Friedrich von Zuckerstern ================================================================================ Kapitel 10: Gehen? ------------------ An diesem Morgen ging alles ganz schnell und noch bevor die Sonne am höchsten stand, war auch der letzte Rest geerntet und der bespannte Wagen bis oben gefüllt mit Maiskolben. Zwei Säcke lehnten an der Hauswand, die als Wintervorrat gedacht waren und Friedrich versuchte sie in die Küche zu bekommen, damit er am Herd die Maiskörner abtrennen konnte. Allerdings stellte sich das schwerer raus als gedacht. Erst versuchte er einen Sack hochzuheben und scheiterte, dann versuchte er ihn zu ziehen, aber auch das schaffte er nicht. Stattdessen rutschte er gefährlich auf ihn zu und Friedrich konnte gerade noch zur Seite hüpfen bevor das Gewicht auf seinen Zehen landen konnte. Genervt zuckte er mit der Schwanzspitze und knurrte einmal frustriert, als er hinter sich das Lachen von Maye hörte. Diese war schon auf ihren Hintern geplumpst und hielt sich den Bauch, während sie nach Luft schnappte. Von dem Lärm angezogen kam nun auch Heinrich um die Ecke und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, bevor er sich erbarmte und zu dem Schmollenden hinging. „Ich trag schnell die Säcke für dich rein und Maye: Geh dich umziehen in fünf Minuten fahren wir los“ Zu Friedrichs erstaunen warf sich Heinrich den schweren Sack über die Schulter, als wäre er mit Federn gefüllt und machte sich damit auf den Weg in die Küche. „Und du bist sicher, dass du hier bleiben willst? Mit einem Hut und einer weiteren Hose würde es niemand merken und auf dem Markt achtet sowieso niemand auf den Anderen.“ Friedrich hielt ihm die Haustür auf und schüttelte den Kopf. „Nein Danke. Menschenmassen sind nicht wirklich so meins“ Er verzog das Gesicht und erntete dafür einen verständnisvollen Blick seitens Heinrich. „Ist in Ordnung. Wir sind heute Abend wieder da und vielleicht bekommen wir auch ein Stückchen Fleisch für das Essen.“ Mit einem Lächeln ließ er die Last vor dem angezündeten Kamin fallen und ging den nächsten holen, während Friedrich sich schon mal an die Arbeit machte. Maye kam aus dem Bad und hatte ein frisches dunkelbraunes Kleid an und eine beige Schürze um den Bauch gebunden. Mit einem Tuch in den Amen kam sie auf Friedrich zu und hielt es ihm unter die Nase. „Kannst du mir das um den Hals binden?“ Verwundert schaute er erst auf das schöne, bunt bestickte Tuch und dann zu Maye. „Wie umbinden?“ „Na umbinden eben!“ Friedrich war wirklich verwirrt. Wieso sollte man sich denn ein Stück Stoff um den Hals binden. Zu seinem Glück kam in diesem Moment Heinrich zurück und stellte den zweiten Sack neben ihn. Ein Blick und er schien zu wissen was Maye wollte, denn er wischte kurz seine Hände am Hemd am und nahm ihr dann das Tuch aus den Händen. Friedrich beobachtete ganz genau, wie er das selbige auf dem Tisch zu einem Dreieck faltete und dann um Mayes Schultern legte, sodass er es an den dünnen Spitzen vor ihrem Hals zusammenbinden konnte. Glücklich strahlte Maye und wollte schon ihren Bruder umarmen, aber mit einem „Dein Hemd ist mir zu schmutzig“ wirbelte sie herum und kletterte auf Friedrichs Schoß. Dieser schaute nur verwirrt und beobachtete aus dem Augenwinkel wie Heinrich im Schlafzimmer verschwand um sich umzuziehen. „Duuuuuu?“ Friedrich schaute zu Maye runter, die ihn aus großen blauen Augen beobachtete. „Ich hab dich lieb“ und damit schlang ihre Arme um seinen Bauch und knuddelte sie sich noch mehr an ihn. Friedrich kam diese ganze Szene so paradox vor. Er kannte die Beiden nicht einmal eine Woche und doch kümmerten sie sich um ihn, als wäre er ein Familienmitglied. Noch nie hat ihn jemand nach einem Albtraum getröstete, oder ihm gar gesagt dass er ihn lieb habe und auf einmal gab es hier gleich zwei von ihnen. Mit einem warmen Gefühl im Bauch legte auch er seine Arme um Maye und schloss die Augen. „Ich dich auch“ Heinrich stand in der Schlafzimmertür und freute sich innerlich riesig, dass Maye mit ihrer Menschenkenntnis auch bei Drachen recht hatte und dass Friedrich immer mehr aufzutauen schien. Leider mussten sie jetzt wirklich los, wenn sie noch rechtzeitig in der Stadt sein wollten. „Also entweder ich darf mit knuddeln, oder wir müssen jetzt los“ Grinsend beobachtete er wie Friedrich auf dem Stuhl halb herumwirbelte und Maye gerade noch festhalten konnte, bevor sie quietschend vom Schoß fallen konnte. Diese Kicherte wie verrückt und hüpfte von alleine auf den Boden und auf ihren Bruder zu, während Friedrich noch versuchte den Schock zu überwinden. Heinrich hob seine kleine Schwester hoch und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Backe. „Wir fahren jetzt. Du kommst alleine klar?“ Friedrich nickte nur. „Dann ist ja gut und fackel unser Haus nicht ab.“ Über das geschockten Blick seinen Gegenübers konnte er nur lachen und mit einem Zwinker zu ihm machte er sich mit Maye auf den Weg. Friedrich konnte hören, wie die Pferde den Wagen vom Hof zogen und auf den Schotterweg einbogen. Nach einiger Zeit war es still um ihn herum. Seufzend schaute er sich einmal in der Stube um und überlegte. Eigentlich wollte er ja die Chance nutzen und abhauen, aber … er konnte nicht. Wie auch? Immerhin waren die Maiskörner noch an den Kolben und er könnte als Dankeschön für alles wenigstens das für die Beiden machen. Außerdem dauert es bestimmt bis sie mit dem Wagen in der Stadt sind und Wachen gefunden haben, die ihnen Glauben und Folgen. Dass das eine faule Ausrede war um zu bleiben konnte er sich einfach nicht eingestehen, also machte er sich an die Arbeit. Stunden vergingen und niemand kam. Er lauschte aber nicht einmal ein Fußgänger war dem Haus zu nahe gekommen nur das Geräusch von fallenden Körnern und knacken wenn er sie abbrach erfüllten das Haus. Als er mit den zwei Säcken fertig war wurde es schon langsam Dämmrig. Friedrich schnürte sie zu und sah aus dem Fenster. Niemand kam. Also hatten sie vielleicht doch niemanden geholt. Verunsichert verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Er wollte nicht gehen und es sah doch gut aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nur in der Stadt waren um den Mais zu verkaufen war doch groß. Er würde bleiben! Aber nur versteckt. Die nächste Zeit suchte er verzweifelt einen Ort, an dem er nicht gefunden werden würde und von dem er sehen konnte, wer zurück kam. Ein anderer Raum war zu offensichtlich, genauso wie Schränke und Theken. Mehr gab es aber auch nicht. Als er schon aufgeben wollte viel sein Blick auf einen der zwei Holzbalken im Zimmer. Diese gingen bis zur Decke und oben gab es ein paar quer liegende, wenn er sich auf einen dieser setzten würde und dann noch hinter einen senkrechten versteckte, würde man ihn nur schwer entdecken können. Geschickt kletterte er die geringe Höhe hoch und hangelte sich zu einem guten Platz von dem aus er die Tür im Blick hatte. Zum Glück hatte er Übung von den Bäumen im Wald und so blieb er da sitzen. Die Anspannung, Neugierde und Hoffnung ließen ihn nervös werden und am liebsten wäre er hin und her gelaufen, aber dafür war nicht genug Platz, also fing er an kleine Muster ins Holz zu kratzen. Die Zeit verging quälend langsam und immer öfter vielen ihm die Augen zu. Die kurzen Nacht, die harte Arbeit der letzten Tage. Friedrich konnte sich kaum noch wach halten und ehe er sich versah war er eingenickt. Maye’s Stimme kam zuerst näher und mit einem lauten Schlag flog die Tür auf und sie stürmte mit einem Päckchen im Arm rein. „Ich hab dir was mitgebra…Friedrich?“ Ihr Blick wechselte von freudig zu verwundert und sie rannte einmal durch alle Räume, bis sie wieder in der Tür stand. Hinter ihr kam nun auch Heinrich und schaute sich suchen um, aber im Gegensatz zu seiner Schwester schien er sofort zu verstehen. Mit einem traurigen Blick ging er in die Hocke und zog Maye an sich. „Wo ist er denn?“ Fragend schaute sie über ihre Schulter ihren Bruder an. Als keine Antwort kam wand sie sich aus seinen Armen und ließ das Päckchen fallen. „Ich will wissen wo er ist?“ Trotzig und mit Tränen in den Augen verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und sah zu ihrem Bruder runter. „Naja...er“ Heinrich wusste nicht was er ihr sagen sollte. Er war selber traurig, weil er einen Narren an dem kleinen Schussel gefressen hatte, aber seine kleine Schwester würde das viel härter treffen, da es sie bestimmt an den Tod ihrer Eltern erinnern würde. Nervös kratzte er an seinem und überlegte fieberhaft was er sagen sollte. „ICH WILL WISSEN WO FRIEDRICH IST!“ Dieser wurde von Mayes Geschrei geweckt und zuckte heftig zusammen. Blöderweise gab es nicht viel Platz auf dem dünnen Balken und so rutschte er zur Seite ab und viel nach unten. Mit einem lauten Schlag landete er auf dem Küchentisch und stöhnte vor Schmerzen. Heinrich und Maye sahen ihn an als wäre er ein Geist. Wahrscheinlich sah man auch nicht täglich einen Drachen von der Decke fallen. Mühsam rollte er sich von der Tischplatte und stellte sich hin, als auch schon eine schniefende Maye an ihm klebte. „Ich dachte schon du wärst weg.“ Erst jetzt sickerte wieder langsam sein Gedächtnis wieso er überhaupt dort oben war und leicht panisch sah er sich um, aber da waren keine wütenden Dorfbewohner und von draußen konnte er auch niemanden hören. Also hatten sie niemand geholt. Glücklich lächelnd drückte er Maye kurz an sich und sah dann zu Heinrich, der sich auch wieder hingestellt hatte und erleichtert zu ihnen herüber sah. „Ich bin froh, dass du nicht gegangen bist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)