Kein Rettungsmittel als die Liebe von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 7: ----------- „Monsieur Kleist!“ Mit einem überschwänglichen Lächeln auf den Lippen kam die dunkelhaarige Frau auf den jungen Schriftsteller zugeeilt und warf ihm einen beeindruckten Blick zu. „Mon Dieu!“, stieß sie schließlich aus, „So habe ich mir den Dichter der Penthesilea wahrlich nicht vorgestellt. Dafür, dass Sie diese Frau ihren Geliebten zerfetzen lassen, sehen Sie selbst unwahrscheinlich unschuldig aus!“ Ein Lachen entkam ihr, dann sprach sie jedoch weiter, ohne auch nur eine Antwort ihres Gegenübers abzuwarten. „Aber wie ich bereits hörte, soll ihr Käthchen ja weitaus humaner sein – ich bin jedenfalls schon sehr darauf gespannt, weshalb ich mir die Uraufführung hier an diesem wunderschönen Theater natürlich nicht entgehen lassen wollte.“ Als die Dame bemerkte, wie überrumpelt Kleist wirkte, lachte sie abermals und schüttelte unwillkürlich den Kopf. „Verziehen Sie bitte, ich rede schon wieder viel zu viel und habe dabei ganz vergessen mich vorzustellen: Madame Germaine de Stael und das ist mein Begleiter Wilhelm Schlegel.“ Mit einem kurzen Nicken deutete sie in die Richtung des Mannes, der hinter ihr stand, bevor sie sich an die Bekannten Kleists wandte. Alexander von Humboldt lächelte sie dabei kokett an, Goethe jedoch begrüßte sie nur mit einem beiläufigen „Bonjour Monsieur“. Als ihr Blick aber auf Schiller fiel, der sich bis jetzt etwas im Hintergrund gehalten hatte, erhellte sich ihre Miene augenblicklich. „Monsieur Schiller!“. Begeistert strahlte sie den Blonden an und hielt ihm ihre Hand entgegen, als erwartete sie zur Begrüßung einen Handkuss. „Ich hoffte, sie endlich einmal wieder zu sehen, es ist schon viel zu viel Zeit vergangen, seit wir uns sahen zum letzten Mal…“ Schiller brachte ein Lächeln zustande und gab ihr den ersehnten Handkuss. Diese Frau war unmöglich, nun war ihr gemütlicher Theaterabend dahin. „Ich grüße Sie, Madame.“, entgegnete er auf ihren Redeschwall, „Was für ein schöner Zufall, Sie hier zu treffen. Herr Schlegel.“ Er nickte dem älteren der Schlegelbrüder zu. „Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte die Madame mit einem strahlenden Lächeln. „Ich muss sagen, dass es ist ganz wundervoll erneut zu sein in Weimar– es gibt zwar einige schöne Städte in Deutschland, aber mit Ihrer kleinen kulturellen Hochburg, die Sie hier allein dank Ihrem fantastischen literarischen Schaffen gründeten, Monsieur Schiller, kann wirklich nichts mithalten.“ Begeistert sah sie zu dem Blonden auf und wollte abermals das Wort ergreifen, als sie etwas unsanft von Goethe unterbrochen wurde. „Nun, es ist schön, dass Ihnen Schillers Weimar so gut gefällt, Madame“, fing er äußerst höflich an, wobei er einen leicht ironischen Unterton nicht unterdrücken konnte, „aber nichts desto trotz sind wir heute wegen Herrn von Kleist hier und da das Stück bald beginnen wird, wird es Zeit sich auf den Weg in die Logen zu machen.“ „Da haben Sie recht, Monsieur“, entgegnete die Dunkelhaarige, während sie sich bei Schiller einhakte und diesen charmant lächelnd fragte: „Sie haben doch sicher noch einen Platz für mich frei?“ „Aber natürlich.“, antwortete Schiller, und obwohl er Goethes skeptischen Blick auf sich spürte, führte er die Madame ins Theater. Dort nahmen Alexander und Heinrich nebeneinander Platz, Goethe setzte sich neben Alexander. Er hoffte inständig, dass Schiller sich trotz allem wie geplant neben ihn setzen würde, und zu seiner Erleichterung kam der Blonde dieser unausgesprochen Bitte nach, doch die Madame pflanzte sich natürlich auf den Sitz zu Schillers Linken. Schlegel stand als letzter ein wenig verloren neben der Sitzreihe, sodass ihn de Stael einfach am Arm packte und kompromisslos auf den freien Platz neben sich zog. Während der Aufführung verhielt sich die Madame für ihre Verhältnisse recht ruhig. So wie die Mehrheit der anderen Theaterbesucher war sie von Kleists Stück vollkommen eingenommen und klatschte begeistert Applaus, als der Vorhang nach dem dritten Akt fiel und eine kleine Pause gemacht wurde. In dieser hielt sie sich die ganze Zeit über in der Nähe Schillers auf, den sie in angeregte Diskussionen – die vielmehr als einzig langer Monolog ihrerseits bezeichnet werden konnten – verwickelte. Nur ein einziges Mal wandte sie sich an Heinrich, um ihm für die ausgesprochen gelungene Wahl des Namens „Friedrich“ für den Grafen Wetter vom Strahl zu gratulieren. Für diesen schwärmte sie nämlich ganz besonders, weshalb sie sich gerade für die Szene im letzten Akt, in der der Graf schließlich sein Käthchen zur Frau nahm, begeistern konnte. Die Schauspieler, die die Hauptpersonen verkörperten, hatten sich gerade geküsst, da lehnte sich de Stael zu Schiller, um ihm mit einem verschmitzten Lächeln zuzuflüstern: „Nun Monsieur, täusche ich mich, oder es ist eine Eigenheit von Männern, die Friedrich heißen, zu sein äußerst charmant?“ Schiller schenkte ihr ein amüsiertes Lächeln. So penetrant sie auch sein mochte, Goethes eifersüchtige Blicke, die er ihm und de Stael die ganze Zeit schon zuwarf, waren es wert, sich mit ihr herumzuschlagen. „Da täuschen Sie sich auf keinen Fall, Madame.“, antwortete er also mit einem Zwinkern und schlug seine Beine übereinander, um sich ihr ein wenig mehr zuzuwenden. Schmunzelnd rückte die Madame daraufhin noch etwas näher und fuhr Schiller scheinbar unschuldig mit den Fingerspitzen über den Oberschenkel. „Dann sollten Sie vielleicht das nächste Mal den Grafen spielen...“, flüsterte sie ihm zu, „Ich kann mir vorstellen, dass Sie wären ein ganz begnadeter Schauspieler.“ Schiller lächelte sie zur Antwort an, denn dass sie ein vortreffliches Käthchen abgeben würde, brachte er dann doch nicht über die Lippen. Stattdessen wollte er ihr zustimmen, wurde aber von Goethe unterbrochen. „Schiller ist mitnichten ein begnadeter Schauspieler, jedenfalls wenn es darum geht, auf der Bühne eine Rolle zu übernehmen.“ Er blickte mit einem gehässigen Grinsen zwischen den beiden hin und her. „Im Alltag jedoch kann er einem wahrlich wunderbare Dinge vorgaukeln.“ „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!“, entgegnete die Madame entrüstet und zügelte sich nur ein wenig, als Wilhelm ihr leise, aber eindringlich zuflüsterte, dass sie sich im Theater doch nicht so laut verhalten konnte. Schiller hingegen erwiderte nichts, warf Goethe aber einen betroffenen Blick zu. Der andere musste doch wissen, dass er nicht wirklich Gefallen an der Dunkelhaarigen fand, sondern nur auf ihre Avancen einging, weil sie ihn amüsierte! „Ich glaube, Sie können sich so einiges nicht vorstellen.“, entgegnete Goethe, und als er Schillers Blick vernahm, legte er ihm unauffällig eine Hand an den unteren Rücken. Was sah der Blonde ihn jetzt so verletzt an, es war sein gutes Recht, seinen Geliebten vor dieser Furie zu verteidigen. Ein erleichtertes Lächeln schlich sich bei dieser sanften Berührung auf Schillers Lippen. Liebevoll sah er Goethe an, bevor er sich wieder an die Madame wenden wollte, die ihn allerdings gar nicht erst zu Wort kommen ließ. „Tatsächlich?“, fragte sie an Goethe gewandt und blickte ihn fast schon herablassend an. Goethe hätte so viele Argumente zum Kontern gehabt, hätte er sie nur auf den Tisch bringen dürfen. Jedoch wollte er eine Auseinandersetzung mit de Stael, zumal sie sich immer noch im Theater befanden, vermeiden. „Es irrt der Mensch, solang er strebt, Madame.“, antwortete er deshalb nur schmunzelnd, „Und wenn ich mich nicht irre, löst sich die Gesellschaft hier so langsam auf. Wir könnten unseren Monolog also auch in andere Räumlichkeiten verlegen. Ich schlage das Wirtshaus um die Ecke vor.“ Auf diesen Vorschlag ging de Stael natürlich nur zu gerne ein, weshalb sie sich kurze Zeit später zusammen mit den fünf Herren auf den Weg ins Gasthaus machte. Dort wurde Heinrich zunächst erst einmal zu seinem großartigen Werk beglückwünscht, denn sein Käthchen war von der Mehrheit der Zuschauer außerordentlich gut aufgenommen worden. „Es war wirklich großartig!“, erklärte nun auch Alexander und lächelte seinen Heinrich liebevoll an, was der Madame mit einem Schmunzeln auffiel. „D-das freut mich, dass es dir gefallen hat.“, antwortete ihm Heinrich mit roten Wangen aber einem strahlenden Grinsen auf dem Gesicht, „E-es hat mir ja a-auch viel Freizeit gekostet, de-deshalb ist es mir wichtig, dass das Ergebnis – weißt du, ich will ja n-nicht, dass ich die Zeit umsonst, die i-ich ja ei-eigentlich m-mit, also…“ Schiller räusperte sich und schob sich in das Blickfeld der Madame, sodass diese leider nicht mehr hören konnte, was der Schwarzhaarige noch zu sagen hatte. Etwas enttäuscht blickte de Stael zu Schiller auf, machte sich aber weiter nichts daraus, da sie ja nun wieder die volle Aufmerksamkeit des Blonden für sich hatte. Mit einem koketten Lächeln fasste sie den Dichter am Arm und zog ihn mit sich zu einem der freien Tische im hinteren Teil des Wirtshauses, wo sie sich augenblicklich neben ihm auf der Sitzbank niederließ. „Und Ihnen hat das Stück genauso gut gefallen, Monsieur?“ „Ja, es war ganz vortrefflich.“, antwortete Schiller, während die anderen ebenfalls am Tisch Platz nahmen, „Ich hatte ja das Glück, Herrn von Kleist ein wenig dabei unterstützen zu dürfen, aber es jetzt zum ersten Mal vollendet auf der Bühne zu sehen, ist doch noch einmal ein ganz besonderes Gefühl.“ „Da haben Sie Recht“, mischte sich der Geheimrat auch sogleich ein und packte sie am Handgelenk, „Trotzdem sollten Sie Ihre grazilen Hände bei sich behalten und– “ Er schien sich beherrschen zu müssen. „Und lassen Sie in Gottesnamen endlich die Avancen sein! Schiller will nichts von Ihnen.“ Er warf dem Blonden einen prüfenden Blick zu. „Nein, ich… ich bin bereits vergeben, Madame.“, erwiderte der Blonde sofort und rückte unwillkürlich näher zu Goethe, dem er einen dankbaren Blick zuwarf. „So?“, fragte de Stael da sofort nach, keineswegs ernsthaft eifersüchtig, aber dafür doppelt so sehr interessiert. „Wer ist denn die Glückliche?“ „Die… die Dichtkunst“, erwiderte Schiller und versuchte dabei möglichst überzeugend zu klingen. „Die Dichtkunst war schon immer meine große Liebe und wird es auch immer bleiben.“ Hilfesuchend sah der Blonde zu Goethe, da er genau wusste, dass sich die Madame mit dieser Antwort nicht zufrieden geben würde. Glücklicherweise erschien aber in diesem Moment die Bedienung, sodass de Stael zunächst nicht dazu kam weitere Fragen zu stellen. Der junge Mann stellte einen Krug Wein und genügend Gläser auf den Tisch, bevor er sich an Goethe wandte. „Wir haben heute Abend Saumagen da, Herr Geheimrat, wenn’s das sein darf.“ „Mit Knödeln?“ „Mit ganz feinen Klößen.“ „Dann bitte sechs Portionen davon.“ Goethe sah noch einmal kurz fragend in die Runde, doch er erhielt keine Gegenstimme. Glücklicherweise galt das Interesse der Madame nun auch dem Kulinarischen. „Gläße?“, wiederholte sie das letzte Wort der Bedienung, „Ist das eine sächsische spécialité?“ „Der junge Mann sprach von Klößen, Madame“, entgegnete Goethe schmunzelnd, nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte. „Aber ja doch, hierbei handelt es sich um eine sächsische Spezialität und ich bin mir sicher, dass sie Ihnen schmecken wird.“ Und wie es de Stael schmeckte. Sie war so begeistert, dass sie sogar fast das ganze Essen über schwieg und ihren Mund lediglich zur Nahrungsbeförderung benutzte. Nur kommentierte sie hin und wieder das Essverhalten Schlegels, der ihrer Meinung nach entweder viel zu gierig, und ohne Genuss aß, eben typisch deutsch. Der neutrale Beobachter mochte nun vermuten, dass der Ältere der Schlegelbrüder ihre Aufmerksamkeit bekommen würde, weil Schiller ja augenscheinlich vergeben war, doch in Wirklichkeit waren die Blicke der Madame überall. So entging ihr natürlich nicht, wie Goethe Schiller während des Essens immer wieder verstohlene Blicke zuwarf und mit sichtlicher Faszination die Locken des Blonden, die ihm nun über die Schultern fielen, betrachtete. Kurz huschte ihr Blick zu Humboldt und Kleist, die in ihrer eigenen Welt zu verweilen schienen, dann wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf den blonden Dichter gelenkt, denn er hatte soeben seine Gabel in Richtung Goethes Teller ausgestreckt. „Die…die Kruste…?“ Goethe schenkte ihm ein Schmunzeln, das man nur als liebevoll beschreiben konnte. „Die Kruste dürfen Sie haben, ja.“, meinte er, „Aber erst essen Sie das Gemüse auf.“ Schiller schien damit nicht so zufrieden, doch Goethes aufmunternder Blick ließ ihn sich schließlich doch dem Gemüse auf seinem Teller zuwenden. Die Madame konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken, als sich ihr diese Szene bot. Mit einem Lächeln auf den Lippen durfte sie beobachten, wie Goethe Schiller doch noch die Kruste abgab. So strahlend blickte der Blonde den Älteren an, dass de Stael nicht umhin kam sich zu fragen, ob ihr Schiller vorhin nicht doch etwas verheimlicht hatte. Als sie beim Nachtisch angelangt waren, rückte sie ein wenig näher an Schiller heran und lehnte sich zu ihm. „Monsieur, darf ich Ihnen eine indiskrete Frage stellen?“ Sie wartete keine Antwort ab, sondern sprach gleich weiter: „Kann es sein, dass Sie und Monsieur Goethe verbindet mehr als eine dichterische Partnerschaft?“ „W-wie bitte?“, erwiderte Schiller entsetzt und sah de Stael ungläubig an. Einen Moment lang war er so schockiert, dass er völlig vergaß in welcher Gesellschaft er sich befand, erst als er Goethes fragenden Blick auf sich spürte, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen. „Wie kommen Sie nur auf so etwas, Madame?“ De Stael schenkte ihm ein keckes Lächeln. „Ich muss wohl ein Gespür dafür haben.“ Und mit einem Seitenblick zu Humboldt und Kleist ergänzte sie: „Dass die zwei hier es treiben noch bunter als Sie beide, erkannte ich in der ersten Sekunde.“ Schiller senkte hilflos den Blick, als er erkannte, dass Goethe soeben verstanden hatte, über was sie redeten. Doch mit dem folgenden Konter des Älteren hatte er nicht gerechnet: „Und ich musste leider erkennen, dass Sie und Herr Schlegel sich immer noch nicht aufgerafft haben, sich gegenseitig Ihre Zuneigung zu gestehen.“ Selten kam es vor, dass der Madame die Worte fehlten, doch auf diesen Kommentar wusste sie einen Moment tatsächlich nicht, was sie erwidern sollte. „Das…das ist doch…“, antwortete sie unbeholfen, wobei sie sichtlich rot wurde. „Das ist anmaßend, Monsieur.“, erklärte sie schließlich und sah Goethe herablassend an. „Nicht anmaßender als Ihre Unterstellung.“, entgegnete dieser gelassen, während Schiller neugierig zu Schlegel hinüberblickte, der rot wie eine Tomate geworden war. Da hatte Goethe eine wahre Tatsache angesprochen; ihm selbst waren schon beim letzten Besuch der Madame die Sticheleien zwischen den beiden aufgefallen, die klar aussagten, dass die zwei füreinander schwärmten, Schlegel offensichtlich, de Stael heimlich, und damit es weiter ein Geheimnis bleiben würde, tat sie so, als würde sie ihren Wilhelm unausstehlich finden. „Ich glaube, Ihnen ist der Wein zu Kopf gestiegen, Monsieur“, erwiderte de Stael hochnäsig, als sie sich wieder etwas gesammelt hatte. „Und mon dieu, es ist inzwischen auch schon reichlich spät geworden…vielleicht sollten wir uns langsam wieder auf den Weg machen?“, meinte sie und blickte fragend zu Schlegel. Der murmelte nur eine kurze Zustimmung und erhob sich hastig, als die Madame aufstand. Goethe und Schiller folgten seinem Beispiel, nur Humboldt und Kleist brauchten einen Moment, bis sie, ganz in ihr Gespräch vertieft, merkten, dass man aufbrechen wollte. Während Goethe drinnen bezahlte, blieb man noch kurz vor dem Wirtshaus stehen. Nachdem sich de Stael und Schlegel dort für die Einladung bedankt und sich von den vier Herren verabschiedet hatten, machten sie sich auf den Weg in das Gasthaus, in dem sie die Nacht verbringen würden. Sie hatten kaum ihr Zimmer betreten, da fing die Madame schon an sich furchtbar über Goethe aufzuregen. „Incroyable!“, rief sie aus und sah Wilhelm entrüstet an. „Incroyable, wie sich Goethe erlauben kann so etwas zu behaupten! Was Schiller nur an ihm findet! Wirklich incroyable!“ „Was Schiller an ihm findet, kann ich Ihnen nicht sagen.“, antwortete ihr Schlegel mit für sie unüberhörbarer Bitterkeit in der Stimme, „Ich kann Ihnen nur sagen, was Sie bereits wissen, und zwar, dass er Recht hat. Was mich jedenfalls betrifft.“ „Wie…wie meinen Sie das?“, fragte die Madame, die sich inzwischen wieder etwas beruhigt hatte, dafür nun aber für ihre Verhältnisse auf eine ganz merkwürdige Art und Weise verunsichert zu sein schien. Schlegel sah sie verständnislos an. „Das meinen Sie nicht ernst, oder?“, versetzte er, „Das kann Ihnen doch nicht entgangen sein, dass ich– “ Er hielt nur kurz inne, beschloss dann aber, dass es auf diese eine Demütigung nun auch nicht mehr ankam. „Dass ich Ihnen vollkommen verfallen bin! Jetzt tun Sie nicht so unwissend, Sie nutzen diese Schwäche doch die ganze Zeit ewig aus! – wir teilen uns ein Zimmer! Ich muss fünf Meter entfernt von Ihnen schlafen, weil Sie genau wissen, dass ich– “ Seine Stimme, die sich hysterisch gehoben hatte, brach ab und er verbarg sein glühendes Gesicht in den Händen. „Dass Sie…?“, wiederholte die Madame fragend, nachdem sie eine Zeit lang geschwiegen hatte. Als der andere jedoch nicht antwortete, ging sie auf ihn zu und legte ihre Hände vorsichtig auf seine Arme. Fast schon sanft blickte sie ihn an, als sie sich näher zu ihm beugte und ihm leise ins Ohr flüsterte „Sehen Sie mich an, Wilhelm.“ Bei der sanften Berührung der Madame zuckte Schlegel zusammen, und als er ihre Stimme so dicht an seinem Ohr vernahm, begann er zu zittern. Natürlich gehorchte er und sah zu ihr auf. „Quälen Sie mich nicht, Madame.“ „Wie kommen Sie nur darauf, dass ich Sie quälen möchte, Wilhelm?“, fragte de Stael leise und lächelte den anderen sanft an. „Mon dieu, sind denn alle deutschen Männer solche Narren?“ Mit einem liebevollen Schmunzeln auf den Lippen kam sie ihrem Gegenüber mit ihrem Gesicht näher, sodass sich schon beinahe ihre Nasenspitzen berührten. „Küssen Sie mich endlich, Wilhelm.“, hauchte sie dann, „sonst ich warte nicht länger und küsse Sie stattdessen.“ Schlegel glaubte, sich verhört zu haben. Sein Herz pochte so laut, dass er die Worte fast nur auf seinen Lippen gespürt hatte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, was tun, er fühlte nur, dass seine Knie gleich nachgeben würden, und versank in den dunklen Augen seiner Angebeteten. Einen Augenblick wartete die Madame noch, doch als Schlegel ihrer Aufforderung auch dann nicht nachkam, beschloss sie ihre Drohung wahr zu machen. Lächelnd legte sie ihrem Gegenüber die Arme um den Nacken und reckte sich etwas in die Höhe, um ihre Lippen zu einem sanften Kuss zu verschließen. Schlegel glaubte, er dürfte in diesem Moment glücklich sterben. Ein Keuchen entwich ihm, bevor die Madame den Kuss intensivierte und er gar keinen Laut mehr von sich geben konnte. Endlich legten sich seine Hände an ihre Hüfte und zogen sie näher. Nach einer gefühlten Ewigkeit trennte sich die Madame von Schlegel und schenkte ihm einen liebevollen Blick. Zärtlich strich sie ihm mit ihren Fingern über seine Wange, dann holte sie plötzlich aus und gab ihm eine Ohrfeige. „Das war dafür, dass du brauchtest so lange, um mir die Wahrheit zu sagen, Wilhelm.“, meinte sie, wobei ihr Lächeln verriet, dass sie ihm nicht böse war. Einen Moment war Schlegel wie weggetreten, die Augen vor Entsetzen aufgerissen. Schließlich fasste er sich wieder, ging mit einem „Sie…!“ auf de Stael los, doch bevor diese sich vor einem tätlichen Angriff hätte fürchten können, packte er sie am Kopf und küsste sie – zwar nicht zur Besinnungslosigkeit, aber hinüber zum Bett, wo sie eng umschlungen in die Kissen sanken. In Goethes Haus am Frauenplan hatte man gerade die Türen geschlossen und Alexander und Heinrich verabschiedet, die sich fertig fürs Bett machen wollten, da brach der Hausherr in Schimpftiraden über die Madame de Stael aus. „Unfassbar!“, rief dieser ungehalten aus, „Es ist wirklich unfassbar, wie dreist dieses Weib ist! Wie sie es sich nur erlauben kann, hier in Weimar aufzutauchen und sich so unerhört zu benehmen!“ Wütend ließ er sich auf dem großen Bett nieder und warf Schiller einen entrüsteten Blick zu. Der Blonde setzte sich seufzend zu ihm und legte ihm von hinten seine Hände auf die Schultern. „Goethe“, fing er an, „Sie haben Recht, dass es dreist von ihr war, sich in Schlegels und Ihrer Gegenwart derart an mich ranzuschmeißen…“ Seine Hände begannen den Älteren zu massieren, und er lehnte sich näher an sein Ohr. „Aber dass sie das über uns herausgefunden hat, lag nur an den feurigen Blicken, die Sie mir ständig zuwerfen.“ Goethe hatte seufzend seine Augen geschlossen, während er Schillers Finger Wunder wirken ließ. Erst als der Blonde seinen Satz beendet hatte, öffnete er sie wieder, um den Jüngeren schmunzelnd anzublicken. „Es ist mein gutes Recht, Sie so anzusehen, Schiller.“, meinte er und strich dem anderen eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. „Außerdem waren Sie selbst schuld, schließlich haben Sie Ihre wunderschönen Haare das ganze Essen über offen getragen…“ Schiller legte seinen Kopf schief und blinzelte seinen Geliebten an. „Irgendwie musste ich Sie ja dafür belohnen, dass Sie de Stael den ganzen Abend so gnädig ertragen haben.“ „Belohnen?“, fragte Goethe leise lachend, während er Schiller sanft mit den Fingerspitzen über die Wange strich, „Gequält haben Sie mich, weil ich die ganze Zeit mit ansehen musste, wie de Stael Sie berührt hat, während ich nur dasitzen und kaum eingreifen konnte. Ich war so eifersüchtig.“ Besitzergreifend schlang er seine Arme um den Blonden und zog ihn an sich. Schiller schmiegte sich in die Umarmung des Älteren und schloss die Augen. „Dann dürfen sie nun alles nachholen, Goethe, solange Heinrich und Alexander noch im Bad beschäftigt sind.“ Lächelnd strich Goethe daraufhin mit seinen Händen durch die blonden Locken, bevor er sich zu Schiller beugte und ihn zärtlich küsste. „Sie sind wunderschön, Schiller, habe ich Ihnen das schon einmal gesagt?“ Schiller gab dem Älteren einen ebenso zärtlichen Kuss und ließ seine Hände genießerisch über dessen Brust gleiten. „Es freut mich jedenfalls“, flüsterte er, „Ihnen so sehr zu gefallen, dass ich Ihnen genüge und Sie sich nach keiner Frau umschauen müssen.“ „Niemals“, antwortete Goethe leise, „Niemals werde ich mich mehr nach einer Frau umsehen, Schiller.“ Liebevoll ließ er seine Hände über Schillers Rücken wandern, während er den weißen Hals küsste. „Dafür liebe ich Sie viel zu sehr.“ Da packte Schiller den Älteren an den Schultern und küsste ihn heftig. „Ich liebe Sie auch! Innig und heißblütig und ewig!“ Schneller als Goethe schauen konnte, lag er unter dem Blonden in den Kissen. Einen Moment lang genoss er einfach nur die Zärtlichkeiten des Blonden, dann rollte er sie jedoch auf die Seite und erwiderte die innigen Küsse seines Geliebten. „So hätte uns die Madame sehen müssen“, flüsterte er schmunzelnd, „dann hätte sie sich nicht getraut, Sie so dreist anzufassen.“ „Ja, genau so hätte sie uns sehen sollen.“, hauchte Schiller gegen Goethes Lippen und fing an, ihm die Weste und das Hemd aufzuknöpfen. Goethe entwich ein Keuchen, als Schiller ihn schließlich von dem lästigen Kleidungsstück befreit hatte und begann mit seinen Lippen die nackte Haut zu erkunden. Bevor der Ältere jedoch die liebevollen Berührungen erwiderte, fasste er den Blonden sanft an den Wangen und sah ihm tief in die blauen Augen. „Für immer…“, hauchte er daraufhin zwischen zwei Küssen, „Für immer sollen Sie bei mir bleiben, Schiller, das müssen Sie mir versprechen.“ „Ich verspreche es Ihnen.“, antwortete Schiller und dies tat er mit solch einer Aufrichtigkeit in seinem Blick, dass Goethe sich ihm nun vollkommen hingeben konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)