Caroline von abgemeldet (Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 3: Stille Tage ---------------------- Die Erinnerungen die ich an meine Mutter habe sind blass geworden mit der Zeit und vermutlich nur zur Hälfte wahr. Sie war eine schöne Frau, hochgewachsen, größer als alle Mütter die ich kannte und größer als manche der Väter dazu. Das Leben brannte nicht in ihren Augen, wie es in den Augen meines Vaters brannte, auf den wenigen Fotografien die ich von ihm habe, es floss aus ihren Bewegungen und es echote leise in der Stille in die sie verfiel, wenn sie glaubte ich würde es nicht sehen. An sonnigen Nachmittagen saß sie in einem Korbsessel im Wintergarten und las in dicken Büchern ohne Lesebändchen. Und weil sie unfähig war sich die Seitenzahlen zu merken, legte sie die Innenklappen der Schutzumschläge als Lesezeichen hinein, bis sie ganz verknittert und abgestoßen waren. Wenn sie ein Buch ausgelesen hatte, stellte sie es in ein Regal oder legte auf die Spitze einer der Bücherstapel, nackt und in nichts mehr gehüllt als das Einbandmaterial, manchmal edel manchmal schlicht, manchmal schwarz und manchmal unerwartet bunt. Die Schutzumschläge bügelte sie zwischen zwei Seiten Wachspapier glatt und heftete sie an die Wände überall im Haus wie Filmplakate. Umschlag um Umschlag, bis sie die ganzen Wände bedeckten und sie begann selbst die Decke mit ihnen zu tapezieren, oder sie übereinander zu schichten. Es war etwas dass ich immer selbst tun wollte, wenn ich einmal ein eigenes Haus hätte. Ich würde jeden Zentimeter mit den Erinnerungen zupflastern an die Geschichten die mir Autoren erzählt hätten, deren Namen ich schon längst vergessen hätte wenn die Welten die sie erschaffen hatten mir noch immer klar in Erinnerung gewesen wären. Doch als ich Jahrzehnte später mein eigenes Haus hatte, war alles was die Wände zierte bunte Tapeten und die wenigen Fotografien die ich von meinem Vater hatte. Von meiner Mutter hatte ich nur eine einzige Fotografie, auch wenn ihr anmutiges Gesicht es wert gewesen wäre Mittelpunkt hunderte mehr zu sein. Aus einem Grund den ich bis heute nicht benennen kann hängte ich es nicht auf, sondern verwahrte es in der Schublade der alten Kommode, unter den Bettlaken. Und wann immer ich die Betten bezog, nahm ich es heraus und betrachtete es als hätte ich bereits vergessen, dass es da lag. Die Erinnerungen die ich an meine Mutter habe sind blass und stammen aus einer Zeit noch bevor das Licht greller und die Schatten dunkler wurden. Als ich meinen Onkel, ihren Bruder nach Jahren des Schweigens wieder traf, erzählte er von der Zeit im Krankenhaus, und von dem Tag an dem sie ihn bat mich aufzunehmen. Er erzählte es als wäre es schon Jahrhunderte her, und ich hörte ihm zu mit dem Gefühl es wäre nur eine weitere Geschichte. Eine die ich noch nie zuvor gehört hatte. Das Haus in dem ich mit ihr gelebt hatte, wurde nie verkauft, nie ausgeräumt, versiegelt lag es zwischen den Birnbäumen, all die Jahre bis ich den Mut aufbrachte zurückzukehren. Es war nicht mehr unser Zuhause. Wehrend ich träge Spuren im Staub hinterließ dachte ich bereits sehnsüchtig an den Tag, an dem selbst dieser Besuch nichts mehr wäre als eine blasse Erinnerung die sich langsam in der Zeit verliert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)