Die PSC will Krieg? Die PSC bekommt Krieg! von Futuhiro (das größte J-Rock-Konzert der Geschichte) ================================================================================ Kapitel 9: Tag 9 - Das Megakonzert ---------------------------------- 10:54 Uhr, backstage „Warum höre ich dich nicht singen?“, wollte Aiji in drohendem Tonfall wissen. Es war viel mehr ein Befehl als eine Frage. „Warum wohl? Weil wir noch nicht auf der Bühne stehen.“, maulte sein Vocal zurück und wischte sich mit dem Ringfinger einen überstehenden Wimperntuschefleck aus dem Gesicht. Wie üblich bekam er vor lauter Kajalstift die Augen kaum noch auf. „Hast du dich denn schon eingesungen?“ „Au man, ich hab überhaupt keine Lust auf das Konzert.“, seufzte Maya und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er einen letzten Blick in den Spiegel warf. „Woar ey, das sagst du jedes Mal! Raus mit dir!“, fuhr Aiji ihn sauer an und zeigte auf die Tür. Der Countdown zum ersten Auftritt von LMC belief sich nur noch auf Sekunden. SuG spielten gerade ihr letztes Lied, danach würden Maya und Aiji zu ihnen auf die Bühne stürmen, für das erste Mix-up. Das Publikum tobte bereits, Takeru hatte ihnen gut eingeheizt. „Scher dich auf die Bühne! Und sei gut!“, verlangte er noch missmutig, griff mit einer Hand nach seiner Gitarre und mit der anderen nach Mayas Kragen, um beides die Treppen hinauf zur Bühne zu bugsieren. Maya machte auf der Bühne schon von jeher immer einen recht genervten Eindruck. Zum Glück, konnte man fast sagen. Denn so hielt es jeder nur für eine Masche, für Image. Maya trat einen Schritt auf die Bühne hinaus und blieb dort abrupt stehen, so daß sein Gitarrist fast in ihn hineinrannte. „Scheiße, das sind aber viele Leute da draußen!“, stellte er mit einem Deut ins Publikum fest. Aiji zog zischend Luft durch die Zähne und unterdrückte ein Fluchen. Er hatte das überwältigende Bedürfnis, Maya einen satten Schlag auf den Hinterkopf zu geben. Leider standen sie bereits im Sichtfeld der Zuschauer. Zu viele Zeugen. Also begnügte er sich damit, Maya eine Hand zwischen die Schulterblätter zu legen und ihn betont kameradschaftlich weiterzuschubbsen. „Dachtest du, wir spielen nur für uns selber?“ Mayas Augen begannen zu strahlen und unvermittelt sprang ein hellauf begeistertes Grinsen in sein Gesicht. Ein authentisches, durch und durch echtes Grinsen. Statt zu antworten, stürmte der Vocal – schlagartig Feuer und Flamme – zu Takeru hinüber, der gerade seine letzte Zeile fertiggesungen hatte. Takeru wandte sich zu ihm um und begann ihn anzutanzen. Maya zog auch sofort mit und sie verloren sich in einem bauchtänzerischen Hüftschwung, während die anderen den Ausklang des Songs so lang wie möglich hinauszogen. „Vogelscheuche ...“, grummelte Aiji leise in sich hinein, immer noch etwas sauer auf Maya, und klinkte sich nahtlos in die Gitarren mit ein und übernahm dann die Führung für den Übergang zum ersten Mix-up-Song. Maya war ein überragender Animator und Partymacher, der voll abgehen, die Massen rocken und so richtig einheizen konnte wie kaum ein anderer. Aber leider nur, wenn er wollte. Und meistens war er verdammt schwer dazu zu bringen, freiwillig zu wollen. Oftmals bekam er erst so richtig Lust auf das Konzert, wenn er seinem Publikum das erste Mal gegenübertrat und es für groß und gebührend genug erachtete. Er brauchte ausreichend Resonanz, um zur Hochform aufzufahren. 12:28 Uhr, Bühne Miku powerte seinen Song durch und tigerte dabei auf der Bühne hin und her als würde er Kilometergeld dafür bekommen. Er schaute fragend in die Runde, als ein gefährliches Knistern aus den Boxen kam und eines der Instrumente daraufhin einfach wegbrach. Unvermittelt veränderte sich das Klangbild des Songs und Miku erkannte ihn selbst kaum wieder. Der Bass fehlte, wurde ihm klar. Kanon begann unwillig seine Gitarre zu schütteln und sah sich dann ebenfalls hilflos nach einem Tontechniker um. Miku hörte auf zu singen und auch die anderen brachen nach und nach ab. „Was is´n los?“, fragte der AnCafe-Vocal belustigt ins Mikrophon. Die Belustigung war eindeutig aufgesetzt, wie seine Bandmitglieder sehr wohl wussten. Miku war ein grauenvoller Perfektionist und konnte Störungen oder Unplanmäßigkeiten absolut nicht ausstehen. Kanon sprang zum nächsten greifbaren Mikrophon. „Mein Bass ist durchgebrannt, ey.“, jaulte er weinerlich, damit das Publikum auch was davon hatte. Jetzt hieß es schauspielern. Mit viel Glück ging das als gewollte Show oder wenigstens als harmlose, lustige Panne durch. „Ich hab dir doch schon ewig gesagt, du sollst das schrotte Teil endlich austauschen.“, lachte Miku. „Aber ... mein schöner Bass!“, leierte Kanon, als würde er gleich losheulen. Die Fans lachten. Kanon war eigentlich WIRKLICH nach Heulen zu Mute. Er hing an dieser Gitarre, von ganzem Herzen. Hoffentlich konnte irgendwer die nochmal reparieren. „Kann mir mal eben jemand meinen Ersatzbass bringen?“, fragte er in Richtung Bühnenabgang, in der Hoffnung, daß dort gerade irgendein arbeitsloser Staff herumlungerte. Eine Weile tat sich gar nichts und Kanon überlegte schon, ober vielleicht besser selber gehen sollte, doch da kam Saga von Alice Nine heraufgehechtet. „Wir finden deinen Bass nicht! Nimm solange meinen!“ „Danke.“ Der Bassist stöpselte fachkundig und schnell die Technik um und testete kurz alle Saiten an. Sagas Bass lag sperrig und ungewohnt in der Hand und klang auch völlig anders. Aber es musste jetzt irgendwie gehen. „Bereit, Kanon?“, wollte Miku wissen, immer noch mit Mikrophon vor der Nase, um das Publikum bei Laune zu halten. „Bereit!“ „Bereit, AnCafe?“ Die anderen Bandmitglieder johlten in ihre Mikrophone, Teruki stimmte einen Trommelwirbel an. „Bereit, meine Cafeko´s???“, brüllte der blonde Vocal. Die Fans tobten und jubelten. „Okay, dann nochmal ganz von vorn!“ „Äh ... das ganze Konzert?“, gab Takuya verdutzt zurück. „Nein, den Song, du Scherzkeks!“ 12:40 Uhr, backstage „Yoshihiko, ist alles okay da drin?“ „Ja ... warum?“, kam die zögerliche Stimme zurück, aus der ein leichtes Zittern schwang. „Weil du dich seit 25 Minuten in dieser Klokabine eingeschlossen hast.“ „Oh, so lange schon?“, drang es gedämpft hinter der verriegelten Kabinentür hervor. „Werd fertig, unser Auftritt beginnt in 10 Minuten!“, meinte Nao. „Ich komme ...“ „Sei nicht so hart zu ihm.“, ging Kiri dazwischen. „Das ist sein erster Auftritt mit einer fremden Band, mit der er noch dazu so gut wie nicht geprobt hat. Ist doch ganz natürlich, daß er aufgeregt ist. Du hast vor unserem vorletzten Live-Act vor lauter Aufregung deine Gitarre komplett geschrottet und wir mussten binnen einer viertel Stunde eine neue beschaffen, weist du noch?“ „Ja, und das war nur so ein kleiner Schuppen mit 2´000 Zuschauern. Yosh´ stellen wir heute mit seiner improvisierten Show gleich vor 90´000 Menschen.“, fügte Kohsuke an. „Du bist echt motivierend.“ „Wieso? Er WEIS, daß da draußen 90´000 Menschen sind!“ In diesem Moment wurde das Schloss der Toilettenkabine derb herumgeriegelt und aus der sich öffnenden Tür trat der zierliche, wuschelige Sänger heraus. Sein Gesicht war eine Mischung aus Wut und etwas nahe einer Lampenfieberpanik. „Schon gut, schon gut, ich bin ja fertig.“, maulte er genervt. Es schien ihn zu kratzen, daß sie in seiner Hörweite so über ihn sprachen, als sei er nicht da. Auch wenn er hinter einer verschlossenen Klokabinentür hockte. Kiri grinste. „Er macht das schon.“, versicherte er dem Bassisten und folgte Yoshihiko aus dem Aufenthaltsraum hinaus. „Mach dich nicht so alle, Yoshihiko, du wirst gut sein!“ „Ich stand noch nie mit Hizumi auf einer Bühne. ... Ich hab noch nie ein Duett gesungen! ... Und, verdammt, den Text von werd ich auch vergessen, wenn´s drauf ankommt. Wie ging die dritte Strophe los???“, heulte der nur und begann hibbelig und unkoordiniert zwischen den Requisiten herumzurennen. Kiri hielt ihn schließlich einfach fest, um ihn zum Stehenbleiben zu zwingen. „Durchatmen, hörst du? Durchatmen!“, wies er seinen Vocal ruhig an und fuhr nochmal mit den Fingern durch seinen Seitenpony, um ihm die Haare zu entwirren. „Okay?“ „Okay.“ Yoshihiko nickte und wirkte schon eine gute Ecke gefasster. „Bleib ruhig. Zuerst spielst du ja mit uns.“, redete Kiri beruhigend weiter. „Die heidi.-Songs kannst du in- und auswendig. Konzentrier dich ganz auf die. Du hast genug Zeit, dich auf die Bühne und das Publikum einzustellen, bevor du mit Hizumi spielst. Es ist alles in Ordnung.“ Wieder nickte Yoshihiko. Er bewunderte seinen Schlagzeuger für diese Ruhe, die er vor so einem Konzert hatte. „Hier, deine Funkbox.“, meinte Kiri und steckte ihm das kleine, schwarze 4-Kanal-InEar an den Gürtel, damit er sich auf der lauten Bühne noch selber singen hörte. „Danke.“, hauchte der Vocal, fertig mit den Nerven, fischte nach dem Ohrstöpsel und stopfte ihn sich in den Gehörgang. 12:47 Uhr, Bühne Kohsuke war bereits vorangestürmt, um auf der Bühne mit seiner Bass-Gitarre das Intro zu eröffnen. Yoshihiko wartete noch einen Moment. Als Sänger und Frontmann hatte er das Privileg, als letzter aufzutauchen und die große Show abzuziehen. Er holte Luft und spazierte mit angehaltenem Atem auf die Bühne hinaus. Es war immer wieder ein Gänsehautfaktor, einem vollzähligen Publikum gegenüberzutreten. Als Yoshihiko herauskam, hielt er verdutzt inne und schaute fassungslos in die Massen, die sich zum Intro der Band hiphop-artig einen abspasteten. Er war sogar zu perplex um wie abgesprochen die Show aufzutakten. Nao brach sein Gitarrenspiel ab, als er merkte, daß Yoshihiko nicht wie geplant mit dem Gesang einsetzte und sah sich fragend um, ob etwas nicht stimmte. „Seid ihr alle noch ganz dicht?“, fragte der Sänger trocken ins Mikrophon. Das Publikum lachte los und hörte auf, herumzuspasten. Neben ihm kniete auch Kohsuke auf der Bühne und krümmte sich vor Lachen über seinen Bass. „Macht ihr jetzt einen auf Hip Hop, oder was?“, wollte Yoshihiko von seinem Publikum wissen, und musste dann selber lachen, weil diese ganze Situation plötzlich zu komisch anmutete. Die Fans gröhlten noch lauter. Nao schüttelte nur den Kopf und bekam lediglich ein müdes Schmunzeln zustande, viel mehr weil das Lachen der anderen ihn ansteckte als daß er es selber wirklich lustig fand. „Also bitte, Leute, das hier ist ein ernstzunehmendes Rockkonzert.“, fuhr Yoshihiko feixend fort und verstärkte Kohsukes Lachkrampf neben sich damit nur noch mehr. Okay, so schnell würden sie das erste Lied nicht mehr anstimmen. Nicht, bevor Kohsuke sich wieder eingekriegt hatte. Und hinter ihm am Schlagzeug wurde auch Kiris Gekicher immer nachdrücklicher. Nach über einer Minute beschlossen die Jungs von heidi., daß sie die Show nun doch langsam mal anfangen müssten, obwohl sich der Bassist immer noch nicht wieder richtig im Griff hatte. Sie hatten bereits einmal angespielt, peinlichst darauf bedacht, sich gegenseitig nur nicht anzuschauen, damit sie nicht alle miteinander wieder in Lachkrämpfe ausbrachen. Aber irgendeiner hatte dann doch wieder angefangen zu kichern und schon war das Lied vorbei. Der zweite Versuch musste besser werden. Eieiei, und sie wollten Profis sein, dachte Yoshihiko amüsiert und machte eine entschuldigende Geste in die Kamera, die gerade vor seiner Nase tanzte. Er nutzte die wenigen Sekunden Handlungsunfähigkeit, um sich umzusehen. Das Konzert-Event lief auf zwei Open-Air-Bühnen, die aneinandergeschoben im Tal eines schier endlosen Freigeländes standen. Zur Not konnte man mit einem Satz von der einen direkt auf die andere hinüberhüpfen. Auf der anderen waren gerade Tontechniker am Rumwerkeln. Ringsum gab es seichte Hügel, so daß auch die hintersten Fans noch die Bühne sehen konnten. Für die, die zu weit weg waren, standen überall riesige Leinwände und Boxen mitten in der Landschaft herum. Menschen so weit man sehen konnte. Er wusste nicht so recht, ob das wirklich „nur“ 90´000 Leute waren, soviele wie auch ins Wembley Stadion in London gepasst hätten. Direkt vor der Bühne sah er Mana in seinem typischen, vollen Aufzug, und Kai herumspringen. Deshalb hatte der Gazette-Leader also angekündigt, während des gesamten Events nicht greifbar zu sein. Der stand lässig im angesperrten VIP-Bereich rum und sah sich die Show an, abgesehen von der dreiviertel Stunde in der er mit Gazette selber auf die Bühne musste. Yoshihiko schaute wieder fragend zu seinem Bassisten Kohsuke, der einen erneuten Versuch unternahm, den ersten Song anzustimmen. 14:26 Uhr, Bühne Hizumi schnappte nochmal schnell einen Atemzug, damit er genug Luft hatte, um das letzte Wort so richtig zu ziehen und den Ton lange zu halten, bevor die Bridge begann. Jetzt hatte er ein paar Sekunden Pause bis zur nächsten Strophe. Also begann er auf der Stelle zu wippen und drehte sich, um nach den anderen zu schauen. Der D´espairs-Ray-Vocal hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, immer mal zu gucken, was die anderen so trieben, denn er mochte es nicht, wenn jeder für sich allein spielte und keine Interaktion zwischen ihnen herrschte. Als er sich umwandte, sah er Zero und Karyu neben dem Drumkit stehen und quatschen, während sie mit schlafwandlerischer Sicherheit und geradezu beiläufig ihre Instrumente weiterspielten. Karyu lachte gerade. Offenbar waren die zwei mit diesem Song nicht ausgelastet, wenn ihre Konzentration noch Kapazität für´s Witzereißen hergab. Hizumi krallte sein Mikro und gesellte sich dazu. „Wenn ihr was zu sagen habt, dann laut!“, brüllte er Karyu über den Lärm hinweg ins Ohr und hielt ihm dann das Mikrophon direkt vor die Nase. In diesen Moment wechselte Tsukasas Schlagzeug auffallend den Rhytmus, um das Ende der Bridge und den Beginn der nächsten Strophe anzukündigen. Zero und Karyu fluchten erschrocken. In dieser Strophe mussten sie Background singen. Panisch sprangen sie auseinander und hechteten zu ihren Mikrophonen. Zu spät. Sie verpassten ihre Einsätze beide um mehrere Augenblicke. Aber Tsukasa rettete die Aktion ein kleinen wenig, indem wenigstens er ordnungsgemäß seinen Part anstimmte. 16:57 Uhr, Bühne Teru strudelte verunsichert zu Kamijo hinüber, welcher ihm mit dem gleichen nachdenklichen Ausdruck entgegenschaute. Während der Bridge, wenn Kamijo nicht sang, bestand die einzige Chance, Infos auszutauschen. „Kamijo, welches Lied wollten wir gleich nochmal als nächstes spielen?“ „Keine Ahnung! Sag mir lieber mal, wie die nächste Strophe anfängt!“, gab der verzweifelt zurück. Der Versailles-Gitarrist guckte dumm. Kamijo hatte die Texte der Cross-over-Projekte tadellos beherrscht, die erst vor wenigen Tagen komponiert und einstudiert worden waren, aber seine eigenen Songs vergaß er? „Kiete nakunaru mae ni?“, schlug er vor. „Ah ja!“ Euphorisch drehte sich der Vocal wieder seinem Mikrophon zu und wartete, daß die Bridge endete und er weitersingen konnte. Er wedelte wieder elegant mit seinen Armen herum, zählte kaputte Glühbirnen, scheuchte Tontechniker herum oder was immer sein ausdrucksstarkes Gefuchtel auch darstellen mochte. Kopfschüttelnd sprang Teru weiter, hinüber zu Hizaki. „Welchen Song als nächstes?“, versuchte er also hier sein Glück. Hizaki überlegte ebenfalls kurz. Er war nicht der Tpy, der Gitarre spielen und nebenbei über etwas anderes plaudern konnte. „Ascendead Master!“, meinte er. Teru leitete von galant zu über und rockte weiter. Er wollte sich gerade nach vorn an den Bühnenrand drängen und das Publikum ein bischen anfeuern, als sich alle anderen plötzlich umdrehten und die Bühne verließen. Teru wunderte sich, warum sie aufhörten zu spielen und brach ebenfalls verwirrt ab. „Warum geht ihr?“, rief er Masashi zu, der als einziger noch in Hörweite war. Der Bassist drehte sich mit fragendem Blick zu ihm um. „Dein Solo?“, warf er als Stichpunkt in den Raum. Solo? Ach ja, da war ja auch noch was. Mit beschämt zusammengekiffenen Augen spielte Teru hecktisch weiter, ehe das Nachdröhnen seiner E-Gitarre gänzlich ausgeklungen war, damit der Bruch im Spielfluss nicht gar so schlimm auffiel. Und versuchte, von der Zombie-Melodie irgendwie möglichst unauffällig in sein übliches Solo zu wechseln. Er hatte gewusst, daß bei diesem Konzert irgendwas schiefgehen musste. Da sie all die Tage ausschließlich mit ihren Mix-up-Partner geprobt hatten, statt miteinander, war so gut wie nichts planmäßig. Die Show war eher improvisiert als abgesprochen. Gerade so, daß sie nochmal schnell beim Frühstück darüber gequatscht hatten, welche Songs sie überhaupt spielen wollten. Von einer Reihenfolge war schon keine Rede mehr gewesen. Sie hatten sich mehr oder weniger auf eine gekürzte Version ihrer letzten Tour geeinigt. Vielleicht hätten sie sich doch nicht so sehr darauf verlassen sollen, daß sie Profis waren, dachte er innerlich grinsend. 18:10 Uhr, backstage „Kyo, bist du als nächster dran?“, wollte Mao, der Sänger von SID wissen. „Ja, die Jungs da oben spielen noch zwei Lieder, und dann rocken wir die Hütte selber!“, grinste Kyo und zupfte sich sein sadistisches Bühnenoutfit zurecht. „Heute werde ich zur Höchstform auflaufen, ich spüre es ganz genau!“ „Sau uns nicht die ganze Bühne mit Blut voll, man. Wir müssen nach dir da hoch.“ „Ja, und denk dran, daß du mit mir noch ein Mix-up durchzustehen hast. Also mach dich nicht platt bis zum bitteren Ende. Ich will nicht mit einer einbandagierten Mumie auf die Bühne.“, warf Yoshihiko ein. „Bleibt man ganz ruhig, Leute.“, maulte Kyo genervt zurück. „Schlagadern hab ich mir bisher noch keine aufgeschlitzt.“ „Nein, aber du hast dich selber K.O. gehauen! Das muss man erstmal hinkriegen. Nicht, daß das jetzt eine nacheiferungswürdige Leistung wäre, aber trotzdem.“ „Das war Show! Warum zur Hölle glaubt mir das keiner? Ich war nicht K.O., das war alles nur gestellt!“ „Sicher!“, gaben Mao und Yoshihiko zynisch wie aus einem Mund zurück. „Deshalb waren dann auch so viele Sanitäter um dich rum.“ „Doch nur für die Kamera.“ „Ja klar.“ Yoshihiko winkte ab und spazierte davon. „Naja, du machst das schon. Viel Spaß jedenfalls bei deiner Show, genieße das Publikum.“ Er hatte seinen Auftritt mit heidi. und seine Songs mit D´espairs Ray ja schon hinter sich. Er würde dann nur später nochmal kurz mit Kyo die Bühne stürmen, um ihr Mix-up mit Uruha und Reita zu spielen. Sie würden Gazette quasi nach deren Show auf der Bühne ablösen. Uruha und Reita würden auf der Bühne bleiben und die anderen würden verschwinden um Yoshihiko und Kyo Platz zu machen. Aber Gazette spielten erst ziemlich spät, weil sie ihre Lichtshow unbedingt durchbringen wollten und es dafür dunkel sein musste. Yoshihiko musste Teruki doch gewaltig bewundern. Die Bandaufstellung zu managen war eine wahrhafte Meisterleistung von ihm. Er hatte es tatsächlich hinbekommen, daß die ganzen Mix-up-Haufen nahtlos irgendwie zwischen die Acts mit hineinpassten, obwohl die Überschneidungen teilweise haarsträubend waren. SuG hatte ein Gemeinschaftsprojekt mit LMC gehabt, und LMC wiederrum eines mit AnCafe. Soweit war das ja okay gewesen. Erst hatten SuG ihre komplette Show gespielt, dann waren LMC dazugestürmt und hatten mit SuG gemeinsam gespielt, und dann hatten sich SuG von der Bühne verkrümelt und LMC waren allein zurückgeblieben, um ihre eigene Show durchzuziehen. Danach waren AnCafe mit auf die Bühne gekommen, hatten ihren Mix-up-Kram mit LMC gemacht, damit LMC dann Leine zogen und die Bühne an AnCafe abtraten. - Soweit war das durchaus realisierbar gewesen. Haarig wurde es erst, wenn Mitglieder aus vier verschiedenen Bands gleichzeitig zusammen spielen wollten. Da konnte man nicht mehr einfach durchtauschen. Solche Sachen sinnvoll irgendwo einzubinden war eine Glanzleistung des AnCafe-Drummers gewesen, der die Leitung des ganzen Events verdonnert bekommen hatte. Takeru hatte unbedingt bei den seltsamen Blechköpfen von LMC mittanzen wollen. Takeru tanzte wirklich fantastisch, musste er neidfrei eingestehen. Er lies auf der Bühne sogar seine Backgroundtänzer im Schatten stehen, die ja extra für´s Tanzen bezahlt wurden. Leider hatte Yoshihiko die Nummer mit den Blechköpfen nicht gesehen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sich auf der Toilette einzuschließen. Hoffentlich war es später auf den DVD´s mit drauf. 20:23 Uhr, VIP-Bereich vor der Bühne Yoshihiko konnte sich ein staunendes „Waaaaaaoooooouuuuuh“ nicht verkneifen, als er sich vom VIP-Bereich aus mit großen Augen die Show ansah. Neben ihm stand Kyo und schien ähnlich verzaubert zu sein. Es war inzwischen fast dunkel geworden, so daß nun die Lichtshows endlich richtig zur Geltung kamen. Überdimensionale Konfettikanonen wehten Tonnen von Glitter ins Publikum, das vom günstig stehenden Wind auch bis zu den letzten Zuschauern davongetragen wurde. In der vielfarbigen Lasershow, die darin herumfunkte, wirkte alles wie ein gewaltiges Schneegestöber bei Vollmond. Yoshihiko hatte das akute Bedürfnis, sich in eine gemütliche Decke einzuwickeln und eine romantische Kerze anzuzünden, weil alles so unglaublich winterlich anmutete. Mit offenem Mund lies er den Blick schweifen. „Wahnsinn. Ich hab noch nie Konfettikanonen bei einem Open Air gesehen.“, staunte er vor sich hin. „Ja, noch dazu so pompös. Wundervoll.“, meinte auch Kyo beeindruckt. Oben auf der Bühne hatten Alice Nine gerade ihre Zugabe beendet und genossen noch kurz ihren Applaus, verschwanden dann aber ziemlich schnell, bevor am Ende noch neuerliche Zugabe-Rufe laut wurden. Die Bands lagen sowieso schon dezent hinter dem Zeitplan. Ihre Bühne wurde dunkel und die Scheinwerfer schwenkten hinüber auf die andere schon aufgebaute Bühne. Das aufbrausende Intro klang verdächtig nach Gazette. Yoshihiko hatte es zwar noch nie gehört, aber der Gitarrenstil war recht eindeutig. „Hey, nach denen sind wir dran!“, erinnerte Kyo ihn und verschwand dann wieder hinter die Bühne. Yoshihiko blieb noch draußen und schaute sich die Show an. Die würden ja noch mindestens eine dreiviertel Stunde spielen, bevor er und Kyo mit auf die Bühne sprangen um das Mix-up aufzuziehen. 22:41 Uhr, backstage „Gute Nachrichten, Leute.“, verkündete Kai gerade, als Shinya zurück in den „Tresor“ kam. Das war eine große Hütte hinter der Bühne, die den Bands als Vorbereitungsraum und Unterschlupf diente, wenn sie gerade nicht zu spielen hatten. Shinya und einige andere Drummer hatten zu den letzten Acts gehört. Kiris Drum-Battle hatte den krönenden Abschluss der ganzen Veranstaltung gebildet und die Fans zum Schluss nochmal richtig abgehen lassen. Jetzt war Sense. Das Konzert-Event war Geschichte, und Shinya war auch ein bischen froh darüber, denn er war einfach nur endfertig. In mehreren Projekten zu hängen, zwischen deren Auftritten teilweise Stunden des Wartens lagen, war wirklich wahnsinnig anstrengend. Sowohl das lange, untätige, nervöse Warten als auch das darauffolgende wieder-durchstarten-müssen beanspruchten die letzten Kräfte. Er würde heute Nacht verdammt gut schlafen. „Gute Nachrichten?“, gab Shinya fragend zurück und bemerkte, daß Mana neben Kai stand und offenbar nur darauf wartete, daß alle eintrafen. „Was ist denn hier los?“, wollte Kiri wissen, der hinter ihm müde mit einem Handtuch um den Hals hereinschlurkste und das Aufgebot bemerkte. Shinya bedeutete ihm, leise zu sein. Er sah sich um. Es waren bei weitem nicht alle da, aber doch zumindest von jeder Band mindestens ein Vertreter. War das hier sowas wie eine Lagebesprechung? „Also, wie sich ja rumgesprochen hat, hat die PS Company Seth mit einem Vertrag gekrallt, für dieses irrsinnige CrossOver-Projekt.“, begann Kai. Ein Murmeln ging durch die Runde. Natürlich war das bekannt gewesen. Wegen eben diesem Projekt hatten sie sich ja allesamt tagelang im Plaza der Gazettos verbarrikadiert. „Die PSC hat Seth vor zwei Stunden den Vertrag wieder aufgekündigt und offiziell verlautbart, daß sie das Projekt an den Nagel hängen. Wir sind wieder sicher vor denen.“ Ein Jubelsturm brach in der Hütte los. Einige fielen sich in die Arme, Hizumi warf sich sogar Kai an den Hals und knuddelte ihn begeistert durch. „Mach mal halblang, hey!“, lachte der Gazette-Leader. „Bedank dich bei Mana, das ist alles sein Verdienst!“, fügte er an. Hizumi fuhr herum und breitete schon die Arme aus, um den in greifbarer Nähe stehenden Moi-dix-Mois-Leader schwungvoll zu umarmen, wurde aber von dessen drohend erhobenem Zeigefinger gebremst. Also hielt Hizumi ihm nur grinsend die Hand hin und untermalte sein noch mit einer zusätzlichen Verneigung. Mehr und mehr der J-Rocker kamen auf die Idee, Hizumis Beispiel zu folgen und sich bei Mana zu bedanken. Oder ihm zumindest zu gratulieren, wenn sie ihren Stolz schon nicht so offensichtlich runterschlucken wollten. Die zwei Oberscherzkekse Takeru und Miku machten sich zu Belustigung aller sogar einen Spaß daraus, vor Mana gemeinsam einen Kniefall hinzulegen. Die Aufregung und Anspannung der letzten Tage und die Anstrengungen des Konzert-Events fielen spürbar von allen ab und ausgelassenes Gelächter wurde laut. Man gratulierte sich gegenseitig zu dem gelungenen Event, sprach sich Respekt für die gezeigten Leistungen aus, dankte sich für die gute Zusammenarbeit. „Hey, das muss gefeiert werden!“, rief Kanon schließlich und zauberte aus irgendeinem Schrank eine Kiste Sektflaschen hervor, die er wohl eigens für diese After-Show-Party hier deponiert hatte. Euphorisch begann der AnCafe-Bassist sich am Korken der ersten Flasche zu schaffen zu machen, bis es einen lauten Knall gab. Tora konnte gerade noch vor dem herausschießenden Korken in Deckung gehen. Vor der darauffolgenden Sektfontaine jedoch nicht. Fast die halbe Flasche leerte sich in hohem Bogen über ihm aus. Da stand er dann wie ein stinksaures Häufchen Elend – eine Kombination die bei den anderen durchaus Belustigung verursachte. „Ach komm, du willst doch sowieso duschen gehen.“, lachte Kiri und tupfte dem durchgeweichten Alice-Nine-Gitarristen vorsichtig mit seinem Handtuchzipfel das Gesicht trocken, bevor noch sein ganzes Make-up verschwamm und er endgültig zur Lachnummer wurde. „Willst du trotzdem noch ein Glas Sekt.“, wollte Kanon mit einem erzwungen entschuldigenden Gesichtsausdruck wissen, obwohl er sich eher totlachen wollte. „Nein, ich denke ich hatte genug.“, grummelte Tora und grinste dann selbst. Das Leben war schön. ... Und Kai würde ausflippen, wenn er erfuhr, daß sie alle gemeinschaftlich beschlossen hatten, noch bis Ende der Woche im Gazette Plaza zu bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)