemanden vertrauen konnte und eben nur Feinde habe. Mit der Ausnahme von dir und Ace. Außerdem hab ich ihm erklärt, dass, bis vor kurzem, rasende Rage das stärkste Gefühl war, das ich kannte. Aufgrund meiner vergangenen Erlebnisse kann es aus diesem Grund hin und wieder vorkommen, dass die Sicherungen bei mir durchbrennen. Weißt du, es ist deswegen sehr schlimm für mich, weil ich mich an absolut alles in meinem Leben erinnern kann. Ich hab Ace auch erzählt, dass er für mich ein Ruhepol ist, der mir Halt gibt, mich beschützt, mir Zuneigung und Nähe schenkt und mir Zuflucht bietet. Unter anderem weiß er nun, dass mich seine Nähe besänftigt und ich nur bei ihm ganz entspannt bin.“ „Oh, das freut mich sehr, das er das jetzt endlich weiß.“ „Ace hat sich wahnsinnig über meine Worte gefreut. Er hat gemeint, dass er noch nie so was Wunderschönes gehört hat. Am Anfang hat er gar nicht gewusst, was er mir konkret sagen soll. Ace hat zu mir gesagt, dass ich wie ein leuchtender Stern bin, der auftaucht, wann es ihm gefällt, ich ihn in meinen Bann ziehe und manchmal weit entfernt bin, aber nie so weit, das er mich aus den Augen verliert.“ „Wow, das ist echt romantisch“, schwärmte Ruffy verträumt, mit einem Funkeln in den Augen, der sich vor mir in den Schneidersitz niedergelassen hatte und mir aufmerksam zuhörte. „Ja, es berührt mich immer noch“, verriet ich dem jungen Mann. „Wir haben uns auch darüber unterhalten, was mit ihm geschehen ist, als er weg war. Nachdem wir einander unsere Gedanken preisgegeben haben, hab ich ihn darum gebeten, mir den Rücken zu massieren, was er auch getan hat.“ „Echt? Mein Bruder hat dich massiert? Wahnsinn“, staunte der 19-Jährige. „Ja, dabei hat er mich auch bezüglich Donnerstag aufgeklärt. Danach haben wir 'ne Runde Basketball gespielt, die ich haushoch gewonnen hab“, berichtete ich ihm stolz. „Du hast Ace fertig gemacht? Das kann ich nicht ganz glauben.“ „Ist aber wahr. Ich hab mit ihm gespielt, wie wenn ich eine Katze wäre, die mit ihrer Beute spielt, ehe sie sie verschlingt.“ „Haha, klingt echt lustig! Das hätte ich zu gern gesehen. Da wünsche ich mir ja direkt auch mal gegen dich zu spielen.“ „Während unseres Matches, hab ich Ace erzählt, dass ich bereits mit 4 Basketball und kämpfen gelernt hab. Er hat auf wildes Raubtier gemacht und mich durch die Wiese gejagt. Das hat total Spaß gemacht. Natürlich hat er mich gefangen und sich mit mir ins Gras fallen lassen. Während wir uns den Sonnenuntergang angeschaut haben, hat mir Ace verraten, dass er eine richtige Raubtierseite hat, die bis jetzt ein einziges Mal zum Vorschein gekommen ist, sodass er sich richtig verloren hat. Ich hab ihm geantwortet, dass ich sehr wohl weiß, wie das ist, weil es diese auch bei mir gibt. Außerdem hat mir Ace gesagt, dass er sich ein Leben ohne mich gar nicht mehr vorstellen kann und will. Und genau so geht es mir auch. Nachdem er sich geduscht hat und ich mir seine Gitarre angesehen hab, hat er mir ein Lied vorgespielt und dazu gesungen. Es war genau die gleiche Melodie ...“ „... wie damals, als er das Essen versaut hat“, beendete Ruffy meinen Satz etwas anders. „Ich weiß von dem Lied. Zwar hab ich keine Ahnung, wie es klingt, den Text oder Sonstiges, aber im Großen und Ganzen weiß ich darüber Bescheid. Ich dachte, dass er es dir morgen vortragen wollte?“ „Ja, das hat er mir gesagt, aber er wollte es mir doch schon heute vorsingen“, endete ich mit meinem Vortrag über meinen Tag mit Ace. Aufmerksam musterte mich Ruffy. Ihm war es aufgefallen, dass ich ein paar Details ausgelassen hatte, aber er würde sich morgen das ganze Szenario noch von seinem Bruder anhören. Jedenfalls das, was er noch nicht wusste. Fröhlich schmunzelte er mir zu. „Kate, du bist für meinen Bruder wirklich jemand ganz Besonderer. Du bist die allererste Freundin, für die er das alles gemacht hat und mit der er über Dinge geredet hat, von denen nur ich eine Ahnung hab. Kein Wunder, das er so durch den Wind ist und seine alten Gewohnheiten aufgibt. Ace war deshalb schon so früh fertig, um umso mehr Zeit mit dir verbringen zu können. Er hat versucht alles so kurz wie nur möglich zu machen, um so schnell wie möglich wieder bei dir sein zu können.“ Mit diesen Worten erhob sich Ruffy und widmete sich wieder der Zubereitung des Essens. Ein wenig nachdenklich beobachtete ich ihn dabei. Schweigend ließ ich mir das Gespräch mit dem Strohhutjungen durch den Kopf gehen. Obwohl er mir erzählt hatte, weshalb sich mein Freund so benahm, war er bei den ernsteren Themen nicht näher ins Detail gegangen. Deshalb begann ich mich allmählich zu fragen, ob der junge Mann nicht doch etwas wusste, worüber er mich aber nicht in Kenntnis setzen konnte bzw. wollte. Einige Minuten später saßen Ruffy und ich am Tisch und genossen wortlos das Abendessen. Doch mit jeder Sekunde wuchs die Sehnsucht nach meinem Freund. Schließlich war ich so weit, dass ich keinen Bissen mehr hinunter brachte. „Ruffy, mir fehlt Ace“, murmelte ich bedrückt und legte meinen Kopf auf das kühle Holz. Zärtlich schmunzelte mich der Angesprochene an. „Kann ich verstehen.“ „Ich will, dass er hier ist. Ich mag das überhaupt nicht von ihm getrennt zu sein.“ „Ich weiß, so geht es ihm auch. Was hältst du davon, wenn wir nachher eine Komödie schauen und Uno spielen?“, schlug mir der 19-Jährige gutgelaunt vor. Zustimmend nickte ich ihm zu und aß mit leichterem Herzen meine Mahlzeit auf. Stille. Eiserne Spannung. „UNO!“, rief ich schnell. „Ha! Du musst 2 Karten nehmen, Ruffy“, triumphierte ich. „Mist, da warst du echt flinker als ich.“ Missmutig hob der Strohhutjunge die besagte Anzahl an Karten auf. Ich dagegen musste schauen, das ich meine 10 Karten loswurde. Aber irgendwie war das Glück nicht auf meiner Seite. Ungeduldig legte ich eine drauf. Der 19-Jährige grinste kurz boshaft, ehe er lässig eine Karte in die Mitte warf. „Ne! Nicht schon wieder! Du hast mich doch gerade 4 Karten ziehen lassen“, beschwerte ich mich und war kurz davor das Handtuch zu werfen. „Ach, komm, so schlimm ist das auch wieder nicht.“ „Heb du mal innerhalb eines Spiels über 50 Karten auf, komme runter auf 9 und heb noch 4 auf. Dann reden wir erst weiter“, verlangte ich von meinem Spielgefährten. „Willst du tauschen?“ „Nein, das ist nicht fair. Nur weil ich morgen Geburtstag hab, musst du mich noch lange nicht schonen. Also, sag schon welche Farbe?“ „Ähm, blau. Nein, rot.“ „Entscheid dich mal!“ „Ist das nicht egal? Du hast sicher von jeder Farbe genug Karten“, meinte Ruffy frech. Daraufhin knurrte ich ihn warnend an und fletschte die Zähne. „Blau, blau“, entschied sich der Strohhutjunge schnell und warf sich seine freie Hand über den Kopf, aus Angst ich könnte ihm meine Faust draufschlagen. „Geht doch“, grinste ich überlegen, ehe ich drei 2+-Karten hinlegte. Der 19-Jährige konterte indem er eine 4+ dazu warf. Doch ich beendete es mit einer weiteren 4+. Boshaft kicherte ich vor mich und amüsierte mich über das erstaunte Gesicht meines Spielgefährten. „Damit hättest du jetzt nicht gerechnet, ha, Ruffy?“ „Das … du hast mich ausgetrickst.“ „Ganz Recht. So war es auch bei Ace beim Basketball.“ „Oh, Mann, wie hast du das gemacht?“ „Komisch, genau dasselbe wollte Ace auch von mir wissen“, feixte ich amüsiert. „Kriege ich darauf auch eine normale Antwort, mit der ich was anfangen kann?“ „Ja, du warst selbst Schuld. Dadurch, dass du mich so viele Karten ziehen hast lassen, bin ich mal zu den Guten gekommen.“ „Das heißt, ich hab mir ein Eigentor geschossen.“ „Genau“, antwortete ich schlicht. Dennoch hatte ich immer noch 9 Karten in der Hand, während Ruffy 14 hatte. Trotzdem wusste ich sehr wohl, dass er diese innerhalb kürzester Zeit wieder loswerden konnte. „Jetzt geht’s zur Sache, nicht?“ „Auf jeden Fall, Kate.“ Innerhalb weniger Sekunden legten wir unsere Karten nieder, bis wir beide nur mehr 1 hatten. Der Stapel wurde immer kleiner. Doch keiner von uns hatte die passende, um das Spiel für sich zu entscheiden. Ich verfluchte allmählich schon diese gelbe 3 in meiner Hand, die sich einfach nicht verabschieden wollte. Da warf Ruffy einen Farbwechsel in die Mitte. „Rot.“ Da ich so eine aber nicht besaß, musste ich abheben. Gerade, als ich mein Testament machen wollte, wurden meine stummen Gebete erhört. »Die hat mir bestimmt Ace geschickt«, dachte ich beglückt und lachte gedanklich. „Träum weiter, Strohhut. Ich sage: Gelb.“ Triumphierend grinste ich meinen Spielgegner an. Ärgerlich gab Ruffy ein kurzes Knurren von sich, als er meinen Farbwechsel erblickte. „Verdammt! Den hat dir ganz sicher Ace geschickt“, fluchte er lautstark. „Wahrscheinlich. Mein Freund ist eben der Beste!“, freute ich mich. Der Strohhutjunge hob eine Karte auf und hielt sie vor sein Gesicht. Tief seufzte er. „Yes!“, rief ich siegreich aus und warf die Arme in die Höhe. „Ich hab gewonnen! Ich hab gewonnen!“ „Doofer, Ace. Das zahle ich ihm noch heim. Mischt sich einfach in unser Spiel ein“, grummelte Ruffy vor sich hin und schmollte. „Schiebe doch nicht die Schuld auf Ace. Das du verloren hast, ist doch nicht schlimm. Außerdem, als ich gegen Ace Basketball gespielt hab, wusstest du nichts davon. Das ich dich jetzt bei Uno besiegt hab, weiß wiederum Ace nicht. Also hab ich einfach nur ehrlich gewonnen.“ Das leuchtete dem Strohhutjungen ein. „Hm, stimmt. So oft wie wir heute über Ace zu sprechen kommen, wird der sicher keine ruhige Minute haben“, meinte der 19-Jährige nachdenklich, der seinen Bruder bestens kannte. Doch von seiner Aussage bekam ich nicht mal das Geringste mit. Ich war aufgestanden und zur Glastür gegangen, die hinaus in den Garten führte. Gedankenverloren starrte ich hinauf in dunklen Horizont. Rasant huschten meine giftgrünen Augen von einer Ecke zur nächsten. Doch vergeblich. Ich konnte meinen Stern einfach nicht finden. Ohne das ich es wirklich wollte, machte mich diese Erkenntnis traurig. »Ace, wo bist du nur?«, fragte ich gedanklich und suchte den Himmel nach einer möglichen Antwort ab. Da spürte ich, wie Ruffy mir seinen linken Arm um die Schultern legte und mich zu sich zog. Aufmunternd strich er mit seiner Hand über meinen Oberarm. „Ihm geht’s bestimmt gut.“ „Ich weiß. Ich kann nur meinen Stern nicht finden“, erklärte ich ihm. „Deinen Stern? Hier sind doch mehrere zu sehen. Woher weißt du dann, welcher deiner ist?“ Darauf schmunzelte ich Ruffy geheimnisvoll zu. „Ich weiß es einfach. Denn jeder Stern sieht anders aus. Außerdem ist meiner ganz besonders.“ Leicht verwirrt senkte der Strohhutjunge eine Augenbraue. Schließlich nickte er. „Stimmt, jeder Stern ist einzigartig. Wie sieht denn deiner aus?“, wollte er interessiert wissen. „Strahlend hell“, grinste ich. „Du wirst mir nicht mehr sagen, oder?“ „Nö.“ „Schon okay, Kate. Ich verstehe das. Willst du noch was machen?“ „Ja, du musst mir noch ein paar Antworten geben.“ „Okay, irgendwas Spezielles?“ Lächelnd führte ich ihn zur schwarzen Couch und ließ mich dort nieder. Ruffy tat es mir gleich. Die Uno-Karten waren säuberlich weggepackt worden. „Woher hast du Kratzer über deinem rechten Auge?“ „War ja klar, dass ich um diese Frage nicht herumkomme. Ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Jemandem.“ Eingehend bohrten sich meine giftgrünen Augen in seine schwarzen. Wollte er mich gerade zum Narren halten, nur weil ich ihn beim Uno besiegt hatte und manche Dinge für mich behielt? Da Ruffy aber keine Antwort mehr gab, starrte ich ihn regelrecht an. Meine grüne Iris schien zu pulsieren. Der Strohhutjunge fühlte sich mit jeder Sekunde immer unwohler. Innerlich lächelte ich, aber äußerlich war meine Miene unbewegt. Oh, ich liebte manchmal meinen Blick! Ruffy schluckte schwer. Eine Schweißperle rann seine linke Schläfe entlang. Der pulsierende Ton meiner Iris verstärkte sich nur, wurde immer heller und killte ihn offenbar von innen. „Okay, okay, hör auf mich so anzusehen! Ich halte das nicht mehr aus. Ich rede, ich rede, aber hör bitte auf so zu gucken!“, gab sich der 19-Jährige schließlich geschlagen und hielt sich die Hand vor die Augen, um den Blickkontakt von mir zu trennen. Schelmisch lachte ich auf. Oh, ich liebte es hin und wieder gemein zu sein, um meinen Willen durchzusetzen! „Ruff, du kannst mich wieder ansehen.“ „Wirklich? Nicht das du mich reinlegst.“ „Nein, du kannst wirklich schauen.“ Vorsichtig spreizte er die Finger, um zumindest durch ein Auge zu mir sehen zu können. Als der Strohhutjunge bemerkte, dass ich ihn angrinste und das Grün meiner Seelenspiegel wieder normal war, senkte er seine Hand. „War das so unheimlich?“ „Weißt du, bisher hat nur Einer es geschafft mich so aus der Fassung zu bringen. Vor allem, wenn es quasi um nichts ging. Er war einer meiner besten Kumpels, den ich je hatte. Na ja, er ist es immer noch. Aber ich hab ihn schon mehrere Jahre nicht mehr gesehen. Manchmal frage ich mich, wie es ihm gerade so geht. Dennoch weiß ich, dass er sicherlich alles packt, was er auch immer will. Na ja, egal. Ich schulde dir noch eine Antwort. Dieser Jemand war irgendwer. Keine Ahnung wer. Es war dunkel, hat geschüttet und außerdem hab ich sein Gesicht nicht sehen können, da er 'ne Kapuze trug. Sorry, aber ich hab wirklich keinen blassen Schimmer, wer er war.“ „Hm.“ Nachdenklich ließ ich mir die Aussage des Strohhutjungen durch den Kopf gehen. Er sagte definitiv die Wahrheit. Trotzdem kamen mir seine frischen Wunden bekannt vor. Irgendwo hatte ich solche schon mal gesehen. Nur wo? „Darf ich?“, fragte ich Ruffy, der nickte, um mir sein Einverständnis zu geben. Behutsam strich ich mit den Fingern meiner rechten Hand über die drei klaffenden Schnitte. In Gedanken versunken, versuchte ich mich zu erinnern, wo ich solche Verletzungen zum letzten Mal gespürt hatte. Plötzlich war ich mir im Klaren! Ärgerlich zog ich die Augenbrauen zusammen. „Wie ist es dazu gekommen? Habt ihr geredet oder so?“, wollte ich endlich von meinem Gegenüber wissen. „Na ja, ich bin gestern, genauso wie Ace, hinter dir her, nachdem du Hals über Kopf aus der Wohnung gestürzt bist. Er schien gedacht zu haben, dass ich hinter dir her bin, oder so. Richtig geredet haben wir nicht. Wie gesagt, es war dunkel und anhand des Gewitters haben wir uns beide kaum gesehen. Deshalb hab ich erst diese Kratzer abgekriegt. Ich glaub nicht, dass er mir schlecht gesinnt war. Er schien eher frustriert zu sein.“ „Hast du seine Waffen gesehen?“ „Nein, überhaupt nicht. Außerdem war der Kampf weder sonderlich lang, noch weit entfernt vom Haus. Es passierte in etwa auf halbem Weg zur Schule in einem Park, glaub ich. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr so genau dran erinnern. Konntest du damit was anfangen?“ „'N Bisschen“, gab ich zu, obwohl es nur die halbe Wahrheit war. Doch ich war noch nicht so weit, um darüber genauer zu reden. „Wollen wir schlafen gehen? Du schaust schon echt müde aus, Kleines.“ „Ja, der Tag war wirklich energiegeladen. Obwohl es der bislang ruhigste war, den ich seit einigen Jahren je hatte.“ „Ist doch toll, nicht?“ „Oh, ja. Total. Gehen wir schlafen, Bro.“ Zustimmend lächelte mich Ruffy an, hob mich, wie selbstverständlich, hoch und trug mich ins Zimmer seines älteren Bruders. Dort legte er mich ins Bett, deckte mich sorgfältig zu, gab mir einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn und wünschte mir angenehme Träume. Kaum das mein Bruder in spe weg war, war ich bereits eingeschlafen. Wenig begeistert drehte er den Schlüssel herum, um sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Bevor er eintreten konnte, steckte eben dieser fest, sodass er Gewalt anwenden musste, um ihn zu befreien. Missmutig stapfte er durch den Eingang. Bevor er jedoch irgendwas tun konnte, fiel die Tür scheppernd hinter ihm ins Schloss. Kurz zuckte er erschrocken zusammen. Mürrisch grummelte er irgendwas Unverständliches in Richtung des Eingangs. Er war müde und wollte nur mehr ins Bett, da brauchte er keine dumme Tür, die einfach wie von selbst zufiel. Schließlich machte er sich daran seine Stiefel zu öffnen, um sie auszuziehen und, nicht mal zwei Sekunden später, eben über diese drüber zu stolpern. Überrascht schlug es ihn auf den Bauch zu Boden. Leise vor sich hin fluchend, versuchte er wieder aufzustehen, was ihm nicht so recht gelingen wollte. Aus diesem Grund beschloss er auf kurz oder lang sich über den Boden zu ziehen. Bei den Holzstiegen erging es ihm dabei leichter. Warum wurden ihm beim Schlafen gehen immer wieder Steine in den Weg gelegt? Ihm kam es vor wie eine Ewigkeit, ehe er im 1. Stock ankam. An der obersten Stufe blieb er kurz liegen, um sich auszuruhen. Bevor er allerdings einschlief, stand er auf, schlurfte ins Bad, duschte sich und zog sich um. Dabei wachte er wieder etwas auf. Anstatt sich endlich in die Federn zu schmeißen und in seine Träume abzutauchen, tapste er, herzhaft gähnend, äußerst schwerfällig die Stiegen nach unten, um sich was zu essen zu machen. Er hatte auf einmal wahnsinnigen Hunger bekommen. Wenn er nicht sofort etwas Gutes zu beißen bekam, würde er garantiert nicht schlafen können. Während er so darüber nachdachte, übersah er die letzte Stufe und landete unsanft auf dem Boden. Wacker drückte er sich erneut weg und trottete in die Küche. Unruhig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Schließlich gab ich auf. Es nützte nichts. Ich konnte einfach nicht schlafen. Seufzend setzte ich mich auf und ordnete meine Haare. Besonders lange hatte ich nicht geschlummert. Leicht rieb ich mir den Schlaf aus den Augen und stand auf. Ich streckte meinen Körper und tapste aus dem Zimmer. Komischer Weise war Ace immer noch nicht da. Was der wohl so trieb? Lautlos schlich ich die Treppe hinunter, als ich ein Niesen hörte. Außerdem bemerkte ich ein schwaches Leuchten, das aus der Küche zu kommen schien. Wer war denn um diese Zeit noch wach? Gegen das Licht blinzelnd trat ich in die Küche. Noch hatte ich nicht erkannt, wer derjenige war, der da am Herd stand und kochte. „Gesundheit“, wünschte ich dem, noch, Unbekannten. Eben dieser stieß einen kurzen erschrockenen Laut aus, drehte sich nach rechts und knallte mit voller Wucht gegen den Kühlschrank. Leise fluchend rieb er sich die rechte Wange und erkannte Blut an seinen Fingern. Anscheinend hatte er sich irgendwie an der Kante geschnitten, an der er aufgeprallt war. „Welcher Vollpfosten hat den Kühlschrank dahin gestellt?“, fauchte der Schwarzhaarige den Einrichtungsgegenstand an und drohte ihm mit der geballten, rechten Faust. „Ich würde sagen: Du?“, kommentierte ich. Daraufhin drehte er sich zu mir um, gab seine aggressive Haltung auf und versuchte sich an einem Lächeln. „Danke, übrigens.“ „Kein Problem. Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“ „Schon okay. Ich hab jetzt mit absolut niemanden gerechnet. Was machst du hier überhaupt so spät?“ „Ich konnte nicht mehr schlafen. Deshalb hab ich mir gedacht, dass ich was Warmes trinken könnte. Was machst du hier? Du schaust total müde aus.“ „Ich hab Hunger und wollte was essen. Du schaust aus, als hättest du dich in einem Raum mit Luftballons gewälzt“, grinste er schief. „Ha ha, wirklich witzig. So würdest du auch ausschauen, wenn du meine Haarlänge hättest und nicht mehr schlafen könntest.“ „So was würde mir nie passieren“, antwortete er schlicht. Der Schwarzhaarige widmete sich wieder seinem Essen in der Bratpfanne. In wenigen Schritten trat ich hinter ihn, schlüpfte unter seinem linken Arm durch, schlang meine eigenen um seinen Oberkörper und kuschelte mich an ihn. „Du hast mir gefehlt, Ace.“ Immer mehr klammerte ich mich an meinen Freund und verbarg meinen Kopf an seiner Brust. Selig schmunzelnd zog er mich mit seinem linken Arm näher an sich und strich mit seiner Hand über meinen Rücken. „Ich hab dich auch vermisst, Kate. Was willst du denn trinken?“ „Keine Ahnung. Ich hatte an einen Tee oder Kakao gedacht.“ „Wie wäre es dann mit warmer Kokosmilch?“ „Das hab ich noch nie getrunken“, gab ich zu. „Wirklich? Na, dann wird es Zeit.“ „Sag mal, Ace, was kochst du da überhaupt?“ „French Toast. Das ist nicht so aufwendig. Willst du auch was?“ „Wenn du dann nicht zu wenig hast, nehme ich zwei.“ „Ist gut. Was haben du und Ruffy so gemacht?“ „Nichts besonderes. Geredet, gegessen und ich hab ihn bei Uno besiegt.“ „Bei Uno? Wie hast du das gemacht? Lass mich raten: Er hat dich eine Menge Karten ziehen lassen.“ „Oh ja, über 50 in nur einem Spiel.“ „Ja, das kenne ich nur zu gut. Wie hast du ihn besiegt?“ „Durch besondere Hilfe und eines Farbwechsels.“ „Haha, klasse! So gehört sich das!“, freute sich Ace. Über seine Aussage konnte ich nur amüsiert den Kopf schütteln. Eine Weile briet der Toast, getränkt in aufgeschlagenen Eiern, vor sich hin. Plötzlich fing das Öl zu spritzen an. „Pass auf“, warnte mich mein Freund und stellte sich schützend vor mich. Überrascht wie mir geschah blickte ich zu ihm auf. „Alles okay?“, fragte mich Ace, der lieblich zu mir hinunter sah und mich protektiv in den Armen hielt. „Mir ging es vorher schon gut, aber jetzt geht’s mir eindeutig besser“, verriet ich ihm, schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn sanft auf meine Augenhöhe. Da fiel mir erstmals der Kratzer an seiner rechten Wange auf, aus dem immer noch Blut lief. „Tut dir der Schnitt weh? Der blutet nämlich. Nicht das sich der entzündet“, meinte ich sorgenvoll. Ace grinste mich besänftigend an. „Keine Sorge. Der ist nicht der Rede wert.“ „Trotzdem. Den schaue ich mir genauer an und versorge dich“, bestimmte ich. „Aber ich ...“ Konkret legte ich ihm meinen rechten Zeigefinger an die Lippen, um ihn so zum Schweigen zu bringen. „Ich weiß, dass du Arzt bist und das durchaus selbst machen kannst. Ich will aber auch mal was für dich machen. Also rede nicht dagegen und küss mich endlich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)