Matrix: New Age von Gayagrod ================================================================================ Kapitel 2: Die Andere Seite der Rebellen ---------------------------------------- So, hier ist jetzt nach langer Zeit das nächste Kapitel. Ich habe mir wahrscheinlich alle Leser wegen der langen Wartezeit vergrault, naja. Thanx to: Allen Reviewern und denjenigen, die diese Geschichte immer noch lesen: Vielen Dank!! Special Thanx to: Darwn, die mich immer wieder ermutigt hat, weiter zu schreiben und der ich deshalb dieses Kapitel widme. Alles Gute zur Firmung! ^_^ Kapitel 2: Die Andere Seite der Rebellen Kyrill wälzte sich im Bett herum. Sie konnte nicht schlafen, was angesichts der Sommerhitze, die auch nachts noch anhielt, nicht verwunderlich war. Aber das Mädchen wurde nicht von der erdrückenden Wärme geplagt, sondern von den Gedanken an den vergangenen Tag. Sie dachte daran, dass sie dem Geheimnis um ihren Traum wenigstens ein kleines Bisschen näher gekommen war. Vielleicht konnte ihr Maeda schon bald mehr darüber sagen und es wäre ja auch möglich, dass sie mehr über das Verschwinden ihrer Mutter erfahren würde. Vielleicht könnte sie ihre Mutter sogar wiederfinden. Und vielleicht - ihr Herz klopfte beim Gedanken daran schneller - würde sie dann auch endlich ihren Vater kennenlernen. Kyrill hatte die Augen geschlossen und lächelte. Doch dann presste sie die Lippen zusammen, so dass es aussah, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte. >Kyrill, du bist wirklich dumm<, dachte sie. >Nur weil Maeda meinte, dass deine Träume möglicherweise etwas mit deinen Eltern zu tun haben, gibst du dich schon solchen Illusionen und Tagträumen hin.< Ärgerlich setzte Kyrill sich im Bett auf und knipste ihre Nachttischlampe an. 23.47 Uhr zeigte ihr Digitalwecker an. Sie stand auf und zog ihren Morgenmantel an. Dann öffnete sie ihren großen alten Kleiderschrank, kramte darin herum und zog schließlich eine Pappschachtel hervor. Kyrill ging mit der Schachtel zu ihrem Bett hinüber und setzte sich auf die zerwühlte Bettdecke. Sie stellte die Schachtel auf ihren Schoß und nahm den Deckel ab. Zum Vorschein kamen ein Schmuckkästchen und drei Fotoalben, welche Kyrill hochhob. Unter den Alben lag eine Diskette, die sie herausholte. Kyrill betrachtete die Diskette und dachte an ihre Mutter, als sie plötzlich vom Schrillen der Türklingel aufschreckte. Sie legte Pappschachtel und Diskette zur Seite und eilte zur Haustür. >Wer kann das denn jetzt noch sein?<, überlegte sie und spähte durch den Türspion. Zu ihrer größten Überraschung stand Maeda auf dem Hausflur und sah sich nervös um. Kyrill schloss schnell die Tür auf, öffnete sie und sagte überrascht und freudig zugleich: "Maeda! Was machst du denn hie-" Doch Maeda schob sie in die Wohnung zurück und zog die Tür hinter sich zu. "Später." "Was...?" Kyrill fühlte sich ziemlich überrumpelt. "Später", wiederholte Maeda. "Dann ist noch genug Zeit für Erklärungen." Sie sah Kyrill ernst an. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. "Pack deine Sachen und zieh dich an. Und bitte beeil dich. Wir haben nicht viel Zeit." "Meine Sachen??" Kyrill stand mit offenem Mund da. Was sollte denn das werden? "Ja, was du eben mitnehmen würdest, wenn du längere Zeit nicht mehr nach Hause zurückkehren würdest." "Das kommt etwas, ähm, überraschend...", brachte Kyrill hervor. "Es geht um Wichtiges, also mach endlich!" Maeda klang wütend und entnervt. Endlich bewegte sich Kyrill. Sie hatte zwar keine Ahnung, was sie von allem halten sollte oder wohin es führte, aber sie ging ins Badezimmer und zog sich um. Dann holte sie einen Koffer, den sie in ihr Zimmer stellte und begann, Kleidung aus dem Inneren des Kleiderschrankes in den Koffer zu packen. Maeda wippte nervös von einem auf den anderen Fuß und sah Kyrill zu. Endlich, nach einigen Minuten, die Maeda wie Stunden vorkamen, war Kyrill fertig. Ihr Koffer war voll mit Kleidung und anderen Dingen, von denen Kyrill meinte, dass sie sie vielleicht später gebrauchen würde. Sie schloss gerade den Koffer, als Maeda sich ihr zuwandte: "Fertig? Dann komm, wir müssen hier schleunigst verschwinden." Und schon packte sie mit der einen Hand Kyrills Arm und mit der anderen den Koffer und zerrte beide zur Haustür. "Wohin gehen wir?", platzte es aus Kyrill heraus. Maeda verdrehte genervt die Augen und drückte ihr den Koffer in die Hand. "Hier." Aber eine Antwort bekam Kyrill nicht. Jetzt öffnete Maeda die Haustür und ließ Kyrill an sich vorbei in den Hausflur gehen. Dann ging sie selbst hinaus und ließ die Tür hinter sich langsam ins Schloss fallen. Sie runzelte die Stirn und sah von der einen Seite des Korridors zur anderen. In der Mitte des Flurs, nur wenige Meter von Kyrills Wohnung entfernt, befand sich ein Aufzug und an seinem rechten Ende war ein Fenster in die Wand eingelassen, welches zu einer Feuerleiter führte. Am linken Ende führte eine Tür zum Treppenhaus, daneben lag ein weiteres Fenster. "Sie sind nah... viel zu nah...", murmelte Maeda und beäugte noch einmal misstrauisch den gesamten Flur. "Wer ist nah?", fragte Kyrill, aber Maeda packte sie hart am Handgelenk und rannte mit ihr auf das Fenster auf der linken Seite zu. Just in diesem Moment gingen hinter ihnen die Türen des Fahrstuhls auf. Maeda und Kyrill hatten das Fenster erreicht und Maeda machte sich daran, es zu öffnen. Klack - Klack. Stöckelschuhe näherten sich ihnen. Kyrill wagte es, einen Blick hinter sich zu werfen und erblickte eine Frau im schwarzen Anzug. Währenddessen beugte sich Maeda aus dem Fenster. "Ist gar nicht so tief", murmelte sie, mehr zu sich selbst, als zu Kyrill. "Was?", fragte Kyrill und starrte immer noch die Frau an. Jetzt drehte sich auch Maeda um. Beim Anblick der Frau verhärtete sich ihr Griff um Kyrills Arm so sehr, dass es weh tat. "Maeda...", stöhnte Kyrill, "Du zerquetschst meinen Arm!" Doch Maedas Augen waren starr auf die merkwürdige Frau gerichtet, die nun auch noch zu lächeln anfing, was bei Kyrill ein kaltes Schaudern auslöste. "Miss Coen..." Die Stimme der Frau bewirkte einen weiteren Kälteschauer auf Kyrills Rücken und obwohl sie sehr leise sprach, war jedes Wort deutlich zu verstehen. Die Augen der Frau wurden zwar von geschwärzten Brillengläsern verdeckt, aber dennoch spürte Kyrill ihren Blick auf sich ruhen. "Miss DeLain..." Ihr Blick wanderte zu Maeda. "Würden Sie mich bitte begleiten", sagte sie. Es klang eher nach einem Befehl, als nach einer Bitte. Maedas Gesicht war Schneeweiß. Plötzlich drehte sie sich um und rief: "Spring! Kyrill, spring!" "Was? Bist du verrückt? Springen? Ich bin doch nicht lebensmüde, ich-" Da packte Maeda Kyrill um die Hüfte und stürzte sich mit ihr aus dem offenen Fenster. Die Fassade des Wolkenkratzers rauschte im Fall an Kyrill vorbei und sie schloss die Augen, um ihre aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Sie fühlte nichts mehr außer ihrem sich umdrehenden Magen und war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. >Jetzt ist es aus.< Kyrill erwartete jede Sekunde den Aufprall auf dem Boden und sah ihr Leben schon an sich vorüberziehen, als sie etwas unsanft, aber trotzdem ohne die kleinste Verletzung, auf dem Boden aufkam. "Da - da - das ist doch nicht möglich!", stammelte sie. "Aus dem 16. Stock! Da - das kann doch nicht - unmöglich!" Sie hockte auf dem harten Betonboden und zitterte am ganzen Körper. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Wie war es möglich, einen solchen Sturz zu überleben? "Du zitterst ja!", bemerkte eine Stimme neben ihr. Kyrill hob den Kopf und blickte in Maedas besorgtes Gesicht. Diese sah aus, als ob nichts geschehen wäre. Als ob es das Normalste der Welt wäre, aus einem Wolkenkratzer zu stürzen und zu überleben, ja, noch nicht einmal einen Kratzer davonzutragen! "Komm, steh auf", meinte Maeda jetzt und reichte Kyrill die Hand. "Schnell!", fügte sie hinzu, als plötzlich Pistolenschüsse zu hören waren, welche verdächtig nahe klangen. Maeda zog Kyrill hoch, aber deren Beine wollten ihr nicht gehorchen, geschweige denn nach dem Schock des Sturzes ihr Gewicht tragen. Also musste Maeda sie stützen. Als sie um die Hausecke bogen, konnte Kyrill aus dem Augenwinkel heraus erkennen, dass zwei weitere Anzug tragende Frauen die Feuerleiter hinunter stürmten, mit Pistolen bewaffnet, denen sie die Schüsse zurechnete. Maeda schleppte sich mit Kyrill mühsam vorwärts. Es war klar, dass die Frauen sie bei dieser Geschwindigkeit bald eingeholt haben würden. Und nachts war kaum jemand auf der Straße, also konnten sie sich auch nicht unter die übliche Menschenmenge mischen, die am Tag die Straßen bevölkerte. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass ihr kurzer Vorsprung noch etwas länger reichte. Maeda hatte einen grimmigen, kämpferischen Gesichtsausdruck aufgesetzt, während Kyrill verunsichert und ein wenig ängstlich ausschaute. >Wie bin ich hier nur reingeraten?<, fragte sich Kyrill und ließ sich von Maeda aus dem Schein einer Straßenlaterne in eine dunkle Seitengasse zerren. Mit einer Hand stützte Maeda Kyrill, mit der anderen holte sie ein Handy hervor. Sie schaltete es ein und wählte schnell eine Nummer. "Ich bin's... ja... sie ist bei mir... ja, die Special's sind hinter uns her... wir haben einen kleinen Vorsprung... ja... wir sind gleich da... ich nehm' die schnelle Abkürzung... OK, bis dann." >"Schnelle Abkürzung"? Was soll denn das jetzt schon wieder sein?<, dachte Kyrill und runzelte unwillkürlich die Stirn. "Und?", fragte Maeda. "Geht's dir wieder besser? Haste dich von deinem Schock erholt? Keine Sorge, das geht vielen so, die das erste Mal richtig mit der Matrix in Berührung kommen und von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen." >Die Matrix?< Kyrill dachte an ihren Traum. Ihr wurde außerdem bewusst, dass sich ihre Beine langsam nicht mehr wie Wackelpudding anfühlten. Sie lehnte sich an die Hauswand hinter sich und wartete ab, was Maeda als Nächstes tun würde. "OK, deine Beine scheinen dich wieder zu tragen", meinte Maeda. Sie grinste Kyrill an, während sie, ohne hinzusehen, eine Nummer in ihr Handy eingab. "Na, dann woll'n wir doch mal sehen, ob wir unsere "Anhängsel" nicht loswerden können." Maeda hielt das Handy jetzt direkt an die Mauer. >Soll die Mauer etwa ins Handy sprechen?< Kyrill kicherte in sich hinein. Plötzlich gab die Mauer, an der sie lehnte, nach. Maeda griff schnell nach ihrem Arm und zog sie wieder nach vorn. "Was-", wollte Kyrill fragen, verstummte aber bei Maedas konzentriertem Blick. Als Maeda die Augen schloss und leise ein paar Worte murmelte, die Kyrill nicht verstand, fing das Handy an, in grünen Zahlen zu leuchten. >Wie die Zahlen in meinem Traum<, dachte Kyrill, während das Handy für einige Sekunden weiter in grünen Computercodes leuchtete und dann urplötzlich mit der Wand verschmolz. Und dann passierte es. Kyrills Augen weiteten sich vor Schreck, als die Mauer vor ihr in einem Strudel bunter Farben zu verschwimmen begann und auf sie herabsank. Oder vielmehr sank die Mauer durch sie und Maeda hindurch und zog sie damit in die sich langsam drehenden Farben hinein. Für ein oder zwei Sekunden hörten die Farben auf, sich zu drehen. Kyrill wollte sich gerade verwundert in dem Farbwirrwarr umsehen, als sich der Strudel von neuem in Bewegung setzte - und das sehr viel schneller als vorher. Die Farben drehten sich nicht, sie schossen regelrecht an Maeda und ihr vorbei. Kyrill spürte einen leichten Wiederstand - Wind? - von vorne auf ihrem Körper. >Was ist das, verdammt noch mal? Hat Maeda etwa das mit "schnelle Abkürzung" gemeint?<, dachte Kyrill. Ihr kam die ganze Reise endlos lang vor - in Wirklichkeit war es gerade mal eine Minute, bevor die wie Stecknadeln an ihnen vorbeirasenden Farbstrahlen sich verlangsamten und schließlich ganz verschwanden. "Uuh..." Kyrill war fast wieder schlecht geworden und ihre Beine hatten sich jetzt schon zum zweiten Mal in dieser Nacht in Pudding verwandelt. Die beiden jungen Frauen standen in einer Tiefgarage, in der allerdings keine Autos geparkt waren. Neben Kyrill gähnte Maeda herzhaft und streckte sich. "Ich muss kurz eingenickt sein. Das diese Abkürzungen aber auch immer so langweilig sein müssen." "Du... du bist wohl verrückt!", krächzte Kyrill und starrte Maeda entgeistert an. "Vielleicht", antwortete diese und lächelte. "Aber das war doch noch gar nichts. Ich hab schon viel merkwürdigere Sachen erlebt." Sie drehte sich um und schien sich auf etwas zu konzentrieren. "Ich denk' mal, wir haben unsere Verfolger für's erste abgehängt." Sie ging auf den Fahrstuhl zu, dessen Türen keine zwei Meter von ihnen entfernt in die Wand eingelassen waren. "Na komm schon." Kyrill folgte ihr langsam. >Ein Fahrstuhl. Na gut. Da kann ja wohl nichts Komisches passieren.< Maeda hatte schon den Knopf neben den Türen gedrückt, als Kyrill sie erreichte. Die Türen gingen auf und die beiden traten in die enge, schmucklose Kabine. Kyrill betrachtete Maeda misstrauisch, als diese eine Art Ausweis hervorholte und in eine an der Wand der Fahrstuhlkabine angebrachte Vorrichtung steckte, woraufhin sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte. Sie fuhren bis zum Untergeschoss 14. Dann hielt der Fahrstuhl und seine Türen öffneten sich. Kyrill hing ihren Gedanken nach: >Ich wusste gar nicht, dass es unter irgendeinem Gebäude der Stadt so viele Etagen gibt. Wo wir hier wohl sind?< Sie betrachtete den engen Gang vor ihnen. Der Gang war so.....weiß. Weißer Boden, weiße Decke, weiß gekachelte Wände. Am Ende des Ganges befand sich eine einzige weiße Tür. Zwei oder drei Meter von ihnen entfernt stand ein großer Kopierer, einer von der Sorte, bei der man sich für ein paar Münzen etwas kopieren konnte. >Klar. Was sonst<, dachte Kyrill. >Wahrscheinlich sind wir unter einem Bürogebäude und deshalb steht hier ein Kopierer.< Maeda ging geradewegs auf den Kopierer zu und klappte die Abdeckung hoch. Dann legte sie eine Hand auf den Kopierer und betätigte mit der anderen einen runden grünen Knopf am Gerät. "Willst du deine Hand kopieren?", fragte Kyrill zweifelnd. "Nein. Ich bringe uns nur durch diese Tür." "Aah...ja." Der Kopierer begann mit seiner Arbeit. Er las Maedas Hand ein und druckte. "Ich glaube, der Kopierer ist kaputt", meinte Kyrill und zeigte auf die Ausdrucke. "Er druckt nur Punkte und Streifen." "Nein", antwortete Maeda, "es ist alles in bester Ordnung." Sie grinste. "Ja, ich weiß, es ist ein bisschen merkwürdig, aber 's wird nur geprüft, ob ich auch wirklich ich bin." "...Wie meinst du das?", fragte Kyrill irritiert. Seit wann konnte man mit einem Kopiergerät seine Identität nachweisen? "Also", begann Maeda, "es ist so: Hier hat jeder ein bestimmtes Datenmuster, dass nur ihm selbst gehört. Schau nicht so, hört sich zwar komisch an, aber Matrix und Daten gehören zusammen, auch wenn du's jetzt noch nicht verstehst. Also, dieser Kopierer hier ist so gebaut, dass er die Daten erkennen kann. Erkennt er mein Datenmuster, öffnet sich diese Tür dort. Würde aber ein Agent das hier probieren, würde er das Datenmuster als das eines Agenten erkennen, die Tür würde sich nicht öffnen und die anderen wären gewarnt." "Agenten - die die uns verfolgt haben?" "Ja, aber das waren Special's. Dir wird später alles erklärt werden, was du über sie wissen musst." "Aber um jemanden zu erkennen, reicht da nicht eine Überwachungskamera aus?", warf Kyrill ein. "Oh, du wirst noch feststellen, dass nicht immer alles so ist, wie es aussieht. Außerdem sind die Sicherheitsbestimmungen so, frag mich nich', warum." Maeda schaute den Kopierer an, der aufgehört hatte, zu drucken. "So, fertig." Sie blickte zur Tür, die sich in diesem Moment öffnete. Die beiden jungen Frauen schritten durch den Gang auf die Tür zu. Nach dem weißen, kahlen Flur wirkte der Raum hinter der Tür fast wie eine anderer Welt. Kyrill sah sich erstaunt und neugierig in dem großen Raum um. Er war vollgestopft mit Technik; mehrere Computer und Monitore waren auf Tischen im Raum verteilt aufgestellt, überall lagen CD-Roms und Disketten verstreut und Scanner und Brenner schienen willkürlich in der weitläufigen Halle verteilt worden zu sein. Zwischen diesen ganzen Gerätschaften fand sich ein Kabelsalat. Und dennoch hatte Kyrill das Gefühl, dass alles an seinem Platz stand und hier kein Chaos herrschte. "Da wären wir also", sagte Maeda neben ihr. Auch sie sah sich um. "Scheinen wohl fast alle ausgeflogen zu sein." Mit diesen Worten ging sie auf die einzige Person im Raum zu, einen Mann, der vor einem Computer saß und anscheinend angestrengt arbeitete. Kyrill folgte Maeda. "Hi, Darren", begrüßte Maeda den Mann. "Hallo", kam es etwas unwirsch zurück. Er drehte sich um und seine Augen fixierten zuerst Maeda und dann Kyrill. Seine schwarzen Haare fielen glatt auf seine Schultern herab. Seine Augen - Kyrill schauderte - waren eiskalt. Er hatte harte Züge und auf Kyrill wirkte er jung und dennoch - sie konnte nicht sagen, warum - zugleich alt. Dann sprach er mit etwas mürrischer Stimme: "Du hast sie also mitgebracht, Maeda." "Ja", antwortete diese, "die Special's war'n uns zwar auf'n Fersen, aber ich denk' mal, wir haben sie abgehängt." "Gut", sagte er. "Ah... und da kommen schon zwei der unsrigen heim", wandte er sich den Neuankömmlingen zu, die in diesem Moment durch die Tür eintraten und auf sie zukamen. Es waren zwei Frauen. Zwillinge. "Hallo allerseits!", rief die eine der beiden. Sie hatte langes weißes Haar mit blauen Strähnen, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. "Und ich schließe mich da an, hallo alle zusammen!", sagte die andere, deren Haare ebenso weiß wie die ihrer Schwester, aber mit goldenen Strähnen durchsetzt waren und ihr offen über den Rücken fielen. Maeda grinste. "Lange nich' geseh'n." "Ja, da hast du recht", sagte die erste Schwester. "Und das ist unser Nachwuchs?" "Neuzugang", verbesserte ihre Schwester sie. "Wie war noch gleich ihr Name?" "Oh!" Maeda schlug sich an die Stirn. "Ich hab euch ja noch gar nicht einander vorgestellt." Sie wandte sich an Kyrill. "Diese beiden hier sind Cersie...", sie zeigte auf die erste Schwester, die lachte und aus Spaß eine Verbeugung andeutete, "...und Cheina Cosmé." Sie wies auf die zweiter Schwester, welche mit den Augen rollte und, mit einem Blick auf ihre Schwester, den Kopf schüttelte, wobei ihre langen Haare durch die Luft flogen. "Cersie, Cheina, das ist Kyrill. Kyrill Coen", stellte Maeda Kyrill vor und drehte sich dann zu dem Mann am Computer um. "Und dieser grimmige Zeitgenosse heißt Darren May und ist der Anführer der Anderen Seite." "Maeda, sie weiß doch gar nicht, welche Andere Seite von was du meinst, oder?", meinte Cheina und schaute Kyrill an. "Ääh, nein", antwortete Kyrill unsicher. "Maeda meint die Andere Seite der Rebellen. So nennt man uns: Die Andere Seite der Rebellen", ergänzte Cheina. "Hä?", brachte Kyrill nur hervor. "Mein Gott, sie weiß ja gar nichts! Noch nicht mal über die normalen Rebellen ist sie im Bilde, wie soll sie dann erst uns verkraften?" Cersie packte sich mit übertrieben entsetztem Gesichtsausdruck an den Kopf. "Ähm, also, wenn ich fragen darf..." Kyrill sah Maeda an. Diese nickte bestätigend und sagte: "Ist schon OK. Jetzt darfst du fragen." "Ja, also", begann Kyrill erneut, "wer sind überhaupt diese "normalen" Rebellen? Und warum nennt man euch "Andere Seite"? Wer waren diese Frauen, die hinter mir und Maeda her waren, diese "Special's", oder wie sie auch immer heißen? Und warum holt Maeda mich mitten in Nacht aus meiner Wohnung, bringt mich fast um und startet ohne eine Erklärung eine Flucht vor wer-auch-immer-diese Frauen-waren?" Als Kyrill geendet hatte, herrschte Stille im Raum. Dann sprach der Mann, den Maeda als Darren vorgestellt hatte: "Alles zu seiner Zeit." Und an Maeda gewandt sagte er scharf: "Ich denke, wir zwei müssen später über Einiges sprechen, Maeda." Maeda hüstelte etwas verlegen. Kyrill presste die Lippen zusammen, sie hatte keine Lust mehr, sich immer wieder abweisen zu lassen. Darren bemerkte dies und lächelte kurz, was seinem Gesicht schlagartig alle Härte und Kälte nahm. "Aber zumindest etwas sollst du heute schon erfahren." Er stand auf und ging zu einem der Fenster. "Komm her und sag mir, was du siehst", sagte er zu Kyrill. Sie folgte seiner Aufforderung und schaute aus dem Fenster. "Ich sehe die Stadt. Häuser, Wolkenkratzer, Straßen, Autos und Menschen." "Falsch", sagte er. "Wunderst du dich denn überhaupt nicht, dass du anscheinend von einem hohen Gebäude herabsiehst, obwohl du dich 14 Etagen unter der Erde befindest?" "Oh..." Daran hatte Kyrill nicht gedacht. "Wir sind hier an einem anderen Ort, als du vermutest. Aber was jetzt am Wichtigsten ist, ist die Tatsache, dass das, was du - und übrigens auch alle anderen Menschen - zu sehen glaubt, in Wahrheit die Matrix ist. Wie in deinem Traum. Ja, ich weiß davon", fügte er bei Kyrills überraschtem Blick hinzu. "Nun, wie in deinem Traum besteht die Welt, wie du sie wahrnimmst, tatsächlich nur aus Daten." Kyrills Augen weiteten sich, während Darren weitersprach. "Ja, du hast richtig gehört, dass, was du glaubst zu sehen, zu fühlen, zu schmecken und zu hören sind eigentlich Computercodes und Daten. Und genau wie in deinem Traum sind sie auch grün." Er schmunzelte, trat vom Fenster weg und zu einem nahestehenden Computer hin und drückte eine Taste auf seiner Tastatur. Daraufhin leuchteten auf dem Bildschirm die bekannten grünen Zahlen auf. "Diese Daten und Impulse werden an dein Gehirn geleitet und von diesem in Bilder umgewandelt. Oder vielmehr ist das bei den meisten anderen Menschen der Fall." Er machte eine Pause. "Die Frauen, die euch verfolgt haben, waren Agenten. Agenten sind Programme, die die Matrix überwachen und "Fehler" und "Abnormitäten" verhindern sollen. "Fehler" sind für sie beispielsweise wir und auch die normalen Rebellen, die gegen die Matrix rebellieren und versuchen, die Menschen aus ihr zu befreien. Die Matrix ist nämlich nur ein Traum, in dem die Menschen sich befinden. Aber dazu später mehr. Wenn du wirklich alles verstehen willst, musst du zuerst wissen, was du bist." "Was ich bin?", fragte Kyrill verwundert. "Ja, was du bist. Wir alle hier - mit Ausnahme von Maeda - sind nämlich anders als gewöhnliche Menschen." "Und warum? Ich finde nicht, dass ich mich von anderen Menschen unterscheide", warf Kyrill ein. Sie war jetzt ziemlich verwirrt. "Nun", sagte Darren, "wir sind halb Mensch, halb Maschine. Genauso wie du, Kyrill. Du bist eine Halb-Maschine." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)