Der Große Zazzim von Voidwalker ================================================================================ Prolog: Vorwort --------------- Die Legende besagt…   Mantorok ist kein Gott. Er, dessen Präsenz zeitlos ist, der schon war, bevor das Sein begann, ist jenseits aller Begrifflichkeiten, mit denen ein primitiver sterblicher Verstand ihn zu erfassen fähig wäre. Seine Präsenz kann nicht bemerkt, nicht wahrgenommen, nur anhand der Zeichen seines Wirkens erkannt werden. Er, Höchster unter allen, Erster, Einziger und Letzter, formt die Realität mit bloßen Gedanken. Sein Wille steht außerhalb aller Dimensionen. Diese Entität verfolgte über Jahrtausende und Jahrmillionen die Schöpfung des Kosmos, die Entwicklung der Galaxien, das Aufblühen von Kulturen und das Sterben ihrer Sonnen. Wissend, dass die Kräfte, die ihm oblagen, bei einem direkten Eingriff alles zerstören könnten, was so vorzüglich für seine Unterhaltung beschaffen war, formte er aus seinem puren Willen heraus Diener seiner selbst. Mächtige Avatare seines Verstandes, Hüllen zunächst nur, die er mit einem einzigen Gedanken ausfüllte, ihnen einen Geist gab, der erwachen, lernen, sich selbst weiterformen konnte. In den unzähligen Welten, in denen seine Boten verehrt und gepriesen wurden, unter den Milliarden von Leben, die ihm Unterhaltung für die Ewigkeit verschafften, gab es schließlich einen winzigen Winkel der Existenz, in dem die Dinge einen katastrophalen Verlauf zu nehmen schienen. Mithra, einer jener Boten eines höheren Willens, kam vom Weg ab. Die Huldigungen der niederen Sterblichen und ihre Lobpreisungen seines Namens stiegen dem Laufburschen zu Kopf, er begann sich selbst für göttlich zu halten, für unsterblich, unbezwingbar, überlegen – und sagte sich frei von Mantoroks Willen. Für diesen wäre es ein Leichtes gewesen, die verdorbene Kreatur einfach zu zerschmettern. Nicht mehr als einen Gedanken hätte es gebraucht, doch welches Zeichen hätte dies für seine anderen Werkzeuge ausgesendet? Das sie alle ersetzbar waren? Das sie alle keinen tatsächlichen Wert besaßen? Dass sie nur zu dienen hatten, seinen Gelüsten Befriedigung verschaffend, seine Unterhaltung garantierend, seinen Willen tragend? All dies mochte der Wahrheit entsprechen, doch als er zugelassen hatte, das sie sich selbst lehrten, sich selbst frei entwickelten und eigenständig weiterformten, gab er ihnen die Möglichkeit, ihr eigenes Sein zu begreifen. Sie würden nicht gutheißen können, sollte er ihnen diese Botschaft senden. So entschied der allmächtige Ewige, seinem Willen Blut und Fleisch zu verleihen, um die ungläubigen Sterblichen und fehlgeleiteten Abtrünnigen wieder auf den rechten Pfad zu führen und Mithra, so unverzeihlich sein Wahn auch war, über die wahren Kräfteverhältnisse des Universums zu belehren und ihn aus seinem Irrglauben heraus zu führen. Dies war die Geburtsstunde des Großen Zazzim.   In das Königreich Talingarde entsandt, manifestierte sich Mantoroks Wille im Wald von Caer Bryr und nahm die Gestalt der dort üblichen Kreaturen an. Die Auswahl stand zwischen den Menschen der dortigen Stämme, den wilden Ebern, den klugen Eulen oder einem der Kobolde. Die Entscheidung wurde letztlich sehr pragmatisch getroffen: Eber und Eulen konnten sich schwerlich mit anderen Völkern verständigen und als erst einmal der Kreis des Möglichen auf Menschen und Kobolde eingegrenzt war, siegten Letztere durch ihre deutlich bessere Anpassung an ihre Umgebung. Nachdem der Große Zazzim sich in Gestalt eines dieser kleinen Grünlinge manifestiert hatte, er Verstand und Persönlichkeit eingeflüstert bekommen hatte, schloss man mit ihm einen Handel ab. Nur ein Werkzeug des höheren Willens, wie er jetzt war, würde seine Existenz zerfallen, sobald er den Auftrag seines Schöpfers erfüllt hätte. Doch Mantorok, in einer Geste seiner Großzügigkeit, schickte dem Kobold den Kleinen Zazzim. Eine formbare Kreatur, Ausdruck seines guten Willens. Eines Tages, sobald Mithra von seinen Sünden überzeugt wäre und man den selbsternannten, aber falschen Gott von seinem Irrglauben geläutert hätte, würde der Kleine Zazzim den Großen verschlingen. Während Fleisch, Blut und Knochen vergängliche Spuren einer oberflächlichen Existenz waren, würde das geflüsterte Wort Mantoroks, die unsterbliche Seele seines Dieners, auf das Gefäß übergehen und dem Großen Zazzim stünde die Ewigkeit der Existenz offen. Hellauf begeistert von dieser Segnung und dem Versprechen der Unsterblichkeit, begab sich der Große Zazzim auf den Weg, um die Ungläubigen zu läutern, die Fehlgeleiteten zu führen und die Abtrünnigen zu strafen. Seine Bemühungen trieben ihn über viele Jahre hinweg in unterschiedliche Dörfer und Städte, selbst am Wegesrand bemühte er sich, den Glauben an den einzig wahren Mantorok zu verbreiten. Gelegentlich hatte er Erfolg. Jene, die ihm lauschten, lächelten, nickten, versprachen ihm bei ihrer Ehre, sie würden die Kunde weitertragen. Es waren müßige Schritte und nur kleine Erfolge, doch der Große Zazzim ließ sich nicht entmutigen. Auch als ihn mehrfach die Bewohner der Ortschaften davonjagten, ihn beschimpften und mit faulem Obst oder gar Steinen bewarfen, keimte nie ein Zweifel an der Richtigkeit seiner Sache auf. Immer wieder aufs Neue versuchte er, die Bewohner Talingardes zu überzeugen. Mit der Hilfe seiner Messdiener und des Kleinen Zazzim predigte er, vollzog seine Rituale und bekehrte hier und da den einen oder anderen. Meist jedoch waren es die großen Städte, die ihm gegenüber verschlossen blieben, verbohrt in ihrem Irrglauben und zu festgefahren, um zu begreifen. Er aber, klug wie sein Schöpfer ihn formte, begriff die höheren Zusammenhänge all dessen und erkannte: Es waren nur Wenige, die den Vielen diktierten, was sie zu sagen, zu tun und zu glauben hatten. Diese Erkenntnis beflügelte den Kobold enorm, denn nun wusste er, was sein Ziel sein musste! Die erste größere Siedlung diente ihm als Experiment zur Bestätigung seiner These. Da er erkannt hatte, das viele sich eher davon abgeschreckt sahen, wenn er sie über Mantoroks Güte belehren wollte, indem er ihnen vorführte, welch wunderbare Schöpfungen sein Gebieter hervorbringen konnte, trat er allein durch die Tore der Stadt. Allein auch setzte er Fuß vor das Grundstück der regierenden Minderheit, einer einzelnen Familie. Die Wächter waren rasch davon überzeugt, dass er dringende Angelegenheiten zu besprechen habe und man ihn bereits erwarten würde – es durfte keine Verzögerung geduldet werden! So begab er sich in das Anwesen. Hier angelangt, galt es das Werk zu verrichten. Bekehrung oder Sühne, diese einfältigen Kreaturen mussten begreifen! So rief er den Kleinen Zazzim zu sich und gemeinsam mit ein paar Messdienern schickte sich der Gesandte an, die zu Läuternden aufzuspüren. Dabei jedoch kam ihm das Hauspersonal in die Quere. Kreischend und verständnislos flohen sie, ohne seine Worte zu hören, ohne sich über die Falschheit ihres Glaubens belehren zu lassen. Was blieb ihm schon, als die Verbohrten und Ignoranten zu strafen? Wachen kamen, deren Ohren ebenso geschlossen, deren Geist ebenso starr und unflexibel war. Blut floss reichlich, doch der Große Zazzim wollte sich nicht aufhalten lassen, wollte nicht, dass sein Experiment schon vorzeitig scheiterte. Er erreichte die Räumlichkeiten, die er gesucht hatte und wollte zu predigen beginnen, als ihm jemand etwas Hartes über den Schädel zog und die Dunkelheit ihn umfing.   Verbrennen wollten sie ihn, für das schwerwiegende Verbrechen der Blasphemie! Gotteslästerung, das musste sich der Große Zazzim anhören, er, der Gesandte! Festgekettet wie ein Tier, gefüttert wie ein Neugeborenes und angegafft wie eine Zirkusattraktion brachte man ihn über die lange und erschöpfende Seereise nach Brandenscar, die Gefängnisburg, deren Insel man nur über eine Brücke erreichen konnte und die im Ruf stand, es sei noch nie ein lebendes Wesen von dort entkommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)