Deine Seele bei mir von Kemet (Meine Suche nach Dir) ================================================================================ Kapitel 5: Hilfestellung ------------------------ Obgleich es erst später Nachmittag war, färbte sich der Himmel langsam rot. Das schlechte Wetter hatte sich gelegt und stattdessen der klirrenden Kälte Platz gemacht, welche vom Norden über den Teich nach Japan geweht wurde. Seto aber genoss es. Seine Sohlen hinterließen mit jedem getanen Schritt ein knirschendes Geräusch, immer gleichförmig und genau deshalb angenehm beruhigend. Er mochte es allein und ohne die Ablenkung anderer Dinge, zu spazieren. Es gab ihm für diesen winzigen Augenblick das Gefühl, dass er frei war. Frei in seinen Gedanken, aber auch in seinem Handeln. Nachdem er das Café verlassen hatte, ließ er den Wagen stehen und begann statt dessen zu laufen. Ein kleiner Spaziergang durch eine Gegend, in der weder er, noch sein Fahrzeug wirklich sicher waren. Dennoch ließ er es zu. Sein Drang nach Freiheit hatte ihn einige Zeit durch den Bezirk getrieben, weg von dem Café, weiter durch enge Gassen und verdreckte Straßen, hin zu einer Siedlung, in welcher nunmehr graue Bauen das Bild bestimmten. Er blickte auf, blieb kurz stehen und betrachtete für einen Moment die rötliche Sonne, welche sich in den zunehmend schmutzigen Fenstern brach. Ein Kaleidoskop an unterschiedlichen Farben und Flecken, welches nur ab und zu von einer saubereren Fläche durchbrochen wurde. "Ach, sieh mal da, wer da ist. Hast Du Dich verirrt oder was willst Du hier?" Kaiba gefror innerlich, als eine gehässige Stimme ihn ansprach und so aus seinen Gedanken holte. Langsam riss er seinen Blick von den Spieglungen weg, ehe er sich umwandte und in braune Augen blickte, die ihn durchdringend musterten. "Ich wüsste nicht, was es Dich anginge.", presste er hervor und zog seine Brauen zusammen, während sich sein Leib immer weiter anspannte. Bis auf die wenigen Menschen, die er noch in seiner Nähe wusste, war es für ihn ungewohnt geworden zu interagieren. Und dieser junge Mann, welcher ihn nun abschätzend betrachtete, gehörte nicht zu diesen engeren Kreis. Das Haar gegeelt, hochgewachsen und in einen braunen Mantel gekleidet, stand er vor ihm und musterte sein Gegenüber argwöhnisch. "Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn sich so ein reicher Pinkel in diese Gegend verläuft. Was also hast Du vor, Kaiba?", presste der Andere hervor und hielt seinen Blick starr auf den Brünetten gerichtet. "Nochmals. Ich wüsste nicht, was es Dich anginge. Es hat Dich weder zu interessieren warum ich hier bin, noch was mein Ziel ist. Also geh einfach und lass mich in Ruhe." Kaiba wollte sich abwenden, als er einen festen Griff an seinen Oberarm spürte, welcher ihn zum Innehalten zwang. "Es schickt sich nicht für einen Kerl wie Dich, hier einfach mir nichts, Dir nichts rum zu rennen. Hast Du keine Angst, dass man Dich ausrauben könnte?" Der Zynismus war nicht zu überhören, doch Seto biss die Zähne zusammen, bis sein Kiefer zu schmerzen begann. Er machte sich ruckartig los, ehe er etwas Abstand zwischen sie Beide brachte und kurz über den festen Stoff an seinem Oberarm strich, so als wolle er die Berührung einfach abwischen. "Nochmals. Es hat Dich nicht zu interessieren. Ist das nun angekommen, oder muss ich deutlicher werden?" Er erkannte ihn. Er erinnerte sich an ihn, wie an ein Schreckgespenst, welches man nicht so leicht vergessen konnte. Er war der Schatten in Muto's lustiger Truppe gewesen, immer darauf bedacht im Hintergrund zu bleiben und die Freundesflöte zu spielen. Tristan Taylor, seines Zeichens genauso so ein Feigling, wie alle Anderen der Bande. Kaiba streifte den Gedanken ab. Er konnte dabei zusehen, wie sich die angespannte Haltung seines Gegenübers langsam löste und Bewegung in den ehemals besten Freund Joey's kam. Dieser trat einen Schritt zur Seite, ehe er sich mit dem Rücken an eine der grauen Hauswände lehnte und die Arme fest vor der der Brust verschränkte. "Nun mach mal halblang, Kaiba. Du stolzierst hier durch die Gegend, die nicht Deine ist und wunderst Dich dann, dass Du mit Deinen edlen Klamotten und den hochmütigen Gang auffällst?" Nun war es an Seto seine Brauen zusammen zu ziehen und sich den Anderen zu betrachten. Er biss sich kurz auf die Unterlippe. Sein gesamter Körper war bis zum Zerreißen angespannt, während seine Sinne auf Hochtouren liefen. Es war unangenehm. Er hatte sich die Freiheit genommen ein Stück zu gehen. Dass es nun in dieser Gegend war, ließ sich letztlich nicht ändern. Sie lag nun einmal in der Nähe des Cafés, in welchem er zuvor gewesen war. Musste er sich deswegen schlecht fühlen oder rechtfertigen? Innerlich brodelte er. Er kämpfte den Drang nieder Taylor einfach stehen zu lassen, doch hatte seine Haltung, seine Mimik und seine abwartende Gestik etwas an sich, was ihn innehalten und das Gespräch weiterverfolgen ließ. "Fragen wir anders. Was tust Du hier?" Taylor... Ausgerechnet dem musste er begegnen. Wenn seine Erinnerung richtig war, hatte dieser sich einen Dreck um die Umstände seines augenscheinlich besten Freundes geschert. War er nicht, wenn er den Eintrag im Tagebuch glauben konnte, ebenso oberflächlich gewesen, wie er selbst? Innerlich schallte sich Seto einen Narren. Nein, Taylor war nie so weit gegangen. Joey hatte geschrieben, dass sein bester Freund zwar nie versuchte hinter die Fassade seines Tuns zu blicken, ihm aber ansonsten nie etwas getan hatte. Er war es nicht gewesen, der verbal auf ihn eintrat, als der Blonde schon am Boden war. Er hatte die Dinge nicht unwissentlich schlimmer gemacht, als sie so oder so waren. Gleichermaßen stellte er aber auch niemals den Fixpunkt dar, an welchem ein ganzes Leben hing. Der Haltepunkt in Joey's Leben, zwischen all der Prügel und der verbalen Gewalt. Kaiba stieß die Luft aus seinen Lungen. Er war es müde immer wieder gegen alle und jeden angehen zu müssen. Dieser Kampf sich ständig zu verteidigen, nur um Mokuba und sich zu schützen - Er war es leid. Er schüttelte den Kopf, wartete erst gar nicht die Antwort des Anderen ab, ehe er sich erneut abwandte und weitergehen wollte, als er schon, die inzwischen ruhige Stimme, hinter sich vernahm. "Ich war bei seiner Wohnung." Seto blieb stehen, sah aber nicht zurück zu dem jungen Mann, der ein resigniertes Lächeln auf den Lippen trug. Er stieß sich ab, schloss die wenigen Schritte zu dem Geschäftsmann auf und blieb letztlich neben Kaiba stehen. "Ich war lange weg, aber... Nachdem Joey damals verschwunden war, bin ich weg gerannt. Ich hab mir eine Ausbildung gesucht, die nicht hier war und habe versucht es zu vergessen. Ich wollte weg aus der Gosse, aber irgendwie auch weg von dem, was auch immer ihn immer passiert war. Die Augen verschließen." Tristan zuckte mit den Schultern, eine Geste, die Kaiba nicht sah. "Und nun... Ich dachte, wenn ich wieder komme, stellt sich das alles als Trugschluss heraus und er öffnet mir die Tür und alles ist wieder gut." Das leise Lachen, welches den Worten folgte, ließ Seto zusammen zucken. Er ballte seine klammen Hände zu Fäusten, ehe er den Kopf wandte und Taylor aus dem Augenwinkel kalt betrachtete. "Und da dachtest Du, dass ihr Eure Möchtegernfreundschaft wieder aufleben lassen könntet?" Seine Stimme war ein tiefes Grollen und zeugte von der Wut, welche sich langsam in seinem Inneren Bahn brach. Tristan zuckte zurück, die Augen wie unter Schock geweitet. Nichts war mehr von seiner anfänglichen Überheblichkeit und dem Zynismus zu spüren, mit welchem er Kaiba als Erstes entgegen getreten war. Er schluckte hart, ehe er sich zu einer Antwort durchringen konnte. "Da war niemand. Nur ein altes Absperrband und... Sogar der Name war weg." Er schluckte abermals, als Kaiba die Luft ausstieß und sich nun mit lodernen Blick zu dem Anderen umwandte. "Du bist noch immer genauso einfältig, wie ich Dich in Erinnerung habe, Taylor. Du kommst nach Jahren wieder hier her und glaubst allen Ernstes, dass Dich Wheeler, schluchzend vor Freude, an der Haustür empfängt? Und das vier Jahre nach seinem Verschwinden?" Gern hätte er noch etwa angefügt, doch schluckte er das, was er sagen wollte, tief runter. Stattdessen löste er eine seiner unwillkürlich geballten Fäuste und schob die Hand in seine Manteltasche. Seine langen Finger tasteten nach den Zigaretten in der Schachtel, welche er immer bei sich hatte. Rasch rupfte er die Packung heraus, ehe er sich eine aus dieser entnahm und im zweiten Durchgang nach einem Feuerzeug wühlte. "Kaiba, ich... Was sollte ich denn tun?" Der Angesprochene hielt inne und blickte, die Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, zu Tristan auf. "Du warst sein bester Freund. Sag Du es mir." Endlich bekam er das Feuerzeug zu fassen und wollte seine Hand schon aus der Tasche ziehen, als vor ihm ein Licht aufflammte. Tristan blickte ihn an, in einer Hand ein angerissenes Streichholz. Seto brummte leise einen instinktiven Dank, ehe er die Zigarette zwischen die Finger nahm und gleichzeitig dran zog. Der würzige Rauch wölkte in den nunmehr dunkler werdenden Himmel auf, kräuselte sich, ehe er sich langsam begann zu verteilen. Tristan schwieg beklemmt, während er das Streichholz aus wedelte und es achtlos auf den rissigen Beton des Gehweges fallen ließ. "Kaiba. Ich-" Dieser unterbrach ihn mit einen kalten Blick. "Wheeler Senior ist tot. Die Wohnung ist vor einigen Tagen geräumt worden." Er hielt inne, nahm einen Zug von der Zigarette und zog den Rauch tief in seine Lungen, ehe er ihn wieder ausstieß. Langsam spürte er, wie sich etwas Ruhe über die Anspannung legte und die Wut in ihm geringfügig dämpfte. Das reine Ritual, gleich einer Pause beim Denken, ließ ihn wieder zu sich kommen. Er blickte Tristan nicht direkt an, konnte aber sehr wohl aus dem Augenwinkel dessen geschocktes Gesicht beobachten, mit welchem er ihn nunmehr betrachtete. "Joey's Vater ist tot?" Kaiba nickte, schnippte geschickt die Asche ab und hob seinen Blick nunmehr zu dem Anderen. "Man rief mich vor einigen Tagen an, damit ich entscheide, was mit Wheeler's Habe passieren soll.", erklärte Seto ruhig, obgleich er sich noch immer nicht so fühlte. Dennoch konnte er sehen, wie sich Tristan sofort auf seine Worte hin versteifte und abermals eine lauernde Haltung einnahm. "Und Du hast alles entsorgt, richtig?", waberte Taylors Stimme zu ihm herüber. Kaiba schüttelte den Kopf, während er seine neuerlich aufkeimende Wut, ob des misstrauischen Tons, unterdrückte. "Für wen hältst Du mich, Taylor.", zischte er leise, ehe er die aufgerauchte Zigarette weg schnippte und abermals die feingliedrigen Hände in die Taschen schob. "Du willst doch wohl nicht behaupten, dass Du Dich auch nur einen Deut um Joey geschert hast. Was solltest Du mit seinem Zeug wollen?" Kaiba lachte leise und harsch auf. Die nächsten Worte grollten aus seinem Inneren heraus und zeigten nunmehr die Wut auf, welche in ihm tobte. "Du bist und bleibst einfältig. Hast Du schon einmal daran gedacht, dass sich vielleicht darin ein Hinweis auf seinen Verbleib finden lassen könnte?" Tristan hielt inne und sah den hochgewachsenen Mann vor sich musternd an. Erst, als er anscheinend nicht das fand, was er vermutete, entspannte er sich wieder etwas und tat es nunmehr Kaiba gleich und ließ seine Hände in die Taschen seines Mantels gleiten. "Hät' ich nicht gedacht.", murmelte er leise, den Kopf abgewandt. "Eigentlich hätte ich Dir eher zugetraut, dass Du mit seinem Besitz genauso umgehst, wie mit ihm. Damals in der Schule." Seto lachte trocken auf, doch es war keinerlei Belustigung darin enthalten. "Was auch sonst.", wiegelte er enttäuscht ab, ehe er sich abermals abwandte, dieses Mal jedoch in die Richtung, in welcher das Café und damit auch sein Auto lag. Er wollte sich schweigend auf den Weg machen, einfach weg von dem jungen Mann, welcher ihn noch immer mit großen Augen betrachtete. Er wollte ihn und damit dieses unbedeutende Relikt aus Joey's Vergangenheit hinter sich lassen, doch hatte er nicht damit gerechnet, dass dieser abermals auf ihn zutrat. "Ich...", begann Taylor zerstreut, ehe er sich fasste und nunmehr zu dem etwas Größeren Unternehmer aufblickte. "Ich würde ihn gern suchen und wenn Du schon selbst nach Hinweisen gräbst, dann-" Kaiba hielt inne, seine Brauen zu einer unheilvollen Geste zusammen gezogen. "Lass es, Taylor. Nur weil Du plötzlich den Rappel bekommst nach Jahren Deinem Freund sehen zu wollen, muss ich Dir noch lange nicht dabei helfen." Seine Stimme war ein tiefes Brummen, welches zeigte, wie unwillig er war, diese, für ihn sinnfreie, Konversation fort zu setzen. Er zwang sich äußerlich zur Ruhe, während es weiterhin in seinem Inneren tobte. "Ich habe einmal den Fehler gemacht und bin weg gerannt, Kaiba. Ein zweites Mal wird es mir nicht passieren. Also entweder wir suchen gemeinsam, oder aber ich trete Dir derartig in den Arsch, dass Dir Hören und Sehen vergeht. Vier Augen sehen mehr als Zwei, das sollte Du sogar in Dein ignorantes Gehirn rein kriegen." Er holte tief Luft, während er Kaiba musterte und sich letztlich erneut etwas entspannte. Dieser erwiderte den Blick, biss die Zähne fest aufeinander und entließ die unwillkürlich angehaltene Luft aus seinen Lungen. "Ich habe nachgelassen...", murmelte er leise, ehe er eine einladende Handbewegung machte und sich abermals den Weg zu seinem Wagen zu wandte. Nachdem er einige Schritte gegangen war, ohne hinter sich die knirschenden Laute anderer Sohlen zu vernehmen, blieb er stehen und blickte ein letztes Mal über seine Schulter zurück. "Kommst Du jetzt, oder brauchst Du eine schriftliche Einladung, Taylor?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)