Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku von KamuiMegumi ================================================================================ Kapitel 17: Kapitel 17 ---------------------- KAPITEL 17 Was wollte Hachino denn mit ihm besprechen? Wolfram folgte dem Mönch in dessen weiter, wehenden Robe zielgerichtet durch die Massen. War es so wichtig, dass dies nicht bis zum Ende dieser makaberen Zurschaustellung warten konnte? Als er durch die Tür schritt wichen alle vor ihm zurück. Er spürte, dass sie dies nicht aus Furcht vor ihm taten, sondern aus Ehrgefühl. Aus Ehrgefühl Shinou gegenüber, dessen Rolle er hier so gekonnt spielte. Shinou hatte es ihm gezeigt. Seine Geschichte. In dem Moment, wo der erste Dämonenkönig von Shin Makoku in der Kutsche in seinen Körper gefahren war, hatte er alle Erinnerungen des Einzigartigen an sich vorüberziehen sehen. Sie hatten sich in ihm verankert, als wären sie nun seine eigenen Erinnerungen. Erinnerungen an ein Leben, welches er selbst nie geführt hatte. Hatte er bisher gedacht, dass Shinou in ihm nur ein Spielzeug gesehen hatte, welches er nach Belieben als Körper verwenden konnte, so hatte sich doch nun sein Bild geändert. Sein Urahn war eine wirklich ehrenwerte Person gewesen. Mit festen Zielen und festem Glauben, diese zu erreichen. Und es war sein Urahn. Irgendwie erfüllte ihn das mit Stolz. Auch wenn ihre derzeitige Lage, in der sie sich befanden, alles Andere als angenehm war, so spürte er doch das es richtig war, für diese Sache einzutreten und zu kämpfen. So wie es Shinou getan hatte. Er folgte dem Mönch nach draußen in einen begrünten Innenhof. Zügigen Schrittes an einem kleinen Brunnen vorbei zur gegenüberliegenden Seite und dort wieder in das Gebäude hinein. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Man führte ihn wieder so weit von Yuuri weg. Wie sollte er nur so seinen Waschlappen im Auge behalten? Aber nach dem Gespräch in der letzten Nacht mit Mittsu war davon auszugehen, dass er Yuuri nur noch selten sehen würde. Aber dies war ihm lieber, als den Schwarzhaarigen nie mehr sehen zu können. Ein Leben ohne Yuuri. Ging das überhaupt? Ihn ängstigte allein schon der Gedanke! Selbst wenn er noch ewig warten müsste, er würde auf ihn warten. Selbst wenn er die Verlobung lösen würde, er würde dennoch versuchen, in seiner Nähe zu bleiben. Er hatte doch in den vergangenen drei Jahren gelernt, seine Gefühle zu unterdrücken. Es war schwer gewesen, gewiss, aber es war auch ein schönes Gefühl. Das Gefühl, ihm nahe zu sein. Das Gefühl, gebraucht zu werden. Und wenn es nur als Leibwache zu seinem Schutz war. Solange er ihm nützlich sein konnte, würde er diese Aufgabe zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllen. Natürlich wünschte er sich innerlich, Yuuri noch nützlicher zu sein als nur mit dem Schwert oder seinem Maryoku. Das er Yuuri in all seinen Lebensbereichen glücklich machen konnte. Und wenn sich Yuuri gegen ihn entschied würde er ihm trotzdem das Glück wünschen, was dieser suchte. Nun ja, er musste dann ja nicht daneben stehen. Das wäre schon mit seinem Temperament nicht vereinbar. Allein der Gedanke, Yuuri in den Armen einer oder eines Anderen zu sehen ließ ihn erzürnen! Sie schritten einen kargen Gang entlang. Der Mönch sprach nicht weiter. Nur die Schritte schallten. Konnte Yuuri überhaupt in den Armen eines Anderen glücklich werden? Was war eigentlich zwischen ihnen geschehen in Kumo. In der kurzen Zeit, wo sie ungestört in seinen Gemächern waren? „Und warum springst du mir dann jedes Mal hinterher wenn es dich stört, dass ich so handle?“, hatte er ihn gefragt und er hatte lächelnd: „Du weißt, warum!“, geantwortet. Was wusste er? War er Yuuri doch nicht gleich? Er hatte sich vorsichtig vor ihm niedergekniet und ihn angesehen. Und dann hatte er ihm über die Wange gestrichen! Warum? Strich man jemanden, der nach seiner eigenen Aussage nur sein bester Freund war, so zärtlich über die Wange? Er hatte da sein Gesicht in diese Hand gelegt und sie war weiter hinuntergeglitten, zu seinem Hals. Das hatte sich unglaublich angefühlt. Wie lange hatte er sich nach einer solchen Berührung gesehnt! Und dann war er ihm immer näher gekommen. Es hatten nur noch wenige Millimeter gefehlt... ach, dieser verdammte Mittsu! Hätte er nicht später kommen können? Wieso gab es in ihrem Leben so viele Störfaktoren? Wie sollte denn Yuuri sich seiner Gefühle sicher werden, wenn sie immer im entscheidenen Augenblick gestört wurden? Der Mönch blieb stehen und wies auf eine riesige, doppelte Stahltür. Wo war er hier? „Das ist die Halle der Stille. Sie dient der Meditation. Sie ist absolut Geräuschundurchlässig. Ihre Heiligkeit wünschte einen Ort, wo man nicht so schnell gestört werden kann!“, erklärte ihm dieser. So einen Ort brauch ich mit Yuuri auch!, dachte sich der blonde Dämon und näherte sich der Tür. „Man erwartet sie bereits!“, der Mönch wandte sich ab und schritt den Gang wieder zurück, auf dem sie hergekommen waren. „Na dann!“, seufzte er und schob die eine Hälfte der schweren Türe auf und trat ein. Es war ein großer, fensterloser Raum mit dunkelgrauen Wänden, den ich betrat. An diesen Wänden entlang waren Tische aufgestellt. Sie waren wohl zur Seite geschoben worden. Die gegenüberliegende Wand war mit dunkelblauen Stoffbahnen drapiert. Auf dem grauen Steinboden hörte ich jeden meiner Schritte. „Hachino?“, fragte ich in den Raum hinein, da ich zunächst niemanden sah. Doch da erblickte ich eine Regung in der hintersten linken Ecke vor den Stoffbahnen. Dort saß jemand und hob den Kopf in meine Richtung. „Hmpf!“, ertönte es. „Was?“, ich trat näher heran. Die wenigen Fackeln an der Wand spendeten zu wenig Licht, um Genaueres zu erkennen. Mit jedem weiteren Schritt wurden die Umrisse deutlicher. Es war tatsächlich Hachino. Sie saß auf einem Stuhl mit nach hinten verdrehten Armen und gesenktem Kopf. „Hmpf! Hmpf!“, ertönte es erneut. Erst jetzt erkannte ich, dass ihre Hände wohl gefesselt waren. Ich erhöhte mein Tempo und kam direkt vor ihr zum Stehen. Sie erhob ihren Kopf und sah mich an. Ich erschrak. Sie war nicht zur gefesselt, sondern auch geknebelt. Ihre Augen waren stark gerötet. Sie hatte geweint! „Halt still!“, flüsterte ich und entfernte ihr den Knebel mit einer ruckartigen Bewegung nach unten. „Du bist nicht Nana!“, schluchzte sie. Was? Woher wusste sie das? Sie schluchzte erneut auf und die Tränen, die sie bis gerade wohl unterdrückt hatte, rannen wieder ihre Wangen herunter. „Du bist nicht er! Wer bist du? Wieso tust du uns das an und spielst seine Rolle! Wo ist mein Bruder?“ „Ich...ich...“, ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Sie wusste also, das ich nicht er war. Woher? Ich nahm mein Schwert und schnitt ihre Fesseln durch. Doch sie blieb regungslos sitzen. „Ich wollte dich nicht verletzen! Glaub mir, ich wünschte, ich wäre er wenn es dir helfen würde!“, flüsterte ich zögerlich. „Wer bist du?“, fauchte sie stattdessen und ihre Tränen tropften auf ihr Kleid. Sie hob ihre Hände und warf sie schützend vor das Gesicht! „Ich tu dir nichts! Ich bin nicht er, ja“, ich näherte mich ihr an. Ich hatte das Bedürfnis, sie trösten zu müssen: „Mein Name ist Wolfram. Wolfram von Bielefeld.“ Sie blickte irritiert auf: „von Bielefeld?“ Ich nickte und versuchte ein Lächeln. „Rufus von Bielefeld?“, ihre Tränen stoppten. „War meine Ururgroßmutter, ja!“, bis vor Kurzem hätte ich noch Ururgroßvater gesagt, aber das war ja nun ein Anderer, und diese Erkenntnis schien nun auch Hachino zu ereilen, denn es folgte ein leichtes Aufstrahlen ihrer Gesichtszüge. „Du bist Nanatsus...“, fragte sie zögerlich, doch wurde sie von einem finsteren Lachen unterbrochen. Ich fuhr herum. Nur wenige Schritte hinter mir, mit dem Rücken an einer Wand gelehnt und mit verschränkten Armen vor der Brust, stand er: „Schwesterchen, diese Erkenntnis ist für unseren kleinen Bastard nun etwas zu spät!“ Mittsu löste sich von der Wand. „Was soll das?“, fragte ich ihn und deutete auf das am Boden liegende Seil, welches ich kurz zuvor von Hachino herunter geschnitten hatte. „Ach, ich musste ihr nur ein paar Fragen stellen. Leider wollte unsere kleine Hachino nicht wirklich mitarbeiten“, er schritt an mir vorbei, holte aus und schlug der kleineren, immer noch auf dem Stuhl sitzenden Hachino so kräftig ins Gesicht, dass sie aufschreiend zu Boden stürzte. Ich bückte mich sogleich, um nach ihr zu sehen und ihr aufzuhelfen. „Sie ist eure Schwester! Warum tut ihr so was?“, ich erkannte ihre rote Wange, die sie sich nun schweigend rieb. „Hachino hat keine besonderen Aufgaben. Sie darf im Schloss aufgrund ihres Geburtsrechtes leben. Sie hat sich still zu verhalten und nett auszusehen. Das sind ihre Aufgaben. Doch nun musste ich erfahren, dass sie meine kleine Marionette um Hilfe bei meinem Umsturz gebeten hat!“ „Woher...“, woher wusste er von dem Gespräch in der Kutsche? Er lachte grell auf: „Eigentlich wollte ich von ihr nur erfahren, was sie über das Mädchen weiß, welches ihr als eure Verlobte erwählt hat!“, er griff an mir vorbei und zog Hachino an ihren Haaren hoch. Sie schrie fürchterlich! Ich packte ihn am Arm, um sie aus seinem Griff zu befreien, doch stieß er mich brutal mit seinem anderen Arm von ihr weg. „Sie hat nicht lange still gehalten bei meiner kleinen Befragung! Über dieses Weib wusste sie zwar nicht viel zu berichten, aber über eure Aussagen in der Kutsche“, er warf sie angewidert wie einen alten Putzlappen zu Boden, „bin ich doch maßlos enttäuscht!“ Sein Blick durchbohrte mich: „Hatten wir nicht eine Vereinbarung, Bielefeld?“ Hachino rappelte sich schluchzend hoch. „Verschwinde, kleines Gör, bevor ich mir für dich noch etwas ganz anderes einfallen lasse!“, spuckte er in ihre Richtung. Sie wandte mir ihr Gesicht zu. Ich konnte an ihren Augen ablesen, wie leid ihr das hier alles tat. Mühsam erhob sie sich. Sie schwankte. Er musste sie wirklich sehr gefoltert haben! „Aber Bruder! Er ist unser Neffe...“, wandte sie zögerlich ein. „VERSCHWINDE!“, schrie er sie an und sie zuckte fürchterlich zusammen, „Er ist ein dreckiges Mischblut! Das Schlimmste von allen! Von diesem verfluchten Verräter!“ Hachino stolperte bei seinem Ausbruch nach hinten, drehte sich auf dem Absatz um und rannte, so weit sie es konnte, weinend zur Tür. Als die Türe wieder ins Schloss gefallen war richteten sich Mittsus Blicke auf mich, der immer noch auf dem Boden saß. „Nun zu euch!“ Er legte den Kopf schräg und plötzlich umspielte ein unheimliches Grinsen seinen Mund: „Für wie dumm haltet ihr mich?“ „Ich verstehe nicht ganz?“ Er kam einen Schritt näher und zog dabei einen Zettel aus der Seitentasche seiner Hose. Langsam entfaltete er diesen: „Als mir von Hundshaupten von eurer Ankunft berichtete, erwähnte sie auch ein 'Mischblut' in eurer Begleitung!“ Unwillkürlich durchfuhr mich ein eisiger Schauer. Yuuri! Er bemerkte meine Regung amüsiert, doch fuhr fort: „Seit eurer Ankunft habe ich euch beobachten lassen. Ich habe euch zu mir bringen lassen. Aber dieses Mischblut habe ich natürlich weiterhin beobachten lassen, da ich wissen wollte, wer er ist!“ Yuuri! „Hier habe ich nun einen wundervollen Bericht von dieser Observation!“ Seine Augen huschten zwischen dem Blatt Papier in seinen Händen immer wieder überprüfend zu mir, um meine Reaktionen zu beobachten während er vorlas: „Verdächtige Person verlässt Pension in Richtung Zentrum. Verfolgung erweist sich als schwierig aufgrund starkem Wetterumschwung. Zentrum dieses Orkans scheint verdächtige Person zu sein!“, er holte Luft, „Verdächtige Person wird von Lastkarren erfasst und von Anwohnern auf eben diesen gelegt und abtransportiert. Verfolgung zum Haus der Familie Demoray. Bis zum nächsten Morgen keine weiteren Vorkommnisse“, seine Sätze klangen abgehackt, „Zwei Frauen in Personaluniformen verlassen Haus. Eine Gruppe bleibt zur Überwachung am Haus, andere Gruppe folgt. Frauen trennen sich am Personalaufzug. Rebekah Demoray beginnt Dienstantritt in der Schneiderei. Andere Dame wird vorstellig als Yurika Shibuya im Dienstmädchentrakt der oberen Ebene. Verfolgung muss eingestellt werden.“ Mir wurde schlecht. Er hatte es gewusst! „Also, Bielefeld. Das erklärt mir zumindest, warum ihr euch so schnell von der Idee der Brautwahl begeistern konntet! Ihr wähltet euren Begleiter! Ich muss schon sagen, es gehört einiges an Mut dazu, sich so dreist in den Palast einzuschmuggeln!“ Er faltete das Papierstück wieder zusammen. Wenn er es wusste, war Yuuri hier keinen Augenblick länger mehr sicher! „Also sprecht! Wer ist er!“ Was sollte ich sagen? Wie sollte ich reagieren? Ich hoffte so sehr, dass Yuuri in Sicherheit war. Bei Conrad. Bei Gwendal. Das Papierstück in seinen Händen flammte kurz auf und die leuchtenden Flammen ließen die Aschenstücke in die Höhe steigen, wo sie sich in kleinsten Teilchen auflösten. „Ich wiederhole mich ungern!“, seine Stimme wurde ungehalten. Lauter. Bedrohlicher. „Mein Verlobter!“, fauchte ich ihn schließlich an. Ich merkte, wie sich mein Puls beschleunigte. Mittsu entwich ein kühles Lächeln: „Denkt ihr wirklich, ich akzeptiere irgendwelche Ausflüchte? Denkt ihr wirklich, ich wüsste nicht, was hier gespielt wird?“, seine Stimme wurde noch lauter. „Ihr seit nur ein dreckiger Bastard! Ein Produkt, welches kein Anrecht auf Existenz hat!“ In mir stieg Wut auf! Wie konnte er es wagen, so über mich zu sprechen? „Und dieser Verlobte ist es ebenfalls! Also nennt mir seinen Namen!“, diese Worte schallten ohrenbetäubend von den Wänden wieder. „Wagt es nicht, so über ihn zu denken noch zu sprechen!“, entfuhr es mir, doch er lachte nur grell auf und schritt auf mich zu. Ich wäre am Liebsten davongerannt. Nur weit weg von diesem Monstrum, welches sich Gott schimpfte. Er blieb vor mir stehen und griff blitzschnell nach meinem Gesicht. Er zog es zu sich heran und ich konnte seinen fauligen Atem riechen. Meine Füße schienen den Kontakt zum Boden zu verlieren. Warum konnte ich mich nicht bewegen? Warum wehrte ich mich nicht? Egal, wie sehr ich es zu Unterdrücken versuchte, in meinen Augen spiegelte sich die blanke Panik. Ich spürte seine Kraft. Ich spürte seine Energie. Ich spürte seine Macht! Und ich war ihm wehrlos ausgeliefert! Verdammt! Warum war ich nur so versessen auf dieses Zepter? Wir hätten längst verschwunden sein können. Yuuri! „Ihr wollt mir also vorschreiben, wie ich über jemanden zu sprechen habe, ja?“, seine flüsternde Stimme in meinem Ohr hatte die Wirkung von herunterfahrenden Fingernägeln auf einer Schiefertafel, „Seid ihr von eurer Rolle hier selbst so überzeugt, dass ihr sie selbst im Angesicht eures Todes weiterspielt?“ „Nein!“, stöhnte ich auf, während seine Finger ihren Griff um meinen Unterkiefer verstärkten. Noch fester und er würde ihn mir zermalmen! Seine giftig grünen Augen brannten sich förmlich in mich hinein und musterten mich. Er schien meine Furcht förmlich aufzusaugen. Begierig, wie ein benötigtes Lebenselixier. Abrupt ließ er mich fallen und trat einen Schritt zurück: „Als würde ich mir meine Finger an euch schmutzig machen. Wir werden mit euch weiterspielen, denn ihr seid uns noch von Nutzen!“ Ich war hart auf meinen Kniescheiben gelandet und keuchte auf. Ich griff mir an meinen schmerzenden Kiefer: „Was wollt ihr?“ „Wir haben etwas besseres als euch gefunden!“, er wandte mir teuflisch grinsend seinen Rücken zu. Es wäre vermessen und dumm nun aufzuspringen und ihm mein Schwert ins Kreuz zu jagen, auch wenn alles in mir danach schrie! „Was besseres?“, wussten sie doch, wer Yuuri in Wirklichkeit war? Wussten sie, dass er der von Shinou erwählte Maou war? Die Panik in mir steigerte sich ins Unermessliche! Yuuri! „Hat er wirklich geglaubt, wir würden seine Präsenz nicht spüren?“ Wen meinte er? Solange Yuuri sein Makoku unterdrückte war er so gut wie nicht zu spüren! „Hat er wirklich geglaubt, er könne uns seinen Tod vorspielen?“ Yuuri hatte niemanden was vorgespielt, außer die Rolle meiner Verlobten! „Von wem ist hier die Rede?“, ich zwang mich in den Stand. Er wandte sich wieder mir zu, den Mundwinkel nach oben gezogen erinnerte er mich an eine abscheuliche Fratze: „Nun, was ist besser als die Fälschung?“ Mein Herz blieb stehen. Shinou. Er sprach von Shinou. „Genau!“, er schien aus meinem Gesicht meine Gedanken lesen zu können, „Mein kleiner, dummer Bruder! Ich spürte ihn bereits bei unserer Ankunft hier auf Ishiyosai! Er ist hier!“ Er ballte seine rechte Faust und hielt sie sich betrachtend vor seiner Brust: „Nun ist die Zeit gekommen, ihn für seinen Verrat zu richten! Er soll büßen! Er soll leiden! Ich werde ihm sein unendliches Leben zur Hölle machen und wenn er mich dann um Gnade anwinselt, dann reiße ich ihm sein bastardliebendes mickriges Herz heraus!“ Er schien sich in seiner Wut selbst in Trance zu reden, doch dann schnellte sein Kopf wieder hoch und mit einem Satz stand er wieder direkt vor mir. Die Nägel seiner langen Finger bohrten sich nun links und rechts in meine Schulter und ich keuchte auf. „Und womit lockt man einen abtrünnigen Gott aus der Reserve, mein kleines, blondes Spielzeug? Na, verratet es mir?“ Wieder scherte er sich nicht um die Distanz zwischen uns und rieb seine Wange an meiner. Der Ekel stieg in mir auf: „Keine Ahnung! Ich bin kein Gott!“ „Ha! Stimmt genau!“, er warf mich angewidert nach hinten und ich prallte hart auf einer Tischkante auf. „Dieser Narr hat alles stehen und liegen gelassen für seine Rufus. Für sein ach so geliebtes, dreckiges Dämonenweib! Und was war das Produkt dieser verabscheuungswürdigen Liaison?“ Ich schluckte. „Stimmt genau! Kennt ihr nun eure neue Rolle in unserem neuen Spiel?“, ich hasste dieses Grinsen. Ich hasste es! „Ich kenne Nanatsu! Ich kenne ihn so gut! Er ist ein offenes Buch für mich!“, er lachte wieder grell auf und strich sich seine Haare nach hinten. Erneut erschien er wie aus dem Nichts direkt vor mir. Ich stand mit dem Rücken zum Tisch. Ich konnte nicht ausweichen: „Er würde für euch sterben!“, hauchte er mir zu. „Ha! Für mich?“, entfuhr es mir und ich quälte mir ein Lächeln heraus, „Ich war ihm von jeher egal. Ich bin nicht Rufus. Und ich bin nicht Henrik!“ Mich durchfuhren erneut die Erinnerungen Shinous. Ich spürte seine Gefühle bei den Gedanken an die Beiden und seinen Schmerz, als er von ihnen Abschied nehmen musste. „Glaubt ihr das wirklich?“, er schien amüsiert zu sein über meine Annahme, „Ich denke, wenn er euch sieht, dann sieht er sie und sich selbst. Ihr habt ihr Temperament, ihren Willen und ihre Augen. Ihr habt sein Aussehen, seinen Stolz und seinen verweichlichten Gerechtigkeitssinn. Oh, der Gute muss mächtig stolz auf euch sein!“ Er kicherte spöttisch. Irgendwie schmerzte mich dieser Spott mehr als der Aufprall zuvor auf den Tisch. Die schwere Stahltür wurde wieder geöffnet und meine letzte Hoffnung, hier doch noch irgendwie heil heraus zu kommen, schwand dahin. Itsutsu und Muttsuno stolzierten geradewegs auf uns zu. Mittsu drehte sich dadurch von mir weg und dies verschaffte mir einen kurzen Augenblick zum Luftholen. „Ihr hattet Recht, Bruder! Dieser Knirps in Frauenkleidern macht gemeinsame Sache mit Bielefeld! Er hat seine Garderobe gewechselt und sitzt nun draußen mit dessen Leibwache im Park bei einem netten Schwätzchen!“, Muttsuno musterte mich im Vorübergehen, „Was machen wir nun mit dem da?“ Yuuri war also bei den Anderen! Shinou sei Dank! Hoffentlich waren sie nun nicht so dumm nach mir zu suchen. Hoffentlich schafften sie Yuuri hier weg! „Hm!“, Mittsus stechender Blick stach wieder auf mich ein. Ich rührte mich nicht. Selbst meine Atmung flachte ab. Wenn Yuuri mit den anderen flüchten wollte, brauchten sie Zeit. Und ich hatte hier die drei schlimmsten Götter beisammen! Ich musste ihnen Zeit verschaffen. Aber wie? „Ich denke, ich überlasse ihn euch zum spielen!“, ein unheimliches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, „Aber lasst noch etwas von ihm übrig. Er sollte noch kriechen können. Wer weiß, wie lange wir ihn noch brauchen!“ Er trat wieder so dicht vor mich, das er wieder seine Krallen in mein Gesicht bohren konnte und mich geringschätzend an funkelte: „Eure Schreie wird er nämlich nicht hören, aber eure Schmerzen und euer dahin schwindendes Leben spüren. Es wird ihn wahnsinnig machen und er wird in meine Falle tappen!“ Tappen? Shinou konnte nicht tappen! Er war nur ein Seelenlicht! Anscheinend wusste Mittsu dies nicht! Ich musste mich also auf eine lange Folter gefasst machen! Solange sie sich auf mich konzentrierten und Yuuri dabei außer Acht ließen war mir jede Folter recht. Aber ich würde mich wehren! Ich war ein Bielefeld. Ein Bielefeld gab nicht auf! Ein Bielefeld starb stets kämpfend auf dem Schlachtfeld mit einem Schwert in der Hand! Mittsu ließ mich zur Seite stoßend los. Ich fiel zu Boden. „Obwohl“, er sah zu seinen jüngeren Zwillingsbrüdern, „Er ist keine Herausforderung! Itsutsu, du darfst ihn haben! Muttsuno, du begleitest mich. Wir werden mit Yonno reden müssen. Diese kleine Göre Hachino hat sich bestimmt schon bei ihr ausgeheult! Ach ja, und dann ist da noch diese lästige Veranstaltung, die wir zu Ende bringen müssen!“ „Ihr könnt nun keinen Nanatsu mehr präsentieren“, keuchte ich vom Boden zu ihm hoch. „Zerbrecht euch nicht meinen hübschen Kopf, Bastard!“, er schielte zu mir herunter, „es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich mir für das plötzliche Verschwinden meines Bruders eine Ausrede einfallen lassen müsste!“ Er lachte auf und schritt zur Türe: „Viel Spaß, Itsutsu!“, und winkte fröhlich. Muttsuno schien ein wenig enttäuscht beim anstehenden Schlachtfest nicht dabei sein zu dürfen, eilte aber dann seinem ältesten Bruder hinterher. Die schwere Tür öffnete und schloss sich erneut. Nun war ich alleine. Mit ihm. Ich schluckte während ich mich am Tisch abstützend wieder hochzog. „Dann wollen wir mal sehen, was ihr Mischblütler von heute so drauf habt!“, jauchzte er fröhlich und sah mich arrogant und herausfordernd an, „Na los, darfst anfangen!“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen! Ich hatte eine Chance. Er war jetzt nur noch alleine! Er war doch ein in die Jahre gekommener Gott und hatte bestimmt das Training vernachlässigt! Ich hingegen war gut im Training geblieben! Ich musste nur alles geben! Dann würde ich ihn besiegen und hier rauskommen, zu Yuuri eilen und ihn retten und dann nur noch hier weg! Yuuri hatte Recht. Wir brauchten kein Zepter. Er brauchte es nicht. Ich brauchte es nicht! Ich brauchte nur ihn! Und ich musste mich beeilen! Er brauchte mich! Dieser Waschlappen brauchte meinen Schutz! „Ich rufe alle Elemente des Feuers! Gehorcht den Dämonen, dem siegreichen Volk über die Schöpfergötter!“ Ich legte die ganze Macht meines Maryokus in diesen Angriff. Ein riesiger Feuerlöwe erschien vor mir und raste auf Itsutsu zu. Er hob überrascht eine Augenbraue und sprang hoch. Er sprang nach hinten an die Wand, stieß sich dort ab, überschlug sich in der Luft über meinem Kopf, während mein Löwe an der Wand verpuffte, und landete direkt hinter mir. Verdammt! Er legte seinen Kopf mit einem Grinsen zur Seite und steckte beide Hände in die Hosentasche: „War das schon alles?“, er hob sein rechtes Bein und trat. Dieser Tritt landete genau auf meinem Brustkorb. Er war so heftig, dass es mich nach hinten katapultierte und ich mit voller Wucht genau auf die Wand prahlte, wo nur Sekunden zuvor mein Löwe sich aufgelöst hatte. Er lachte über meinen wütenden und zugleich überraschten Gesichtsausdruck: „Ihr schließt also tatsächlich noch Bündnisse mit den Elementen ab, ja?“ Erneut sprang er und stand direkt vor mir, immer noch in der lässigen Pose. Gewiss schien ich in seinen Augen kein wahrer Gegner zu sein, doch ein wenig Respekt hätte er mir gegenüber schon erübrigen können! „Man schließt keine Bündnisse ab. Man befiehlt einfach!“, mehr sagte er nicht. Weiterhin dieses dämliche Grinsen. Doch da durchschoss es mich. Ich schrie auf! Es war wie abertausende Nadeln, die sich glühend in meinen ganzen Körper bohrten. Er lachte auf, während ich fast besinnungslos vor Schmerz die Wand erneut entlang runterrutschte. „Siehst, kleiner Abschaum, so geht das! Und? Hab ich dumme Formeln daher gebrabbelt oder mich groß bewegen müssen?“, immer noch die Hände in den Hosentaschen beugte er sich zu mir herunter, „Nein! Hab ich nicht! Mir gehorchen die Elemente auch ohne Bündnisse! Sie fürchten halt unsere naturgegebene Macht! Ja, selbst die Elemente fürchten uns!“ Er lachte, dann trat er wieder zu. Doch zu seiner Überraschung wich ich aus, rollte mich über die Seite und sprang dann einige Meter zurück: „Danke für die Aufklärung!“, zischte ich, „Dieser Monolog hat mir doch Zeit zum Verschnaufen gegeben!“ „Hmpf!“, ertönte da ein nasales Auflachen, „Du bist echt süß!“ „Was?“ „Wenn du dich nun ganz artig ein wenig von mir quälen lässt, dann finde ich für unser nächstes Treffen bestimmt eine angenehmere Beschäftigung!“ In mir stieg Brechreiz hoch! Ich? Mit dem? Nur weil der schwarze Haare hatte war er doch noch lange nicht gleich mein Typ! Ich zog mein Schwert: „Vergiss es!“, ich rannte los und holte aus, „Ich bin glücklich vergeben!“ Oh je, das entsprach doch eher meiner Wunschvorstellung als der Wahrheit! Er wich aus. Noch ein Hieb. Erneut rettete er sich mit einem Sprung nach hinten, allerdings nahm er jetzt endlich doch die Hände aus den Taschen. Ich sprang erneut auf ihn zu. Dieses Fléche, ein geschossartiger Sturzangriff, war eine meiner besten Angriffstechniken. Er stolperte fast, fing sich aber wieder. Ich hatte es geschafft. Sein überhebliches Grinsen verzog sich: „So macht das aber keinen Spaß!“, brummte er und hielt seinen Arm senkrecht vom Körper. Seine Handfläche zeigte offen nach oben, „Ich wähle Tetsu!“ „Was?“ In seiner Hand sammelten sich plötzlich viele Lichtpunkte, die seinen Arm zu verlängern schienen. Schließlich konnte ich kaum mehr etwas erkennen, weil mich dieses intensive, glühend weiße Licht so blendete. „Nicht schlecht, nicht wahr?“, da war schon wieder dieses Grinsen! Das regte mich auf! In seiner Hand lag plötzlich ein silbernes Langschwert! Wie hatte er das gemacht? Wo kam das Schwert her? „Du bevorzugst also Feuer, hm?“, nun rannte er auf mich zu, zog sein Schwert von unten her nach und ließ es kurz vor mir nach oben schnellen. Ich sprang rückwärts, parierte und ging über in ein Filo, einen bindenden Direktangriff entlang seiner Klinge. Er parierte mit Riposte, einem unmittelbar folgendem Gegenstoß, welchem ich aber mühelos, durch mein jahrelanges hartes Training, ausweichen konnte. Doch da durchzog es mich schon wieder. Nadel schossen mir in mein Sprunggelenk, noch während meines ausweichenden Sprungs und so knickte ich böse mit meinem Sprungbein um und krachte hart mit dem Knie auf die Steinplatten. Er lachte hämisch auf: „Noch nicht begriffen, kleiner Bastard? Mein Lieblingselement ist das Metall!“ „Wie? Niemand beherrscht das Metall!“, zischte ich während ich mich darauf konzentrierte, meine Heilkräfte in den Fuß fließen zu lassen. „Niemand, außer Muttsuno und ich!“, flötete er und stellte sich in Angriffsstellung. Verdammt! Er griff mich zeitgleich mit seinem Metallmaryoku und dem Schwert an! Wie sollte ich da ausweichen? „Schon müde?“, er wechselte von der Angriffsstellung in die normale Körperhaltung, ließ sein Schwert sinken und legte den Kopf gelangweilt schief, „Das ist aber schade! So macht das keinen Spaß! Steh wieder auf, na los!“ „Wenn ein Gott was sagt“, ich sprang auf, volles Maryoku auf meine geschundenen Muskeln in den Sprunggelenken, „sollte man wohl springen, was?“, drehte mich in der Luft, landete hinter ihm, er fuhr überrascht herum und ich stieß mit aller Kraft zu. Mein Schwert bohrte sich tief in seine linke Schulter. Ich spürte, wie ich sein Schlüsselbein durch das eindringen des Schwertes zerstieß. Doch er blickte mich mit seinen braunen Augen nur anteilnahmslos an. Mein Schwert steckte in seiner Schulter. Blut färbte seine hellblaue Uniform und tropfte die Schneide entlang zu Boden. Er betrachtete mit müden Augen das Schwert, dann mich. Und dann trat er einen Schritt auf mich zu. Ich hielt immer noch mein Schwert fest und es bohrte sich tiefer in ihn hinein. Doch das störte ihn nicht. Er stand nun direkt vor mir. Mein Schwert in ihm bis zu meinem Griff. Was bitte war er? Er lächelte milde. Ich stand nur steif da. Er ließ seine Hand über meine Wange fahren, ganz sanft. „Ich habe doch gesagt, du bist süß!“, grinste er. Seine Hand schoss von meiner Wange in meinen Nacken, packte mich am Hinterkopf und drückte diesen nach vorne. Plötzlich spürte ich warme, feuchte Lippen auf den meinen. Panik stieg in mir auf! Dieser Irre küsste mich! Schlimmer noch! Er versuchte mir seine Zunge in meinen Mund zu schieben! Sofort aus meiner Schockstarre erwacht stieß ich mich mit aller Kraft von ihm ab und landete unsanft auf meinen Hintern. Er lachte hell auf: „Das war ganz schön! Das war die Belohnung! Das...“, er zog langsam mein Schwert aus seiner Schulter, „tat nämlich ganz schön weh!“, und schmiss es mir vor die Füße. Mir war so schlecht! Ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen! „Wollen wir noch weiterspielen, oder magst du nun doch den angenehmeren Teil der Folter?“ „Halt deine Klappe!“, ich sprang auf, schnappte mir mein Schwert vom Boden und holte aus. Doch Schmerz durchfuhr mich und ließ mein Schwert noch vor dem eigentlich erfolgten Angriff kraftlos sinken. Diese Nadeln bohrten sich in meine Schulter, den Hals und den Brustkorb. Wieso konnte ich diese Angriffe nicht sehen? Wie sollte ich so ausweichen? Wie sollte ich ihn überhaupt besiegen? Wie tötete man einen Gott? In Shinous Erinnerungen hatte ich gesehen, wie er starb. Er war in Daikenjas Schwert gelaufen. Gerichtet auf sein Herz! Ich hatte Itsutsus Herz knapp verfehlt! Ich musste es noch einmal versuchen. Aber wegen dieser blöden Nadelangriffe kam ich nur über Geschwindigkeit an ihn heran. Und die erreichte ich nur, wenn er abgelenkt war. Verdammt! „Was ist? Kommt da noch was?“ Ich atmete zischend aus: „Dich mach ich fertig! Niemand küsst mich ungestraft!“ „Ist das deine einzige Sorge?“, lachend warf er seinen Kopf nach hinten, „Was sagst du denn erst wenn ich mit dir fertig bin?“ Dieses Auflachen hatte ich genutzt: Meine Beschwörungsformel murmelnd rannte ich wieder auf ihn zu, mein Feuerlöwe tauchte neben mir wieder auf. Er unterbrach sein Lachen, starrte auf den Löwen. Ich sprang. Mein Löwe sprang. Er musste meinem Löwen ausweichen. Er konnte also unmöglich konzentriert sein Maryoku auf mich anwenden. Dachte ich. Er sprang tatsächlich dem Löwen ausweichend in die Höhe, doch ich konnte nicht angreifen, da mich ein erneuter Nadelangriff sofort in die Knie zwang. Wieder mein Sprunggelenk! Aber meine Arme taten es noch! Während ich getroffen zu Boden stürzte legte ich all meine Kraft in mein Schwert und warf. Das Schwert durchbohrte ihn nur knapp unterhalb des Herzens. MIST! Aufstöhnend landete er neben mir auf beiden Füßen, mein Schwert erneut tief im Körper steckend. „Du kapierst es nicht, hm? Du kannst mich mit deinem Schwert nicht ernsthaft verletzten. Es ist aus Metall. Metall kann mir nichts zur Leide tun. Er holte zum Schlag aus und traf mich mitten ins Gesicht. Ich hörte ein lautes Knacken. Das waren meine Nase und mein Kiefer! Anscheinend hatte er meine eigentliche Absicht, sein Herz zu treffen, nicht bemerkt. „Und du kennst wohl die Nachteile von Metall nicht!“, schrie ich ihn forsch an. „Hä?“ „Es leitet Hitze!“ Mein Löwe, der hinter ihm gelandet war, war nicht erloschen. Er sprang nun erneut auf ihn zu, veränderte aber seine Gestalt in reine Glut und fuhr in mein Schwert, welches noch in seiner Brust steckte. Er schrie auf! Schlagartig roch es bestialisch nach verbranntem Fleisch. Mühsam und mit ohrenbetäubendem Geschrei zog er sich das glühend heiße Schwert aus dem Leib und ließ es vor sich auf den Boden fallen. Auf seiner Hand hatte sich mein Schwertgriff eingebrannt. Diese sah er nun mit zornigen, weit aufgerissenen Augen an: „Du kleiner Bastard hast es gewagt!“ Sein Blick richtete sich auf mich. Seine Augen waren nicht mehr länger braun. Sie waren rot! Sein Körper schien zu verschwimmen. Ich spürte eine unsagbar starke Aura. Er sammelte sein ganzes Maryoku um sich! Ich wusste, dass das nun mein Ende sein würde. Gegen solch eine Macht konnte ich nicht antreten! Yuuri! War es das jetzt? Yuuri, ich wünschte, ich hätte wenigstens den hier für dich besiegen können! 'Nutze deine Macht!' Was war das? In mir hörte ich eine leise Frauenstimme. „Wenn ich mit dir fertig bin schnappe ich mir deinen kleinen Freund und zieh ihm die Haut vom Fleisch!“, schrie Itsutsu aufgebracht. Yuuri! 'Du bist Nanatsus Nachkomme! In dir steckt auch göttliche Kraft! Nutze sie!' Wieder diese Stimme. Ich kannte sie! 'Konzentriere dich! Lege all deine Gefühle in sie! Bündle sie und lass sie raus!' „Ich werde dich Fehlgeburt zerreißen!“, Itsutsus Maryoku erfüllte die Luft um uns herum. Sie brannte förmlich! 'Konzentriere dich!' Ich schloss die Augen. Konzentrieren! Ich musste mich konzentrieren! Feuer. Ich spüre dich. Ich spüre die Elemente des Feuers um mich herum. Kommt zu mir, meine Verbündeten. Ich brauche euch. Kommt zu mir! Etwas durchbohrte mich. Es stach höllisch am rechten Unterbauch. Er hatte mir mein eigenes Schwert in mich hineingestochen! Ich schrie auf! Dieser Schmerz! Ich muss mich konzentrieren! Sie sammelten sich um mich. Meine mit mir verbündeten Elemente sammelten sich scharenweise um mich. Nun brannte auch die Luft durch mich! 'Und nun schlag zu!' „Ich rufe alle Elemente des Feuers! Gehorcht den Dämonen, dem siegreichen Volk über die Schöpfergötter!“, schrie ich aus voller Inbrunst und deutete mit ausgestrecktem Arm auf Itsutsu. Es war eine Explosion von ungeheurem Ausmaß. Es katapultierte mich sowie Itsutsu quer durch den Raum. Unser beider Maryokus waren mit voller Wucht aufeinandergeprallt! Mein Feuer zerschmolz sein Metall, welches in glühenden Tropfen auf uns niederregnete. Ich versuchte vor Schmerz kriechend Deckung unter einem Tisch zu suchen, doch da packte mich Itsutsu am Bein und zerrte mich über den Fußboden. Das flüssige Metall brannte auf meiner Haut, aber auch auf seiner. Alles im Raum fing Feuer. „Ich lass dich nicht davonkommen!“, schrie er hysterisch und hielt mich krampfhaft am Knöchel fest. Er hob sein Schwert und dieses sauste auf mich nieder. „NEIN!“, schrie ich und warf mir schützend die Arme vor das Gesicht, doch es geschah nichts. Ich hörte plötzlich nur Itsutsus Aufschrei. Er ließ mein Bein los und ich krabbelte unbewusst erst mal von ihm weg, ehe ich einen Blick auf ihn zurück warf. Sein ganzer Körper stand in Flammen! Er schrie auf, warf wild mit seinen Armen um sich und verletzte sich dabei selber mit seinem Schwert. Die Flammen um ihn wurden immer mehr. Immer fordernder. Selbst an mir züngelten sie hoch, brannten mir die Kleider vom Leib. Doch ich spürte nicht wirklich diesen Schmerz. Mich quälten bereits schon so viele Schmerzen. Ich robbte weiter in die von mir vermutete Raummitte. Ich konnte nichts sehen. Die Flammen versperrten mir die Sicht. Itsutsus Schreie verstummten. War er tot? Oder suchte er mich nun in den Flammen. Ich konnte nicht aufstehen! Ich sah, wie ich eine lange Blutspur hinter mir herzog. Ich musste mich auf meine Wunde am Bauch konzentrieren. Ich verlor einfach zu viel Blut! Langsam schwanden mir die Sinne. Verdammt! Ich schaff es echt nicht mehr, was? Aber so wie es aussah, hatte ich es doch geschafft. Ich hatte einen von ihnen mit in den Tod genommen! Ein Lächeln kroch über mein Gesicht. Ein Bielefeld stirbt stets auf dem Schlachtfeld. Nun ging mir auch die letzte Kraft aus. Ich blieb regungslos liegen. Bilder aus meinem Leben schossen mir durch den Kopf. Reiten über die weiten Felder Shin Makokus bei Sonnenuntergang. Mein Geigenspiel beim Ball anlässlich des 250. Geburtstages meiner Mutter. Meine erste Kunstausstellung. Meine erste Begegnung mit Yuuri. Meine ersten Schwertstunden mit Conrad. Ach, Conrad. Es tut mir so leid, dass ich dich jahrelang so herablassend behandelt habe. Meine Gespräche mit Gwendal. Es tut mir leid, dass ich so selten auf deinen stets gut gemeinten Rat gehört habe. Mein erster Kuss... Yuuri... Mutter... bitte weine nicht... zu viel um mich... Shinou... bist du... wirklich... stolz auf mich? Yuuri... mein... Yuuri... wie gerne hätte... ich...dir...noch gesagt...das...ich...dich...liebe... *********************************** „Tut mir leid, aber er war so besorgt, dass wir nicht wussten, wie wir ihn anders zum Schweigen bringen sollten!“ Wir waren geschlossen zu der übriggebliebenen Kutsche geeilt, mit der meine Freunde nach Ishiyosai gereist waren und Conrad warf mir einen länglichen, in Stoff eingehüllten Gegenstand zu. „Was?“, doch ich brauchte nicht weiter zu fragen, denn aus dem Stoffbündel vernahm ich ein protestierendes Murren. „Morgif!“, ich entwickelte mein treues Schwert und dieses strahlte mich mit verliebten Augen an, als es mich erkannte. „Was?“ „Er hat zu laut gejammert!“, rief Iossac, „Da hatte von Grantz die rettende Lösung!“ Man hatte Morgif tatsächlich einen Knebel in den Mund gestopft. Wäre die Situation nicht so dramatisch, hätte ich lachen müssen. So entfernte ich schnell das Stoffknäuel welches stramm um sein Screammaskenähnliches Gesicht geknotet war. „Muahhhhh!“, dankte er es mir glücklich, doch selbst mein Schwert bemerkte direkt, dass nun keine Zeit für eine lange und fröhliche Begrüßung war. Conrad sprang wieder aus der Kutsche. Er warf jedem sein Schwert zu, die sie hatten zurücklassen müssen, da es ihnen nicht gestattet gewesen war, bewaffnet in die Klosterhallen zu treten. „Und nun? Das Gelände ist riesig! Wie sollen wir da das Prinzchen finden?“, Adalbert zog noch das Rapiergehänge fester um seine Hüfte. Er hatte Recht. Shinou und ich hatten deutlich gespürt, dass etwas mit Wolfram nicht stimmte, aber wo er genau war konnte keiner von uns sagen! Dennoch lief ich einfach los. Mit stehenbleiben und warten war noch niemanden geholfen worden. Ich spürte meine Freunde dicht hinter mir. Vom Hof ins Gebäude rein. Die Gänge und das Foyer waren wie leergefegt. Sie waren alle wieder hineingegangen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich mich rechts halten sollte. Dort war auch wieder der Seitenausgang, der in den Park führte. Mich trieb es wieder in den Park. „Majestät!“ „Yuuri!“ Ich drehte mich während des Laufens zu Conrad und Günter herum. „Seit ihr sicher?“, fragte mich mein Namensgeber. „Nein. Ist nur so ein Gefühl!“ Wir liefen am Brunnen vorbei wieder auf den hinteren Teil des Gebäudes zu. Dort durch einen kleineren Torbogen und dann blieb ich stehen. Wo lang? Es war ein langer Gang in beide Richtungen. Alle paar Meter gingen Türen von diesem Gang ab in Räumlichkeiten. Und mein Gefühl war plötzlich verstummt. Wolfram? Was jetzt? Ich hörte ein stilles Wimmern. Was war das? Mein Blick richtete sich nach rechts. Hinter einer schlanken Säule, am Boden kauernd, saß jemand. Ich spürte, dass mich Conrad vorsichtshalber noch festhalten wollte, doch ich schüttelte seine Hand von meiner Schulter ab und trat näher heran. „Hachino!“, entfuhr es mir, als ich um die Säule herum gesehen hatte. Die Angesprochene zuckte erschrocken zusammen. Sie kauerte auf dem Boden mit angewinkelten Beinen. Ihr schönes Kleid, welches mich an Wolframs Nachthemd erinnerte, war ganz staubig und hatte einige Risse. Ich kniete neben sie: „Hachino“, und ich legte ihr meine Hand auf den Kopf. Ihr Blick war verwirrt: „Wer sind sie und wieso erdreisten sie sich, mich beim Namen zu nennen?“ Sie war jedoch viel zu aufgelöst um wirklich böse und zu dieser Aussage passend zu klingen. Ich lächelte, soweit mir das bei meinem inneren Drang zur Eile möglich war: „Ich bin es. Yurika! Eigentlich heiße ich Yuuri!“ Zuerst starrte sie mich an, als wolle ich sie auf den Arm nehmen. Doch dann änderte sich plötzlich ihr Blick. Ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten und neue Tränen schossen ihr aus den Augenwinkeln. Und dann, überhaupt nicht ihrem Stand und erst Recht nicht einer Göttin entsprechend, fiel sie mir um den Hals: „Sie haben ihn! Sie haben ihn! Sie wollen ihm wehtun! Er ist doch Nanas … er ist doch Nanas...“ Hachino! Beruhige dich! Diese Stimme vernahmen wir alle. Sie war ruhig und sanft, zärtlich und fast väterlich. Hachino ließ von mir ab und blickte suchend an mir vorbei, erkannte aber niemanden unter meinen Freunden, der ihr bekannt vor käme. „Nana?“, flüsterte sie vorsichtig. Ja, Hachino. Ich bin hier, auch wenn du mich nicht sehen kannst. Meine kleine Prinzessin, sprich, wo ist Wolfram? „Nana!“, ihr Gesicht klarte sich auf. Langsam hob sie ihre Hand und deutete den Gang hinunter, „Im Meditationsraum am Ende des Ganges hinter einer Stahltür“, flüsterte sie die Antwort. Hachino! Danke! Ich halte mein Versprechen! Vertrau mir! Ich hatte keine Zeit genauer darauf einzugehen, was Shinou damit gemeint hatte noch mir darüber Gedanken zu machen. Kaum hatte Hachino uns die Richtung gedeutet, war ich aufgesprungen und rannte. Ich rannte so schnell, dass nur noch Conrad wirklich mithalten konnte. Vermutlich, weil er mein Tempo von unseren morgendlichen Lauftrainings am ehesten kannte. Der Gang erschien mir unendlich lang. Doch bald erkannte ich eine große, stählerne Tür am Ende des Weges und stand kurz davor, mich gegen diese zu werfen, als... „Nicht, Yuuri!“ Conrad packte mich mit aller Kraft und riss mich nach hinten um auf den Boden. „Gut gemacht, Hauptmann! Das war knapp!“, Iossac war neben uns zum Stehen gekommen und reichte uns die Hand zum Aufhelfen. „Was!“, rief ich zornig, doch Adalbert fuhr dazwischen: „Seit nicht blind vor Liebe!“, und deutete auf die Tür. Erst jetzt fiel mir auf, dass diese für eine Stahltür einen zu intensiven orangen Glanz hatte. „Oh, sie glüht förmlich! Dahinter muss ein riesiges Feuer wüten!“, stöhnte Günter entsetzt auf. Es stimmte. Die Tür strahlte eine ungeheure Hitze aus. Wie eine Kochplatte. Sie zu berühren würde jemanden sofort verbrennen! „Ich muss da rein!“, schrie ich hysterisch, „Wolfram ist da drin!“ „Wir wollen alle da rein!“, Adalbert trat eine Tür vom letzten Raum des Ganges auf und verschwand darin, „Glie!“ Iossac erhörte seinen Ruf und folgte ihm. Sekunden später erschienen sie mit einer aus einem schweren Holzstamm heraus geschnitzten Bank und rannten damit zur Tür. Wie mit einem Rammbock schmissen sie sich mit dem Stamm dagegen, doch die Tür öffnete sich nicht. „Nochmal!“, rief Iossac und er und Adalbert schritten zurück um nochmal Anlauf nehmen zu können. „Moment!“, schrie Gwendal, „Ich rufe alle Elemente der Erde! Gehorcht den Dämonen, dem siegreichen Volk über die Schöpfergötter!“ Er ballte seine Faust und schlug auf den harten Steinfußboden. Die Erde bebte. Es taten sich Risse auf und es bildete sich ein Erdwall, der auf die Türe zuschoss und laut krachend dagegen zerbarst. Nichts. Die Tür blieb geschlossen. Dieses Gemäuer konnten selbst meine Väter nicht niederreißen! Shinous Aussage hinderte Adalbert und Iossac dennoch nicht daran, erneut mit dem Baumstamm auf die Türe zu zu rennen. Erneut trafen sie diese hart, doch da fing der Stamm sofort Feuer! Adalbert warf ihn zur Seite und rannte zurück in den Raum, um einen Neuen zu holen. In der Zwischenzeit wendete Gwendal erneut sein Maryoku an. Die Wände des Raumes, in den wir so dringend wollten, erbebten, doch es gab weiterhin keine Möglichkeit des Eindringens! Wolfram! Ich sank auf die Knie. Wolfram! 'Yuuri!' Ich erschrak. Das war Wolframs Stimme. Ich sah mich um. Meine Freunde versuchten weiterhin mit aller Kraft in den Raum zu kommen, niemand schien es zu hören! War ich der Einzige, der seine Stimme vernehmen konnte? Wolfram! 'Yuuri!' Da! Erneut! 'Yuuri! Bitte verzeih mir, das ich nicht mehr bei dir sein kann!' Was? 'Es war schön, dich kennengelernt zu haben! Vergiss mich bitte nicht zu schnell, mein Waschlappen! Ich liebe dich' Stille. Nur noch die Geräusche um mich herum. Wenn Holz auf Metall kracht. Wenn Erde auf Stein schlägt. Wolfram? Nichts. Wolfram? Nichts! „WOOOOOOOOOLLLLLLLLLLFFFRRRRAAAAAAAAAAAM!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)