Ein neuer Blickwinkel von RoseAkaShi (Großvaterparadoxon) ================================================================================ Kapitel 23: Schwester --------------------- Kapitel 23: Schwester „Die ganze Familienideologie ist ein sehr regressives Konzept. Die großen Werke der Weltliteratur handeln nicht von Familienglück, sondern von Familienhorror.“ (Jack Nicholson) Finns Sicht: „Setzt dich einfach hin, Tatia. So schwer ist das nicht, dass ich es nicht alleine hinbekomme“, erklärte ich ihr und wie sie nun mal war, protestierte sie sofort wieder. „Aber ich hab dich doch nur um Hilfe gebeten. Nicht es für mich zu machen“, konterte sie und ich wusste nicht, ob ich deswegen die Augen verdrehen sollte oder vielleicht doch eher schmunzeln. „Du hilfst mir in dem du dich da hin setzt und mir was erzählst“, gab ich zurück und endlich setzte sie sich, wenn auch nur seufzend. Tatia konnte auf jedenfall stur sein, aber nicht so wie Rebekah oder die anderen. Eher auf eine nette Art und Weise und trotzdem schaffte sie es einen zu frustrieren, selbst wenn man wusste, dass sie es nicht böse meinte oder gerade deswegen. Nervös spielte sie mit ihren Händen herum, als bräuchte sie unbedingt eine Beschäftigung. „Was soll ich dir denn erzählen?“, fragte sie nach. „Erzähl von deinem Lieblingsthema, Gideon. Wem sieht er ähnlich? Die Haarfarbe hat er anscheinend von dir, aber seine blauen Augen auf keinen Fall.“ Sofort erhellte sich Tatias Gesicht bei meinen Worten. „Ja, seine blauen Augen. Es ist als würde ich in Damons Augen schauen und er hat sie von s… unserer Mutter. Sonst sieht er aus… er sieht aus…“ Tatia stockte mit ihren Worten ziemlich hilflos und ich wusste dass der Gedanke sie auch hilflos gemacht hätte, wenn dieser noch leben würde. „Wie sein Vater, oder?“, fragte ich nach und sie nickte nur ein wenig verloren. Tränen drohten hochzukommen und sie kamen nicht daher, dass sie ihn vermisste, sie schien Schmerzen bei den Gedanken an ihn zu haben. Beharrlich schwieg sie und sah zu Boden. „Weißt du eigentlich, dass du die Bewunderung jedes Mannes besitzen, besonders die meiner Brüder?“, fragte ich sie direkt. Sie sah mich verwirrt an und da wurde mir klar, dass sie keine Ahnung hatte. „Du meinst, sie sind…“ „In dich verliebt, ja!“, bestätigte ich ihr. „Elijah und Niklaus.“ Sie sah ziemlich fassungslos aus, schloss die Augen und schüttelte dann den Kopf, als würde sie diesen Gedanken nicht begreifen können. „Das wusste ich nicht. Ich meine, ich wusste es bei Niklaus. Er hat es mir gesagt oder so ähnlich zumindest… Aber davor hatte ich keine Ahnung.“ Wie konnte sie es nicht sehen? Fast jeder junge Mann im Dorf würde sie zur Frau nehmen wollen und das trotzdessen, dass sie ein Kind hatte. „Du musst es doch auch bei deinem Mann bemerkt haben.“ Irgendwie musste er doch ihr seine Aufwartungen gemacht haben oder waren sie alle so anders als wir gewesen? „So war das bei uns nicht… Es war… Ich weiß nicht mehr… Es war so direkt und ging alles so schnell. Bevor ich mich versah, waren wir auch schon…“ „…verheiratet?“, fragte ich nach. Tatia sah geschockt aus, nickte aber und sah überhaupt nicht glücklich bei ihren Gedanken aus. „Sie lieben dich. Elijah und Niklaus. Sie würden dir nie willentlich weh tun“, versicherte ich ihr, als ihr Tränen über die Wangen liefen. Sie schüttelte den Kopf und versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, sie zu stoppen. „Er hat mir…“ „…weh getan“, beendete ich ihren Satz, bevor sie es bestreiten konnte. Ich wusste nicht wie es zwischen meinen Eltern war, zwar sah ich Esther nie weinen, doch ich wusste es war nicht perfekt und sie war unglücklich. Wir alle versuchten es unseren Vater recht zu machen, doch es gelang uns kaum. „Du brauchst es nicht zu bestreiten. Ich wusste es schon sehr lange.“ Überrascht sah sie zu mir auf, sie vergaß dabei sogar ihre Tränen. „Du redest am meisten über Gideon, was nur verständlich ist. Sehr viel über deinen ältesten Bruder, Damon und über deinen jüngeren Bruder und deine Eltern erwähnst du auch ab und zu. Sogar manchmal deine Freundinnen. Aber noch nicht einmal hast du deinen Mann erwähnt, den Vater deines Kindes. Dabei müsstest du das ständig tun, wenn du ihn geliebt hättest.“ Meine Geschwister liebten sie alle, wenn auch auf unterschiedliche Weise, auch ich. Wir redeten so oft von ihr, wie es uns die Abwesenheit unserer Eltern erlaubte und wir nutzen jede Minute, die wir mit ihr zusammen verbringen konnten. „Vielleicht hab ich ihn geliebt…“, meinte sie. „Schon eine Weile nicht mehr“, gab ich zurück und irgendwann nickte sie ganz leicht. Auch bei uns heiratete man nicht aus tief empfundener Liebe, so viel Zeit hatten wir gar nicht uns kennenzulernen. Bis auf die Familie hatte man kaum Gelegenheit jemand wirklich kennenzulernen. Tatia war die Ausnahme, sie scheute sich nicht vor Kontakt und da sie bereits einen Sohn hatte, war es auch nicht so verwerflich mehr und niemand achtete mehr auf ihre Tugend. Unsere Schwester hatte bisher allerdings noch nie wirklich mit einem Mann gesprochen. Ich machte den letzten Handgriff an der Arbeit und probierte dann noch einmal aus, ob alles auch stabil war. „So, fertig“, sagte ich ihr und überreichte ihr die beiden kleinen Miniflöße, die ich aus Ästen zusammen gebastelt hatte. „Die sollten nun schwimmen.“ Ein Ansatz an einem Lächeln bildete sich wieder auf ihrem Gesicht und sie nahm die beiden Flöße entgegen. „Ich hab von Ayanna bereits zwei Kerzen bekommen und sammele jetzt nur noch Blumen. Sobald es dunkel wird lass ich sie auf dem Meer davon treiben.“ Entsetzt sah ich sie an. Ich hatte gewusst was sie vorhatte, schließlich hatte sie es mir erzählt, nur hatte ich nicht gewusst zu welcher Uhrzeit sie das machen wollte. „Du kannst auf keinen Fall bei Einbruch der Dunkelheit alleine herausgehen!“, meinte ich erschrocken und der Gedanke, der ging einfach gar nicht. Keine Frau sollte überhaupt allein unterwegs sein und schon gar nicht, wenn es dunkel war. Tatia allerdings schien das nicht zu verstehen, sie runzelte verwundert die Stirn. „Wieso denn nicht?“ Gott, wie konnte sie das denn nicht wissen. „Es ist nicht so als wäre überhaupt jemand zu dieser Zeit unterwegs. Außerdem muss es die Zeit sein, man macht das immer in der Nacht, denn sie symbolisiert Stille und Abschied, wie auch Tod“, versuchte Tatia mir mit logischen Argumenten begreiflich zu machen, warum sie das in der Nacht machen wollte. „Das bestreite ich auch gar nicht, trotzdem kannst du nicht ohne Begleitung einfach in der Nacht rausgehen!“ Mein Ton war so ernst, das es eigentlich keinen Scherz zu ließ, doch Tatia sah mich eine Weile an und fing dann einfach an zu lachen. Fassungslos sah ich wie sie sich den Bauch hielt. Dachte sie wirklich ich hatte einen Scherz gemacht? Diesmal waren es Lachtränen, die sie sich aus dem Gesicht wischte und sobald sie fertig war, kam sie zu mir und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Von mir aus, Finn, kannst du mich ja begleiten, wenn es dir dann besser geht bei dem Gedanken, aber ich werde auf jedenfall gehen“, erklärte sie mir und fing dann wieder an zu lachen. Ungläubig sah ich wie sie davon ging und versuchte sich wieder zu beherrschen. Sie hatte mich kaum ernst genommen. Hatte ich ihr nicht gesagt, wie viel sie uns allen bedeutete? Wusste sie denn nicht, dass ich sie als meine Schwester sah? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)