Des Weges Licht von Schneefeuer1117 ================================================================================ Kapitel 1: Des Weges Licht -------------------------- Jayden stieg mit einem mulmigen Gefühl aus dem Flieger. Er hatte es also getan. Er hatte sich gegen den Willen seiner Mutter nach Norwegen begeben, obwohl er sich den Konsequenzen bewusst war. Oder gerade deswegen? Mit großen Augen schaute er sich in der riesenhaften Flughalle um. Klar, er war diese Größen gewohnt – immerhin war New Jersey auch nicht gerade winzig und der Flughafen dort konnte es locker mit diesem hier aufnehmen. Darüber hinaus war er schon in vielen der europäischen Hauptstädte gewesen, einfach, weil er es konnte. Dennoch war er immer wieder überwältigt von solch großen Gebäuden. Nicht zuletzt, weil sein Orientierungssinn bescheiden war, um nicht zu sagen, überhaupt nicht vorhanden. Er verzog das Gesicht, als er den Reiseführer für Oslo aufschlug und keine Ahnung hatte, wo nun diese Bank war, zu der er gehen sollte. Oh, verdammt, hatte er sich die Straße überhaupt aufgeschrieben? Oh, Jayden Ashdown, du planst jedes Detail deiner Reise, lernst sogar die Sprache und dann scheitert es an der Adresse? Verdammt, das passt so gut zu dir! Er fluchte. Aber Aufgeben kannte er nicht. Der Wortschatz eines Amerikaners beinhaltete dieses Wort nicht und mutig schulterte er die schwere Reisetasche, zog seinen Koffer hinter sich her, auf dem der Käfig seiner Posteule platziert war. Die Muggel starrten ihn nicht mehr an, als die anderen Sonderlinge am Flughafen und niemand machte sich Gedanken um einen Verrückten mehr oder weniger. Gut, dass er bisher noch nicht seinen Umhang angezogen hatte. Nicht, dass das irgendetwas geändert hätte … Sonderling blieb Sonderling, ob mit oder ohne Mantel. Nach einigen Minuten Ratlosigkeit und einem verstörenden Gespräch mit einem Sicherheitsbeamten, aus dem Jay so etwas wie Brot schmiert sich nicht mit Töpfen herausgehört hatte, stand er nun also vor dem Flughafen. Hilflos schaute er in die Masse an Menschen und kramte in seinen Hosentaschen, bis er den kleinen Zettel gefunden hatte. „Bankplassen 2 … Shit, wo zum Henker..?!“ Jayden kam zu dem Schluss, dass ein Taxi die beste Lösung war. Das ersparte ihm Stunden, denn er übertrieb nicht mit seiner Hilflosigkeit, was Orientierung betraf. Klar, in Trenton verlief er sich mittlerweile nur noch verdammt selten und auch in New Jersey hatte er einen ziemlich guten Überblick – aber auch nur, weil er 16 Jahre dafür Zeit gehabt hatte. Der Taxifahrer warf ihm einen skeptischen Blick zu – vermutlich ob des T-Shirts, obwohl es Anfang September gar nicht so kühl in Norwegen war, wie erwartet. Aber sein sonniges Gemüt wärmte ihn auch bei Minustemperaturen, hahaha … hm – und Jayden bezahlte ihm die Fahrtsumme. Vorsichtig stieg er aus, seine Eule unter dem Arm, Tasche und Koffer neben sich. Das Gebäude war gar nicht so riesenhaft, wie gedacht, aber dennoch beeindruckend. Aber es schien eine ganz normale Muggelbank zu sein, denn der Verkehr war unglaublich. Jayden versuchte, sich nicht verrückt zu machen. Er hatte den Brief tausendmal gelesen und natürlich wusste er, wo er hin musste. Es war lächerlich zu glauben, er würde sich diese Chance nun selbst verbauen. Entschlossen ging er auf die Glastüren zu, die wohl den Eingang darstellten. Plötzlich tauchte jemand genau neben ihm in der Menschenmenge auf. „Jayden Ashdown?“, knurrte eine ihm wohl bekannte Stimme und der Amerikaner wirbelte herum. Die Augen geschockt geweitet, das Herz bis zum Halse klopfend starrte er in die grimmige Miene des Viktor Krum. Viktor Krum! Sein Held. Sein Vorbild. Selbst in Amerika kannte man den jüngsten Spieler der Liga und den jüngsten Kapitän seit Jahrzehnten, Jahrhunderten! Und als wenn das nicht schon genug wäre, hatte er nun auch noch die Verantwortung für eine gesamte Schule übernommen. Die Schule, die Jayden ab morgen früh besuchen würde. „Ähm. Ja. Ja! Ich … bin unglaublich … äh … Schön, Sie kennenzulernen!“ Eifrig ergriff Jayden die Hand des Bulgaren, dessen Miene sich kurz verdüsterte, dann jedoch lächelte er schmal. „Willkommen in Norwegen“, begrüßte Krum ihn und Jayden wusste gar nicht, was er zuerst und zuletzt fragen sollte. Wo bin ich? Warum bin ich hier? Sind das alles Zauberer? Wo ist Durmstrang? Warum haben Sie mich ausgesucht? Wann kann ich anfangen? Und noch viel wichtiger: wo verdammt, kann ich fliegen!? Aber einmal in seinem Leben war Jayden absolut sprachlos. Das lag nicht unbedingt daran, dass er die Sprache noch nicht so gut konnte, sondern viel mehr an der einnehmenden Persönlichkeit seines Helden. Moah, wie er sich das immer gewünscht hatte! „Nun“, riss ihn dieser Held aus seinen Gedanken, „sind Sie schon einmal appariert?“ „Nein, äh … Mister … Krum.“ „Halten Sie die Luft an und konzentrieren Sie sich auf einen Punkt vor sich. Und ...“ Viktor Krum hob eine Augenbraue. „Bemühen Sie sich bitte, mich nicht vollzukotzen.“ Ehe Jayden hätte reagieren können, schnappte sich der breite Bulgare seinen Arm, hielt ihn fest und schon begann sich die ganze Welt um ihn zu drehen. Ihm wurde spei übel, als die Farben ineinander verschwammen und er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Sie hielten irgendwo an – es sah aus wie Frankreich, aber Jay konnte sich auch irren – ehe sie abermals sprangen. Mitten in den Wirbel. Mitten in die Farben. Und als die Erde wieder innehielt, übergab sich Jayden. Zum Glück nur vor die Füße Viktor Krums. „Willkommen in Durmstrang“, intonierte dieser, ohne Jaydens Fauxpas Beachtung zu schenken und deutete auf die Burg vor ihnen. „Der großartigsten Zauberschule der Welt.“ Jayden unterschrieb diese Behauptung sofort und nickte absolut verzaubert von dem Eindruck, den das alte Gemäuer bei ihm hinterließ, so wenig er auch mit solchen alten Dingern anfangen konnte. Jayden konnte nicht ahnen, dass er genau die gleichen Worte nur ein Jahr später wählen würde, um Hermine Granger hier in Durmstrang willkommen zu heißen. Hätte er es geahnt, wäre er vermutlich losgelöster an dieses Gespräch heran gegangen. So war der sonst so redegewandte und charmante Amerikaner ganz kleinlaut und folgte dem schweigsamen Ersatzschulleiter auf dem Kiesweg in die Burg. „Ich werde dir jetzt alles zeigen, danach kannst du dich umschauen. Gleich vorweg.“ Der strenge Blick ließ Jayden automatisch die Schultern straffen. „Der Wald und die Ruinen sind tabu, verstanden?“ „Natürlich, ähm … Sir...“ Viktor Krum runzelte die Stirn und schien das Sir genauso befremdlich zu finden, wie Jayden, sagte jedoch nichts. Sie betraten das Schloss. Viktor Krum hielt Wort. Er zeigte Jayden alles. Die Küchen, den Speisesaal, die Klassenräume, die Schlafsäle, den Innenhof, die Bibliothek, eines der Lehrerzimmer, einige der Toiletten im Vorbeigehen und einige der Aufenthaltsräume. Zum Schluss landeten sie wieder draußen, dort, wo es Jayden unterbewusst schon die ganze Zeit hingezogen hatte: auf dem Quidditchfeld. Viktor Krum wirkte auf einmal völlig anders, viel losgelöster und plauderte mit Jayden, als seien sie Freunde und Jayden fand Mut und Rückgrat wieder und erwiderte diese vertraute Art, die es nur unter Sportlern gab, gerne. Krum lachte. „Gut! Dann wärs das also gewesen. Das hier wird dein Dreh- und Angelpunkt in Durmstrang. Ich will, dass du jede freie Minute zum Trainieren nutzt.“ Jayden nickte langsam und stellte dann die Frage, dessen Antwort weder aus dem Empfehlungsschreiben seiner Schule, noch aus dem Angebot Durmstrangs hervorgegangen war: „Warum wollten Sie mich, Mister Krum?“ Viktor Krum schaute zu ihm, abschätzig, grimmig wie immer, doch jetzt wusste Jayden, dass das nicht am ihm lag, sondern sein normaler Gesichtsausdruck war. Er hatte noch immer Respekt für den Mann hier vor ihm, aber nun keinerlei Scheu mehr. Das schien ihm zu gefallen, denn er antwortete ausführlicher, als Jayden es erwartet hatte: „Deine Schule hat mich dir empfohlen. Sie hat nicht nur mich angeschrieben, eigentlich jeden Kapitän hier in Europa – sie erhoffen sich wohl ein Stipendium für dich und dadurch guten Ruf. Ich will dich hier trainieren. Ich will, dass du was aus deinem Traum machst. Dein Trainer in Amerika hat mir erzählt, dass du gut bist. Sehr gut.“ Viktor Krums Augen legten sich in Jaydens. „Du bist Treiber?“ „Ja, Sir.“ „Und du beherrscht den Klatscher-Rückschlag?“ „Nun ja, sofern man den beherrschen kann, ja.“ „Und du kannst die Woollongong Shimmy, habe ich gehört.“ „Ja. Ziemlich gut sogar, auch wenn ich dafür meinen eigenen Besen brauche. … Äh, Sir.“ Viktor Krum nickte zufrieden. Jayden begriff, dass er sich soeben seine Frage selbst beantwortet hatte und blickte nachdenklich zu Boden. War es so außergewöhnlich, dass ein Treiber den Rückschlag beherrschte und beweglich war? Sein Partner in Amerika konnte ebenfalls all diese Manöver und war nicht nach Durmstrang eingeladen worden. Krum räusperte sich und Jayden schaute schnell auf. Der Kapitän der Bulgaren hielt einen zappelnden Schnatz in der Hand. „Man erzählt sich außerdem, du seist gut in der Schule. Sportler brauchen Grips.“ Er schaute ihn abermals vielsagend an. „Besonders, wenn sie gute Kapitäne sein wollen.“ Jayden hob beide Augenbrauen. „Heißt das...?“ „Ja. Du wirst die Quidditchmannschaft hier auf Durmstrang als Kapitän leiten. Das bedeutet allerdings auch, dass du härter als alle andren trainieren wirst.“ Krum schien zu lächeln, aber Jayden konnte sich auch verguckt haben. „Unter mir.“ Ein Traum war wahr geworden. Er würde unter Viktor Krum trainieren, Kapitän wie in Amerika werden, auf seiner Position spielen dürfen und verdammt noch mal, unter Viktor Krum trainieren! Das war viel besser, als er erhofft hatte. Mit einem breiten Grinsen bewaffnet, schlich er durch die Gänge und rief sich Viktor Krums letzte Worte in Erinnerung. „Geh jetzt erst einmal auspacken – deine Sachen sind auf deinem Zimmer. Du bist nicht der einzige, der schon da ist … Und komm zum Abend wieder aufs Feld, nach dem Essen.“ Vor Aufregung prickelte alles in ihm und … er schaute sich verwirrt um … wo war noch gleich der Weg zu dem Schlafsälen? Er wusste nur, dass er in den vierten Stock musste, aber … wie kam er da noch gleich hin? Oh, er hätte besser zuhören sollen! Aber wie sollte er auch? Es war so viel neu hier in Durmstrang und in ihn wurde Vertrauen gesetzt, obwohl er sich noch keins erarbeitet hatte. Das war so anders, als in Amerika, dass er sich sofort wohl gefühlt hatte. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, sich auf sein Zimmer zu verziehen. Aber nun kam die Frage auf: wo war es? Rätselnd bog er um die nächste Ecke und wäre beinahe mit einem blonden Mädchen zusammengestoßen. „Ups, tschuldige!“, stieß das Mädchen atemlos hervor und wollte schon weiter, hielt dann jedoch in der Bewegung inne. „Moment mal, dich kenne ich gar nicht! Du bist neu hier, nicht wahr? Naja, in der ersten kannst du nicht sein, dafür bist du zu alt, aber das heißt ja, dass du Ausländer bist! Oh, wow, ähm, Austauschschüler? Oder sind deine Eltern hier her gezogen?“ Die riesigen Augen des Mädchens schauten ihn von unten herauf an und sie schien auf eine Antwort zu warten, doch Jayden hatte nichts verstanden. Er war es nicht gewohnt, dass andere genauso viel redeten, wie er selbst und dann auch noch so ungeheuer schnell. Norwegisch konnte er noch nicht lange, aber das Mädchen schien ihn falsch zu verstehen. „Ooooh, ich dumme Gans! Du kannst schlecht hören, ich verstehe schon, entschuldige. Du kommst aus Amerika richtig? Zumindest siehst du wie ein Ami aus – haha, da hast du dir sicherlich aus Versehen beim Sport das Trommelfell weggebummst. Ups, das klingt jetzt furchtbar falsch“, grinste das Mädchen und Jayden hatte Mühe, den Kopf zu schütteln, um sein Unverständnis auszudrücken. Weggebummst hatte er sich sicherlich nichts und ja, das klang furchtbar falsch. Aber er kam gar nicht dazu, etwas zu sagen. „Arw, du bist ganz taub? Scheiße, bin ich dumm. Was mache ich jetzt nur? Zeichensprache kann ich ja gar nicht, vielleicht … Oh, ich sollte einfach lauter reden. HALLO AMERIKANER, ICH BIN CARINA.“ Jayden verzog das Gesicht und wurde sich bewusst, wie komisch diese Situation hier war. Er lachte laut auf. „Ähm, ich … du brauchst nicht … ähm. Ich bin nicht taub“, bekam er dann heraus und sie fiel in sein Lachen ein. „Oh, ups! Das ist jetzt wohl ein gigantisches Missverständnis! Wieso sagst du auch keinen Ton!“ Jayden grinste schief und versuchte, ihr zu erklären, dass er noch nicht lange Norwegisch sprach, aber das blonde Mädchen – Carina, offensichtlich – runzelte die Stirn. „Du magst Topfpflanzen? Das ist … ehm … schön für dich?“ Jayden seufzte. Und schließlich sprach er einfach Englisch, vielleicht half das ja. „Nein, ich wollte dir sagen, dass ich noch nicht so gut Norwegisch sprechen kann und du einfach ein bisschen langsam reden sollst. Dann … dann komme ich eventuell sogar hinterher.“ Carina lachte: „Ich und langsamer reden? Oh, du weißt gar nicht, was du hier gerade von mir verlangst, dummer kleiner Amerikaner!“ Jayden wusste nicht, ob er diese Situation zum Lachen, oder zum Weinen finden sollte. Er wollte sich hier keine Feinde machen, nicht gleich am ersten Tag – oder besser am Tag vor dem ersten Tag – und auch wenn er in Amerika zwar Probleme mit den Lehrern gehabt hatte, war er ein brillanter Schüler gewesen, beliebt und Quidditchkapitän. Er hatte sogar den Schachclub geleitet und drei andere Kurse besucht, die seine Freizeit geschluckt hatten. Vielleicht war Jayden so etwas wie der König der Schule gewesen, doch hier musste er von ganz vorne anfangen. Und wer wusste schon, wer Carina hier auf Durmstrang war? Vielleicht war sie die Tochter von einem der Lehrer oder die Anführerin einer wirklich üblen Clique oder Klassenbeste oder … naja, was auch immer hier in Durmstrang einem eben zu Ruhm und Macht verhalf. Deshalb wählte Jayden die einzige Variante, die ihm sinnvoll erschien: Freundlichkeit. „Ich bin Jayden, freut mich.“ Carina war scheinbar überrascht, doch mit einem breiten Lächeln nahm sie seine Hand an und hakte sich sofort bei ihm unter. Er blinzelte. Etwas in ihm wurde losgetreten. Verdammt, Jayden Ashdown war einer der Männer, der sich leicht verliebte … Doch als er in Carinas blaue Augen schaute, wusste er, dass es keine Verliebtheit war, die sich hier anbahnte. Es war etwas viel Verrückteres, etwas viel Unfassbareres. Er grinste schief. „Carina – aber das weißt du ja schon. Ach, tut mir ja so leid, dass wir uns vorhin so missverstanden haben, aber dein Norwegisch ist echt schlecht.“ Sie lachte, denn immerhin hatte er ja keinen Ton gesagt. Ihr Mustern entging ihm jedoch nicht und auch die Hand, die prüfend seinen Unterarm betastete, blieb nicht unbemerkt. Jayden räusperte sich. „Kann ich dir helfen, Carina?“ „Hm? Oh, ehm …“ Verlegen nahm sie die Hand wieder weg und mied kurz den Blickkontakt. Jayden wusste nicht, wie er auf solch eine aggressive Anmache reagieren sollte, bis ihm bewusst wurde, dass es keine Anmache war, sondern ein Versuch, ihn einzuschätzen. Aus einem Impuls heraus, legte er den Arm um ihre Schultern und schlenderte einfach weiter den Gang entlang, auch wenn er keine Ahnung hatte, wo der hinführte. „Das mit dem Sport war vorhin gar nicht so schlecht geraten – ich bin Treiber. Ich nehme mal großzügig an, dass du mich deshalb begrabbelt hast.“ Carina schien noch immer beschämt, aber dann grinste sie zu ihm auf. „Weißt du, Jayden? Ich habe so das Gefühl, dass wir wunderbare Freunde werden.“ „Ach, echt? Bisher hatte ich eher das Gefühl, dass wir eher aneinander vorbei reden.“ „Aaaaach, das legt sich. Wenn du erst mal vernünftig sprechen kannst – dann wird das schon! Außerdem“, sie zupfte an der Hand, die auf ihrer Schulter lag, ein wenig verstimmt vielleicht, „außerdem hätte ich dir sonst schon längst eine gezimmert für solche Unverschämtheiten!“ Sie grinste zu ihm herauf und er tat es ihr gleich, ehe er sie losließ. Es war verrückt. Vollkommen verrückt. Aber es fühlte sich an, als habe es diese blau-grauen Augen schon ewig in seinem Leben gegeben und Carina wäre nicht eben erst in selbiges gestolpert. Er hatte das wundersame Gefühl der Zweisamkeit, ohne dass er sie je zuvor gesehen hatte und konnte jetzt schon erahnen, was sie sagen und fragen würde, ohne dass er sie je zuvor hatte reden hören. Es war ihm, als hätten seine gesammelten Freundschaften, zum Schein oder echte, nur auf diese eine Freundschaft hingearbeitet, als hätten alle Treiberkollegen und Klubmitglieder ihn darauf vorbereitet, eines Tages auf Carina zu treffen. Und dieser Tag war heute. Und verdammt, fühlte sich das toll an! „Oh, ich muss dich so viel fragen“, hörte er Carina sagen und er nickte gönnerhaft. „Wo warst du denn in Amerika auf der Schule? Oh, und kommst du aus den USA? Warst du schon mal in LA? Und in New York? Ganz ehrlich: bist du schwul? Oder hast du eine Freundin? Und was führt dich nach Durmstrang?“ Jayden fühlte sich gar nicht mehr so überfordert mit den ganzen Fragen, wie Carina es vielleicht erzielt hatte, im Gegenteil. Er erwiderte: „Ich komme aus New Jersey, genauer aus Trenton. Ist ziemlich nahe an der Ostküste, aber in LA und New York war ich nur kurz auf Tagesausflügen. Ich bin allerdings schon relativ viel dank Paps in Europa rumgekommen, Urlaub und so. Und nein, ich bin nicht schwul – wäre ja auch schade, eh? Eine Freundin habe ich momentan auch nicht, dafür war in Amerika nicht so viel Zeit … Ich bin hier, weil Viktor Krum mich trainieren will. Denke ich zumindest.“ Carina staunte nicht schlecht, bog dann mit ihm unauffällig ab und schließlich standen sie vor einer Treppe, die er ohne sie vermutlich nie gefunden hätte. Er lächelte schief. „Ich glaube, ohne dich könnte ich hier ziemlich schnell verloren gehen ...“ Sie schien die Frage dahinter zu erahnen und erwiderte keck: „Na dann kann ich dich ja schlecht alleine lassen! Ich komme übrigens aus Schweden, danke der Nachfrage.“ Frech streckte sie ihm die Zunge heraus und Jayden lächelte. „Sorry, das muss ich wohl noch lernen.“ „Ja, ganz eindeutig!“ Der erste Tag auf Durmstrang neigte sich dem Ende. Jayden war geflogen und hatte Viktor Krum gezeigt, was er konnte und obwohl Carina rein gar kein Interesse an Quidditch hatte und es sterbenslangweilig fand, war sie dennoch mitgekommen. Sie klebte förmlich an seiner Seite und er hätte nicht glücklicher sein können. Irgendwie hatten sie einander gesucht und gefunden, ohne die Augen wirklich offen zu halten und vielleicht mochte jemand da oben sie ganz besonders gerne, dass er sie so schnell zueinander geführt hatte. Carina stellte Jayden noch einigen aus ihrem Jahrgang vor und riet ihm sofort, vor wem er sich in Acht nehmen müsse – als Halbblut würde er es nicht so schwer haben, wie muggelstämmige, doch auch nicht besonders einfach. Er fragte sie noch nach der schwarzen Magie und Carina verzog das Gesicht. „Hier in Europa ist es momentan nicht ganz sicher auf den Straßen. Deshalb hat Mister Krum dich vermutlich auch persönlich abgeholt. Hier im Norden merken wir davon nicht viel, aber einige der Schüler werden wohl dieses Jahr nicht kommen.“ „Wegen diesem … ähm … Dunklen Lord?“ „Jah. Man munkelt, dass Harry Potter ihn besiegen kann und aus dem Untergrund nur darauf wartet, aber sicher ist man sich nicht. Hier in Durmstrang sind wir sicher, aber bis der Krieg vorbei ist … Jayden, versprich mir, keine Dummheiten mit der schwarzen Magie anzustellen, okay? Die Gemüter sind ziemlich erhitzt dahingehend.“ „Wow, du kannst einem ja Angst machen, wenn du plötzlich so ernst bist! Aber ja, keine Sorge, alles cool. Ich krieg das schon hin. Immerhin … naja, wie könnte ich auch nicht? Ich habe ja jetzt dich.“ „Pass bloß auf, dass du dich nicht verliebst.“ „Quatsch, doch nicht in so eine hässliche Pute!“ „Woah, und das von einem schmierigen Schulschönling!“ Die beiden lachten und Jayden umarmte die Kleinere sanft, als sie sich vor den Schlafsälen trennten. „Hilfst du mir morgen, mich in Kurse einzuschreiben?“, fragte er leise und suchte nach ihrem Blick. Carina grinste schief. „Jetzt kommst du doch wieder angekrochen, hm? Aber klar. Logo.“ Sie hielt ihm verschwörerisch die Faust hin und stieß vorsichtig mit seiner dagegen. „Wir sind doch jetzt Freunde. Seelenverwandte, und so Zeug.“ Jayden lachte. Seelenverwandte. Das hörte sich zwar absolut lächerlich an, aber besser hätte er es auch nicht umschreiben können. Er nickte Carina zu, warf ihr ein „bis morgen“ hinterher und war sich sicher, dass er Durmstrang nie wieder verlassen wollte. Nicht ohne Carina. Seltsam, wie das Schicksal manchmal mit einem spielte. Erst gestern hatte er sich ein Wortgefecht mit seiner Mutter geliefert, hatte gezweifelt, ob er tatsächlich eine gute Entscheidung damit traf, dass er mitten in einem Krieg nach Europa ging, die Schule wechselte, alles versuchte, um seinen Weg zu finden. Und jetzt, nur wenige Stunden später, schien er seinen Weg gefunden zu haben. Oder zumindest ein strahlend helles Licht, das seinen Weg erleuchtete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)