Dr. Frankenstein von Roseshark (Manchmal sollte man die Toten lieber ruhen lassen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Dr. Frankenstein „Law, ich liebe dich.“ Dunkel lackierte Fingernägel krallten sich in das wuschelige schwarze Haar des anderen Mannes, welcher erschöpft den Kopf auf Kids nackter, heller Brust abgelegt hatte. Doch die erhoffte Reaktion kam nicht. Genau genommen kam überhaupt nichts mehr von dem anderen. Er schien völlig geistesabwesend und das, wo er doch gerade eben noch so eifrig bei der Sache gewesen war: „Na, na kein Grund auf mein kleines Geständnis gleich derart sentimental zu reagieren, Doc. Mich einfach nur anschweigen, anstatt irgendeinen bissigen Kommentar zum besten zu geben, das passt ja mal so rein gar nicht zu dem leicht sadistischen Arzt, den ich kennen und lieben gelernt habe. Rück gefälligst raus mit der Sprache: Was ist los?“ Tatsächlich drehte Law sich nun auf den Rücken und starrte an die dunkle Decke. Kid hatte Recht gehabt, irgendetwas stimmte heute mit seinem Freund nicht. Und er erfuhr auch schnell was es war, als dieser mit monotoner Stimme erläuterte: „Mein Vater  wird nächste Woche öffentlich meine Verlobung bekannt geben und ich befürchte danach werden wir…“ „Law!“ Starke Hände packten den Arzt an den Schultern und zogen diesen abrupt in die Höhe, sodass die Bettdecke bis zu seiner Hüfte hinabglitt: „Schau mich an!“ Graue Augen suchten sich langsam ihren Weg in die orangefarbenen ihres Gegenübers. „Diese Frau wird sich nicht zwischen uns stellen, hörst du?!“ Dann zog Kid den Arzt an seine Brust und umarmte ihn so, als wolle er ihn nie wieder loslassen: „Nichts und niemand wird sich zwischen uns stellen und falls doch“, Kid ballte die Hand zur Faust, „dann werde ich ihm dieses Vorhaben ganz schnell ausprügeln, egal ob Mann oder Frau!“ Das entlockte dem anderen ein verschmitztes Lächeln: „Oh, es ist immer gut zu wissen, dass ich mich auf meinen Märchenprinzen in seiner strahlend weißen Rüstung verlassen kann.“ Daraufhin drückte der andere Laws Kopf wieder abrupt und grob nach unten, damit dieser ihn nicht mehr länger anschauen konnte: „Hey, wag es ja nicht dich über mich lustig zu machen, hörst du? Märchenprinz...“ Kid ergänzte das Wort mit einem verächtlichen Würgegeräusch, ehe er auch schon den Arm um den anderen legte und diesem gegen die ebenfalls nackte Brust boxte, dann begann er leicht an Laws Ohrläppchen zu knabbern und mit der Zunge an dessen Ohrringen zu spielen: „Wenn Sie schon mit peinlichen Spitznamen kommen müssen, Doc, dann nennen Sie mich wenigstens Dämonenkönig.“ „Sehr witzig.“ Laws Lachen klang nicht wirklich überzeugend, sodass sich die Augen des andere zu Schlitzen verengten: „Etwas mehr Motivation bitte. Ich hoffe doch sehr, dass der Gedanke an dieses Weibsbild nicht dafür sorgt, dass unsere gemeinsame Nacht an dieser Stelle bereits endet.“ Er umfasste das Kinn des anderen grob mit den Fingern seiner rechten Hand und fletschte grinsend die Zähne: „Wenn der große Kid dir schon die Ehre seiner Aufwartungen macht, dann erwartet er auch etwas Angemessenes im Gegenzug!“ Diesmal schenkte der erfolgreich aufgemunterte Law ihm ein ehrliches verschmitztes Lächeln, das schon fast ins Boshafte überging: „Wenn Sie darauf bestehen, Mr. Dämonenkönig, dann lasst uns die Operation lieber gleich beginnen!“ „Verdammt!“ Aufgebracht fegte der Arzt den Dokumentenstapel, welcher eben noch fein säuberlich vor ihm aufgeschichtet gewesen war, wütend vom Tisch. Dann vergrub er auch schon das Gesicht in beiden Händen: „Die Rechnung will einfach nicht aufgehen!“ Er zuckte zusammen, als sich plötzlich zwei Hände auf seine Schultern legten, entspannte sich dann aber recht schnell, als diese begannen ihn zu massieren: „Beruhige dich, Liebling. Ich weiß, dass du es schaffen kannst. Und wenn es soweit ist, winken uns beiden Ruhm und Geld.“ „Ich muss dich nicht einmal ansehen um zu wissen, dass das Geld gerade in deinen Augen aufleuchtet, Liebling.“ Das letzte Wort triefte vor Spott. „Na und? Ist daran irgendetwas verkehrt? Wir wissen beide, dass ich dich nur aus finanziellen Gründen geheiratet habe. Du doch auch.“ Nami ließ von seinen Schultern ab und machte sich daran die Blätter vom Boden aufzusammeln. Ihre Augen schienen dabei jedoch nicht wirklich auf den Boden sondern ins Leere zu starren, als sie monoton weitersprach: „Jetzt müssen wir nun einmal beide das Beste aus unserer Situation machen und wehe du kommst mir jetzt damit, dass du jemand Besseren hättest haben können. Immerhin hab ich dir und deinem Assistenten geholfen dieses… Ding auszubuddeln.“ Plötzlich fröstelnd rieb sie sich die Arme: „Das war das erste Mal, dass ich mich nachts auf einem Friedhof aufgehalten und dann auch noch ein Grab geschändet habe.“ Angewidert rümpfte sie die Nase: „Du solltest dich mit deinen Forschungen lieber beeilen, bevor es noch anfängt zu müffeln und die Dienstboten auf den Plan ruft.“ Dann seufzte sie leicht theatralisch und blickte mit Tränen in den Augen entschlossen in Richtung Decke: „Ach, was tut man nicht alles, um guten Gewissens in Rente gehen zu können. Man lässt sich selbst auf einen Ehemann ein, der sich seine freie Zeit mit Froschbeinen… Nein, du machst dieses widerliche Zeugs nicht, während ich noch bei dir im Raum bin!“ Sofort war Nami zu ihm hinüber gesprungen und versperrte ihrem Mann mit den Armen den Weg, welcher gerade auf den großen eisernen Schrank an der Wand zugesteuert war, in welchem er einen Teil seiner Experimente lagerte. Law seufzte leise und rieb sich den Nacken: „Das nennt man Galvanismus, Schatz.“ Dann schenkte er ihr plötzlich ein verschmitztes Lächeln: „Ich kann mich irgendwie nicht aufs Schreiben konzentrieren, deshalb dachte ich, ich bring mich mit ein paar Elektroschocks auf andere Gedanken.“ Nami wurde blasser um die Nasenspitze herum: „Gut, dann tu das. Aber alleine. Ich bin weg!“ Und kurz darauf ließ sie die Tür laut hinter sich zuknallen, die jedoch gleich darauf wieder geöffnet wurde. Ein großer Hüne von einem Mann, gehüllt in einen langen schwarzen Mantel, dessen Kapuze er sich über den Kopf gezogen hatte, trat ein und sah der davonstürmenden Orangehaarigen nachdenklich hinterher: „Kommt sie noch einmal wieder?“ Law zuckte mit den Schultern: „So, wie ich sie kenne, wahrscheinlich nicht. Hast du, um was ich dich gebeten hatte, Chopper?“ Der andere zog sich die Kapuze vom Kopf und darunter kamen braunes Fell und eine blaue Nase zum Vorschein. Kein Mensch, wenn auch ähnlich. Dies wurde dem aufmerksamen Beobachter spätestens dann klar, als das Wesen seinen Mantel an dem dafür vorgesehenen Haken aufhängte, ehe es eine schwer wirkende große Kiste auf dem Boden abstellte: „Ja, aber es war nicht leicht. Es wird immer schwerer.“ Laws Augenbrauen zogen sich missbilligend zusammen. Er wusste, was sein Assistent damit meinte. Seine Gemahlin war nicht die einzige Intolerante Bürgerin. In den Straßen wimmelte es nur so von leichtgläubigem Gesindel, das wohl am liebsten noch im tiefsten Mittelalter leben würde und sich schlicht und ergreifend weigerte die Zeichen des Fortschritts zu sehen. Jeder und alles, wer oder was anders war wurde gefürchtet und geächtet und am besten hing man es dann noch am nächstbesten Galgen auf oder verbrannte es auf einem Scheiterhaufen. Davon gab es ja heutzutage reichlich. Nun, viele Galgen und einhergehend damit viele Tote bedeuteten für ihn auch gleichzeitig mehr Möglichkeiten den Geheimnissen des menschlichen Körpers auf die Schliche zu kommen. Dennoch würde er alles in seiner Macht stehende tun, um seinen einzigen Assistenten nach Möglichkeit nicht am Galgen baumeln zu sehen. Sicher, Laws Blick glitt unauffällig zu Chopper hinüber, er war ein interessantes Untersuchungsobjekt. Doch Chopper war kein Verbrecher! Er war einfach nur jemand, der dazugehören wollte. Ursprünglich noch einzig von dem noblen Ziel geleitet den Menschen helfen zu wollen, nachdem er von einem, seiner Aussage nach großartigen, Arzt großgezogen und in den Heilkünsten gelehrt worden war. Doch die harte Realität hatte ihn schnell eingeholt. Hier draußen auf dem Land waren die Menschen sogar noch intoleranter, als in den stickigen Großstädten. Der Rentier-mensch starrte ins Leere. Es war offensichtlich, dass er in Gedanken immer noch durch die Straßen lief, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, aber dennoch Zentrum der Aufmerksamkeit vieler, denen die Gerüchte zu Ohren gekommen waren, dass nicht alles was bei der Familie Frankenstein ein und aus ging rein menschlicher Natur war. Law klopfte Chopper anerkennend die Schulter, während er ihm gleichzeitig einen Bausch Zuckerwatte hinhielt, für die er extra eine entsprechende Maschine hatte beschaffen lassen, die nun in der linken Ecke des Raumes stand. Die leuchtenden Augen seines Assistenten waren Signal genug dafür, dass Law diesen soeben gekonnt auf andere Gedanken gebracht hatte. „So, lass es dir schmecken. Du hast gute Arbeit geleistet.“ „Idiot. Glaubst du das Lob macht mich glücklich? Tut es gar nicht. Ich bin gar nicht glücklich darüber. Idiot.“ Während Chopper mit der Zuckerwatte in der Hand seinen kleinen Freudentanz aufführte, schritt Law zum Eisenschrank und begann diverse kleinere Kisten daraus hervorzuholen, während er auf das „Ding“, wie Nami es betitelt hatte, deutete welches, unter einem weißen Tuch verborgen, auf einem länglichen Tisch ruhte. „Dann hilf mir, ihn hinüber in die Himmelskammer zu schleppen.“ Chopper nickte pflichtbewusst, während er mit dem Mund ein weiteres Stückchen pinker Zuckerwatte abzupfte. Wie ein kleines Kind. Kam Law dabei automatisch in den Sinn. Nun, aber sie lebten in einer Welt in der man schnell erwachsen werden musste, vor allem wenn man sich an den zweifelhaften Beruf des Mediziners heranwagte. Law wusste, dass nicht wenige seiner Kollegen sich nachts auf den Friedhof schlichen um frische Gräber ihres Inhalts zu entleeren. Sein Blick glitt erneut zu dem Schemen unter weißem Tuch. Nun er selbst war keinen Deut besser. Aber er hatte ein anderes Ziel im Sinn, als die meisten. Mehr zu sich selbst murmelte er: „Ich will nicht länger herausfinden, wie ich Leben retten kann. Nein, dafür ist es bereits zu spät. Ich will herausfinden, wie ich Leben neu erschaffen kann!“ Law knüpfte seinen weißen Kittel zu, ehe er sich die schwarzen Latexhandschuhe über die Hände zog. Während er sich diese zu Recht zupfte wandte er sich ein weiteres Mal an seinen treuen und einzigen Assistenten: „Auf deiner Seite auch alles klar soweit, Chopper?“ Der Rentier-mensch schluckte. So ganz geheuer war ihm der Gedanke Tote wieder zum Leben zu erwecken nicht. „Woran stirbt ein Mensch? An einer Kugel im Herzen? Nein. An Krebs? Nein. An einem giftigen Pilz? Nein. Man stirbt, wenn man vergessen wird!“ Die Worte seines Lehrmeisters spukten in seinem Kopf herum. Nun, Law hatte Kid ganz sicher nicht vergessen, soviel stand fest. Seit dem schrecklichen Vorfall mit Kid war Frankenstein, zu welchem Chopper fast so sehr aufsah, wie einst zu Doc Bader und der ihn vor drei Jahren vom Rand der Straße aufgelesen hatte, nicht mehr derselbe. Nachdenklich wanderte Choppers Blick zu den menschlichen Umrissen unter dem weißen Tuch, welche er gerade dabei war mit ledernen Bändern festzuschnallen. Nun, Kid war noch nicht vergessen, also war er auch noch nicht tot, wenn Chopper Baders Lehre folgen wollte. Das hieß, es war wohl auch kein Verbrechen den Körper, welcher sich derzeit einfach nur weigerte sich weiter zu bewegen, wieder die Möglichkeit zu geben, dies zu tun. Das sagte sich Laws flauschiger Assistent immer wieder und mittlerweile war er sogar fast so weit, dass er es selbst glaubte. Dennoch… eine gewisse Sorge blieb bestehen, nicht nur über die Folgen ihres Experimentes, sondern auch darüber was Law tun würde, wenn es ein weiteres Mal schief ging. „Es lebe die Macht der Wissenschaft!“ Law legte den Hebel um. Die Blitze fuhren herab und kurz darauf stieg ihnen beiden der Geruch nach verbranntem Fleisch in die Nase. Das weiße Tuch hatte Feuer gefangen. „Nein, das darf, das kann nicht sein!“ Sofort wollte sich der Arzt mit seinem eigenen Körper auf die Flammen werfen, um jene zu ersticken. Gerade noch konnte Chopper ihm zuvor kommen und erstickte sie stattdessen mit einer großen Decke. „Doc, sie müssen aufpassen, dass wir am Ende nicht plötzlich zwei Tote im Raum haben, anstatt nur dem einen.“ „Mach Platz!“ Der kleinere Mann stieß seinen Assistenten grob zur Seite und wollte das Tuch hochheben. Da packte ihn Chopper abrupt an der Schulter und hielt ihn zurück: „Warte. Wer weiß, wie viel Schaden der Körper unter den Flammen genommen hat, vielleicht…“ Der Arzt drehte sich abrupt um: „Lass mich los!“ Dieser Ausdruck in seinen Augen. Er jagte Chopper eine Gänsehaut über den Rücken und veranlasste seine Pranke gleichzeitig ihren Griff zu lockern, sodass Law sich von ihm losreißen konnte. Der löste eilig die Bänder und zog mit einem schnellen Ruck die Überreste des Tuches vom Körper. Der Geruch nach verbranntem Fleisch wurde stärker und Chopper wandte abrupt den Blick ab, um sich nicht übergeben zu müssen. Sein Vorgesetzter jedoch ließ sich nur auf die Brust seines Versuchsobjektes sinken und weinte Tränen. Tränen der Erleichterung. „Ein Glück, es hat nur seinen Arm erwischt. Es ist noch nicht vorbei. Es ist noch nicht vorbei…“ Diese Worte sollte er noch den gesamten Abend und die darauffolgenden immer wieder in sich hineinmurmeln. Das war der erste Versuch. Beim zweiten war er vorsichtiger. Wohl zu vorsichtig, denn es passierte rein gar nichts. Genauso wie beim dritten und beim vierten. Beim fünften explodierte eine ihrer Maschinen und ließ einige Schräubchen in Form tödlich kleiner Geschosse durch den Raum schießen und Chopper schaffte es gerade noch sich darunter weg zu ducken und bei der Gelegenheit auch seinen Vorgesetzten und einzigen Freund mit zu Boden zu reißen. Law bekam einige schmerzhafte Schrammen ab, doch das war ihm egal. Schließlich war Kids Körper unbeschädigt, das war es was zählte. Wen interessierte da schon noch groß die eigene Gesundheit? Beim sechsten Versuch war es dann Chopper der das Experiment behinderte, da er anfing seine Zweifel an der ganzen Sache zu äußern. Ja, Law sogar anflehte, sich doch lieber wieder den Lebenden und deren Heilung zu widmen. Vor Wut betätigte Law zu früh und zu eilig den Hebel und sie mussten abbrechen, wenn sie nicht die ganze empfindliche Maschinerie gefährden wollten. Und hier standen sie nun. Der siebte Versuch. Law mochte dem Leichnam mittlerweile soweit mit Chemikalien bearbeitet haben, dass dessen Verwesungsprozess kaum noch ein Problem sein würde, dennoch… Chopper bezweifelte, dass weder Kid, noch der Arzt selbst noch allzu viele weitere Experimente dieser Art überstehen würden. Laws gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag mehr. Da er lange nicht mehr unter der Sonne gewandert war, erschien seine Haut nun ebenfalls bleich wie der Tod  und betonte so seine tiefen, dunklen Augenringe, von unzähligen Nächten, in welchen er kein Auge hatte zu tun können, noch stärker. Chopper entging keineswegs, dass die Hände des Arztes zitterten, während er seine letzten Vorbereitungen abschloss. Der Rentiermensch atmete einmal tief ein, nahm all seinen Mut zusammen und näherte sich dann langsam dem Schwarzhaarigen. Dieser zuckte zusammen, als er plötzlich Choppers schwere, warme Pranke auf seiner Schulter spürte: „Versprich mir, dass das heute unser letzter Versuch sein wird. Ich mach mir Sorgen um dich.“ Das Rentier warf einen Seitenblick auf das Tuch, unter dem Kids regloser, kalter Körper ruhte: „Vielleicht ist es doch besser, die Toten einfach ruhen zu lassen.“ Chopper erwartete Widerspruch, doch stattdessen nickte der andere nur müde: „Du hast Recht, es zehrt ziemlich an meiner Gesundheit.“ Doch dann stahl sich ein verschmitztes Grinsen in sein Gesicht: „Aber wie heißt es so schön? Aller guter Dinge sind sieben. Chopper, es wird Zeit Geschichte zu schreiben. Es wird Zeit den Narren da draußen die Zukunft zu zeigen. Zu zeigen, dass du und ich keine Spinner, sondern Visionäre sind! Zieh dir deine Brille auf, es geht los.“ Zögernd folgte Chopper dem Befehl, tat es Law gleich und setzte seine Schutzbrille auf. „Es lebe die Wissenschaft.“ Law betätigte die Hebel, die einerseits die eiserne Kuppel über ihren Köpfen öffnete und andererseits dafür sorgten, dass sich die Bahre, auf der der Leichnam gebettet worden war, langsam aber sicher dem stürmischen Nachthimmel näherte. Nicht lange und ein einzelner mächtiger Blitz fuhr herab und ließ die Gerätschaften innerhalb ihres Gebäudes bedrohlich blinken und flackern. Dann hatten sie für eine kurze Zeit einen kompletten Stromausfall, ehe die Lichter, Anzeigen und Lämpchen wieder langsam eins nach dem anderen zu arbeiten begannen. Laws Grinsen wurde breiter: „Es ist vollbracht. Nun, Chopper, wollen wir sehen, ob es diesmal geklappt hat?“ Der Rentier-mensch wagte gar nicht mehr „Und wenn nicht?“ zu fragen, stattdessen folgte er nur Law, welcher mittlerweile die Bahre herabgefahren hatte. Qualm stieg von dem Tuch auf und ließ das Rentier das Schlimmste befürchten. Laws Hand zitterte, als sie sich langsam und bedächtig dem Tuch näherte. War der Qualm normal? Law schluckte. Er erinnerte ihn an die Nacht, an der er Kids linken Arm verloren hatte. Der Arm und die dazugehörige Hand, welche ihm einst so mächtig vorgekommen waren und es mit simplen Gesten geschafft hatten jedwede Alpträume und jedwede Zweifel, die Law an dieser Welt hatte innerhalb von Sekunden zu vertreiben. Würde er diesmal einen komplett verbrannten Leichnam bestaunen dürfen? Einen Körper, dessen Gewebe so sehr zerstört worden war, dass selbst Law davon nichts mehr würde retten können? Der Blick des Arztes verfinsterte sich, als seine Finger das Tuch berührten und kurz zurückzuckten, fast so, als hätte er sich verbrannt. Dabei fühlte es sich wie ganz normaler Stoff an. Vielleicht etwas wärmer als sonst, aber kein Grund für solch eine Reaktion. Law zog sich die flauschige Mütze, die er selbst während seiner Forschungen trug tiefer ins Gesicht: „Verdammt, wenn er noch leben würde, würde es ihn sicher köstlich amüsieren, dass ich mich gerade so anstelle.“ „Doc?“ Choppers besorgte Stimme. Im Moment wohl nicht nur Laws einziger Assistent, sondern auch sein einziger verbliebener Freund. Zu sehr hatte er sich mittlerweile zum Wohle seiner Forschungen von der Außenwelt abgeschottet. War bereit alles zu opfern für jemanden, der bereits von ihm höchst selbst für tot diagnostiziert worden war. Was tat er hier? Wieso fand er einfach nicht die Überwindung dieses verfluchte Tuch fortzuziehen und so endlich für Gewissheit zu sorgen? Vielleicht, weil er mittlerweile selbst die Hoffnung aufgegeben hatte? Law schloss die Augen und atmete einmal tief ein und aus. Nur Mut! Wo war sein Mut abgeblieben, wenn er ihn am dringendsten benötigte? Die Augen immer noch geschlossen, wanderte seine Hand langsam nach vorne und wurde abrupt gestoppt. Eine kalte raue Hand, die ihm mit ihrem Griff das Blut abschnürte. „Chopper, ich schaff das schon.“ Moment! Choppers Hände sollten sich eigentlich nicht so anfühlen, konnten sich gar nicht so anfühlen… Law riss die Augen auf und konnte so gerade noch sehen, wie die Gestalt auf der Bahre sich zur Hälfte aufrichtete und das Tuch von ihrem Kopf hinabrutschte. Ein erschrockenes Brüllen hinter ihm, das wohl von seinem hybriden Assistenten kam, ließ darauf schließen, dass Law jetzt nicht bereits anfing zu halluzinieren. Endlich hatte er wieder allen Grund verschmitzt zu lächeln: „Ich habe es geschafft. Ein Hoch auf die Wissenschaft und mein eigenes Genie.“ Kid schien währenddessen noch leicht verwirrt. Träge wanderte sein Blick durch den Raum, dann hinab zu den ledernen Fesseln, die ihn immer noch an der Bahre hielten und dann blieb er lange Zeit an Law selbst hängen, welcher sein Glück nicht fassen konnte. Ein leises, fast schon wahnsinniges Lachen entglitt den Lippen des Arztes, als er sah, wie der andere es schaffte seine Fesseln mit einer einzigen Handbewegung zu zerreißen: „Du bist immer noch genau so stark, wie ich dich in Erinnerung hatte, Kid.“ „K-I-D?" „Ihre Stimmbänder scheinen etwas eingerostet nach all dieser Zeit, Mr. Eustass, aber keine Sorge, mit der Zeit kriegen wir- Wie?!“ Abrupt waren die zwei großen Hände seines Gegenübers vorgeschossen und umfassten Laws Hals: „Bitte sag mir, dass das nur ein schlechter Scherz ist. Hey, Eustass! Kid!“ Die letzten Worte kamen nur noch gekrächzt aus Laws Kehle, denn der andere begann nun immer stärker zuzudrücken. Die grauen Augen des Arztes suchten die des zum Leben erweckten und fanden in jenen nichts mehr, dass auch nur ansatzweise auf den Mann hindeutete, der dieser einst gewesen war. Nur noch Hass und ungezügelte, wilde Wut. Diesmal triefte Laws leises Lachen vor Selbstironie: „Letzten Endes habe ich also doch wieder versagt. Nun denn, sieht so aus als gäbe es kein Zurück mehr. Du kannst stolz auf dich sein. Du warst mein Lebensziel. Jetzt wo ich keinen Grund mehr habe darauf hinzuarbeiten, kann ich wenigstens mit dem Gedanken von dieser Welt scheiden etwas erschaffen zu haben. Und wenn es sich dabei um nichts weiter, als ein seelenloses Monster handelt.“ Gerade als Law drohte das Bewusstsein zu verlieren bekam er einen kräftigen Hieb in die Magengegend, der ihn hart auf dem hinter ihm liegenden Steinboden aufkommen ließ. Seine Schöpfung traf es nicht besser. Auch sie krachte nach hinten gegen die Bahre und ließ dabei alle Kabel und Apparaturen, die daran hingen klirrend hin und her wackeln. Chopper, der sich zwischen die zwei gestellt hatte und für die jeweiligen Stöße verantwortlich gewesen war, brüllte unter einem einzigen großen Tränenstrom: „Ich will nicht noch einen Arzt verlieren, den ich einst bewundert habe! Erinnerungen sind ja schön und gut, aber ich bevorzuge es doch mit meinen Freundne reden und lachen zu können!“ Er drehte sich zu dem leicht betäubt am Boden sitzenden Law um: „Noch ein Monster? Na und? Du hast ihn erschaffen, also übernimm wenigstens Verantwortung für ihn! Alleine wird er da draußen nämlich niemals-“ Das Zuschlagen einer Tür unterbrach seine Rede. Chopper sah hinüber zur Bahre nur um festzustellen, dass sich dort niemand mehr befand. Law machte keine Anstalten aufzustehen und starrte einfach nur ins Leere, sodass sich Chopper nun in einer kleinen Zwickmühle sah. Ein Teil von ihm wollte den Arzt trösten, der wohl gerade in tiefstem Selbstmitleid versank, ein anderer wollte so schnell wie möglich Frankensteins Monster hinterher, bevor es für Missverständnisse bei den abergläubischen Dorfbewohnern sorgte. „Verdammter Idiot!“ Und ohne genauer zu erläutern, wen er damit meinte, war Chopper auch schon an Law vorbei zur Tür hinaufgehechtet und nahm die Verfolgung auf. Law fuhr sich mit der Hand über die dunklen Abdrücke an seinem Hals. Er hatte tatsächlich versucht ihn zu erwürgen. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein! War das die Dankbarkeit, die man dem Mann zeigte, der einen aus dem Reich der Toten zurückgeholt hatte? Zurück zu ihm… War das denn wirklich so schrecklich, dass man seinen Retter gleich erwürgen musste? Der Blick des Arztes glitt in den Nachthimmel hinaus. Bei all der Verwirrung hatte sich weder er, noch Chopper, die Mühe gemacht die Kuppel wieder zu schließen. Das Unwetter war einem leichten Regen gewichen. Irgendwie taten die kleinen, nassen Tropfen gut auf seiner Haut. Dennoch hinderte es ihn nicht daran am Ende das Gesicht in seiner Plüschmütze zu vergraben: „Was habe ich nur getan? Was hab ich falsch gemacht? Sag es mir, Kid. Wenn noch irgendetwas von dir in diesem Ding drin ist…“ Es regnete und er fühlte nichts. Weder das Wasser, noch die Kälte. Das war falsch. Zumindest fühlte es sich irgendwie so an. Er blickte hinab auf seine Hand. Die Hand, die diesen komischen Mann im weißen Kittel hatte erwürgen wollen. Doch warum? Es war keine schöne Hand. Die Hautfarbe war von einem komischen graugrün und mehrere kleine Narben zogen sich darüber. Keine menschliche Hand. Aber die einzige die er hatte. Von seinem anderen Arm war nur noch ein sauber abgetrennter Stumpf übrig. Wovor rannte er eigentlich weg? Hatte er diesen Kerl nicht eigentlich vorher für irgendetwas, an das er sich nicht erinnern konnte, erwürgen wollen? War es dieses Wort, dieses „Monster“ aus dem Mund des Kittelträgers, das ihn derart irritiert hatte, dass er keinen anderen Ausweg als die Flucht gesehen hatte? „Kid? Kid, wo bist du?“ Kid… so hatte ihn der Kerl im Kittel auch genannt. Wer war dieser Kid? Auf alle Fälle wollte er nicht, dass das andere Wesen, das wohl für den Kittelmann arbeitete ihn hier fand, weshalb er sich noch etwas mehr in den Schatten einer Seitenstraße verbarg. Dort wartete er, bis der dunkle Schatten des Suchenden an ihm vorbei war und dann noch einmal rund eine weitere halbe Stunde. Lauschte derweil geduldig dem Plätschern des Regens und wie er auf nahe Dächer, Fenster und Pflastersteine prasselte. Dann setzte er seinen Weg fort. Bis er an ein erleuchtetes Fenster kam und hindurch spähte. Eine Menschenfamilie. Ein Mann, zwei Kinder und eine Frau, welche gerade einen dampfenden großen Topf auf den Tisch stellte und lächelnd den Deckel anhob. Sofort lachte auch der Rest der Familie und stürzte sich gierig auf das Gekochte der Mutter. Sie sahen so glücklich aus. Das Monster presste nun regelrecht die Nase gegen das Fenster, um besser sehen zu können. Die lächelnde Mutter wollte sich gerade ebenfalls auf ihren Platz am Tisch setzen, als sie unwillkürlich in ihrer Bewegung innehielt. Die Stimmung schwankte abrupt um und die Frau erbleichte, dann gab sie einen markerschütternden Schrei von sich und deutete in Richtung des Fensters, auf den dadurch hindurchblickenden Kid. Keine Sekunde später stimmte die gesamte Familie in den Schreichor mit ein und völlig verschreckt ergriff Frankensteins Monster die Flucht. In dieser Nacht sollte das nicht die letzte Begegnung dieser Art sein. Egal wem Kid begegnete, bestenfalls ergriffen die Personen einfach die Flucht, schlimmstenfalls attackierten sie ihn. Bewarfen ihn mit was auch immer sie gerade in die Hände bekamen oder schossen gar auf ihn, sollten sie zufällig im Besitz einer Waffe sein. „Kann es sein, dass dein Experiment gestern Nacht geglückt und dir entwischt ist, Law?“ Nami ließ sich auf einem Stuhl neben dem Arzt sinken, welcher den Kopf in seinen Armen auf den Tisch gebettet hatte und scheinbar nicht wirklich in der Stimmung schien, jetzt auch noch mit seiner Frau darüber zu reden. Diese seufzte nur und stützte den Kopf mit einer Hand ab: „Das ganze Dorf ist im Aufruhr und faselt irgendwas von irgendeinem Monster. Ich dachte du hättest einen Menschen für deine Experimente genommen?“ „Ich wollte den Verwesungsprozess verlangsamen. Zwangsläufig dürfte er also jetzt nicht mehr wirklich die Hautfarbe eines Menschen besitzen. Wenn man das dann noch mit den Schrauben in seinem Kopf und diversen Narben ergänzt und mit der Tatsache, dass er anscheinend durchaus eine Tendenz zur Gewalttätigkeit hat, bedenkt man, dass er mich gestern erwürgen wollte, nun dann glaube ich in der Tat, dass er wohl eher den Eindruck eines Monsters, denn eines Menschen erwecken dürfte.“ Nami sah sich um: „Nanu? Wo ist denn Chopper abgeblieben? Ich hab ihn schon seit gestern nicht mehr gesehen und normalerweise weicht er dir kaum von der Seite.“ Laws Blick glitt hinüber zu der einsam in der Ecke stehenden Zuckerwattemaschine: „Er sucht aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch nach Kid.“ Nami blickte besorgt aus dem Fenster. Es war ein nebliger, bewölkter Tag. Düster und trist, so wie die Stimmung ihres Ehemannes: „Vielleicht solltest du dann ebenfalls nach ihm suchen. Die Leute sind sowieso schon aufgebracht und neigen dazu, alles was hier nicht mit rechten Dingen zugeht deiner Familie zuzuschreiben. Argh!“ Sie wuschelte sich aufgebracht durch die orangefarbenen Haare: „Ich wollte Geld und Ruhm, keinen wütenden Mob, der mit Mistgabeln an meine Tür klopft!“ Law lachte leise: „Du übertreibst. So schlimm wird es schon nicht werden.“ Namis Augenbraue wanderte in die Höhe: „Sagt der Mann, der mir vor ein paar Wochen noch versicherte, dass er seinen einstigen Freund problemlos ins Reich der Lebenden zurückholen könne. Ohne Probleme wohlbemerkt!“ „Ja, ja, keine Sorge. Ich hab schon einen Plan. Ich werde mich gleich auf die Suche begeben. Nach beiden.“ „Das will ich hoffen. Ich bin nämlich noch zu jung zum Sterben!“ Law verdrehte nur leicht die Augen, schnappte sich seine Fellmütze, das große Nodachi-schwert, mit welchem er einer Sportart nachging, damit sein Vater ihn diesbezüglich nicht weiter unnötig belästigte und seinen schwarzen Mantel und verließ kurz darauf das Zimmer und eine darin sitzende mit den Nerven völlig fertige Nami. „Kid? Kid, bitte antworte mir! Wir wollen dir nichts tun! Das war alles nur ein einziges großes Missverständnis.“ „Ich glaube kaum!“ Überrascht fuhr Chopper herum und konnte gerade noch so dem auf ihn gezieltem Messer ausweichen. „Was zum…?“ „Stirb Monster!“ Diesmal kam der Überraschungsangriff von oben mit einem großen Hammer, wie ihn sonst nur die Schmiede im Dorf benutzten. Instinktiv brüllte Chopper und verpasste dem neuen Angreifer einen kräftigen Schlag unters Kinn. Wahrscheinlich etwas zu kräftig, bedachte man, dass dieser daraufhin gegen die nächste Häuserwand krachte und an dieser benommen liegen blieb. „Ahh!“ Diesmal kam der Angriff von zwei Seiten, sodass Chopper sich so drehte, dass er je eine Faust in die entsprechende Richtung rammen konnte. Beide Männer taumelten daraufhin mit blutiger Nase ein paar Schritte zurück. „Was sollte das? Seid ihr wahnsinnig geworden?“ Der Kerl an der Häuserwand lachte heiser: „Wir? Wohl eher ihr! Wir machen nur das, was wir eigentlich vor langer Zeit hätten tun sollen.“ Sie griffen noch einige Male an und immer wieder wehrte Chopper sie so gut es ging ab. Doch er unterschätze die schwächlichen Körper der Menschen. Die Fehlentscheidungen die zwei Messerkämpfer gegeneinander krachen zu lassen sorgte dafür, dass Blut auf den Boden spritzte und nicht nur das. Erschrocken wich Laws Assistent ein paar Schritte zurück. Durch seinen Wurf war der eine direkt im Messer des anderen gelandet und umgekehrt. „Wie kannst du es wagen, Monster?“ Diesmal hielt er seine Kräfte nicht mehr zurück und verpasste dem letzten verbliebenen stehenden Mann einen kräftigen Faustschlag mitten ins bereits angeschlagene Gesicht. Blut spritzte auf das braune Fell des entsetzten Rentier-menschen. Der Mann kippte reglos und plump einfach um. Und unwillkürlich konnte Chopper Kid nur allzu gut nachempfinden. So schnell ihn seine Beine trugen entfernte er sich vom Tatort. Jetzt wollte er nicht länger nach dem wandelnden Leichnam suchen. Jetzt wollte er einfach nur noch nach Hause! Ein Zuhause… So etwas besaß er wohl nun nicht mehr. Mittlerweile hatte Frankensteins Monster den Namen Kid als seinen eigenen akzeptiert. Genauso wie die Blicke, die ihm die Menschen zuwarfen, während er weiterhin durch ihr Dorf stapfte, selbst nicht so recht wissend, wonach er eigentlich suchte. Wenn sie in seinem Weg standen schob er sie grob zur Seite. Wenn sie ihn angriffen schubste er sie weg und wenn sie ihn anstarrten, dann brüllte er nur den einen Satz, den er im Laufe der letzten Stunden bei einer der beschützerischen Mütter aufgeschnappt hatte: „Glotz nicht so!“ Diesen ergänzte er nach einer Weile mit einem weiteren Satz: „Oder soll ich dir die Fresse polieren?“ Ja, irgendwie fühlte er sich mittlerweile ganz gut dabei, wenn er seine Wut an anderen ausließ. Mittlerweile hatte er sich einen langen schwarzen Fellmantel von einem besonders dreisten Mann besorgt und sich diesen übergezogen. War vielleicht doch etwas besser, als nackt durch die Straßen zu irren. Da er nicht wirklich fror, hatten die Menschen hier ihn auch überhaupt erst durch ihr entsetztes Rumgebrülle darauf aufmerksam gemacht, dass er, von einer Unterhose einmal abgesehen, splitternackt durch die Gegend spaziert war. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, dass dieser Arzt, auf dessen Bahre er erwacht war, wohl irgendein Perversling sein musste. Was sonst? Und was hatte er mit seinen Erinnerungen angestellt, dass Kid sich anfühlte, als wäre sein Hirn nur noch Matsch? „Hey, das ist es! Da ist das Monster! Ich wusste gleich, dass das Viech ein der Hölle entsprungener Dämon sein muss! Der hat James, Leroy und Hans auf dem Gewissen! Wir haben sie eben gerade tot in einer der Seitenstraßen gefunden!“ Kid drehte sich zu dem Kerl um, dessen sinnloses Herumgeschreie ihn mehr als nur ein bisschen irritierte: „Halt die Klappe! Ich hab niemanden umgebracht! Lasst mich in Frieden, dann lass ich euch auch in Ruhe! Zumindest in den meisten Fällen…“ „Mein Hans? Du Monster!“ Irritiert blickte Kid hinab zu seiner Brust, auf die nun eine weinende Frau wutentbrannt einhämmerte: „Gib ihn mir wieder zurück! Monster!“ „Monster!“ „Frankensteins Monster!“ „Frankenstein mit seinen Experimenten wider der Natur ist schuld an alledem!“ Die Leute wurden aufdringlicher und aufdringlicher und so sehr es auch an Kids Stolz kratzte letzten Endes ergriff er dann doch unter einem Hagel aus diversen geworfenen Gegenständen die Flucht. Nebenbei fing er dabei eine kleine Gaslampe und ein Schächtelchen Streichhölzer auf, die ihm später vielleicht nützlich sein könnten. Dann ging es raus aus der Stadt, übers Feld und hinein in den finsteren Wald. Dort angekommen fand er irgendwann nach einigem weiteren Herumgeirre Schutz in einer kleinen Höhle. Verdammt! Wie sollte man so in Frieden leben können? Er drehte die kleine Gaslampe auf und betrachtete sein eigenes Spiegelbild in einer der Pfützen am Eingang. Dachte zurück an die Menschen, denen er im Laufe seiner kleinen Erkundungstour begegnet war und stellte fest: Er war wirklich ein Monster und unterschied sich grundlegend von diesen. Erschaffen von diesem… Frankenstein war wohl sein Name, wenn er den Leuten da draußen glaubte. Hier draußen in seiner kleinen dunklen Höhle erfasste Kid also einen Entschluss: Sollte er wirklich die Schöpfung dieses Frankensteins sein, dann konnte dieser ihm wenigstens noch jemanden machen, der ihm glich. Ein weiteres Monster. Kid dachte zurück an all die glücklichen Familien, kurz bevor diese ihn bemerkten. Ein Mann, eine Frau und meist ein, zwei Kinder dabei. Ein weibliches Monster… das wäre nicht schlecht. Das füllte vielleicht einen Teil dieser Lehre, die sich anfühlte als würde sie jeden Moment seine Brust zerreißen. Bevor Law auf die aufgebrachten Dorfbewohner treffen konnte, krachte er in einen völlig aufgelösten Chopper. Kein Kid weit und breit. War wohl nicht anders zu erwarten gewesen. „Mr. Chopper, was ist passiert?“ „Ich… ich… Es tut mir so Leid!“ Law verzog das Gesicht. Bei all dem Gestammel des Rentiermenschen war es unmöglich nützliche Informationen aus diesem herauszubringen. Aber zumindest hatte er etwas, womit er Chopper vielleicht etwas aufmuntern konnte. Genau genommen hatte er es mitgenommen, weil er zugegebenermaßen ein etwas schlechtes Gewissen wegen der Ereignisse vom Vortag hatte: „Hey, Kopf hoch, Mr. Chopper. Schau mal, was ich für dich habe…“ Er hielt Chopper frisch gewirbelte, pinke Zuckerwatte unter die Nase, doch dieser schlug die Nascherei kurzerhand einfach aus Laws Hand, sodass jene im Schlamm landete und somit ungenießbar wurde: „Die verdiene ich nicht. Law.“ Chopper blickte dem Schwarzhaarigen ernst in die Augen: „Ich bin ein Mörder.“ Darauf konnte der Arzt nur wieder mit einem finsteren Blick antworten, der das Rentier wohl eher verschreckte, als es, wie beabsichtigt aufzumuntern: „Was redest du da? Du bist vieles. Eine Naschkatze und Heulsuse. Eine manchmal etwas überfürsorgliche Nanny. Mein treuer Assistent. Der beste den ich je hatte, wohlbemerkt. Jemand, der nicht so richtig mit Komplimenten umgehen kann. Aber wenn ich eins weiß, dann dass du kein Mörder bist.“ „Sagst du das zu jeder deiner mordenden Monstrositäten?“ „Bitte?“ Laws Blick verfinsterte sich, als er sah wie sich ihnen rund ein dutzend Dorfbewohner näherten. Innerlich seufzte er ergeben auf. Sah so aus, als hatte Nami Recht behalten. Das dürfte sie ihm noch Monate auf die Nase binden… Jeder einzelne der Dorfbewohner trug eine Fackel und eine Mistgabel in der Hand. Wie einfallslos… „Kann ich Ihnen helfen, meine Herren?“ „Dr. Law von Frankenstein, hiermit wirst du angeklagt, gleich zwei deiner Monster auf unser friedliches Dorf gehetzt zu haben. Oh und außerdem der Hexerei und Totenbeschwörung. Das graue Monster hat verdächtige Ähnlichkeit mit Eustass Kid, welcher vor zwei Monaten in einer Schlägerei sein Leben verlor. Wenn mich nicht alles täuscht fand die sogar während deiner Hochzeit statt. Muss im Anschluss daran eine schöne Hochzeitnacht für dich und deine Braut gewesen sein.“ „Nami hat nichts mit alldem zu tun.“ Laws Stimme war bar jedweder Emotionen. Doch schon in seinem nächsten Satz war der Hohn unüberhörbar: „Faszinierend wie schnell ihr euch all eure Fakten so zusammenreimen könnt, dass es euch gerade am besten passt. Nun ich gestehe. Ich habe Eustass Kid zurück ins Leben geholt.“ Der letzte Satz veranlasste die Männer ihre Mistgabeln auf ihn zu richten: „Dann ist es also wahr!“ „Aber“, Law funkelte sie an, „ich habe mich keineswegs der Hexerei bedient. Das, meine Herren, ist die Macht der Wissenschaft, der selbst euresgleichen eines schönen Tages nicht mehr entkommen können wird.“ „Deine sogenannte Wissenschaft ist noch lange kein Grund für deine Monster mordernd durchs Dorf zu ziehen.“ „Law, es tut mir Leid.“ Law klopfte seinem flauschigen Kameraden aufmunternd die Schulter: „Es muss dir nicht Leid tun, Chopper. Du hast genau richtig gehandelt und die ganze Nacht hindurch nach Kid gesucht. Nach meiner verwirrten Schöpfung. Du hast das getan, was ich selbst hätte tun sollen. Doch stattdessen bin ich lieber in erbärmlichem Selbstmitleid versunken. Geh schon mal rein und sag Nami, dass sie unsere Sachen packen soll. Wir werden uns keinen Tag länger in diesem Dorf voller Narren aufhalten!“ „Aber was wird aus…“ Law lächelte verschmitzt: „Keine Sorge, wäre ja gelacht, wenn ich nicht einmal mit diesen Vollidioten und ihren Mistgabeln klar kommen würde.“ Die Männer knurrten: „Du arrogantes…“ „Bitte, meine Herren, etwas Respekt vor Dr. Frankenstein.“ Der Schalk blitzte in Laws Augen, während er langsam sein Schwert von seinem Rücken löste: „Wir sehen uns, Chopper.“ „Bitte was? Ich bin nun eine Geächtete?! Und das obwohl es meinem Mann tatsächlich gelungen ist, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen?“ Nami wischte sich eine unsichtbare Träne aus dem Augenwinkel: „Na gut, Chopper. Dann lass uns packen.“ Plötzlich brannte nackte Entschlossenheit in ihren Augen: „Diese gewaltigen Opfer, die ich hier für ihn aufbringe, wird mir Law mindestens in dreifacher Höhe zurückzahlen!“ „Hm.“ Chopper war in Gedanken woanders und zuckte zusammen, als Nami ihm plötzlich die Kapuze vom Kopf zog und über den leicht flauschigen Kopf wuschelte: „Hey Kopf hoch, Großer! Law mag nicht immer der beste und einfühlsamste Ehemann sein, aber wenn man eins von ihm sagen kann, dann dass er stets weiß was er tut. Er hat immer einen Plan und würde niemals etwas Unbedachtes tun. Schließlich ist er in mancher Hinsicht ein emotionaler Eisklotz und lässt sich nicht so schnell von Gefühlen leiten!“ „Ein emotionaler Eisklotz?“ „Du bist noch zu jung um das zu verstehen, Rentier.“ „Ok.“ Law schulterte erneut mit feinem Lächeln auf den Lippen sein Schwert: „Ich befürchte, nun gibt es wohl wirklich kein Zurück mehr.“ Zwölf niedergestreckte Körper lagen in ihren eigenen kleinen Blutpfützen um ihn herum auf dem nassen, schwarzen Straßenpflaster, umgeben von wabernden Nebelschwaden. „Na wenigstens das Wetter scheint auf unserer Seite zu stehen.“ Er zog sich seine Fellmütze tiefer ins Gesicht: „Ich schätze, ich sollte Mrs. Nami und Mr. Chopper diesen grausigen Anblick ersparen und mit ihnen gemeinsam den Hinterausgang nehmen.“ „Franken. Stein. Frank Stein. Franky Franken. Steinchen Frank. Frankenstein. Frankenstein. Frankenstein. Frankenstein…“ Jetzt wo er den Namen wusste, murmelte er ihn immer wieder aufs Neue. Kid kannte nicht viele Worte, geschweige denn Sätze. Aber er lernte schnell. Fast so als waren sie nur alte, vergrabene Erinnerungen, die es galt erneut an die Oberfläche zu ziehen. Schritt um Schritt. Quälend langsam ging sein Weg zurück über die erdige Straße. Der Knatsch spritzte an seinen nackten Füßen empor. Rechts und links von ihm je ein einst goldenes Weizenfeld, welches nun im Regen eine wesentlich düsterere und leblosere Farbe angenommen hatte. Er war sich nicht sicher wo dieser Frankenstein wohnte, aber zur Not würde er es aus einem der Dorfbewohner herausprügeln. Anscheinend war Gewalt die einzige Sprache, die diese Leute bei seinem Anblick verstanden. Unwillkürlich stoppte Kid und sein Blick glitt träge nach vorne. Drei einsame, in Regenmäntel gehüllte Gestalten näherten sich ihm aus ihm entgegengesetzter Richtung. Die schmalen Umrisse einer Frau, dann die etwas größeren, die wohl auch einem Mann gehören könnten und dann die eines großen Hünen, die in Kids immer noch leicht trägen Hirn die Alarmglocken schrillen ließen. Das war doch der Kerl, der ihn gestern Abend gesucht hatte! Der Verbündete von diesem Frankenstein. Und wo der steckte… Die Gestalt einer Frau und eines Mannes… Kid grinste, jetzt ergab alles für ihn einen Sinn. Er baute sich vor ihnen auf der Straße auf und wartete geduldig, bis sie bei ihm ankamen und stehen blieben. Noch immer waberte leichter Nebel um ihre Füße und der Himmel wurde von dunklen Wolken verdeckt. Er suchte nach den passenden Worten, schließlich wollte er bei seinem „Schöpfer“ einen bleibenden, guten Eindruck hinterlassen und ihm zeigen wie gebildet sein „Monster“ doch eigentlich war: „Mich gesucht?“ Der Mann blickte auf. Bingo! „Eigentlich nicht, aber deine Anwesenheit erleichtert mir gewisse Dinge, Mr. Eustass.“ „Glücklicher als in meiner Erinnerung.“ Kid deutete auf die Frau: „Deine?“ Das schien dem Weibsbild nicht ganz zu passen: „Was heißt hier deine? Ja, wir sind beide glücklich miteinander verheiratet, wenn du das meinst!“ Sie hatte Temperament, das musste man ihr lassen. Kid nickte: „Glücklich. Ich verstehe. Ich will auch.“ Nami errötete und es war nicht vor Scham sondern vor Zorn: „Ich hab mich wohl gerade verhört?!“ Law hielt sie besänftigend mit einer Hand zurück: „Ruhig Blut. Was willst du auch, Kid?“ Frankensteins Monster zog sich seine eigene Kapuze vom Kopf und grinste, als er hörte, wie die Frau erschrocken die Luft einsog: „Eine Frau.“ Er tippte sich leicht an die aus seinem Kopf ragenden Schrauben, während er langsam hinzufügte: „Wie ich. Nicht mehr. Du kannst das, oder?“ Er hatte die Menschen im Laufe der Nacht lang genug beobachtet um zu wissen, dass da tatsächlich so etwas wie Trauer im Gesicht des anderen Mannes lag: „Sicher, dass du eine Frau willst, Mr. Eustass?“ „Ja.“ Was war daran so schwer zu verstehen? Waren das nicht die Basics, nach denen diese Menschen lebten? Frankenstein senkte den Blick: „Ich kann das nicht. Nicht noch einmal… Und erst Recht keine andere…“ Kid spürte, wie die Wut in ihm emporbrodelte. Diesmal musste er schneller sein, als der monströse Assistent! Seine Hand fuhr nach vorne und umpackte ihren Hals mühelos, wie das Streichholz von vorhin: „Dann sollst du auch keine haben!“ Der Arzt fuhr herum, als er sich plötzlich der Gefahr bewusst wurde: „Nein, lass sie…!“ Zu spät. Das Grinsen auf Kids Gesicht wurde breiter. Dann ließ er los und die Orangehaarige fiel leblos in den Schlamm zu seinen Füßen. „Nami!“ Sofort rannte Frankensteins Assistent zu der am Boden liegenden, fühlte ihren Puls, dann ließ er nur den Kopf hängen und schüttelte traurig den Kopf: „Sie ist tot.“ Überraschenderweise machte der Rentiermensch keine Anstalten aufzustehen und sich nun auf Kid zu stürzen, der bereits in Verteidigungsstellung gewechselt war. Auch Law selbst ließ das Schwert auf seinem Rücken in Ruhe und blickte nur hinab auf den reglosen, nun so zerbrechlich wirkenden Körper Namis. Schien immer noch nicht begreifen zu wollen, dass sie nun tot war. Dann sah er wieder zu Kid hinüber. Nicht hasserfüllt, wie erwartet, sondern einfach nur voller Trauer: „Ich kann dir keine andere Frau machen. Erst recht keine, zu der du dann dasselbe Verhältnis hättest, wie ich zu ihr.“ Er deutete hinab auf Nami und fuhr mit brüchiger Stimme fort: „Das käme mir vor wie Verrat an meinen eigenen Gefühlen.“ „Was interessieren mich schon deine scheiß Gefühle? Bist du hier das Monster oder ich?“ Law gab ein leises Lachen zum Besten. Nun war der Kerl wohl endgültig dem Wahnsinn verfallen: „Du hörst dich immer mehr an wie der Mann, der du einst warst. Nicht das Monster, das meine Ehefrau auf dem Gewissen hat.“ Zu Kids Überraschung machte Law nun einen abrupten Schritt nach vorne, schob Kids Mantel beiseite und legte eine Hand auf die nackte graugrüne, vernarbte Brust des anderen: „Ich wünschte wirklich es wäre anders. Aber der Mann, den ich einst liebte hat mich damals einfach mit dieser Frau ziehen lassen, anstatt sie vor meinen Augen zu erwürgen… Und dann war er so dreist einfach zu sterben und mich alleine zurückzulassen. Ich Idiot wollte ihn zurückholen und habe stattdessen ein Monster erschaffen.“ Er lachte gehässig gen Himmel: „Es lebe die Wissenschaft, ohne die dies niemals möglich gewesen wäre!“ „Law…“ Chopper blickte besorgt zu dem Arzt auf, während Kid plötzlich einen Teil dieser Leere in seiner Brust gefüllt sah. Die Erkenntnis, dass dieser Mann, der da vor ihm stand ihn einst geliebt hatte und nun…. Law ließ von Kids Brust ab und kniete sich stattdessen zu der Frau hinab und strich ihr liebevoll das Haar aus dem Gesicht: „Wir haben damals beide Opfer gebracht und wussten beide, dass wir nie wirklich innige Gefühle füreinander hegen würden. Aber ich schätze in den letzten Monaten ist sie trotzdem zu so etwas wie einer Freundin für mich geworden. Sicher, es war manchmal schwer mit ihr klarzukommen. Aber sie hat mich trotzdem auf ihre Weise auf andere Gedanken gebracht, seit Eustass Kid nicht mehr da war.“ Law schloss die Augen der Toten und richtete sich langsam wieder zu seiner vollen Größe auf, dann legte er dem verwirrten Kid und dem mittlerweile daneben stehenden Chopper je eine Hand auf die Schulter: „Du bist meine Schöpfung und du mein Assistent. Es ist meine Pflicht für euch beide die Verantwortung zu übernehmen. Alles, was ihr beide tut geht einzig und alleine auf mein Konto. Das bedeutet auch all jene, die an dem heutigen Tag gestorben sind. Einschließlich meiner Frau.“ Er lächelte traurig: „Meine Ex-frau und gute Freundin ist tot. Genauso wie der Eustass Kid, den ich einst ins Leben zurückholen wollte. Der neue Eustass Kid wird mir wohl Zeit meines Lebens ein Mahnmal sein. Aber wir drei haben es trotzdem irgendwie überlebt und das Leben geht weiter. Selbst das künstliche…“ Er zog seine Mütze tiefer ins Gesicht, sodass der dadurch entstehende Schatten jedwede Gefühlsregung verbarg: „Männer, ab dem heutigen Tag sind wir des Mordes beschuldigte Flüchtlinge. Bitte tut mir den Gefallen und weicht nie mehr von meiner Seite und bitte rennt nie mehr vor mir weg und zwingt mich euch zu suchen.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)