Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 1: Wenn Nachbarn zur Plage werden ----------------------------------------- 1. Kapitel: Wenn Nachbarn zur Plage werde Catherine Amell hatte sich viel von London erhofft, als sie vor zwei Monaten hierher gezogen war. Ein ruhiges Studium, etwas mehr Aufregung in ihrem Privatleben und etwas mehr über den mysteriösen Tod ihres Bruders Jeffrey herauszufinden. Tja, nichts von alledem war so gekommen wie sie es erwartet hatte. Wie hieß es so schön: Unverhofft kommt oft. Dies war hier definitiv der Fall. Sie hätte in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs ein ruhiges, beschauliches Leben führen können, doch sie hatte ja Sherlock Holmes und Dr. John Watson treffen müssen- ihre Nachbarn. Ok, Mr. Watson war wirklich in Ordnung. Er war ein sehr harmoniebedürftiger, einfühlsamer Mann, doch Sherlock Holmes konnte eine wahre Plage sein. Was, wie John sagte, noch eine gelinde Untertreibung war. Mittlerweile begann sie auch zu begreifen warum. Er hielt sie auf Trab. Neben ihrer Arbeit an ihrer Bachelorarbeit kam sie kaum zum Lernen. Ständig rauschte Sherlock unangekündigt in ihre Wohnung um sie irrwitzige Fragen zur Biologie zu stellen. Wie bringe ich ein Kaninchen zum Leuchten?, war dabei noch die Harmloseste. Natürlich alles rein hypothetisch, wie Sherlock ihr versicherte, doch so richtig glauben konnte sie ihm das nicht. Dafür hatte sie ihn zu gut kennen gelernt, und so absurd klingende Geschichten bei einem Kaffee von John gehört, als das sie das auch nur eine Minute glauben könnte. Es waren so absurde Geschichten, dass sie manchmal kurz davor war zu glauben, dass John sie hereinlegen wollte, doch bei Sherlock war das erschreckenderweise mehr als passend. Es wäre sogar verwunderlich, wenn sie nicht wahr wären. Manchmal erschien es ihr, als wäre John froh, dass sie nebenan wohnte. Eine halbwegs normale Person, die Sherlock kannte und bei der er sein Leid klagen konnte. Catherine merkte jedoch, dass es John nicht so sehr störte, wie er es immer darstellte, dass er es an sich bei Sherlock genoss- mehr als er zugab. Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand durch ihr langes, braunes Haar, dass sie nun als geflochten, lockeren Zopf trug und versuchte sich die verschiedenen Namen der Gene zu merken, die an der Zellteilung beteiligt waren. Mit diesen Nachbarn könnte sie ein normales Privatleben eh vergessen, also brauchte sie auch ihre Rolle nicht mehr zu spielen. Deshalb trug sie ihre Haare nun wieder auf die gewohnte Weise. Ihr Blick wanderte wieder zu der Vorlesung, die auf ihrem Laptop geöffnet war, und danach zum empfohlenen Lehrbuch. Mal3, Cdc25, dass bei s.pombe ein anderes Gen als bei s. cerevisiae war, Cdc2...wer dachte sich denn solche Namen aus? Und wie sollte sie sie behalten? Frustriert klappte sie ihr MacBook zu und legte den Kopf auf dem Schreibtisch. Sie brauchte Schlaf. Ihre Gedanken trieben nur träge dahin. Wie schaffte Sherlock es nur drei Tage lang wach zu bleiben, wenn er an einem Fall arbeitete? Sie war schon nach einer durchgemachten Nacht völlig fertig und nicht mehr in der Lage eine klaren Gedanken zu fassen. Dabei musste sie gleich doch noch die Genomtransformation vornehmen. Das würde sie nicht überleben! Viel zu viele kleine Schritte, bei denen viel zu viel schiefgehen und die Arbeit von Stunden zunichte gemacht werden könnte, falls man nicht konzentriert war. Und bei Gott, das war sie gerade wirklich nicht. Zwei Monate war es nun schon her, dass sie in die Bakerstreet gezogen war und Sherlock jedes kleinste Detail ihres Privatlebens mit wenigen Blicken ergründet hatte. Beängstigend, verstörend und beeindruckend zu gleich. Aber das hatte sie ihm damals nicht zeigen wollen. Diesem arrogante Mistkerl, der gemeint hatte, dass er sich alles hatte erlauben können ohne Grenzen zu achten. Nein, sie hatte ihm nicht die Genugtuung geben wollen, dass er ja so recht gehabt hatte und irgendwie hatte es sie sogar amüsiert, dass sie es zumindest etwas geschafft hatte ihm zu trotzen und aus der Fassung zu bringen. John war während diesen Nachmittag ziemlich still gewesen, hatte zwischen Schock und Amüsement geschwankt und einfach das Schauspiel beobachtet. Catherine musste sogar zugeben, dass sie Sherlocks Humor mochte- zumindest manchmal, wenn er grad nicht der großspurige, ich-weiß-alles-von-dir Sherlock war. Schnell hatte sie gemerkt, dass sie vor dem Consulting Detective eh nichts mehr verbergen konnte und hatte so schließlich alle seine Fragen beantwortet, damit er nur endlich aus ihrer Wohnung verschwand. Er hatte nicht bemerkt, wie sehr es sie bedrängte und wie unruhig es sie gemacht hatte und sie wollte einfach nur, dass er nicht weiter in den tiefen Wunden ihres Verlustes und ihres kaputten Lebens weiterbohrte. Die Biologie war das Einzige, was noch ganz war, in das sie sich immer vergraben hatte, doch selbst sie zerbrach allmählich. Dann plötzlich hatte sich an jenem Tag etwas geändert. Sherlock war ruhiger geworden, beinah sogar verständnisvoll, als sie angefangen hatte von ihrem Bruder zu reden. Etwas, was sie irritiert hatte, sie vorsichtig hatte werden lassen, doch sie hatte nichts Auffälliges bemerkt. Sherlock schien einfach interessiert gewesen zu sein, mehr aber auch nicht. Er hatte sie noch weiter nach Informationen gefragt, aber er war weder stichelnd, noch herablassend gewesen. Ob er ihr vielleicht sogar helfen würde? Schließlich hatte John ihr am nächsten Tag erzählt, dass Sherlock von Scotland Yard immer mal wieder zu Rate gezogen wurden, doch bisher war nichts geschehen. Aber schließlich verstand Niemand Sherlock Holmes und was gerade seine Aufmerksamkeit erregte, war genauso ein großes Geheimnis wie das Datum vom Untergang der Welt. „Er scheint Sie zu mögen...soweit es ihm möglich ist.“, hatte John ihr vor einem Monat gesagt, als Sherlock ihm nach einem erneuten Ideenschwall in Catherines Wohnung hatte stehen lassen. Er war wieder einmal mit einem Ersatzschlüssel in ihre Wohnung gestürmt und hatte sie über einige biologische Begebenheiten ausgefragt. Wie viele Male Catherine mittlerweile das Schloss ausgewechselt hatte, wusste sie nicht mehr und mittlerweile hatte sie es aufgegeben. Zur Not hätte er noch immer seine Dietriche, hatte Sherlock einmal gegrinst. Hilfesuchend hatte sie danach zu John geblickt, mit einem Ausdruck, der sagte: ‚Das ist nicht sein ernst, oder?‘ Doch Johns müder Blick hatte ihr nur sehr gut klar gemacht, dass es sehr wohl Sherlocks ernst war. Also hatte sie seitdem nicht mehr ihre Schlösser ausgetauscht. Allein der Gedanke sie könnte aus dem Schlaf schrecken, weil sie das Klackern der Dietriche hörte, ließ sie erschaudern. Schnell verdrängte Catherine diese Erinnerung und so viele ähnliche, die auf sie hereinstürmten. Sherlocks unangekündigte Besuche waren mittlerweile ein fester Bestandteil ihres- dank ihm- nicht vorhandenen Alltags geworden. Auch Anrufe während der Arbeit waren keine Seltenheit mehr und bis heute wusste sie nicht, woher verdammt noch mal er ihre Nummer hatte. Aber bei Sherlock Holmes wunderte sie nichts mehr. Aber auch absolut nichts. Sie hatte ein langweiliges Leben gewollt und dafür Action bekommen. Vielleicht sollte sie mit ihren Wünschen demnächst etwas vorsichtiger sein. Rumms! Wie auf Bestellung krachte die Tür auf und Catherine sah schon wie Sherlock Holmes in seinem dunklen Mantel in ihr Wohnzimmer stürmte. Verdammt, wieso hatte ihre Wohnung keinen Flur? Wieso standen sie immer direkt im Wohnzimmer? Sie seufzte und drehte sich auf ihren Stuhl um. „Wie kann man DNA fälschen?“, fiel Sherlock direkt mit der Tür ins Haus und blieb mit bebenden Nasenflügeln in der freien Fläche stehen, die ihre Sitzecke bildete. „Morgen, Sherlock.“, gähnte sie nur und fuhr sich durch ihr Haar. Irgendwann, sie wusste schon längst nicht mehr wann, waren sie zu den Vornamen übergegangen. Es war keine Absprache oder Vereinbarung gewesen, irgendwann hatten sie sich einfach beim Vornamen genannt. John folgte seinem Mitbewohner nur wenige Augenblicke später in die Wohnung, sah sie einmal entschuldigend an und wünschte ihr einen Guten Morgen. Catherine nickte ihm zu, erwiderte den Gruß und ließ ein freundliches Lächeln sehen, doch ihre Aufmerksamkeit galt Sherlock, der sie herausfordernd ansah. „Die DNA fälschen? Ist das Ihr Ernst?“, hakte sie schließlich nach und warf John einen hilflosen Blick zu, der sich mittlerweile auf die Couch gesetzt hatte. Das übliche Ritual, was sich mittlerweile sogar manchmal tief in der Nacht wiederholte. Nein, Sherlock kannte definitiv kein Taktgefühl und auch keine gesellschaftliche Normen. Nun gut, vermutliche kannte er sie schon, sie waren ihm nur schlicht egal. John erwiderte ihren Blick und zuckte mit den Schultern. „Sherlock meint den Täter in der Themsemordserie gefunden zu haben, nur leider passt die gefundene DNA in dem Blut nicht zum Täter.“, erklärte er ruhig und holte seinen Notizblock hervor auf dem er jede Bemerkung von Sherlock für seinen Blogg aufschrieb. „Tja, Sherlock. Dann wird Ihre Vermutung wohl falsch sein.“, sagte Catherine schlicht und graublaue Augen warfen ihr einen bitterbösen Blick zu. „Ich irre mich nie!“, wiederholte er den Satz, den er auch damals zu ihr gesagt hatte, nur diesmal noch verbissener. Catherine seufzte und ließ sich in die Lehne fallen. Sie legte die Hand an ihr Kinn und dachte nach. Sie bemerkte gar nicht Johns amüsierten Blick, ihr war nicht bewusst, dass sie sogar ein wenig Sherlocks Körpersprache annahm. „Nun gut...also wieder rein hypothetisch gesprochen, richtig?“ „Sicher.“ Wieder seufzte sie schwer und schloss die Augen. „Also...man bräuchte...theoretisch...die DNA desjenigen, dem man es anhängen will...und das in einer große Menge, dass es forensisch aussagekräftig wäre. Hmm...zur Vervielfältigung muss man den Ablauf in der Zelle simulieren. In vitro wird das wohl nicht funktionieren...man braucht natürliche Umgebung...also in vivo.“ „Ginge es nicht auch über die PCR?“, fragte Sherlock ungeduldig. Catherine schüttelte den Kopf. „Nein...man vermehrt da zwar die DNA, aber man müsste per Gelelektrophorese oder Ähnlichen überprüfen, ob die Vermehrung richtig stattgefunden hat und danach ist die DNA unbrauchbar und würde niemals als natürliche durchgehen...es muss in der Zelle stattfinden. Dazu braucht man die Polymerase, Restriktionsenzyme und eine Zelle...“ „Das weiß ich alles.“, fuhr Sherlock genervt dazwischen und warf ihr einen funkelnden Blick zu. „Wenn ich das hätte wissen wollen...“ „Pab!“ Sie hob die Hand und unterbrach Sherlock. Dieser warf ihr einen irritierten Blick zu. „Sherlock! Sie haben mich gebeten etwas hypothetisch für Sie zu überlegen und da muss ich meinen Gedankenweg gehen. Ja, Sherlock, nicht jeder hat gleich einen Palast, aber ich muss die mir bekannten Tatsachen abgehen umso auf die Antwort zu kommen. Also unterbrechen Sie mich nicht!“ „Catherine...“ Er seufzte genervt. „Ich will ja nicht drängen, aber er läuft noch frei rum. Es geht um Menschenleben. Sie sind doch nicht ganz so dumm. Also strengen Sie ihr Gehirn wenigstens einmal an. Sie haben doch nicht umsonst das Begabtenstipendium. Nun beweisen Sie warum.“ „Oh ja, sehr hilfreich, Sherlock. Da bin ich doch gleich motivierter. Nur kein Druck, nur kein Stress.“ Sie gähnte wieder. John lachte, während Sherlock genervt mit dem Fuß aufstampfte. Es schien wirklich dringend zu sein und Sherlock schien auch keine Lösung zu finden, sonst wäre er ja nicht so offensichtlich ungeduldig. Ihre Gedanken glitten durch all ihr Wissen was sie über Zellteilung, Zellvermehrung und die Zelltypen hatte. Es schien wirklich wichtig zu sein, aber ihre Müdigkeit machte das Denken wirklich anstrengend. Immer wieder murmelte sie Fakten vor sich hin und diesmal schwieg Sherlock. Plötzlich reifte eine absurde Idee in ihrem Kopf. Sie war erschreckend einfach, aber theoretisch möglich. Schnell drehte sie sich auf ihrem Stuhl herum. „Wo ist es...? Verdammte Unordnung!“, fluchte sie und fühlte durch ihre Lehrbücher. Wo waren ihre zellmolekulare Biologie und Tierphysiologie Unterlagen? Verfluchter Umzug! Nichts war an seinem gewohnten Platz. Dann googlte sie es lieber. Blitzschnell flog sie über ihr bekannte Fachseiten und studierte Artikel. Als sie nach einigen Minuten fertig war, lachte sie nur und schüttelte fassungslos den Kopf. „Was ist?“, fragte nun John und rutschte etwas auf der Couch vor. „Das gibt es doch nicht...“, lachte sie noch immer fassungslos und knallte den Kopf auf dem Tisch. „Es ist ja so einfach. So verdammt einfach. Jeder Biologiestudent könnte das.“ Noch immer völlig überfordert schüttelte sie den Kopf. „Sie haben eine Idee?“, hakte nun Sherlock nach und stellte sich neben sie, beugte sich vor um die geöffnete Seite zu betrachten. „Sherlock...“, sagte sie atemlos und sah ihn an. „Es ist erschreckend einfach.“ Danach deutete sie auf eine Passage auf der Seite und hob sie hervor, indem sie sie mit der Maus markierte. Unbewusst legte Sherlock ihr eine Hand auf den Rücken, damit er sich besser hinabbeugen konnte. „Ich habe keine Ahnung, ob es auch in der Praxis funktioniert. Aber theoretisch...das wirft die Gerichtsmedizin zurück.“, fuhr sie fort und nun erhob sich auch John um sich ihre Entdeckung anzusehen. „Was haben Sie entdeckt?“, fragte die tiefe Stimme von John. Auch Sherlocks dunkler Bariton erklang, als er den Abschnitt zu Ende gelesen hatte: „Die Leukozyten?“, zog er sein Resümee aus dem, was Catherine ihm gezeigt hatte. „Wieso die weißen Blutkörperchen?“, wiederholte John irritiert. „Überlegen Sie doch mal...“, sagte Catherine ungeduldig. „Leukozyten sind pluripotent. Sie teilen sich in eine Vorläuferzelle der Blutzellen und eine weitere Stammzelle. Sie sind besonders widerstandsfähig und teilen sich wegen der Pluripotenz häufiger als normale Zellen. Man braucht nur dem Opfer das Blut entnehmen und sie zu isolieren. Das geht auch in vitro...das wird ja sogar gemacht bei Stammzellspende. Dann vermehren sie sich und man vermischt sie mit Blut isolierten roten Blutkörperchen. Die Erythrozyten tragen schließlich keine DNA in sich...“ „Und vermischt man das beide, so denkt man das Blut sei von Jemand anderem. Ooooh, das ist brillant. Wirklich brillant.“ Eifrig klatschte Sherlock in die Hände. „Catherine, können Sie das für mich in ihrem Labor ausprobieren?“, rief er noch einmal über die Schulter und stürmte aus der Wohnung. „Was...Sherlock, ich kann nicht...“ Zurück blieben eine noch immer fassungslose Catherine und ein entsetzter John. Beide blinzelten sich an und schließlich lehnte sie sich zurück, sodass die Lehne des Stuhls sich fast komplett durchbog. „Gott...was hab ich nur getan...? Hoffentlich macht er nichts...nichts...sherlockiges damit.“ Sie wusste es nicht besser auszudrücken. John seufzte neben ihr schwer und strich sich durch die Haare. Einige Minuten vergingen, bis Catherine sich müde und überfordert aufs Sofa fallen ließ. Hatte sie gerade das wirklich entdeckt, was zu viele Forscher übersahen? Es konnte doch nicht so einfach sein! Sie schüttelte nur den Kopf und ließ sich auf die Couch fallen. Für die Arbeit war sie eh schon viel zu spät dran und sie war völlig fertig. „Müde?“, fragte John sie ruhig und setzte sich ihr gegenüber. Sie nickte nur und schloss die Augen. „Ich habe die Nacht nicht geschlafen, weil ich für ein Examen lernen musste, aber mir geht so viel durch den Kopf.“, seufzte sie frustriert. „Selbst auf Bio kann ich mich nicht mehr konzentrieren.“ „Sherlock hat ein einnehmendes Wesen.“, grinste John und stand auf. „Tee?“ „Ooooh ja gerne.“, seufzte sie schon genüsslich allein bei den Gedanken. „Sie wissen ja wo alles steht. Kann ich kurz telefonieren gehen?“ „Sicher.“, lächelte der ältere Militärarzt sie an, der mittlerweile zu einem Vertrauten geworden war. Wahrscheinlich, weil sie beide unter Sherlocks Eskapaden zu kämpfen hatten und so ein gemeinsames Thema hatten. Das, und die Biologie, denn Medizin und Biologie standen sich sehr nah. Catherine stand auf und griff nach ihrem Handy. Eine SMS von Sherlock ignorierte sie bewusst und rief erst einmal auf der Arbeit an. „Hey, Kathy...hier ist Catherine...du...ich fühl mich krank...ich glaub die Grippe. London ist ganz schön nass. Ich geh morgen zum Arzt. Könntest du die Transformation für mich durchführen von cerevisiae? Es ist alles bereits vorbereitet...du müsstest nur den H und H+ Stämme maten, die bei 27°C Schrank sind, und dann in den Inkubator bei 25 Grad geben. Dann hab ich ja eh zwei Tage Ruhe...da nächste Experiment starte ich dann später. Würdest du das für mich tun? Und die andere Probe im Inkubator kurz mit Vollmedium animpfen, bitte? Wirklich? Oh du bist ein Schatz, Kathy. Danke! Bis dann.“ Glücklich legte Catherine auf. Zumindest einen Tag Ruhe, wenn Sherlock sie ließ. Einen Tag um ihre Gedanken zu ordnen. Sie hörte das Klappern von Porzellan und sah müde von der Couch auf. Dr. Watson betrat wieder das Wohnzimmer und setzte sich ihr gegenüber, bevor er ihr die Tasse hinstellte. Der wundervolle Duft von Kamille stieg in ihre Nase und sie lächelte dankbar. „Danke, John. Das ist ein Segen. Ich weiß nicht wie Sie diesen Dauertrab aushalten. Sherlock ist ja schlimmer als ein Sack Flöhe.“ „10 Säcke wohl eher.“, grinste er amüsiert und nahm einen Schluck. Catherine lachte und legte den Kopf in den Nacken. „Ob es wirklich so einfach ist?“, murmelte sie schließlich nach einigen Schlucken Tee nachdenklich. „Ich weiß es nicht. Ich bin zu lange aus dem Stoff raus, aber es klingt logisch.“ „Wenn dem so ist, dann macht es mir Angst, John. Dann wird es selbst Sherlock schwierig machen einen Fall zu lösen.“ Wieder kehrte Stille wie ein schweres Tuch über sie ein und das Tacken der Uhr war das einzige hörbare Geräusch. „Keine Sorge...das wird schon.“, versuchte er schließlich zu beruhigen und lächelte sie aufmunternd an, doch es wirkte gekünstelt. Auch er selbst schien unruhig zu sein. „Aber ich bin nur eine einfache Biologiestudentin...ich hab sicher irgendwas nicht bedacht. Es ist sicher gar nicht so möglich.“ Es war ein verzweifelter Versuch sich selber zu beruhigen, doch in Wirklichkeit flatterten ihre Nerven und ihr war ein wenig übel bei dem Gedanken. Was, wenn sie sich nicht irrte? Wenn es wirklich so einfach war? Nein, nein Catherine...! Nicht weiter denken. Bloß nicht weiterdenken. Es war nur eine Hypothese. Eine einfache, dumme Hypothese von einer dummen Studentin aufgestellt. Nichts weiter! Ein dummes Gedankenspiel. Nichts weiter...aber ein Gedankenspiel, was Sherlock Holmes ernst nahm. Also konnte es nicht ganz so abwegig sein...aber...ach, verdammt! „Nicht weiter drüber nachdenken.“, durchfuhr Johns ruhige Stimme ihren Gedankengang. Irritiert sah sie zu ihm herüber, der sie nachdenklich betrachtete. John erwiderte ihren Blick nur und schüttelte dann merklich den Kopf, ließ seinen Blick schweifen und schien beschlossen zu haben, das Thema zu wechseln. „Etwas Neues von Ihrem Bruder?“, fragte er nach einiger Zeit vorsichtig und legte seinen Kopf auf die gefalteten Hände. Catherine sah ihn mit einem traurigen Blick an und schüttelte den Kopf. „Ich kam nicht wirklich dazu noch Nachforschungen anzustellen. Und irgendwie hatte ich gehofft, dass Sherlock mir hilft.“ Tief Luft holend, schloss sie die Augen und nahm einen kräftigen Schluck Tee um ihre aufkommende Trauer herab zu spülen. Deswegen war sie eigentlich her gekommen, hatte ihren Geburtsort Cardiff verlassen, doch die Behörden, Sherlock und Studium raubten ihr alle Zeit, sodass sie noch keinen Schritt vorangekommen war. „Es tut mir leid, Catherine.“ Sie schüttelte nur stumm den Kopf und setzte sich auf. „Es ist nicht Ihre schuld, John. Noch nicht einmal Sherlocks, auch wenn er mich auf Trab hält, sondern einfach schlicht meine, weil ich mein Leben nicht organisiert kriege.“ Irgendwann seufzte sie, fuhr sich mittlerweile durch ihr zerzaustes Haar und kicherte dann irre. „Ich hätte so ein ruhiges Leben haben können...“ John lachte ebenfalls und lehnte sich zurück. „Das kann man bei Sherlock gleich abhaken.“ „Kann der überhaupt ruhig sitzen?“ „Doch schon...für eine Sekunde.“ Catherine lachte ebenfalls und schloss dann die Augen. „Alles ein bisschen viel, hmm?“ „Das ist noch untertrieben. Das Studium allein kostet schon all meine Kraft, dann noch Sherlocks plötzliches Auftauchen und wieder verschwinden. Ich mag ihn ja, irgendwie...aber...“ Sie wedelte hilflos mit der Luft in der Hand. „Er hat kein Timing.“ „Gelinde ausgedrückt. Wehe man springt nicht sofort, wenn er ruft. Egal was man gerade macht. Ich kann doch nicht einfach das mal eben im Labor ausprobieren. Wie soll ich das dem Prof erklären?“ „Lassen Sie das mal einfach. Sherlock glaubt es eh nur, wenn er es selbst überprüft hat.“ „Wie halten Sie es nur mit ihm aus, John? Wirklich...seine Genialität in allen Ehren, aber...“ Sie brach ab, als sie Schritte die Treppe hinaufstürmen hörte. John warf ihr nur einen verstehenden Blick zu, wandte sich dann aber zur Tür, durch die Sherlock wieder hereingeschneit kam. Irritiert blieb er dann im Türrahmen stehen. „Wo bleiben Sie denn, John? Wir haben zu tun.“, forderte er ungeduldig seinen Mitbewohner auf. „Also dann...“, sagte John, während er sich erhob. „Die Action ruft.“ Er grinste Catherine an, die es erwiderte und nochmal dankbar zum Tee blickte. Dann folgte er Sherlock aus der Tür. Kurz bevor sie ihre Wohnung verließen, blieb Sherlock noch im Türrahmen stehen und blickte sich zu ihr um. „Israel.“, sagte er nur knapp. „Was?“ Sie blinzelte irritiert. „Man kann gefälschtes Blut in Israel ordern.“, erwiderte der Lockenkopf knapp und verschwand. Catherine stockte der Atem und ihr Magen begann zu rebellieren. Schwindel und Übelkeit übermannten sie, als sie realisierte, was Sherlock ihr gerade offenbart hatte. Kalter Schweiß rann ihr den Rücken hinab und sie versuchte sich zu beruhigen. Es war wahr. Es war möglich. Oh Gott! Was war das für eine Welt? Ihr Körper zitterte und sie versuchte durch tiefe Atmung sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht. Ihr Blick glitt zum Tisch, wo noch immer Johns und ihre Teetasse standen. Langsam stand sie auf und plötzlich klang die Grippe nicht mehr wie eine dürftige Lüge. Ihre Glieder schmerzten und ihr Kopf war wie leergefegt. Was hatte sie da nur entdeckt? Sie hatte Angst. Wenn man selbst die DNA fälschen konnte, in was für einer Welt lebten sie dann? In einer, wo man an Justitia nicht mehr glauben konnte. Wo jeder Fall wieder neu aufgerollt werden musste, weil in jedem die DNA hätte gefälscht sein könnte. Nur die ungewohnt hohe Konzentration von Leukozyten würde noch falsches Blut von echten unterscheidbar machen. Wie leicht es wäre Jemanden ein Verbrechen anzuhängen? So einfach, dass es wie Klauen nach ihr griff. Was hatte sie nur getan? Ihre Hand zitterte, als sie die Tasse nahm und vorsichtig, sorgsam in die Küche brachte, abspülte und verstaute. Kurz überlegte sie, beschloss aber dann, das flaue Gefühl im Magen zu vertreiben, indem sie etwas aß. Ein Blick in den Kühlschrank machte diesen jedoch schnell zu Nichte. Sherlock sei Dank, hatte sie nichts mehr drin. Sie war auch nicht zum Einkaufen gekommen. Frustrierend. Sonst war Zeitmanagement doch immer ihre Stärke gewesen. Nun gut, dann war es halt so. Catherine ging an die Garderobe und schnappte sich ihre Jacke, verließ eilig die Wohnung um mit der in drei Minuten kommenden U-Bahn in die Stadt zu fahren um ihren Kühlschrank zu füllen. Sie bemerkte nicht, dass Augen ihre Schritte verfolgten und dass ihr Leben durch Sherlock und John mehr verändert werden würde, als sie je glauben würde. Sehr viel mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)