Deine Seele bei mir von Kemet (Meine Suche nach Dir) ================================================================================ Prolog: Erkenntnisse -------------------- Langsam ließ er das alte Buch auf die hölzerne Tischplatte sinken, während seine Augen die einzelnen Zeilen immer wieder von Neuem überblickten, die feingeschwungenen Buchstaben und Zeichen in sich aufnahmen und deren Inhalt dennoch nicht verinnerlichen konnten. Hatte er ihn jemals gekannt? Hatte er jemals wirklich verstanden, wie dessen Geist sich im Laufe der Jahre geformt und wie sein Charakter sich entwickelt hatte? Die Zeilen vor ihm sagten etwas Anderes. Sanft fuhren seine Finger über das vergilbte Papier, welches sich glatt unter seinen Fingerspitzen anfühlte. Er hatte ihn nie gekannt. Das hatte er nun verstanden. Er erhob seine Arme, verschränkte die Finger ineinander, nur um sein Gesicht resigniert auf diesen zu betten. Viele Jahre waren diese Zeichen nun alt, ebenso, wie die kleinen, aber schwungvollen Zeichnungen an den Rändern des Niedergeschriebenen. Immer wieder las er erneut diese Zeilen, besah sich nochmalig die kleinen Bleistiftbilder, nur um das Schmunzeln, welches um seine Mundwinkel tanzte sofort wieder verblassen zu spüren. Egal wie er es drehte: Auch wenn der Inhalt noch lustvoll, so sehnsüchtig und noch so entspannt anmutete - Der Grund von Alledem war es nie gewesen. Er ließ die Hände sinken, fasste nach dem glattgegriffenen Einband und klappte das Buch langsam und vorsichtig zusammen. Er erhob sich, streckte die feingliedrige Hand aus und stubste vorsichtig auf den Fuß der kleinen Schreibtischlampe, welche als Einziges das Zimmer mit ihrem stetigen Schein erhellt hatte. Er streckte sich, wandte sich ab und verließ den Raum, ohne noch einmal zurück zu blicken. Morgen wieder, so streifte ihn durch den müden Kopf. Morgen wieder werde ich seine Worte lesen und sie dennoch nicht verstehen. "Mr. Kaiba, kann ich noch etwas für Sie tun?" Der Angesprochene wirbelte aufgrund der Stimme herum, die Augen durch Schreck geweitet und heraus gerissen aus seinen Gedanken. Fast hilflos erhob er eine Hand, winkte aber ab und schüttelte den Kopf. "Nein. Gehen Sie schlafen, Akiba." Der ältere Mann, welcher nur noch eine kleine Lampe in der Hand hielt, nickte ihm besorgt zu, hielt inne, nickte aber ein weiteres Mal, jedoch mit mehr Nachdruck. "Schlafen Sie gut." Kaiba nickte ihm zu und sah der Gestalt, welche in einen blau-weiß-gestreiften Pyjama unterwegs gewesen war, nach. Es dauerte einige Momente, bis er sich gefangen hatte und die Gedanken an das Buch und dessen Inhalt so weit zur Seite gedrängt hatte, damit er wieder einen klaren Schritt nach Vorn sehen konnte. Alles schien wie in einem Schleier gefangen und ihn seit vielen Tagen einzulullen. Immer wieder, egal wie gut er sie auch verschloss, kamen die Erinnerungen, stahlen sich in sein Herz und drückten mit eiskalten Fingern zu, nur um ihn erneut wissen zu lassen, dass es wahr und die Wirklichkeit war. Erbarmungslos. Gnadenlos. Ebenso wie die Zeilen, welche er gelesen hatte. Kaiba wandte sich ab, stieß die Luft aus seinen Lungen und folgte den Gang von seinem Büro weiter zu seinem eigenen Schlafzimmer, dessen Tür er wenig später unwirsch aufstieß. Er war ein Mensch und ein solcher lebte von Erinnerungen, von Erlebten und Geschehnissen - auch wenn sie ausserhalb der eigenen Reichweite lagen. Das Leben war ein immerwährendes Studium. So auch dieses Mal. Er ließ das Licht ausgeschaltet, währendessen er sich entkleidete und anschliessend auf dem weichen Bett nieder ließ. Er stützte die Arme auf seine Oberschenkel und sah blicklos in die Dunkelheit, schob alle Geräusche um sich herum weg, schloss aber nicht die Augen. Wie so oft in den letzten Tagen, kam ihn in den Sinn, wie alles angefangen hatte, wie er an die insgesamt sechs Bücher gekommen war und was sie veränderten. Niemand weiter sollte von deren Inhalt erfahren. Er würde sie hüten wie ein altes Artefarkt, dessen Bedeutung nur ihm zugänglich war. Er erhob die Hände, legte sie auf sein Gesicht und spürte die kühle Haut darunter. Er rieb sich über die müden Augen, doch wollten die Gedanken nicht weichen, nicht die Erinnerungen an jenen Tag verblassen, an welchem sie begonnen hatte. Die Suche nach Joseph Jay Wheeler. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)