VLE-Outtakes von KaethchenvHeilbronn (Kleine Geschichten zu VLE) ================================================================================ Goethe/Schiller - 2 ------------------- „Schiller?“ „Im Wohnzimmer!“ Ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht, was immer passiert, wenn Schiller so fröhlich klingt, was stets der Fall ist, wenn ich früher nachhause komme. Ich hänge den Mantel an die Garderobe und schlüpfe in meine Pantoffeln, bevor ich zu ihm ins Wohnzimmer gehe. Er liegt auf dem Sofa, ein Buch in der Hand. Sieht nach Fantasy aus, nicht wirklich mein Ding, aber ihm scheint das zu gefallen. „Haben Sie schon was gegessen?“, fragt er und bemüht sich nicht, aufzustehen. Wir sind uns schon seit langem nicht mehr fremd, aber seit wir zusammen schlafen – i-in einem Bett, nebeneinander! schlafen – fühlt es sich so an, als sei er niemand anderes als ich selbst. Und ich würde definitiv nicht für mich vom Sofa aufstehen, wenn ich da so bequem läge. „Ja, danke.“, antworte ich und stelle mit (intendiertem) Missfallen fest, dass er seine Haare offen trägt, „Wie ich rieche, haben Sie sich Nudeln mit Tomatensoße gemacht?“ „Erkannt.“, lacht er, „Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, die Küche aufzuräumen…“ „Tja“, meine ich da und stemme mir die Hände in die Hüften, „Hätte ich Christiane noch– “ „Sie brauchen nicht Christiane, um die Küche sauber zu halten.“, unterbricht er mich ein wenig grantig, so wie er immer ist, wenn es um meine ehemalige Haushaltshilfe geht, „Das bekomm ich auch hin. Und was sie sonst noch so für Sie gemacht hat…ist sowieso überbewertet.“ Ich räuspere mich dezent. Als überbewertet würde ich die aufregenden Stunden der Zweisamkeit mit Christiane nicht bezeichnen, aber ich kann auch nicht behaupten, dass ich diese Zweisamkeit sonderlich vermissen würde. Christiane vermisse ich jedenfalls nicht. Da ich aber nicht wieder mit Schiller über diese Affäre diskutieren will, nehme ich stattdessen die weiche Wolldecke vom Sessel. „Schiller, Sie sollen sich doch zudecken, wenn Sie sich hier unten hinlegen.“, ermahne ich ihn und breite die Decke über seinem langen Körper aus, der das ganze Sofa einnimmt. „Ich war aber zu faul, mir die Decke zu nehmen, nachdem ich schon lag.“, entgegnet er und senkt abermals das Buch, um mich eindringlich anzublicken, „Sonst hätte ich mir auch gleich ein Kissen von oben geholt.“ Ich lache amüsiert. „Ich verstehe Ihre Andeutung sehr wohl, aber nein, ein Kissen hol ich Ihnen nicht auch noch.“, meine ich und bleibe vor ihm stehen. „Heben Sie Ihr Köpfchen.“ Und sofort ist der Schmollmund verschwunden und er grinst mich an. Viel zu schnell weiß er immer, was ich denke. Freudig erhebt er sich also, damit ich am Ende des Sofas Platz nehmen kann, und sogleich lehnt er sich wieder zurück, um seinen Kopf in meinen Schoß zu betten. Lächelnd schaut er zu mir auf. „Sie sind ja noch besser als ein Kissen.“ „Das hoffe ich doch.“ „Und Sie lesen nichts?“ Ich erwidere sein Lächeln sanft. „Ich beobachte Sie ein wenig beim Lesen, wenn ich darf.“ Er lacht nur leise und wendet sich wieder seinem Buch zu. Und tatsächlich sitze ich nun schon eine geschlagene Halbestunde hier und tue nichts anderes, als Schiller zu betrachten, wie der ganz in den Roman versunken ist, wie seine Stirn sich an manchen Stellen kräuselt, wie seine Mundwinkel bei mancher Zeile zucken… Seit einer Viertelstunde hat sich meine rechte Hand seinen Locken zugewendet, die wie fließendes Gold über meine Oberschenkel fallen. Natürlich hab ich nicht wirklich was gegen seine Haare, nur…sie irritieren mich zu oft, und das mag ich nicht. Ein Mann sollte nicht solch wundervolle Haare haben, so lange schon gar nicht, das gehört sich einfach nicht. Seufzend zwirble ich eine der Locken um meinen Finger, als es an der Tür klingelt. „Nanu.“, gebe ich von mir, „Wer ist das denn? Erwarten Sie jemanden?“ „Ich nicht, nein.“, antwortet er, hebt aber seinen Kopf ein wenig an, und so stehe ich notgedrungen auf und gehe zur Tür, um sie zu öffnen. Ich traue meinen Augen fast nicht, als ein alter Bekannter vor mir steht. „Alexander!“, bringe ich schließlich doch heraus, erfreut, dass er mich nach so langer Zeit besucht, „Schön, Sie mal wieder zu sehen!“, meine ich und reiche ihm die Hand. „Freut mich auch.“, entgegnet er und ich bitte ihn ins Haus. Ich führe ihn ins Wohnzimmer, wo sofort Schiller vom Sofa aufspringt und das Buch beiseite wirft, als er den anderen erkennt. „Alexander!“, begrüßt er ihn mit einem kräftigen Handschlag, „Das ist ja ne Überraschung!“ „Weniger, als dich hier zu sehen.“, lacht der Professor. Schiller grinst ihn an und streicht sich eine seiner langen Strähnen hinters Ohr. „Ja, ich…“ Er sieht um Erlaubnis bittend zu mir. „Er wohnt hier.“, beende ich also den Satz, da ich nicht denke, vor Alexander irgendetwas verheimlichen zu müssen – es gibt ja schließlich auch nichts zu verheimlichen! Langsam laufe ich hinüber zum Tisch, wo ich Alexander mit einer Geste bitte, Platz zu nehmen. Ich sehe, wie er sein Erstaunen nicht verbergen kann. „Tatsächlich?“, fragt er, „Übergangsmäßig, oder…?“ Ich seufze, als ich mich ihm gegenüber setze. „Ich befürchte, so schnell werd ich ihn nicht mehr los…“ „Nie mehr, Goethe!“, lacht Schiller und legt mir seinen Kopf auf die Schulter, „Nie mehr werden Sie mich los.“ „Nicht, Schiller. Bringen Sie uns lieber was zu trinken.“, versuche ihn etwas auf Abstand zu halten. Ich habe noch nie verstanden, wie er vor anderen einfach weiter so unbefangen intim mit mir umgehen kann. Schiller lächelt mich liebevoll an, bevor er aufsteht und in die Küche geht. „Sie…“ Alexander sieht mich verwirrt an. „Sie siezen sich noch?“ Ich nicke amüsiert. „Ja. Schlafen in einem Bett, aber siezen uns.“ Alexander bemüht sich sehr, nicht zu zeigen, wie schockiert er über diesen Kommentar ist, aber ich kann es ihm nicht verübeln. Wieso zur Hölle ist mir das eben rausgerutscht?! Ich räuspere mich und versuche möglichst gefasst zu wirken. „Alexander…“, beginne ich, „Sie sind doch Philosoph, ich dachte, Sie verstehen das.“ „In der Theorie jedenfalls.“, entgegnet er mit einem Lachen. Stimmt, er war ja schon damals sehr körperbetont an Männern interessiert. „Naja, die Leute hingegen“, spreche ich weiter, „und schon gar nicht die unsägliche Klatschpresse! verstehen es nicht.“ Versteht er das, oder muss ich explizit erwähnen, dass er das, was er hier mitbekommt, nicht gleich jedem weitererzählen soll…? Ich entscheide mich dagegen und wende mich Richtung Küche. „Schiller! Wie lange braucht das denn?!?“ „Oh.“, fällt es da Alexander anscheinend erst auf, „Haben Sie Ihrer Haushälterin gekündigt?“ „Auf Schillers Wunsch hin, ja.“, antworte ich betont, damit es Schiller auch ja mitbekommt. „Ich bin ja schon da.“, verteidigt er sich, als er mit drei Gläsern und einem Krug Wasser endlich zurückkommt. „Ich würd dir ja gern was anderes anbieten, Alexander, aber Wein und Bier gibt’s nicht vor sechs Uhr abends und nur bis Elf, außer an Sonn- und Feiertagen zum Frühstück.“ Beeindruckt sieht Alexander mich an und ich fühle mich in der Tat ein wenig stolz, dass ich Schiller das übermäßige Trinken abgewöhnt habe. „Das war eine Bedingung“, erkläre ich, „neben der Tatsache, dass Schiller nun Nichtraucher ist, stimmt’s?“ Angesprochener verzieht ein wenig das Gesicht und streicht sich die Haare mit einer Hand aus der Stirn nach hinten. Diese unverschämt irritierenden Haare, durch die ich jetzt immer noch meine Finger streichen dürfte, hätte Alexander uns nicht unterbrochen. Oh, und wie weich sie sich dabei angefühlt haben…! Schillers Lachen holt mich zurück ins Hier und Jetzt. „Ich mach sie lieber wieder zusammen.“, meint er und bindet sich die Locken mit dem Haargummi, das er von seinem Handgelenk streift, zu einem Zopf. Ich versuche nicht enttäuscht auszusehen. Alexander räuspert sich. „Äh, ja, weswegen ich hier bin.“ Er zieht den Umschlag näher zu sich, der mir erst jetzt auffällt, „Ich möchte Ihnen ein Manuskript ans Herz legen, Herr Goethe, natürlich ausgedruckt, so wie sie’s lieber haben.“ „Für meinen Verlag?“ „Genau.“ „Wusste gar nicht, dass Sie Autoren fördern.“ Alexander muss schmunzeln. „Das Manuskript ist von meinem Freund.“ Schiller ist genauso überrascht, wie ich es bin. „Alexander hat einen Freund?! Weißt du überhaupt, was das ist?“ Der Professor grinst ihn verschmitzt an. „Wärst du auf der Prämiere deines Fieskos nicht so von anderen Dingen abgelenkt gewesen, hättest du ihn da schon an meiner Seite sehen können.“ „Der Kleine? Der Schwarzhaarige?“, hake ich nach. „Genau. Heinrich Kleist.“ Ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. „Sie nehmen mir die Päderastie aber hoffentlich nicht ein wenig zu ernst, Alexander, hm?“ „Er sieht jung aus, ja, ist aber schon einundzwanzig.“ „Hm.“, meine ich nur und sehe ihn abwartend an, bis er mir den Umschlag hinüber schiebt. „Er hat einen eigenwilligen Schreibstil, aber die Idee ist wirklich phänomenal.“ Ich lächele ihn wohlwollend an. „Ein eigenwilliger Schreibstil muss ja noch nichts Negatives sein.“ „Nein, auf keinen Fall.“ Daraufhin wende ich mich nun dem Umschlag zu und hole die ersten Blätter hervor, die ich vorsichtig vor mir auf den Tisch lege. Ich beginne zu lesen – beginne noch einmal zu lesen; was sind das für Sätze?! „Gott, das ist ja…!“ Ich schüttelte den Kopf. „Entschuldigen Sie, Alexander, aber das einen eigenwilligen Schreibstil zu nennen, ist wahrlich untertrieben. Wie soll man denn bitteschön diese Sätze lesen können? Und was glaubt der Erzähler eigentlich, wer er ist?!“ „Man gewöhnt sich an die Sätze. Und das mit dem nur augenscheinlich neutralen Erzähler ist schon durchdacht, wirklich.“ „Nein.“ Ich schiebe die Blätter zur Seite. „Tut mir Leid, aber ich denke nicht, dass ich damit etwas anfangen kann.“ Alexander sieht mich erstaunt an, fast schon ein wenig ärgerlich, dann fängt er sich aber wieder. „Herr Goethe“, fängt er vorsichtig an, „Sie haben eben nicht mal die erste Seite gelesen.“ „Ehrlichgesagt nur den ersten Abschnitt, ja, bei diesen Sätzen muss man ja immer wieder von vorne anfangen, weil man den Faden verliert.“, gebe ich zu. „Aber könnten Sie sich nicht wenigstens die Zeit nehmen, es ganz zu lesen? Ich lass Ihnen das Manuskript hier, ein USB-Stick ist auch im Umschlag.“ „Alexander, ich kann ja verstehen, dass Sie Ihren Freund unter– “ „Sie können sich so viel Zeit nehmen, wie Sie wollen!“, unterbricht er mich, „Nur lesen Sie es doch erst einmal ganz. Es wäre unfair, das Ganze schon nach zwei Sätzen abzuurteilen, meinen Sie nicht auch? Klar, dass die Sprache gewöhnungsbedürftig ist, aber der Inhalt, das was der Text transportiert…! Das darf man der Welt nicht vorenthalten!“ Flehend sieht er mich an, was mich ein wenig zögern lässt. Ich seufze und überlege, wie ich ihm noch einmal klarmachen kann, dass ich dieses Buch auf keinen Fall – „Verdammt, ist das genial!“ Irritiert blicke ich zu Schiller, der mit seinem Ausruf soeben meinen Gedankengang unterbrochen hat. „Ein Vater, der juristische Vergeltung sucht, nachdem seine Kinder vergewaltigt worden sind! Ich glaub’s nicht! Dass er die Schweine nicht einfach umbringt, nein! Wie der Erzähler am Anfang sagt, „einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ – wobei es mich höllisch interessieren würde, weiterzulesen, um zu erfahren, was ihn zum entsetzlichsten macht…“ Während dies Alexander Hoffnung zu geben scheint, löst es bei mir nur Entsetzen aus. „Was?!?“, rufe ich, „Vergewaltigung von Kindern auf den ersten zehn Seiten?! Das wird ja immer schöner!“ Schiller wendet sich mir mit einem Lächeln zu und ich sehe den Schalk in seinen Augen blitzen. „Hmm…“, meint er, „Das erinnert mich an was… Gab’s da nicht mal ein ganz erfolgreiches Buch, Herr Goethe, dass Sie ebenfalls abgelehnt haben, weil darin Räuber ein Kloster überfallen und Nonnen vergewaltigen? Ist das nicht ein Bestseller geworden?“ Ich weiche seinem Blick aus, während sich meine Stirn vor Missfallen kräuselt. Ich hab es mir heute noch nicht verziehen, dass ich damals Schillers Räuber abgelehnt habe, die dann bei der Konkurrenz erschienen sind, und es ärgert mich, dass der Blonde selbst das ebenso nicht vergessen kann. „Das…das ist doch etwas vollkommen anderes.“, versuche ich mich zu verteidigen, „Schauen Sie sich doch einmal Ihren Schreibstil an und…diesen hier!“ Schiller blickt mir eindringlich in die Augen, und da weiß ich schon, dass ich verloren habe. „Der Junge kann sich nur entwickeln, wenn Sie ihm die Chance dazu geben. Und nach den ersten fünf Seiten hat man sich wirklich daran gewöhnt. Es macht das ganze sogar interessant. Man könnte es fast als Stilmittel werten.“ „Ich weiß nicht…“ „Stellen Sie sich vor, Goethe“, fängt er erneut an, mit sanfter Stimme, und lässt eine Hand an meine Wange wandern, „niemand hätte sich mir erbarmt und mein Buch verlegt. Ich hätte Sie niemals so kennenlernen dürfen, wie ich Sie heute kenne. Wir stünden uns niemals so nahe. Außerdem…“ Ich muss schlucken. Was verdammt macht dieser Mann nur immer mit mir?!? „Außerdem wäre es ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk für mich, dieses Buch in Ihrem Verlag lesen zu dürfen.“ Ich will etwas erwidern, aber da legt sich Schillers Daumen auf meine Lippen und ich muss abermals schlucken. Eine blonde Locke streift mir über die Wange, als er sich zu mir herunterbeugt, um mir ins Ohr zu flüstern: „Ich müsste Ihnen ewig dankbar dafür sein, wie für so vieles…“ Es dauert ein paar Sekunden, bis mir wieder bewusst wird, dass immer noch Alexander mit uns am Tisch sitzt. Hastig räuspere ich mich und wende mich ihm wieder zu. „Gut“, meine ich, „ich lese es mir durch. Mehr kann ich aber nicht garantieren.“ „Vielen Dank.“, entgegnet Alexander. Schiller sieht mich glücklich lächelnd an, und ich beiße meine Kiefer aufeinander, um ernst zu bleiben und vor allen Dingen nicht rot zu werden. Vor Alexander solche…! Und ich lass mich auch noch so leicht umstimmen! „Ich melde mich, wenn ich mich entschieden habe.“, bringe ich heraus, um die Diskussion schnellstmöglich zu beenden. „Wunderbar.“ Schnell erhebe ich mich, was Alexander glücklicherweise als Zeichen sieht, ebenfalls aufzustehen. „Vielen herzlichen Dank noch einmal.“, betont er, als er mir die Hand schüttelt. „Versprechen Sie sich nicht zu viel davon.“, ermahne ich ihn. „Nein, natürlich nicht, ich hoffe nur.“ Auf mein Gesicht schleicht sich nun doch ein Schmunzeln. Immer noch wie früher, unser Alexander, glaubt an das Unerreichbare… „Ich bringe dich zur Tür.“, meint Schiller überraschenderweise und führt Alexander hinaus. Ich fahre mir seufzend übers Gesicht, sobald beide aus dem Raum sind, und nehme ein wenig benommen auf dem Sofa Platz. Zu was hab ich mich da nur überreden lassen… Es dauert nicht lange, da kommt Schiller zurück ins Wohnzimmer, sehr zu meinem Ärgernis die Haare schon wieder offen. „Was soll das?“, frage ich und gestikuliere zu ihm hinüber. „Das Zopfgummi drückt beim Liegen.“, antwortet er mit einem viel zu zärtlichen Lächeln, bevor er es sich wieder auf dem Sofa und damit auf meinem Schoß bequem macht, was ich leise grummelnd zulasse. „Schiller, das war nicht in Ordnung.“, stelle ich jedoch klar, bevor er wieder zur seinem Buch greifen kann. „Hm?“ Verständnislos schaut er zu mir auf. „Na, dass Sie…wie Sie…vor Alexander hätten Sie nicht so…“ Einen Moment schaut er mich ernst an, dann verabschieden sich seine Augen und er klappt das Buch auf. „Entschuldigung.“, kommt es kühl von ihm und ich weiß, dass ich ihn damit verletzt habe. „Schiller…“, seufze ich, weiß aber nicht, was ich sagen soll. „Nein, wirklich, tut mir Leid.“, wiederholt er genauso kalt, „Es war mein Fehler. Da Sie Alexander so gut von früher kennen und er zudem an Männern interessiert ist, dachte ich, er wäre es gewohnt, Sie so zu sehen.“ „Äh…“ Ich schüttele verwirrt den Kopf. „Moment“, fange ich noch einmal an, „Sie wollen hiermit nicht ernsthaft andeuten, dass Alexander und mich irgendwann einmal mehr als nur Freundschaft verbunden hätte?“ Schiller stiert stur in sein Buch, was Antwort genug ist. „Schiller“, seufze ich abermals, „Ich bin nicht an Männern interessiert, sondern an Frauen, falls Sie das noch nicht bemerkt haben.“ Knallend klappt er sein Buch zu und springt mit einem Satz auf. „Es ist leider nicht zu übersehen.“, murmelt er genervt, bevor er ohne ein weiteres Wort nach oben verschwindet. Ich schließe die Augen und mein Kopf fällt mir in die Hände. Oh, ich denke nicht zufällig gerade an Christiane. Sie war die einzige ansatzweise feste Beziehung, die ich hatte, und wenn sie so davongestürmt ist, wusste sie, was ich im Büro mit der Sekretärin getrieben hatte. „Sie kommt schon zu dir zurück“, habe ich dann immer gedacht und mich der Arbeit oder einem guten Buch zugewandt, aber niemals habe ich mich so schlecht gefühlt, wie in diesem Moment. Ich habe Schiller wehgetan, weiß schon gar nicht mehr wie, aber ich bin Schuld, dass er sauer auf mich ist, und das bereitet mir schreckliche Kopf- und Magenschmerzen. Dagegen muss etwas unternommen werden. Ich werfe die Decke beiseite und folge ihm nach oben. Zaghaft klopfe ich an seinem Arbeitszimmer an, aber ich bekomme keine Antwort. „Schiller“, versuche ich es. Wieder nichts. Die Tür ist natürlich abgeschlossen. „Schiller, jetzt lassen Sie uns doch darüber reden…“ „Da gibt es nichts zu reden!“, kommt es von innen. Danach ist es wieder still. Ich fahre mir übers Gesicht und erst in meinem Arbeitszimmer kommt mir eine Idee. Wenn es nichts zu reden gibt, dann muss ich wenigstens aufschreiben, was ich fühle, sonst platzt mir noch der Schädel, habe ich das Gefühl. Also nehme ich Briefpapier und meinen Füllfederhalter zur Hand und fange an zu notieren. Lieber Schiller, werther Freund, Verehrter, machen Sie es mir doch nicht so schwer. Niemals hatte ich beabsichtigt Sie auf irgendeine Weise zu kränken oder zu beleidigen. Niemals wollte ich, dass Sie sich wegen mir schlecht fühlen müssen. Es fühlt sich nämlich grausam an, der Grund Ihres Unwohlseins zu sein, derjenige, der Ihnen Ihr zauberhaftes Lächeln und das fröhliche Gemüt gestohlen hat. Derjenige will ich nicht sein, deshalb entschuldige ich mich tausendmal bei Ihnen, nur reden Sie bitte wieder mit mir! Ich weiß, es war nicht gerechtfertigt von mir, mich über Ihr Verhalten in Alexanders Anwesenheit zu beschweren. Ich habe ja selbst, als Sie in der Küche waren, ihm gegenüber erwähnt, dass wir in einem Bett schlafen. Es ist nur so ungewohnt für mich, das Bett – und so vieles mehr – mit einem Mann zu teilen. Ich weiß, Sie machen sich solche Gedanken überhaupt nicht, und ich bewundere deshalb Ihre edle Gesinnung dafür. Auch ich sollte die Beziehung zu Ihnen von allem Körperlichem trennen können, aber wenn Sie Ich halte inne. Nein, seine Haare werde ich nicht erwähnen. mir Ihre Lippen auf die Wange drücken, dann machen Sie mir diese Trennung nicht einfach. Ich weiß, das ist mein Fehler, Sie haben es ja einmal selbst gesagt: Ich hole zu viel aus der Sinnenwelt, wo Sie aus der Seele holen, aber so bin ich nun mal. Verzeihen Sie mir das und ich gelobe Besserung. Ihr ewig in Liebe zugetaner Freund G. Ich will den Füller schon schließen, da fällt mir noch etwas Wichtiges ein. P.S.: Ich bin unten, die Küche aufräumen. Den zusammengefalteten Brief schiebe ich bei ihm unter der Tür durch, bevor ich mich auf den Weg nach unten mache. Dort habe ich den benutzten Teller und das Besteck in die Spülmaschine geräumt und Wasser in die Spüle eingelassen, um die Töpfe zu säubern, da höre ich Schritte auf der Treppe. Ich tue so, als würde ich ihn nicht bemerken, denn…ich weiß nicht so recht, aber ich schäme mich plötzlich für meine plumpen Erklärungsversuche. Eine einzige Berührung jedoch löst den Knoten in meinem Magen, der sich dort seit unserem Streit wacker gehalten hat, als Schiller mir von hinten die Arme um den Bauch schlingt und seinen Kopf auf meine Schulter legt. „Sie haben Alexander gesagt, dass wir in einem Bett schlafen?“, fragt er leise, dicht an meinem Ohr, und ich spiele nervös mit dem Geschirrhandtuch. „Äh, ja, ich weiß auch nicht, aber…“ „Sie haben ihm gesagt, dass wir in einem Bett schlafen, und beschweren sich, wenn ich Ihnen in seiner Anwesenheit eine Hand an die Wange lege?!?“ Es hätte böse gemeint sein können, aber das Lachen, das folgt, lässt keinen Zweifel daran, dass dies nicht der Fall ist. „Goethe“, sagt Schiller sanft, und ich drehe mich vorsichtig zu ihm herum. Er lächelt mich an. Ich kann gar nicht beschreiben, wie erleichtert ich bin. „Soll ich in Zukunft…“ Er streicht mir über die Wange. „Stört Sie das, wenn ich Sie küsse? Soll ich das lassen?“ Ich schüttele den Kopf, bevor ich weiß, wieso. „Nein, äh, das…das sollte nicht heißen, dass es mir nicht gefällt.“ Sein Lächeln wird breiter und er beugt sich nach vorne, um seine Lippen für den Bruchteil einer Sekunde an meine Wange zu legen. Da ist er wieder, der wohlige Schauer, der mich dabei jedes Mal überkommt. Aber ich will ja versuchen, seine Küsse in Zukunft mit meiner Seele zu empfangen, nicht mit meinen Sinnen. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragt er und betrachtet mich blinzelnd. Ich weiß nicht ganz, was er meint, bis sein Blick zu den Töpfen wandert. „Ah, ja!“, antworte ich verspätet, „Ja, bitte, Sie können abtrocknen.“ „Gerne.“, meint er und nimmt mir mit einem Lächeln das Handtuch ab. Am Abend liege ich wieder neben einem Mann im Bett, einem Mann, der verboten schöne Haare hat und mich gelegentlich auf die Wange küsst. Aber nein, darauf kommt es ja gar nicht an. Ich liege im Bett neben Friedrich Schiller und kann vor Glück kaum einschlafen, dass er mir heute verziehen hat und gerade meine Hand hält. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)