Moonlight Shadow von SeKaYa ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Disclaimer: siehe Kapitel 1 ~*~*~ Severus lehnte sich zurück und seufzte leise. Es war eine Katastrophe. Nun, nicht wirklich, aber die Tatsache allein, dass er mit Potter auf einem Zimmer war, eine Gehirnerschütterung hatte und bohrende Kopfschmerzen ... man könnte es eine Verkettung unglücklicher Zufälle nennen, wenn er an Zufälle glauben würde. Aber er war mehr ein Verschwörungstheoretiker. Und in diesem Fall wusste er, dass es eine gryffindor'sche Verschwörung war. Eine Verschwörung, die als Streich bezeichnet wurde, in Wahrheit jedoch ein Mordanschlag war. Das war alles, was er dazu sagen konnte. Wenigstens musste er Potter nicht ansehen. Noch konnte er sich unter seinem feuchten Tuch verstecken. Wenn er Potter sehen müsste, würde ihm schlecht werden. Das hieß, noch schlechter als ihm ohnehin schon war. Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Er erwartete die Stimme der Heilerin, aber derjenige, der sprach, war eine Person, die Severus am liebsten nie wieder gesehen hätte. "Mr. Potter, Mr. Snape." "Professor", erwiderte Potter respektvoll. Severus brummte nur. Ausgerechnet Albus Dumbledore. Warum Dumbledore? Hätten sie nicht Slughorn schicken können? Oder vielleicht McGonagall? Er hätte wirklich lieber McGonagall hier statt dem Schulleiter. Sicher, die Hauslehrerin von Gryffindor war auch irgendwie parteiisch, aber nicht so sehr wie Dumbledore. Bei Dumbledore war es beinahe schon besorgniserregend. Und vor allem gefährlich. Severus grollte bei dem Gedanken. Am Ende war es die Schuld der Gryffindors und ihrer Verbündeten. "... ist Mr. Snape wach?", fragte Dumbledore. "Bin ich – ich kann Sie wunderbar hören", zischte Severus. "Aber freiwillig ist was anderes." Er konnte förmlich spüren, wie Dumbledore ihn ansah, aber er verkniff sich jegliche Reaktion darauf. Was auch immer der Mann zu sagen hatte, es war nicht genug. Eine Entschuldigung, sofern es überhaupt im Rahmen der Möglichkeiten war, dass Dumbledore sich bei einem Slytherin entschuldigen würde, wäre niemals genug. Und das war seine Meinung, ohne genau zu wissen, was passiert war – er hatte eine Idee, wusste, was davor gewesen war, aber sein Gedächtnis ließ ihn beim entscheidenden Ereignis im Stich. Er konnte jedoch nicht sagen, warum. Es ärgerte ihn, und die vagen Erinnerungen, die er hatte, waren keine Hilfe. Warum? Warum erinnerte er sich nicht? Er wollte es, er wollte wissen, was passiert war, was Dumbledore getan hatte und was Potter damit zu tun hatte. Was geschehen war, nachdem Black ihn ... wohin gelockt hatte? Er erinnerte sich nicht. Nein, das stimmte nicht. Er wollte sich nicht erinnern, nicht tief in seinem Inneren. Es war die Dunkelheit seines Unterbewusstseins, die er fürchtete, und diese Dunkelheit verbarg eine noch viel tiefere Dunkelheit. Eine Dunkelheit, in der eine Bestie lauerte. Ein Monster. Eins, dem er gegenübergestanden hatte – und er hatte überlebt, ohne zu wissen, wie. Er hörte wie aus weiter Ferne eine Stimme. Sein Name. Jemand sagte seinen Namen. Er erinnerte sich daran, dass man ihn gerufen hatte. Aber wer? Warum? Er zitterte. Er erinnerte sich daran, was passiert war, als man ihn rief. Nein, er erinnerte sich nicht, er wusste es nur. Er spürte es. Den Atem der Bestie auf seiner Haut, den heißen Atem. Er konnte ihn riechen, ihn und die modrige Luft des Tunnels. Seine Augen weiteten sich. Die Bestie war hier. Direkt vor ihm. Mit gefletschten Zähnen, vor Geifer triefend. Er zitterte. Er wollte rennen, aber er konnte nicht rennen. Er war bewegungsunfähig. Er war gefangen. Weg. Er musste weg. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Warum nur konnte er sich nicht bewegen? Das Atmen fiel ihm schwer, eine schwere Last lag auf seiner Brust, erdrückte ihn fast. Es war unmöglich, er konnte nicht – "Mr. Snape!" ooOoo James sah hilfesuchend zu Dumbledore, aber der Schulleiter hatte offensichtlich auch kein Patentrezept für diese Situation. Fast schon unbeholfen versuchte er, Snape zurück in die Realität zu holen. Er tätschelte Snapes Hand und versuchte es auch damit, ihm gut zuzureden, aber James konnte sehen, dass es nur mäßig half. Vielleicht half es sogar gar nicht, da gab es keinen großen Unterschied. Es lag also ganz an Snape selbst. Nach einiger Zeit kam Snape auch von allein wieder zu sich. Er blinzelte desorientiert, unsicher. Dann schien er den Ort und die Personen zu erkennen. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich. Seine ehemals fast ängstliche Miene wich einer Maske des Zorns. Er riss seine Hand weg und fauchte: "Fassen Sie mich nicht an!" James war erleichtert, dass Snape wieder normal war, denn es hatte ihm Angst eingejagt, den Slytherin so zu sehen. Es passte einfach nicht, sich Snape derart verängstigt vorzustellen, wie er kurz zuvor gewirkt hatte, so abwesend und entrückt. Jetzt jedoch konnte er Snape wenigstens wieder für dessen Art verachten und so zumindest eine kleine Brücke zum Alltag schlagen. Das bedeutete James mehr, als er sich eingestehen wollte. Dumbledore hingegen wirkte seltsam bestürzt über die Reaktion. James verstand nicht, warum der Schulleiter so traurig wirkte. Snape ging es doch offensichtlich wieder gut. Nicht mal seine Kopfverletzung hatte seiner Giftigkeit einen Abbruch getan. Es war alles gut. Alles normal. Sobald sie wieder aus dem Krankenhaus raus waren, konnten sie zum Alltag zurückkehren. James würde mit seinen Freunden scherzen und sich wieder mit Snape streiten. Vielleicht würde er sogar endlich mit Lily auf ein Date gehen! Dumbledore seufzte und riss James damit aus seinen Tagträumen. "Ich möchte mit Ihnen über das weitere Vorgehen reden", begann er. "Ich bin mir bewusst, dass die Ereignisse noch sehr frisch sind" – er warf Snape einen beinahe verstohlenen Blick zu – "aber ich halte es für wichtig, Ihnen von Anfang an reinen Wein einzuschenken –" Snape unterbrach ihn mit einem tiefen Grollen. James sah ihn beinahe überrascht an, aber er wagte es nicht, etwas zu sagen. Snapes Miene war nun mörderisch. "Von Anfang an? VON ANFANG AN?!" Seine Stimme war unnatürlich hoch und schrill und schmerzte James fast schon in den Ohren. "Warum haben Sie es nicht wirklich getan? Warum haben Sie keinen Gedanken an Sicherheit verschwendet? DAS hätten Sie von Anfang an tun sollen!" Dumbledore schüttelte traurig den Kopf. "Mr. Snape, ich verstehe, dass sie ein wenig aufgewühlt, vielleicht hysterisch, sind, aber –" "HYSTERISCH?!" Snape kreischte fast. "Sie nennen mich hysterisch? Ich gebe Ihnen gleich hysterisch! Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?" Er schnaufte und versuchte, zu Atem zu kommen, sein Gesicht gerötet von der Anstrengung, die es ihn kosten musste, so zu schreien. Dumbledore versuchte erneut, ihn zu beschwichtigen, aber Snape schnappte beinahe nach ihm. James sah voller entsetzter Faszination zu. Snape wirkte kein bisschen wie sonst – außer, man betrachtete ihn als eine gigantische Kampfspinne, die Säure spuckte und Zangen hatte, die Knochen zermalmen konnten. Snape hatte sich schon immer ein wenig spinnenhaft bewegt, aber jetzt zeigte er, dass er, so er eine Spinne war, Acromantulas in die Flucht schlagen konnte. Momentan erwartete James jedoch mehr, dass Snape begann, Feuer zu speien und ledrige Schwingen ausbreitete, um emporzusteigen und dann auf sein ahnungsloses Opfer herabzustoßen. "Mr. S-", startete Dumbledore, aber erneut gingen seine Worte in einem Tobsuchtsanfall Seiten Snapes unter. James war sich nicht sicher, was Snape Dumbledore genau an den Kopf warf, aber ein paar der Dinge, die Snape erwähnte, blieben hängen und bereiteten ihm Übelkeit. "... ein verdammter Werwolf, und jetzt haben Sie's geschafft und haben zwei mehr!" "... macht Ihnen wohl nichts aus, ein Leben zu zerstören, oder zwei..." "Hätten Sie lieber schlimmere Konsequenzen? Ein paar Tote vielleicht?" Es ging weniger darum, dass Snape sich aufspielte und alles überdramatisierte. Es war viel mehr die Erkenntnis. Das, was die gesamte Zeit über in seinem Unterbewusstsein gebrodelt hatte, von dem er gewusst hatte, dass es da war, trat ans Tageslicht. Er erinnerte sich. Sirius. Der Streich. Wie er ihm lachend davon erzählt hatte. Sein Schock. Die Panik. Der Weg zur Peitschenden Weide. Der dunkle Tunnel. Die Angst davor, was ihn erwartete. Remus. Oh Merlin, und Snape. Am Boden. So viel Blut. Und Remus – Er schloss die Augen. Ihm war schlecht. Wirklich, wirklich schlecht. Er hatte das Gefühl, wieder dort zu sein, es direkt vor sich zu sehen, dieses schreckliche Bild. Zitternd erhob er sich, er stolperte und wankte zum angrenzenden Bad. Er konnte nicht mehr. Die Bilder, die Bilder. Sie schwammen vor seinen Augen, blitzten auf und wechselten und es war doch immer dasselbe. Ein Abfolge von Einzelbildern, eine Kollage des Schreckens – und des Schmerzes. James sank vor der Toilette auf die Knie und übergab sich, während ihm hemmungslos Tränen über die Wangen liefen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)