Kein Rettungsmittel als die Liebe von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Es war ein Samstagvormittag, als der von Goethe für dieses Wochenende angekündigte Gast vor dem Haus stand. Schiller und Kleist waren gerade dabei Goethes „Götz“, beide mit solch übertriebenen Gebärden und so furchtbar laut, vorzutragen, dass der Hausherr ihnen nur schwer Einhalt gebieten konnte. Nun, jedenfalls bis er ihnen drohte, das Tabakgeld in Zukunft für andere Zwecke zu verwenden. So saßen die zwei also doch brav am zum Tee gedeckten Tisch, als Goethe hinausging, ihren Gast zu empfangen. Beide machten sie dabei aber ein nicht sonderlich begeistertes Gesicht, denn Schiller seinerseits hielt nicht viel auf den Erwarteten und hatte andererseits Kleist mit dieser Haltung scheinbar angesteckt. Ein verwilderter Mann, der sich durch den Dschungel in Südamerika geschlagen, dabei eine unaristokratische Bräune gewonnen und sein großes Maul nicht verloren habe, hatte Schiller gesagt. Kleist stellte sich einen Affen mit langem Bart vor, schwarz, und ein riesiges Maul. Es fröstelte ihn bei dieser Vorstellung mit so einem an einem Tisch sitzen zu müssen. Umso mehr war der junge Dichter deshalb überrascht, als Goethe schließlich mit seinem Gast, den er als Alexander von Humboldt vorstellte, zurückkehrte. Denn Schillers Beschreibung von dem berühmten Naturforscher stimmte mit dem Bild, das sich Kleist nun bot, überhaupt nicht überein. Weder hatte Humboldt einen langen, ungepflegten Bart, noch sah er sonst auf irgendeine Art und Weise verwildert oder heruntergekommen aus. Ganz im Gegenteil – seine gebräunte Haut fiel Kleist im Kontrast zu den strahlend blauen Augen und den blonden Locken, die im Sonnenlicht fast schon wie flüssiges Gold schimmerten, äußerst positiv auf. Wie ein Held aus einer seiner geliebten griechischen Sagen kam ihm der Ältere vor, als er sich ihm und Schiller zuwandte und sie mit einem freundlichen Lächeln begrüßte. Wie Schiller bei so einer Begrüßung ruhig bleiben konnte, wie er nicht sofort aufspringen und zum Stift greifen wollte, um, inspiriert von der Schönheit dieses Mannes, etwas zu dichten, war dem Schwarzhaarigen unbegreiflich. Denn nie hatte er selbst sich so beseelt gefühlt, wie in diesem Augenblick, und er musste, nicht ohne dabei rot zu werden, feststellen, wie er den anderen auch lange nachdem er schon Platz genommen hatte, immer noch anstarrte. Erst als Schiller ihn unter dem Tisch sanft mit dem Fuß anstieß, schien er zu bemerken, dass Humboldt wohl gerade eine Frage an ihn gerichtet hatte. „V-verzeihung…“, stammelte er deswegen peinlich berührt, „w-was sagten Sie, Herr von Humboldt?“ Humboldt lächelte ihn an, scheinbar gnädig mit ihm – oder gar verständnisvoll, da er es bestimmt gewohnt war, dass Frauen und jüngere Männer, die ihn seiner Schönheit wegen begehrten, beziehungsweise beneideten, ihm nicht folgen konnten, wenn er etwas zu ihnen sagte. „Ich hatte Sie gefragt, ob Sie das tatsächlich sind, der die Penthesilea geschrieben hat, zu der mich mein Bruder vergangene Woche überredet hat.“ Der junge Dichter spürte, wie er bei dieser Frage augenblicklich noch röter wurde. Dass Humboldt ein Stück von ihm – nein, nicht ein Stück von ihm, sondern seine Penthesilea gesehen hatte, erfüllte ihn einerseits mit Stolz, machte ihm andererseits aber auch Angst, da die Reaktionen auf sein Drama bis jetzt sehr unterschiedlich ausgefallen waren. „J-ja, das… das Stück ist von m-mir…“, erwiderte er deswegen nur etwas schüchtern und warf Schiller einen leicht hilfesuchenden Blick zu, der allerdings von der Schokoladentorte viel mehr angetan zu sein schien, als von ihrem Gast. Einen Moment lang fragte sich Kleist, ob der Blonde absichtlich so ein großes Desinteresse gegenüber Humboldt zeigte, dann verwarf er den Gedanken aber und entschied sich dafür, sich lieber wieder voll und ganz ihrem Besuch zuzuwenden. „H-hat es Ihnen denn gefallen? D-das Drama?“ Humboldt nickte Goethe kurz dankend zu, der ihm ein Stück der Torte auf den Teller tat, bevor er Kleist wieder ein Lächeln schenkte, in dessen Augen ein noch faszinierenderes als das zuvor. „Ein weiser Mann aus dem Stamm der Nonuyas hat mir einmal gesagt, dass die Geschichten, die sich die Indios erzählen, belehren und den Kindern einen Rat mit auf den Weg geben sollen.“ „Wie die klassischen Dramen.“, mischte sich Goethe nickend ein. Humboldt schenkte auch ihm ein Lächeln. „Da haben Sie wohl Recht“, entgegnete er, wandte sich jedoch gleich wieder an Kleist. „Was der Mann mir aber auch sagte, und das fand ich bei weitem noch einleuchtender: Die Geschichten müssen entsetzen. Sie müssen die Kinder drei Nächte lang nicht schlafen lassen, sie müssen ihnen grässliche Albträume bescheren! Nur dann werden sie die Lehre nie wieder vergessen, nur dann…nur dann können sie sich selbst in den Figuren wiederfinden und aus deren Schicksal für das ihre lernen. Und es vielleicht zum Besseren wenden.“ Schiller sah den jüngeren der Humboldtbrüder verdutzt an. Schau an, es kam auch mal etwas absolut Richtiges aus dessen Mund. Goethe dachte im gleichen Moment das Gegenteil, schwieg aber, da die Angelegenheit Penthesilea für ihn an dem Tag schon abgehakt war, an dem das Stück seine Prämiere am Weimarer Theater gefeiert hatte. Auch Kleist schwieg einen Moment lang – allerdings nicht, weil er sich wie Goethe mit dem Thema abgefunden hatte, sondern weil er von Humboldt und seinen Ausführungen so fasziniert war, dass er kaum wusste, was er darauf antworten sollte. Dass der Blonde seine Meinung teilte, dass auch er der Ansicht war, dass aufwühlende Geschichten den Menschen viel näher gingen, sie noch eher dazu bringen konnten sich zum Besseren zu wenden, als die rein klassischen Dramen, die Goethe immer so sehr in den Himmel lobte, stimmte ihn äußerst glücklich. Dennoch fiel es dem jungen Dichter schwer, seine Begeisterung in Worte zu fassen, und die Tatsache, dass Humboldt ihn unentwegt mit diesem unglaublichen Lächeln bedachte, machte seine Situation nicht gerade besser. Es war Schiller, der ihm schließlich zu Hilfe kam, da der blonde Dichter wohl bemerkt haben musste, wie nervös Kleist war. „Ihre Erzählung in allen Ehren, Alexander, denn es steckt mit Sicherheit viel Wahrheit darin – aber hätten Sie für diese Erkenntnis extra bis nach Südamerika reisen müssen?“ Auch wenn die Frage nicht böse gemeint war, konnte Schiller doch einen leicht ironischen Unterton nicht unterdrücken. „Mir persönlich ist das Reisen meist lästig, und notwendig ist es doch auch nicht – Wer genug Kreativität und Phantasie hat, weiß, dass man auch die entferntesten Länder besuchen kann, ohne jemals dort gewesen zu sein.“ „Selbstverständlich“, entgegnete Humboldt ruhig, was ihn in Kleists Augen noch edler erscheinen ließ, denn er selbst hätte sich von diesem Kommentar aufs Heftigste provoziert gefühlt, „Wem es darum geht, jene Länder als Kulissen für eine weitaus größere Geschichte zu benutzen, dem genügt das selbstverständlich. Wer sich aber wie ich für das Land selbst interessiert und beim Anblick eines Felsens wissen will, aus welchen Gesteinsschichten er besteht, und nicht, ob sich dort ein Held den Kopf zerschlägt, wenn er sich hinunterstürzt, der muss vor Ort gewesen sein, denn für diese Regionen gab es vor mir noch keinerlei Aufzeichnungen, keine Bücher, mit denen ich meinen Wissensdurst hätte stillen können.“ Als Schiller ihn skeptisch ansah, lachte Humboldt leise, um ihn davon zu überzeugen, dass er seinen Standpunkt auch vollkommen verstand. „Sehen Sie, Herr Schiller, ich setze gerne mein Leben in dichten Wäldern, zwischen paradiesischen Tieren, fern der Zivilisation dafür aufs Spiel, dass Menschen wie Sie sich von meinen Berichten, Bildern und Abhandlungen zu großen Dramen inspirieren lassen können.“ „Wie unglaublich edel von Ihnen, Alexander“, meinte Schiller und versuchte so neutral wie möglich zu klingen, auch wenn man ihm anhörte, dass er von Humboldts Ausführungen nicht besonders angetan war, „Aber man kann schließlich nicht von jedem Menschen erwarten, dass er so aufopferungswürdig ist, wie Sie.“ Der Blonde zögerte einen Moment, beschloss dann aber die Diskussion auf sich ruhen zu lassen, da er bereits Goethes mahnenden Blick auf sich spürte. „Aber auch du reist sehr gerne, nicht wahr Heinrich?“, fragte Schiller mit einem etwas versöhnlichen Lächeln. Kleist nickte heftig. „J-ja.“, meinte er, „Auch wenn ich wohl die Natur nicht so genau untersuche, wie Sie, Herr von Humboldt, so bin ich doch immer wieder erstaunt über sie. Und lasse mich gerne von ihr bezaubern.“ „Verstehen Sie mich nicht falsch.“, begann Humboldt, „Ich sehe die Natur auch nicht als Ding. Ich bewundere sie, ich liebe sie in all ihren sonderbaren und atemberaubenden Facetten.“ Kleists Wangen färbten sich tiefrot. „I-ich wollte Sie nicht – f-für irgendwas k-kritisieren…!“ Humboldt schenkte ihm wieder ein großzügiges Lächeln. „Keine Sorge, ich dachte nur, ich könnte mich vorhin etwas ungeschickt ausgedrückt haben.“ Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf, brachte aber kein Wort mehr heraus. Goethe räusperte sich. „Ja, Herr von Kleist reist sehr gerne, nur hat er mit einem wenig reiselustigen Schiller und einem an die Geschäfte Weimars gebundenen Goethe leider sehr selten eine Gelegenheit dazu.“, sagte er, in einem Ton, als würde er Kleist wirklich aufrichtig bedauern. Schiller warf ihm einen irritierten Blick zu. Seit wann war Goethe so viel am Wohle ihres Zöglings gelegen? Und waren sie nicht erst letzten Sommer auf zwei Wochen bei – „Nun, wenn das so ist, Herr von Kleist“, begann Alexander, als Schiller seinen Gedanken noch gar nicht richtig vollendet hatte, „dann sind Sie natürlich herzlich eingeladen, mich auf einer meiner Reisen zu begleiten.“ Das Lächeln, das er dem Schwarzhaarigen daraufhin schenkte, war so ehrlich und aufrichtig, dass der junge Dichter, der zunächst noch geglaubt hatte, sich verhört zu haben, kaum wusste, was er auf dieses Angebot antworten sollte. „I-ich…“, stammelte er deswegen nur unsicher und sah den anderen aus großen Augen an. „Das ist ja eine fabelhafte Idee!“, versetzte Goethe, bevor Kleist seine rasenden Gedanken irgendwie in Worte fassen konnte, „Ihre Arbeit stockt doch gerade sowieso, wären da zwei Wochen Auszeit nicht das Beste, um neue Ideen zu schöpfen?“ Jetzt glaubte Schiller, sich vollkommen verhört zu haben. Zwei Wochen Auszeit?!? War Goethe bis jetzt nicht immer dagegen gewesen, wenn Heinrich sein literarisches Schaffen auch nur für ein paar naturwissenschaftliche Berechnungen unterbrechen wollte?! „Z-zwei Wochen?“, fragte Heinrich, wobei man ihm anhörte, dass ihn der Gedanke, so lange mit Humboldt unterwegs zu sein, sichtlich nervös machte. „A-aber ich…i-ich kann doch nicht – ich meine, ich w-würde Sie sicher stören, w-wenn ich d-die ganze Zeit bei Ihnen w-wäre.“ Allein schon die Vorstellung, dass er vierundzwanzig Stunden lang – und das für ganze zwei Wochen! – nur noch mit dem Naturforscher zusammen sein sollte, lies ihn unglaublich unruhig werden. Auch Schiller, der sich inzwischen nicht mehr zurückhalten konnte und Goethe so unauffällig wie möglich mit dem Fuß anstieß, um ihm daraufhin einen halb fragenden, halb beunruhigten Blick zuzuwerfen, konnte sich mit der Idee nicht so recht anfreunden. Denn auch wenn es stimmte, dass Heinrich momentan nicht so viel zum Schreiben kam, hieß das doch noch lange nicht, dass er komplett damit aufhören sollte. „Aber Sie werden mich keineswegs stören!“, versicherte Humboldt, als wäre er wirklich überzeugt davon. Trotzdem konnte Schiller das so nicht stehenlassen. „Oh, Goethe, ich glaube die Küchenhilfe will Sie sprechen.“ „Hm? Wo?“ Schiller war schon aufgestanden. „Wir sind gleich wieder da, bitten lassen Sie sich nicht stören.“, meinte er an Humboldt und Heinrich gewandt, bevor er Goethe am Arm von seinem Stuhl und mit sich aus dem Raum zog. Tatsächlich in der Küche, wo jedoch keine Küchenhilfe weit und breit zu sehen war, blieb Schiller stehen. „Goethe, was soll das?! Sie meinen doch nicht wirklich, dass Alexander ein guter Umgang für unseren Heinrich wäre!“ „Ich bin nicht nur außerordentlich davon überzeugt, dass Alexander einen sehr positiven Einfluss auf ihn haben würde“, fing Goethe schmunzelnd an, „ich glaube auch, dass Heinrich sich, so rot wie er geworden ist, gerne beeinflussen lässt.“ Liebevoll lächelnd nahm der Ältere daraufhin die Hände des Blonden in seine und sah aufmunternd zu ihm auf. „Ich weiß, dass Sie Alexander nicht sonderlich mögen, Schiller, aber ich bin der festen Überzeugung, dass er ein ganz wunderbarer Mensch ist. Er ist geistreich, gebildet, intelligent, hat zahlreiche wertvolle Erfahrungen durch seine Reisen gemacht… - diese Liste an positiven Eigenschaften könnte ich noch ewig fortführen…“ Schiller entzog ihm hastig die Hände und verschränkte sie stattdessen vor seiner Brust. „Dann müssen Sie ihn nicht Heinrich aufschwätzen, wenn Sie Ihn für so vortrefflich und perfekt und für das größte Genie auf Erden überhaupt halten!“, entgegnete er patzig. „Sie werden doch nicht auf Alexander eifersüchtig sein, Schiller?“, fragte Goethe daraufhin verwundert, konnte ein Lächeln aber nicht unterdrücken, als er bemerkte, wie trotzig der andere in diesem Moment aussah. Dass Schiller keine Antwort gab und sich stattdessen nur ein zarter Rotton auf seine Wangen schlich, während er weiter schmollte, war dem Herrn Geheimrat Antwort genug. „Schiller“, fing er an und nahm den anderen sanft an den Armen. „Sie müssen doch wissen, dass es absolut keinen Grund für Sie gibt, auf Alexander eifersüchtig zu sein.“ Sachte zog er den anderen etwas näher zu sich und bedachte ihn mit einem liebevollen Blick. „Sie müssen überhaupt auf niemanden eifersüchtig sein, denn auch wenn ich Alexander schätze, so heißt das nicht, dass ich ihn für vortrefflich, perfekt oder gar für das größte Genie auf Erden halte – das sind nämlich nur Sie für mich, Schiller.“ Behutsam streckte der Ältere seine Hand aus und strich dem Blonden mit dem Handrücken über die Wange, wobei er feststellen musste, dass diese noch viel schöner aussah, wenn sie von einem leichten Rot geziert wurde. „Und wenn ich Heinrich mit Alexander auf Reisen schicken will“, meinte er ruhig, „dann nur, weil ich glaube, dass er, obwohl er hier mit uns zusammen lebt, oft sehr einsam ist und er, wenn sich zwischen ihm und Alexander nur halb so viel Vertrauen und Liebe entwickeln würde, wie zwischen uns, einer der glücklichsten Menschen der Welt werden müsste.“ Schiller erwiderte nichts. Schließlich packte er Goethe und zog ihn fest in seine Arme. „Sie Idiot!“ „Schiller…!“ „Schweigen Sie.“ Goethe riss die Augen auf, als er plötzlich Schillers Lippen auf seinen spürte. Mit einem Schmatzen ließ ihn der Blonde wieder gehen. „Und Sie meinen tatsächlich, dass…dass Heinrich und Alexander…? Dass die Gerüchte über Letzteren stimmen, war mir bewusst – so muss es ja kommen, wenn man sich nur unter Männern auf solch eine Reise begibt – aber unser Heinrich?!?“ „Wollen Sie wirklich behaupten, Sie hätten nicht gesehen, wie rot er geworden ist, als Alexander mit ihm gesprochen hat? Oder wie er viel mehr gestottert hat, als es normalerweise der Fall ist?“ Mit einem Schmunzeln betrachtete Goethe den Blonden, der immer noch nicht vollkommen überzeugt zu sein schien. „Heinrich war allein bei einem Gespräch fast mehr überrumpelt, als Sie es waren, als ich Sie damals… als wir uns damals zum ersten Mal geküsst haben.“ Auf Schillers Lippen schlich sich ein Lächeln, ohne dass er es merkte. Einen Moment schwieg er, dachte an den Tag zurück, als er durch Goethes Abwesenheit so verzweifelt gewesen war, dass er dessen Arbeitszimmer verwüstet und sich schließlich haareraufend in sein Bett hatte fallen lassen, nur um durch seinen Geruch noch irgendwie das Gefühl zu gewinnen, ihn bei sich zu haben. …Ja, und dann war Goethe wiedergekommen, seine Rage war schnell verflogen, er hatte sich zu ihm ins Bett ziehen lassen und sie…sie hatten sich geküsst. Goethe hatte ihn geküsst, nachdem er ihm aufs Wunderbarste gesagt hatte, wie viel er ihm bedeutete. Schiller schüttelte den Kopf. „A-aber…! Alexander ist – Er wird…! Falls er auch Gefallen an Heinrich findet, dann doch nicht so, wie er an ihm. Nicht so wie…wie wir aneinander. Er wird ihn…! Die niedersten Triebe werden ihn leiten! – Goethe, das können wir unserem Kleinen nicht antun!“ „Die niedersten Triebe?“, wiederholte der Ältere, wobei er den Blonden mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete. „Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, dass Sie in dieser Hinsicht altmodischer sind, als ich?“ Mit einem Lächeln trat Goethe auf Schiller zu und schlang noch einmal seine Arme um ihn. „Es ist rührend…“, fing er dann leise an, „wie Sie sich um Heinrich sorgen, aber denken Sie nicht, dass das Erfahrungen sind, die er selbst machen muss? Wenn er sich nicht auf diese Art und Weise zu Alexander hingezogen fühlt, dann wird dieser, und da bin ich mir sicher, auch Verständnis dafür haben. Und wenn doch – dann…dann ist das ihre Entscheidung.“ Er hielt einen Augenblick lang inne, sah daraufhin aber doch zu Schiller auf. „Ist es nicht sogar…verständlich, dass in einer Beziehung auch solche Gedanken aufkommen? Haben Sie damals nicht selbst gesagt, dass Sie bereit wären, sich mir völlig hinzugeben…mit Seele und Geist und Körper?“ Schiller biss sich auf die Unterlippe. Er wurde rot. – Ja, das hatte er gesagt. Das hatte er wirklich… „A-aber ich meinte doch – nicht nur den Körper! Und ich bezweifle, dass Alexander…Ich will nicht, dass er sich nimmt, was er begehrt, dann wieder über alle Berge ist und ein gebrochenes Herz zurücklässt.“ „Das würde ich doch auch niemals wollen, Schiller“, antwortete Goethe und drückte den anderen noch ein bisschen fester an sich. „Aber ich kenne Alexander nun schon so lange, dass ich einschätzen kann, wann er etwas ernst meint und wann es ihm lediglich um sein eigenes Vergnügen geht… und wenn er Heinrich ansieht, dann ist letzteres sicherlich nicht der Fall. Geben Sie den beiden doch zumindest eine Chance – sie würden sowieso nicht gleich heute Abend noch aufbrechen, warum beobachten Sie sie dann nicht selbst noch einmal und beurteilen danach, wie ehrlich Alexanders Absichten sind?“ Mit einem Lächeln hauchte Goethe dem Blonden daraufhin einen Kuss auf die Wange und beugte sich noch ein Stückchen näher zu ihm. „Außerdem…“, sagte er leise und mit einem Grinsen auf dem Gesicht, „hätten wir dann ganze zwei Wochen nur für uns – bedenken Sie das, bevor Sie voreilige Schlüsse ziehen, Schiller.“ Schillers blaue Augen leuchteten sofort angetan auf. Es kam selten vor, dass Goethe derjenige war, der solche Anspielungen machte. Diese Gelegenheit durfte er sich nicht entgehen lassen. „Nun gut“, seufzte er schließlich und versuchte neutral zu klingen, „Ich werde mir das Ganze noch einmal ansehen und dann entscheiden, ob ich es wirklich für gut heißen soll. …Vielleicht können sie ja erst mal mit einem Wochenendausflug starten.“ „Das ist eine wunderbare Idee“, antworte Goethe lächelnd. „Dann lassen Sie uns jetzt zu den beiden zurückkehren, schließlich wollen wir sie nicht zu lange warten lassen.“ Doch als die beiden Schriftsteller wieder in den Salon eintraten, schien es nicht so, als hätten Alexander und Heinrich sie sonderlich vermisst. Auch wenn der schwarzhaarige Dichter immer noch einen etwas nervösen Eindruck machte, so war er doch inzwischen viel ruhiger geworden. „Verzeihen Sie, dass es etwas länger gedauert hat“, meinte Goethe und setzte sich zusammen mit Schiller wieder an den Tisch. „Kein Problem“, entgegnete Alexander und setzte sich auf der Eckbank etwas aufrechter hin, da er doch ein wenig näher zu Heinrich gerutscht war, „So lange alles in der Küche in Ordnung ist.“ „Alles geklärt.“, versicherte Schiller und warf Heinrich einen forschenden Blick zu, den der Jüngere jedoch nicht erwiderte, da seine Augen an Humboldt hingen. „Wie ich sehe“, erwiderte Goethe, als er schmunzelnd feststellen musste, dass Heinrich, jetzt da er ein bisschen aufgetaut war, noch viel mehr von Alexander begeistert zu sein schien, „haben wir gerade ein ganz angeregtes Gespräch unterbrochen – über was haben Sie sich denn unterhalten?“ „Dass…! Wir…!“ Heinrich schien sich fast vor Aufregung zu überschlagen. „W-wir haben festgestellt, dass wir beide sehr gerne schwimmen und…!“ „Dass uns unsere gemeinsame Reise auf jeden Fall an einen See führen muss.“, ergänzte Humboldt mit einem Lächeln. „An einen See?“, wiederholte Schiller langsam und warf Goethe einen eindringlichen Blick zu. An einen See! Je länger der Blonde darüber nachdachte, desto ungeheuerlicher wurde ihm diese Reiseplanung. Denn wenn er sich nur vorstellte, wie sein unschuldiger Heinrich mit Humboldt an irgendeinem See… – nein, daran durfte er gar nicht erst denken! „Aber Heinrich, ich dachte für dein nächstes Drama wolltest du als Schauplatz Heilbronn wählen? Wäre es da nicht produktiver, wenn ihr stattdessen diese Stadt besuchen würdet?“, fügte er an, während er Alexander mit einem misstrauischen Blick bedachte. „Gerne können wir auch nach Heilbronn reisen.“, willigte dieser sofort ein und sah Heinrich fragend an, „Ich bin mir sicher, ich finde auch auf dem Weg dorthin einen schönen See.“ „D-das wäre wundervoll…“, erwiderte Heinrich sogleich, ohne Schiller auch nur die Möglichkeit zu geben, etwas auf Alexanders Vorschlag zu erwidern. „Meinst du nicht auch, Friedrich?“, fragte er stattdessen strahlend, wobei er, so begeistert wie er von der Idee war, gar nicht zu bemerken schien, wie unangebracht Schiller diesen Vorschlag fand. „Wir schauen mal, ob wir einen Termin finden.“, mischte sich Goethe beschwichtigend ein, „Noch Kaffee?“ Humboldt hob ihm dankend seine Tasse entgegen, und so saßen sie noch eine Weile am Kaffeetisch beisammen und unterhielten sich über Alexanders Reise nach Südamerika, über Heinrichs Ideen für zukünftige Dramen, sowie seine Zusammenarbeit mit Goethe und Schiller. Und auch wenn letzterer zu Beginn immer noch etwas skeptisch war, so musste er doch nach einiger Zeit zugeben, dass das Gespräch mit Alexander tatsächlich sehr angenehm war. So erfreulich wie Alexanders Besuch für alle gewesen war – auch Schiller hatte, nachdem er die Tage über seine Eifersucht und die Sorge um Heinrich etwas unter Kontrolle gebracht hatte, feststellen müssen, dass Alexander wohl tatsächlich ein sehr angenehmer Mensch war – war der Augenblick seiner Abreise viel zu schnell gekommen. Vor allem Heinrich, der in den letzten Tagen geradezu aufgeblüht war, schien unglaublich niedergeschlagen zu sein, als er Humboldt zum Abschied die Hand reichte. „Es w-war schön Sie kennen gelernt zu h-haben, Herr von Humboldt.“, meinte er leise, wobei er dem Blick des Älteren ein wenig auswich und er spürte, wie er erneut rot wurde. Alexander lächelte ihn an und bedachte ihn mit einem fast schon zärtlichen Blick. „Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit, Herr von Kleist. Sie sind ein zauberhaft interessanter Mensch, und ich bin so froh, dass ich hierherkommen und Sie kennenlernen durfte.“ Heinrich wusste einen Moment lang gar nicht, was er darauf erwidern sollte, so überwältigt war er von Humboldts Aussage, die unweigerlich dazu beitrug, dass er noch mehr errötete. Auch wenn er vorhin schon das Gefühl gehabt hatte, dass ihm dieser Abschied das Herz brechen würde, so konnte er nun die Tränen fast nicht mehr unterdrücken. „L-leben Sie wohl…“, antwortete er dann schließlich leise und versuchte das Lächeln des Blonden zu erwidern, auch wenn es ihm nicht so recht gelingen wollte. „… i-ich hoffe, dass wir uns wieder sehen werden, um u-unsere Reise irgendwann d-doch noch zu unternehmen.“ „Aber selbstverständlich.“, versicherte Alexander sofort, „Ich werde Ihnen schreiben, sobald ich Tinte und Papier habe. Und unsere Reise können wir beginnen, sobald Sie“ Er sah kurz zu Goethe und Schiller auf, „bereit dazu sind.“ Heinrich sah, wie er eine Hand hob, indem er sich ein wenig zu ihm beugte, sah sie jedoch kurz vor seinem Gesicht wieder zurückweichen – oder täuschte er sich? – bevor sie die seine ergriff. „Leben Sie wohl, Heinrich.“ Mit Entsetzen stellte er fest, dass er sich Humboldt in diesem Moment gerne an die Brust geworfen hätte. Er brachte kein Wort mehr heraus. Schillers Hand legte sich auf seine Schulter, und da war Goethe schon mit ihrem Gast die letzten Meter zur Kutsche gegangen, die im Innenhof stand. So winkte dieser traumhafte Mann ihm nur noch einmal aus dem Wagen heraus zu, bevor er durchs Tor verschwand. Die Kutsche war erst wenige Meter gefahren, da konnte Heinrich schon nicht mehr an sich halten und ließ seinen Tränen freien Lauf. Schluchzend wandte er sich zu Schiller um, schlang, wie ein Ertrinkender auf der verzweifelten Suche nach etwas, das ihm Halt geben konnte, seine Arme um den Blonden und drückte sich fest an ihn. „H-hol ihn wieder zurück, Friedrich…“, schluchzte er so leise und undeutlich, dass er Angst hatte, der Ältere würde ihn vielleicht gar nicht verstehen, „h-hol ihn wieder zurück, oder ich m-muss für immer unglücklich s-sein…“ Schiller war regelrecht erschrocken darüber, wie sich der Jüngere aufführte. Erst verstand er nicht, was in ihn gefahren war, doch dann, als Heinrich mit tränenunterlaufenen blauen Augen zu ihm aufblickte, da erkannte er den Grund für dessen Trauer: Abschiedsschmerz. Der Schmerz, wenn man eine geliebte Person gehen lassen musste, auch obwohl man wusste, dass man sie wohl bald wiedersehen würde. Genauso hatten ihn einst seine eigenen Augen im Spiegel angeblickt, als Goethe Jena einmal mehr verlassen hatte. Eben jener warf ihm einen fragenden Blick zu, den Schiller unbeantwortet lassen musste. Besorgt folgte der Geheimrat seinem Freund zurück ins Haus, der ihren Zögling immer noch im Arm sanft vor sich her schob. Erst als sie drinnen angekommen waren und Schiller sich zusammen mit Heinrich auf ihrem Sofa niedergelassen hatte, während Goethe, der die Situation immer noch nicht so recht einzuschätzen wusste, auf einem Sessel Platz nahm, wagte es der Blonde, das Wort an den jungen Dichter zu richten. „Heinrich…“, sagte er leise, während er ihm tröstend mit der Hand über den Rücken strich, „nun beruhige dich doch erst einmal. Willst…willst du uns nicht erzählen, was dich so sehr bedrückt?“ „Ich“, schluchzte der Schwarzhaarige und vergrub sein Gesicht voller Scham in seinen Händen, „Ich v-vermisse ihn so heftig, w-wie – wie ein Mädchen ihren Geliebten! So schrecklich b-bin i-ich in Liebe zu ihm entbrannt, aber das darf doch nicht sein! Er ist doch ein Mann! I-ich bin ein Mann!“ Mit einem verzweifelten „Friedrich, hilf mir!“ warf er sich dem Blonden an die Brust. Schiller schwieg zunächst einen Moment lang, drückte Heinrich nur fest an sich und warf gleichzeitig Goethe einen fragenden Blick zu. Auch wenn die beiden Dichter bis jetzt nicht mit ihrem Zögling über ihre Beziehung gesprochen hatten, so erschien es dem Blonden doch nun an der Zeit zu sein, endlich mit offenen Karten zu spielen. „Heinrich…“, begann er deshalb sanft, „deswegen musst du doch jetzt nicht so aufgelöst sein. Wenn…wenn du Alexander wirklich von ganzem Herzen liebst, dann ist an dieser Liebe auch nichts Verwerfliches zu finden. Goethe und ich, wir…“, noch einmal brach Schiller ab, unsicher, ob er nun tatsächlich die Wahrheit sagen sollte. „Heinrich, schauen Sie“, mischte sich Goethe ein und sah ihn gutmütig an, „Sie vermissen Alexander, weil er nicht mehr bei Ihnen ist.“ „Ja.“, brachte er heraus. „Sie haben die Zeit mit ihm genossen, jedes Wort, das von seinen Lippen kam, aufgesaugt und sich eingebrannt, um es nie mehr zu vergessen.“ „Ja!“ „Sie lieben seine Art, wie er spricht, was er sagt, wie er Sie anblickt, seinen Geruch, seine Nähe.“ „J-ja! Ja!“ „Und Sie wollen seine Aufmerksamkeit. Sie wollen sie nur für sich haben, immer, jede Sekunde, er soll auch sie lieben, soll er das?“ „Jaa…“, schluchzte Heinrich und presste sich erneut an Schillers Brust, der ihm zärtlich durch die Haare fuhr. „Sehen Sie“, meinte Goethe und sein Lächeln wurde breiter, „Genau diese Gefühle hege ich schon seit Jahren für Schiller, und er, hoffentlich immer noch, für mich.“ Schiller lachte sanft. „Aber sicher, Goethe.“ Es dauerte einen Augenblick, doch dann wischte sich Heinrich mit dem Handrücken über die Augen und blickte schüchtern zwischen den beiden Dichtern hin und her. Erst fürchtete er noch, der Ältere hätte all das vielleicht nur erzählt, um ihn zu beruhigen, doch als er bemerkte, wie liebevoll sich Goethe und Schiller in diesem Moment ansahen, musste er unwillkürlich lächeln. „D-dann verurteilen Sie mich n-nicht? Weil ich…weil ich d-diese Gefühle habe?“, fragte er vorsichtig. „Nein“, antwortete Schiller und strich ihm über den Kopf, wie eine Mutter ihrem Kind, „Keineswegs.“ „Bestimmt nicht“, versicherte auch Goethe mit einem fast schon stolzen Lächeln, „Schon gar nicht, wenn unser kleiner Rebell endlich die klassischen Ideale einer solch edlen Beziehung zwischen zwei Männern begriffen hat und am eigenen Leibe erfährt.“ Ein zarter Rotton legte sich nun wieder auf Heinrichs Wangen, als er sich noch näher an Schiller kuschelte und sich langsam wieder beruhigte. Er war unglaublich erleichtert, dass die beiden Verständnis für seine Situation zeigten, auch wenn er insgeheim wusste, dass er sich mit Alexander eine Beziehung wünschte, die über eine rein geistige Liebe hinausging. Doch momentan traute er sich nicht, auch noch dieses Thema anzusprechen – zu froh war er darüber, dass er sich wenigstens getraut hatte, von seinen Gefühlen zu erzählen. Am Abend, während Heinrich sich seltsam wehmütig fühlte, als er hinüber zum leeren Bett schaute, in dem die letzte Nacht noch Humboldt gelegen hatte, konnte sich Schiller glücklich schätzen, zu seinem Dichterkollegen ins Bett steigen zu dürfen. Goethe empfing ihn mit einer Umarmung, zog ihn dicht an sich und küsste ihm die Stirn. Als er bemerkte, dass der Blonde sein überschwängliches Lächeln nicht wirklich erwidern konnte, sagte er: „Schiller, was ist denn mit Ihnen? Freuen Sie sich nicht, dass das ewige Zureden bei unserem Heinrich endlich fruchtet? Und dazu ist es noch Alexander! Ich meine gerade, wir lebten in Sparta, wenn ich die beiden zusammen sehe – nein! Auf dem Olymp!“ Unwillkürlich musste der Blonde lächeln, als er sah mit welch einer Begeisterung ihn Goethe anblickte. Es kam selten vor, dass der Ältere sich zu so einer Schwärmerei hinreißen ließ, normalerweise war es eher Schiller, der sich übermütig seinen Gefühlen hingab. Doch auch wenn der Jüngere glücklich darüber war, dass ihr Heinrich einen Menschen gefunden hatte, den er über alles liebte, so bereitete ihm der Gedanke daran, dass es ausgerechnet Alexander war, nichts desto trotz Unbehagen. „Wissen Sie, Goethe…“, fing er an, wobei er sich an den Älteren schmiegte und den Kopf an dessen Schulter lehnte, „ich freue mich durchaus für Heinrich, aber andererseits…andererseits habe ich auch Angst, dass Alexander ihm tatsächlich das Herz brechen könnte…“ Als Schiller den kritischen Blick Goethes wahrnahm, fügte er sofort hinzu: „Aber nicht aus den Gründen, an die Sie nun vielleicht denken. Meine Meinung über Alexander hat sich in den letzten Tagen wirklich zu einer positiveren entwickelt, vor allem seit ich weiß, dass…dass Sie ihn nicht mehr schätzen als mich.“ Mit einem sanften Lächeln hauchte der Blonde dem anderen einen Kuss auf die Wange und sah ihn liebevoll an. „Ich fürchte nur“, meinte er dann langsam, „dass eine so stark geistige Liebe, wie es unsere ist, zwischen Heinrich und Alexander gar nicht möglich sein wird. Schließlich spricht allein Alexanders Kör- … i-ich meine sein ganzes Aussehen dagegen…“ Goethes Blick war kein bisschen unkritischer geworden. „Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass so eine reine Liebe – im Großen und Ganzen reine Liebe – zwischen uns nur möglich ist, weil…weil ich so unattraktiv bin?!“ „Aber Goethe, das meinte ich doch nicht so!“, antwortete Schiller augenblicklich und sah den anderen aus großen Augen an. „Ganz… ganz im Gegenteil“, fügte er leise hinzu, wobei er dem Blick des Älteren ein wenig auswich, „… ich hatte immer eher das Gefühl, dass wir uns nie näher gekommen sind, weil… weil Sie nur Frauen körperlich anziehend finden und ich Ihnen auf diese Art und Weise gar nicht gefalle…“ Da musste Goethe schmunzeln. Er umschlang den Blonden und presste sein Gesicht in dessen Locken. „Schiller“, hauchte er dicht am Ohr des anderen, was diesem einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ, „Sie wissen ja gar nicht, wie sehr Sie mir gefallen.“ Er hauchte einen Kuss auf die blasse Haut. „Ich würde Ihnen gerne zeigen, wie sehr…aber erst einmal sollten wir uns über Ihre Befürchtungen unterhalten. Ich denke nicht, dass Heinrich so stark für Alexander empfindet, dass er mit ihm bis zum Äußersten gehen will – Hat er jemals für einen anderen Mann geschwärmt? – Und dann wird Alexander so etwas auch nicht von ihm erwarten, der, wie ich behaupte, sehr wohl dazu imstande ist, auch rein geistige Bindungen einzugehen.“ „Aber ist Ihnen denn nicht aufgefallen, wie Heinrich Alexander die ganze Zeit über betrachtet hat?“, fragte Schiller und sah den anderen nachdenklich an. „Natürlich…natürlich waren es vor allem verliebte und unsichere Blicke, die er dem anderen zugeworfen hat, aber nichts desto trotz…“ Einen Moment lang hielt der Blonde inne, bevor er sich wieder an Goethe kuschelte und leiser, aber nicht weniger bestimmt weitersprach: „Nichts desto trotz weiß ich doch auch, wie ein Mensch aussieht, der sich nicht nur nach emotionaler Nähe sehnt, sondern der auch das Verlangen hat, von seinem Liebsten in den Arm genommen und geküsst zu werden – zumindest glaube ich, dass ich Sie so angesehen habe, als ich damals, nachdem ich Ihr Arbeitszimmer verwüstet habe, in Ihrem Bett lag und auf Sie gewartet habe.“ Goethes Augen weiteten sich, was Schiller nicht sehen konnte. Dennoch fürchtete er, dass der Blonde hörte, wie sich sein Herzschlag bei diesen Worten beschleunigte. „Schiller“, sagte er, viel zu hastig, wie er gleich darauf feststellte, „Schauen Sie mich an.“ Schiller gehorchte, wenn auch nicht gleich, aber kaum hatte er seinen Kopf gehoben, presste sich Goethes Mund auf seinen. Es waren nur ihre Lippen, die sie aufeinander bewegten, aber doch war dieser Kuss auf irgendeine Art anders, als die vorigen. „So?“, fragte Goethe, ein wenig außer Atem, als sie sich wieder in die Augen blickten, „Sieht er so aus wie ich in diesem Moment, ein Mensch, der sich nicht nur nach emotionaler Nähe sehnt?“ Schiller konnte zunächst nur bestätigend nicken, so überwältig war er einen Moment lang von ihrem Kuss und dem Ausdruck von Leidenschaft, den er in Goethes dunklen Augen erkennen konnte. „Ja…“, hauchte der Blonde dann kaum hörbar und spürte regelrecht, wie er errötete, „genau so hat er ihn angesehen…“. Vorsichtig streckte er daraufhin seine Hand aus und legte sie dem anderen auf die Brust, nur um sich davon zu überzeugen, dass das Herz des Älteren mindestens genauso schnell schlug, wie das seine. „Und wenn ich nun schon in diesem Moment so aufgeregt bin, Goethe“, flüsterte er dann, „obwohl wir uns schon ewig kennen, wie wird es dann unserem Heinrich in solch einer Situation ergehen, wo er Alexander doch noch gar nicht richtig einschätzen kann?“ „Das…“ Goethe brach ab. „Erwarten Sie jetzt von mir bitte keine geistreiche Antwort, ich…das wird sich alles ergeben, nur…“ Er fasste den anderen an der Wange, „Lassen Sie uns für heute schweigen.“, und küsste ihn erneut. Er wollte darüber nachdenken, ob es angebracht war, aber da er nicht denken konnte, öffnete er einfach seine Lippen, und seine Zunge stahl sich im nächsten Moment in Schillers Mund. Etwas überrascht, aber dennoch vollkommen glücklich darüber, dass er Goethe so nah sein durfte, erwiderte Schiller den Kuss leidenschaftlich, während er den anderen noch näher an sich zog. Fest entschlossen, auf den Vorschlag des Älteren einzugehen, verdrängte er all die negativen Gedanken, die ihm noch vor einem Augenblick Sorgen gemacht hatten, um sich stattdessen lieber vollkommen auf diese wundervolle Situation einzulassen. Goethe fiel ein Stein vom Herzen, dass Schiller seinen Kuss so eifrig erwiderte, und so wagte er es, dem Verlangen nachzugeben, seine Hände an dessen Brust wandern zu lassen, wo sie sich unter das wie immer unsorgfältig zugeknöpfte Hemd stahlen. „G-Goethe…“, keuchte Schiller, als er spürte, wie die warmen Hände über seine nackte Haut strichen und ihn damit beinahe in den Wahnsinn trieben. „Goethe, w-wenn Sie jetzt nicht aufhören, dann… dann kann ich mich nicht mehr zusammenreißen…“ Der Ältere sah ihm außer Atem in die Augen, während seine Hände geschickt das Nachthemd weiter öffneten, sodass er auch den flachen Bauch erreichen konnte. „T-tun Sie das bitte nicht. Halten Sie sich nicht zurück, mir wird es auch nicht mehr gelingen.“ Lächelnd ließ Schiller sich daraufhin das Hemd vom Körper streifen, bevor er Goethe an den Schultern packte und ihn in die weichen Kissen drückte, sodass er sich über ihn beugen und leidenschaftliche Küsse an seinem Hals verteilen konnte. „Dann wissen Sie aber hoffentlich“, flüsterte er mit einem Grinsen ganz dicht am Ohr des Älteren, „dass Sie sich mit einem Stürmer und Dränger eingelassen haben, Goethe…“ Auf Goethes Gesicht schlich sein ein gefälliges Grinsen, als er den Blonden an der Hüfte fasste und sich ein wenig verwöhnen ließ. „Das hatte ich sehr wohl bedacht. Und glauben Sie ja nicht, dass meine Ader zum Sturm und Drang vollkommen versiegt ist.“ „Tatsächlich?“, fragte Schiller neckisch und sah den Älteren mit leuchtenden Augen an, während er ihn ebenfalls von dem störenden Hemd befreite. „Davon müssen Sie mich erst noch überzeugen, Goethe.“ Sofort fand sich der Blonde mit dem Rücken auf der Matratze wieder, Goethe über ihm, der ihn stürmisch küsste und sich so dicht an ihn presste, dass er nur wohlig aufkeuchen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)