Professor Layton von -Kiara (und das Tor der Wünsche) ================================================================================ Kapitel 2: Die Mauern von Furness --------------------------------- Entfernte Lichte tauchten den Horizont in ein warmes braun. Das Laytonmobil hatte die Highlands weit hinter sich gelassen und war inzwischen wieder in flachere Gefilde eingekehrt. Inzwischen konnten die Reisenden eine hohe Mauer ausmachen, von der die Lichter ausgingen. Das musste Furness sein. Auch wenn die zahlreichen Schilder einen anderen Eindruck erwecken wollten. Seit einigen Meilen verkündeten diese nämlich, dass sie sich einem Kernkraftwerk näherten. Der Zweck erfüllte sich zumindest in dem Maße, dass es Luke verunsicherte, ob sie auch wirklich richtig waren. Ihnen blieb nur ein Blick auf die Landkarte und die Hoffnung, dass die vage Wegbeschreibung, welche dem Brief beigelegen hatte, sie in die richtige Richtung führte. Genau genommen war es ein Rätsel gewesen, welches sie lösen mussten um die Lage von Furness zu erfahren. Doch das war inzwischen nichts ungewöhnliches für den Professor und seine Begleiter. Es schien ein ungeschriebenes Gesetz zu sein wichtige Angaben für den Professor zu verschlüsseln. Entweder um sicher zu gehen, dass die Informationen nicht in die falschen Hände gerieten, oder als eine Art Prüfung, ob er sich als würdig erweisen konnte. Immerhin wollte man seine fundamentalen Angelegenheiten nicht jedem dahergelaufenen Hinz und Kunz anvertrauen. Erschöpft kam das strapazierte Laytonmobil vor den meterhohen Stadtmauern zum Stehen. Von Weitem hatten sie die Gebäude nicht verdecken können, aber als sie so davor standen, kam sie den Reisenden ziemlich gewaltig vor. Hoch oben auf dem Wall stand einsam ein Wächter herum, welcher sich an seinen Schild und Speer lehnte, welche er fest umklammert hielt und so wirkte, als drohte er jeden Moment einzuschlafen. Mit Mühe hielt er seine Augen einen Spalt breit geöffnet und konnte schemenhaft die Scheinwerfer des komischen Gefährtes und seine aussteigenden Insassen erkennen. Er erkannte einen Mann mit Zylinder, eine Frau deren Kleid ihn im Licht blendete und einen kleinen Jungen der die Stadtgrenze bestaunte. Sentinel war viel zu müde, um auch nur einen genervten Seufzer entweichen zu lassen. Es kam nicht selten vor, dass sich Leute so weit raus verirrten. Ein paar Meilen von hier hatte vor einigen Jahren ein Golfclub eröffnet und seitdem musste er des öfteren ein paar wohlbetuchten Hobbysportlern erklären, wo sie ihre Schläger schwingen durften. Oder wohin sie ihre liegen beliebenden Transportmittel hinschieben mussten, oftmals auch bei Regen und Sturm. Ein wenig taten ihm diese Leute Leid. Aber Sentinel hatte seine Befehle, an die er sich strikt zu halten hatte. Und die besagten, dass er weder jemanden durch die Tore rein noch raus lassen durfte. Auch nicht in einem Notfall. Obwohl, vielleicht durfte er dann eine Ausnahme machen, da musste er sich aber vorher an seine Vorgesetzten wenden. Dafür mussten sie erstmal definieren, wann es sich um einen Notfall handelte. Wenn eine Person schwerverletzt zum Stadttor kroch oder eine Frau jeden Moment ihr Baby erwartete. Wenn es auf jede Sekunde ankam, war es dann richtig noch ein Gespräch über die Wichtigkeit ihrer Hilfeleistung zu führen? Der Gedanke allein brachte Sentinel ins Schwitzen. Glücklicherweise war noch keine solcher Situationen eingetreten. Viele Leute zeigten sich allerdings schon allein für seine Wegbeschreibung kenntlich und schenkten ihm ab und zu einen Golfball. Auch wenn seine Aussage einzig und allein aus „einfach rechts die Straße runter“ bestand, da sein eigenes Wissen über die Welt außerhalb der Stadtmauern sehr eingeschränkt war. Allerdings schien es den meisten schon eine große Hilfe zu sein. Sentinel besaß inzwischen eine ordentliche Sammlung an diesen kleinen, harten Bällen, von der er leider niemandem erzählen durfte. Sie war sein wohlgehütetes Geheimnis. Gegenstände aus der Außenwelt waren in Furness verboten, daran hatte sich jeder Bürger zu halten, besonders eine Stadtwache. Angestrengt zwang sich Sentinel dazu die Augen zu öffnen und sich würdevoll aufzurichten. Seit Stunden war er auf den Beinen, was das Stehen nicht erleichterte und seine Laune ließ auch zu wünschen übrig. Ausgerechnet heute hatte er eine Dauerschicht und sein Kollege würde ihn erst bei Sonnenaufgang ablösen. Sentinel hatte auf eine ruhige Nacht gehofft, stattdessen musste er sich also nun mit diesen orientierungslosen Golfer-Leuten rumschlagen. War es denn so schwierig Karten und Schilder zu lesen? „Was ist euer Anliegen, Fremde?“, sprach er die Verirrten mit lauter, klarer Stimme an. Wenn er eins in all den Jahren in seinem Beruf gelernt hatte, dann wie man seine Müdigkeit am besten verbarg. Es war ein Talent, welches sich in vielen Lebenslagen als durchaus nützlich erwies. Der Mann mit dem Zylinder antwortete ihm: „Mein Name ist Hershel Layton. Das hier sind Emmy Altava und Luke Triton. Wir wurden nach Furness gerufen, um uns des Rätsels um das mysteriöse Schwarze Mal anzunehmen.“ Gut, schloss Sentinel, dann handelte es sich bei diesen Leuten also nicht um eine Hobbygolfer-Familie, sondern um Reporter oder der Art. Diese waren auch nicht selten. Sie kamen und wollten Interviews führen und Fotos machen, jede einzelne Information über seine wunderschöne Heimatstadt herauspressen um dann der ganzen Welt von ihr zu erzählen, damit Touristen vorbeikamen, das Umland mit sogenannten Hotels bebaut wurden und ganz viele Firmenchefs von der Vermarktung von Furness profitieren konnten. Und sie sähen davon keinen Penny. Nur Müll, den diese Touristen auf ihrem schönen Grund und Boden zurückließen. Sentinel kannte diese Geschichten zuhauf. In ihrer Dreistigkeit erfanden sie nun auch noch Gründe um sich in die Stadt zu schleichen! Aber nicht mit ihm. „Und von wem, wenn ich fragen darf?“, erwiderte die Stadtwache spitz. Der Junge wedelte mit einigen Papieren in der Hand herum.
„Ihrer Majestät, der Königin von Furness!“, platzte er hervor. „Sie sehen also, dass wir auf royaler Mission unterwegs sind“, fügte die Frau im gelben Oberteil hinzu. „Das glaube ich erst, wenn ich es sehe! Tse!“ Sentinel verließ nur ungern seinem Posten - genau genommen bewegte er sich einfach nur ungern - und stieg die Leiter hinab zum Tor. Dabei murmelte er Dinge wie „Sowas ist mir ja noch nie untergekommen“ und „Eine Frechheit“. Er hatte doch nur ein Nickerchen machen wollen. All die körperliche Anstrengung schadete seinem Gemüt noch mehr. Missmutig öffnete er das Holzfenster, um sich die Papiere näher ansehen zu können. Der Junge reichte sie ihm durch die Luke. 
 Die müden Augen der Stadtwache überflogen im Fackellicht die, für seinen Geschmack, viel zu verschnörkelte Schrift. Voller Entsetzen weiteten sie sich immer mehr. Anscheinend hatten diese Leute recht. Sie waren auf Geheißen der Schwarzen Königin hergekommen. Ihre Unterschrift zierte feinsäuberlich das Ende des Briefes. „Donnerwetter. Das ist ja-“, Sentinel räusperte sich kurz, „Verzeiht. Wie mir scheint, sind Sie offizielle Gäste der Stadt. Ich werde sogleich das Tor für Sie öffnen.“ Eilig drehte die Wache an der schweren Kurbel, welche den massiven Balkenriegel langsam von seinem Ruheplatz wegzog. Die Konstruktion wehrte sich ein bisschen, doch das war nach Jahrzehnten ohne Wartung absehbar gewesen. Dass sie sich überhaupt bewegte, glich einem Wunder. Mit aller Kraft zog Sentinel an dem großen Tor und öffnete es einen Spalt, gerade breit genug, sodass eine Person durch passte. „Bitte tretet ein. Euer Gefährt hingegen lasst draußen stehen.“ Nachdem der Professor sein Mobil sorgfältig abgeschlossen hatte quetschten sich die drei Reisenden nacheinander durch die Öffnung in die Stadt. Mit einem lauten Rumsen fiel das Tor hinter ihnen zu und die Wache kümmerte sich darum, alles wieder gut zu verschließen. Furness bot ihnen einen prachtvollen ersten Eindruck. Zur späten Stunde waren die Laternen und Gaststätten hell erleuchtet und tauchten die Umgebung in ein warmes Licht. Dumpf klangen die Gespräche und das Klirren von Geschirr auf die Straße. Die Gebäude glichen rustikalen Fachwerkhäusern, welche allerdings in zwei oder drei Etagen gestapelt waren. Die untersten beherbergten Geschäfte, einige Keller waren zu Gasthöfen umfunktioniert Treppen führten in die oberen Stockwerke, welche Wohnstuben beherbergten. Viele Schornsteine zierten die Dächer, aus einigen dampfte und qualmte es. „Willkommen in Furness“, ließ die Wache noch verlauten, ehe sie die Leiter zu ihrem Posten wieder erklomm. Professor Layton erwiderte ihm noch ein „Vielen Dank“ ehe sich die kleine Gruppe tiefer in das Innere der Stadt wagte. Am liebsten wollten Emmy und Luke ihrem Forschungsdrang nachgehen, doch der Professor stellte fest, dass das Beziehen einer Unterkunft höchste Priorität hatte. Die Rätsel würden ihnen schon nicht weglaufen, es hatte also keine Eile. Sie konnten die Stadt auch noch nach Sonnenaufgang erkunden. „Aber Professor, ich glaube nicht, dass es hier Hotels geben wird“, warf Luke ein.
 Ohne Touristen hatte es schließlich keinen Sinn Zimmer zu vermieten. Emmy zuckte mit den Schultern und meinte optimistisch: „Vielleicht gibt es eine Wohngemeinschaft die noch ein paar freien Betten hat? Da lässt sich bestimmt etwas finden. Lasst uns erstmal etwas essen, ich hab ganz schönen Kohldampf.“
 Zielstrebig lief sie zur erstbesten Gaststätte vor. „Warten Sie, Emmy! Ich komme mit!“, rief Luke und eilte ihr hinterher. „Worauf warten Sie, Professor?“ Für eine kurze Weile hatte sich Layton in seinen Gedanken verloren. Sein Gehirn lief auf Hochtouren, verarbeitete die vielen Eindrücke und knüpfte Verbindungen, stellte Fragen und suchte Antworten. Lukes Zuruf holte ihn ruckartig aus seinen Gedanken hinaus. Layton schüttelte leicht den Kopf, um sich wieder auf das Geschehen um ihn herum konzentrieren zu können und folgte seinen Assistenten mit gemächlichen Schritten. Ein hölzernes Schild verkündete den Namen der Gaststätte, welche Emmy kurzerhand ausgesucht hatte: Die Finnamore Bar. In ihr wurde klangvolle Musik gespielt, zu welcher einige Gäste ausgiebig tanzten. Den Professor erinnerte sie an die Swing-Lieder, mit denen er aufgewachsen war. Viele Tische standen frei und so setzten sie sich an einen in der Nähe der Theke. Die beschürzte Frau hinter dem Tresen säuberte beiläufig ein paar Gläser und ließ ihren Blick zu den eingetroffenen Gästen schweifen. Augenblicklich hielt sie in ihrer Bewegung inne. Diese Leute kannte sie nicht. Das war unmöglich! Sie kannte jeden in dieser Stadt! Das musste bedeuten-! Vor Schreck ließ sie beinahe das Glas fallen. Fremde. Von der Außenwelt. Aber das hieße doch, dass sie das Tor geöffnet hatten! Jeder kannte die Regeln: Nichts und niemand durfte aus der Stadt weder hinaus noch hinein. Was hatte das also zu bedeuten? Mit einem freundlichen Lächeln winkte der Professor die Kellnerin zu sich heran. „Guten Abend“, stotterte die Frau und versuchte dabei nicht aus Nervosität das Geschirrtuch in ihren Händen zu erwürgen. So etwas wie neue Gäste kannte sie nicht. So etwas gab es nicht. Es war viele Jahre her, dass sie sich das letzte Mal vorstellen musste. „Ich bin Benz Finnamore, das hier ist meine Bar. Was kann ich Ihnen bringen?“
Sie musste sich selbst zugestehen, dass es gar nicht so schlecht war, obwohl ihr die Übung fehlte. „Wir hätten gerne eine Kanne Tee und dreimal ihr Tagesgericht“, bestellte Emmy. Benz blinzelte die junge Frau, welche ungefähr in ihrem Alter sein musste, perplex an. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, falls wir Sie überrumpelt haben“, warf Layton hastig ein, seine guten Manieren stets im Hinterkopf haltend. Die Besitzerin winkte ab schüttelte den Kopf. „Oh, kein Problem. Es ist nur so, dass wir äußerst selten Gäste von Außerhalb haben. Also, schwarzer Tee und Cullen Skink für drei, alles klar.“ Mit diesen Worten düste Benz geschwind zur kleinen Küche. Luke sah den Professor fragend an. „Was ist denn Cullen Skink?“ „Soweit ich weiß handelt es sich dabei um eine Fischsuppe. Es könnte sich hier allerdings auch um eine abgewandelte Spezialität handeln“, antwortete Layton. „Schottische Küche ist dafür bekannt, dass sie deftig ist und gut sättigt“, fügte Emmy hinzu. „Genau das richtige für einen leeren Magen!“ Kurze Zeit später kehrte Benz an ihren Tisch zurück, während sie geschickt ein großes Tablett mit ihrer Bestellung balancierte. Sorgfältig richtete sie Getränke und Essen an. „Ich wünsche einen guten Appetit.“ Wohl genährt sanken Luke und Emmy auf ihren Stühlen zusammen und rieben sich die Bäuche. Sie hatten was Nachschläge anging kräftig reingehauen. Es war jedes Mal erstaunlich zu sehen, wie viel in diese schmalen Körper reinpasste. Die fröhliche Musik war inzwischen verklungen und die meisten Gäste hatten sich verabschiedet um heimzukehren. Die wenigen übrigen waren dabei ihr letztes Bier auszutrinken. Es wurde zunehmend ruhiger in der Bar. Schwungvoll stellte Benz einen Stuhl an den Tisch der Neuankömmlinge und gesellte sich zu ihnen. Ihre Nervosität war abgeklungen und die Neugier packte sie. Sie sah eine gute Gelegenheit die Fremden kennenzulernen. „Ihr habt mir noch gar nicht erzählt, wer ihr seid“, platzte sie mit der Tür ins Haus. In Furness galt es als Unding nicht jede Person mit Namen zu kennen. Ohnehin war dies fast unmöglich, außer man besaß ein schreckliches Gedächtnis. 
Höflich stellten sich die drei also erneut vor. Benz erfuhr, dass sie extra aus London hergereist waren. Sie nahm an, dass es ein weiter Weg gewesen sein musste. Insgeheim hatte sie nämlich keine Ahnung, wo dieses London lag. Landkarten gab es hier nicht. Sie wusste nur, dass es sich um die Hauptstadt Englands handelte. Fasziniert lauschte sie, als die drei den Grund für ihren ungewöhnlichen Besuch nannten. Es waren ihr selten so interessante und sympathische Leute begegnet. Und es war so erfrischend ihnen zuzuhören. „Sagt mal, wo werdet ihr die Nacht eigentlich schlafen?“, fragte Benz schließlich. Ihre Gäste sahen sich etwas ratlos an. „Wir hatten gehofft, Sie könnten uns da etwas empfehlen, Frau Finnamore“, erwiderte der Professor. „Tut mir Leid, etwas empfehlenswürdiges existiert hier leider nicht“, entgegnete Benz. Sie blickte in die enttäuschten Gesichter und überlegte sich schnell etwas. Immerhin konnte sie diese netten Leute nicht einfach im Stich lassen. „Aber ich habe oben ein kleines Zimmer mit einem Sofa und Kissen. Vielleicht könnte man sich da arrangieren?“ „Haben Sie vielen Dank. Das ist sehr großzügig von Ihnen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)