Night of the Hunter von Vidora ================================================================================ Prolog: Agentur Sieben ---------------------- Joe musste ihm die falsche Adresse gegeben haben. Stirnrunzelnd betrachtete Yuki das kleine Infoschild neben der Bürotür, vor der er stand. Event-Agentur Sieben - Wir organisieren alles. Wirklich alles. Es war weniger die seltsame Formulierung, die ihn stutzen ließ, als viel mehr die Tatsache, dass er kein Interesse an einem Event hatte. Hatte Joe sich einen Scherz mit ihm erlaubt? Das sah ihm eigentlich nicht ähnlich. Vor allem nicht in so einer ernsten Lage. Er zog die Notiz aus seiner Hosentasche. Die Adresse war richtig. Nachdenklich kratzte er sich am Kinn. Joe musste sich verschrieben haben. Vielleicht hatte er von dieser Agentur seine Hochzeit ausrichten lassen und dann die Einträge vertauscht. Yuki schüttelte den Kopf. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein junger Mann mit blondem Haar kam zum Vorschein. Er stemmte die Hände in die Hüften. “Wollen Sie hier Draußen Wurzeln schlagen? Immer rein in die gute Stube!”, rief er und packte unvermittelt Yukis Arm. Völlig perplex ließ er sich hinterherziehen und stolperte in das Büro der Event-Agentur. “Es gibt was zu tun, Leute!” Der Blonde lachte und ließ ihn los, um sich auf die Kante eines großen Schreibtisches zu setzen. Yuki rieb sich den Arm. Aus einer Seitentür kam eine junge Frau, die sofort Yukis Blick auf sich zog. Ihre Haare hatten einen so unnatürlichen Farbton, dass er nicht anders konnte, als sie anzustarren. Sie stellte ein Tablett mit zwei Tassen dampfenden Tees auf den Schreibtisch, warf ihm ein freundliches Lächeln zu und verschwand wieder. “Ich wollte eigentlich-”, begann Yuki, vergaß aber im selben Moment, was er hatte sagen wollen. Er zog eine Grimasse und griff sich an die Schläfe. Ein Blackout? Das war ihm ja noch nie passiert. Diese Sache musste ihn ziemlich mitgenommen haben. “Willkommen in unserer bescheidenen Agentur.” Wieder hatte sich die Tür geöffnet und ein Mann, dessen Alter sich unmöglich schätzen ließ, betrat den Raum. Er trug einen schwarzen, sehr teuer aussehenden Anzug und eine riesige, verspiegelte Sonnenbrille. Alles an ihm wirkte sehr akkurat, bis auf die etwas zu langen, silbergrauen Haare. Er ließ sich hinter dem Schreibtisch auf dem Drehstuhl nieder. “Nehmen Sie eine Tasse Tee und setzen Sie sich.” Der Mann deutete auf einen Stuhl und nahm sich dann selbst eine der Tassen. Yuki war noch immer ein wenig irritiert. Hatte man ihn erwartet? Unruhig schaute er sich in dem Raum um. Grauer Teppich, weiße Wände, antik wirkende Schränke. Es gab keine Broschüren, keine Deko, nicht einmal Zimmerpflanzen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er fühlte sich unwohl und beobachtet. Letzteres lag sicherlich daran, dass man ihn tatsächlich ansah. Aber das war nicht alles. Dieser Raum war falsch, diese Leute waren falsch. Das spürte er einfach. Nervös kratzte er sich am Kinn und wollte sich umdrehen, um zu gehen. Stattdessen ging er auf den Schreibtisch zu, nahm sich die andere Teetasse und setzte sich auf den Stuhl. “So ist es recht”, sagte der Mann mit der Sonnenbrille und lächelte freundlich. Seine Stimme war so angenehm und ruhig, dass ein wenig des unangenehmen Gefühls von Yuki abfiel. Der Blonde lachte in sich hinein. Yuki hob eine Augenbraue. Was wurde hier gespielt? Befand er sich in einer dieser “Versteckte Kamera”-Shows? Suchend blickte er sich um. Die Tasse rutschte ihm beinahe aus der Hand, als er den Mann in der linken hinteren Zimmerecke entdeckte. Hatte er die ganze Zeit dort gestanden? Sein Blick ließ einen kühlen Schauer an seinem Rücken hinabhuschen. So kalt und gleichzeitig tiefgehend, so etwas hatte er noch nie erlebt. Der Kerl lehnte dort mit verschränkten Armen, völlig bewegungslos und starrte ihn an. Ein immer lauter werdendes Lachen holte Yuki zurück in die Wirklichkeit. Der blonde Mann konnte sich kaum noch halten, schlug sich grölend auf die Schenkel. Sein Gesicht war schon ganz rot. Yuki runzelte die Stirn. “Ich glaube, ich bin hier falsch. Wissen Sie, ich wollte eigentlich-” Der Mann mit der Sonnenbrille schüttelte den Kopf. “Sie sind hier genau richtig, glauben Sie mir. Tsugaru Yuki, nicht wahr?” Ungläubig sah Yuki ihn an. “Woher kennen Sie meinen Namen?” Langsam wurde die Sache wirklich unheimlich. Wo war er hier hin geraten? “Wir wären eine schlechte Agentur, wenn wir unsere Quellen verraten würden, oder?” Der Mann lächelte und nahm einen Schluck Tee, bevor er weitersprach. “Sie haben ein Problem und sind hier, damit wir Ihnen helfen, es zu lösen.” Yuki hielt seine eigene Tasse noch immer in der Hand, ohne sie richtig wahrzunehmen. “Ja. Ich meine Nein. Also ich habe ein Problem, aber ich glaube nicht, dass Sie mir helfen können. Ich suche eigentlich keine Event-Agentur.” “Sehen Sie. Und wir sind ‘eigentlich keine Event-Agentur’.” “Aber das steht an der Tür.” “Das ist unsere Tarnung, Yuki. Eigentlich sind wir eine Art Sondereinheit”, meldete sich der Blonde zu Wort, der inzwischen wieder zu Atem gekommen war. Ungläubig blickte Yuki zwischen ihm und dem anderen hin und her. “Sondereinheit?” “Lassen Sie mich uns kurz vorstellen: Ich bin Naruto Uzumaki, aber Sie können mich Naruto nennen, das hier ist unser Boss.” Der Mann mit der Sonnenbrille nickte ihm zu. “Hatake Kakashi.” “Genau, und der da hinten ist Uchiha Sasuke, aber Sie können ihn Sissy nennen.” Naruto hatte es kaum geschafft den Satz zu beenden, als er ohne ersichtlichen Grund von der Tischkante fiel. “Mann! Ich hab’ uns doch nur vorgestellt”, murrte er und rieb sich die Schulter. “Nenn mich nicht Sissy”, zischte der Mann aus der Ecke. “Da die Formalitäten nun erledigt sind, schildern Sie uns doch bitte den Fall, Herr Tsugaru.” Herr Hatake schien völlig unberührt von dem seltsamen Streit seiner Angestellten zu sein. Er hatte sich in dem Stuhl zurückgelehnt. Dank der Sonnenbrille konnte man nicht abschätzen, wohin er schaute. Warum trug er überhaupt eine Sonnenbrille in einem Büro? “Entschuldigen Sie, aber … ich verstehe das Ganze hier nicht. Was meinten Sie mit Sondereinheit?” “Wir sind sozusagen besonders gut im Lösen von Problemen. Meine Mitarbeiter und ich verfügen über spezielle … Kenntnisse, mit denen wir unsere Klienten unterstützen. Die Liste unserer zufriedenen Kunden ist lang und ebenso geheim, jedoch steht ihr Freund Joe auch darauf. Sie können uns vertrauen.” Also hatte Joe ihn tatsächlich genau hierher schicken wollen? Zu diesen Freaks? Zweifelnd betrachtete er Herrn Hatake, dann Naruto, der sich wieder aufgerappelt hatte und letztendlich Herrn Uchiha, der noch immer wie eine Statue in der Ecke stand. “Also gut.” Yuki seufzte. Er musste Joe wohl einfach in seiner Wahl vertrauen. Ein einfaches und vor allem seriöses Detektivbüro wäre ihm allerdings tausendmal lieber gewesen, als diese fragwürdigen Gestalten. Kapitel 1: Event One -------------------- “Mann, dauert das schon wieder lange.” Seufzend ließ Naruto seinen Blick über das Hotelgebäude schweifen. Ein sehr moderner Bau, viel Glas, wenig Gemütlichkeit. Immer wieder hielten Taxen oder protzige Schlitten vor dem Eingang und reiche Leute stiegen ein uns aus. Das Ätzendste aber war: Es gab weit und breit kein Nudelsuppenrestaurant. Er würde hier jedenfalls nicht wohnen wollen. Apropos Nudelsuppe… Sein Magen knurrte hörbar, sodass er an sich herabblickte. Sasuke gab ein genervtes Zischen von sich. Was konnte er denn dafür? Sie waren schon seit dem frühen Nachmittag hier und lagen auf der Lauer. Und während der Chef und Sakura drinnen wenigstens ein bisschen Action hatten, war er dazu verdammt hier draußen zu warten. Mit Sasuke. Vermutlich machte der Chef das mit Absicht. Insgeheim machte es ihm Spaß, sie zu piesacken. Wie lange brauchten sie da drinnen eigentlich noch? Vielleicht war die Sache längst erledigt und sie saßen in dem teuren Hotelrestaurant und schlugen sich die Bäuche voll?! Na ja … eigentlich war das unwahrscheinlich - der Hunger verleitete ihn schon zu Wahnvorstellungen! Schluss damit! “Ich hole mir schnell was zu essen.” “Vergiss es.” Naruto zog eine Grimasse und stieß sich von der Häuserwand ab. “Ich bin ja sofort wieder da, dauert nur zwei Minuten. Also wenn ich gleich was finde.” Aber schon nach wenigen Schritten die Straße entlang, spürte er den Widerstand. Dieser elende Sasuke! Der Boss hatte verboten, dass sie ihre Fähigkeiten innerhalb des Teams anwendeten. Aber Sissy betrachtete sich da viel zu oft als die Ausnahme von der Regel. Naruto grummelte in sich hinein, straffte sich, hob den Kopf und marschierte nun noch energischer voran. Mit genügend Willenskraft würde er dem schon entkommen. Er kniff die Augen zusammen. Es fühlte sich an, als würde er gegen einen heftigen Wind ankämpfen, oder von einer Strömung zurückgetrieben werden. Sein Körper wollte umkehren, aber er sträubte sich bis in die Zehenspitzen dagegen. Sie hatten dieses Spiel schon so oft gespielt - und meistens hatte er es verloren - aber niemand konnte einen hungrigen Mann und sein Essen voneinander fernhalten. Nicht einmal Sasuke. Die Passanten warfen ihm verwunderte Blicke zu, aber er ignorierte sie gekonnt, während er angestrengt Ausschau nach einem Imbiss hielt. Es musste ja nicht unbedingt Nudelsuppe sein, je weiter er kam, umso kleiner wurden seine Ansprüche. Vielleicht ein Burger … oder Pommes … oder ein Eis? Sollte Sasukes Einfluss nicht irgendwann abbrechen? Oder lief er ihm hinterher? Er wagte nicht sich umzudrehen, denn dann würde er wohl nicht mehr widerstehen können. Egal. Er biss die Zähne zusammen. Der Geruch von gekochten Nudeln umschmeichelte seine Nase. Endlich! * Eigentlich hätte sie langsam daran gewöhnt sein sollen, aber diese kurzen Kleider sorgten noch immer dafür, dass sie sich unwohl fühlte. Auch jetzt unterdrückte sie den Drang, den Saum nach unten zu ziehen, nur schwerlich. Die Hotellobby war von wichtig und schmierig aussehenden Menschen gleichermaßen bevölkert. Sie tummelten sich auf dem dunklen Parkett, auf den Ledersofas und weiter hinten am Tresen der Bar. Von hier aus konnte man alles gut überblicken, der Chef fand immer schnell solche Positionen. Sakura nippte an ihrem Wasser und warf verstohlene Blicke in Richtung ihres Verdächtigen. Es fiel schwer, ihn eindeutig der einen oder anderen Gruppe zuzuordnen. Die protzige Armbanduhr zeugte von einer Menge Geld, aber auch von einem Hang zum Protz und einem Mangel an Eleganz. Der Anzug schien hochwertig, aber der über dem Gürtel hängende Bauch machte das Bild irgendwie kaputt. Hinzu kamen das schlecht rasierte Kinn, das lichte Haupthaar und der unsympatische Blick. Nicht gerade ein Traummann. Aber das spielte ja keine Rolle. Ihre Augen fanden Kakashi, der beinahe mit der Wand verschmolzen war, an der er lehnte. Mit der linken Hand hielt er eine Zeitschrift, die er mit einem gelangweilten Blick betrachtete, der beinahe zu perfekt wirkte. Höchstwahrscheinlich versteckte er dahinter einen der Liebesromane, die er immer mit sich herumtrug. Er hatte zwar stets versucht, das vor ihnen zu verbergen, aber dem aufmerksamen Blick einer Frau entging so leicht nichts. Mit der rechten Hand rückte er seine Sonnenbrille zurecht. Das Zeichen. Sakura leerte ihr Glas und atmete tief durch. Dann mal los. Langsam und wie zufällig durchquerte sie die Lobby und steuerte die Theke an. Einige Männer warfen ihr interessierte Blicke zu, aber ihr Blick blieb stur geradeaus gerichtet. Das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Erst als sie sich auf den Hocker direkt neben ihm schob, bemerkte er sie. Er roch nach Zigaretten. Vor ihm stand ein halbvolles Glas mit einer klaren braunen Flüssigkeit. Sie schenkte ihm ein charmantes Lächeln und schlug die Beine übereinander. * Sobald Sakura den Kerl in ein Gespräch verwickelt hatte, verschwand Kakashi um die Ecke in den Flur. Dieser Winkel des Flures wurde von den Kameras nicht erfasst, das hatten sie vorher überprüft. Während er eine Topfpflanze mit großfächrigen Blättern umrundete, nahm er die Gestalt des Verdächtigen an. Niemand hatte ihn bemerkt. Er steuerte auf den Fahrstuhl zu. Dieser Körper fühlte sich verdammt träge an. Das Hemd spannte am Bauch, die Schuhe waren zu eng. Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Zwei weitere Leute fuhren mit hinauf. Kakashi war vollkommen ruhig. Die Täuschung war so perfekt, dass er selbst Familienmitgliedern gegenübertreten konnte, ohne dass sie etwas bemerkten. Die größte Herausforderung war, das Verhalten der kopierten Person nachzuahmen, was natürlich umso schwieriger war, je weniger er über sie wusste. Normalerweise beobachtete er seine Opfer einige Tage lang, nur in diesem Fall drängte die Zeit zu sehr. Wenn sie heute nicht zuschlugen, würden sie die Spur des Mädchens wieder verlieren. In der dritten Etage stieg Genma zu. Er trug die Bedienstetenuniform, aber das leise Grinsen auf seinem Gesicht machte die Verkleidung fast wieder zunichte. Ihre Blicke streiften sich nur kurz. Im Fahrstuhl herrschte Stille, die anderen Personen blickten die Kabinenwand an und studierten nebenbei ihre Mobiltelefone. So war es immer, wenn fremde Menschen auf engem Raum zusammen waren. Und es half ungemein dabei, unerkannt zu bleiben. Genma und er stiegen im sechzehnten Stock aus und gingen den Flur entlang ohne ein Wort miteinander zu sprechen. Vor der Tür blieb Kakashi stehen und stemmte die Hände in die Hüften, um seinen Komplizen einen Augenblick lang vor den Kameras abzuschirmen. Er brauchte nicht viel länger als einen Atemzug, trieb die Nadel mit einem geschickten Handgriff ins Schloss, dann klickte es leise - alles war eine einzige fließende Geste, unauffällig und wirkungsvoll. Kakashi drehte den Knauf und betrat das Zimmer. Genma folgte ihm und schloss die Tür. Augenblicklich ließ Kakashi die Verkleidung von sich abfallen. Was für ein erleichterndes Gefühl. Es war still in der Suite. Kakashi ging leise den Flur entlang zum Wohnbereich während Genma die Badezimmertür öffnete. Auch hier war alles ruhig und dunkel, nichts zu sehen. Der Geruch von Tabak lag in der Luft. Das Wohnzimmer sah beinahe unbewohnt aus, so perfekt und sauber lag es vor ihm. Genma hatte keinen Erfolg gehabt und schlich gemeinsam mit ihm weiter zum Schlafzimmer. Das heftige Atmen hörte er bereits, bevor er die Tür vorsichtig aufdrückte. Das Mädchen lag auf dem Bett, die Hände auf den Rücken gebunden und einen Knebel im Mund. Er schaltete das Licht an. Sie nickten sich zu. Genma ging zurück zum Eingang um Wache zu halten. Wahrscheinlich war die Zeit bereits knapp. Aus angsterfüllten Augen starrte sie ihn an. Eine Mischung aus Wimmern und Schreien kam unterdrückt aus ihrem Mund. Ihre Wangen waren rot von Tränen, das Make-Up und die Haare völlig außer Form. “Alles wird gut, bitte versuchen Sie, sich zu beruhigen. Ich bin hier, um Sie zu retten. Ich bringe Sie zu ihrem Vater”, erklärte er leise während er sich halb auf die Bettkante kniete und sie von ihren Fesseln befreite. Die Handgelenke waren aufgescheuert. Wie lange hatte er sie hier schon gefangen gehalten? Ihr Atem überschlug sich zwischen Schluchzen und Husten. Sie zitterte. “Wer sind sie?”, brachte sie hervor. Ihre Augen suchten vergeblich seine hinter der Sonnenbrille. Er streckte die Hand aus, um ihr vom Bett aufzuhelfen, aber sie zögerte. “Ein Detektiv, den ihr Vater Tsugaru Yuki mit Ihrer Rettung beauftragt hat. Es war nicht leicht Sie zu finden und ich würde vorschlagen, dass wir schnell von hier verschwinden und Sie in Sicherheit bringen.” “Sie kommen schon”, zischte Genma aus dem Flur herüber. Hatte der Typ etwas gewittert? Egal, sie musste nur noch hier raus. Hoffentlich waren Naruto und Sasuke bereit und hoffentlich war Sakura ebenfalls gut aus der Sache herausgekommen. Endlich ergriff Ai seine Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. Ihre Hand war kalt. Sie hatte ziemlich viel durchgemacht, aber vor dem Schlimmsten würde sie glücklicherweise bewahrt bleiben. Es gab nicht viele Informationen, aber das was es gab, deutete darauf hin, dass es hier nicht um eine einfache Entführung mit anschließender Erpressung ging, sondern um Menschenhandel der schlimmsten Sorte. “Lassen sie auf keinen Fall meine Hand los”, sagte er und zog sie aus dem Schlafzimmer. “Schnell.” Genma schob die beiden an sich vorbei und bildete die Nachhut als sie durch den Flur rannten. “Was geht hier vor?! Stehenbleiben!”, rief eine Stimme am anderen Ende des Ganges. Die drei rannten Richtung Treppe. Es war knapp, aber sie würden davonkommen. Der Dicke war in keiner guten Kondition, das hatte er selbst gespürt. Kakashi schob Ai vor sich die Treppe hinauf. Sie stolperte ein wenig, er hielt sie. Plötzlich fiel ein Schuss. Er unterdrückte den Schreck, aber die junge Frau zuckte zusammen. Sie wollte sich umdrehen aber er drängte sie mit sanfter Gewalt voran. “Es ist alles in Ordnung, Sie müssen weitergehen.” Sie zitterte, tat jedoch, was er sagte. Während sie die Treppen hinaufstiegen warf Kakashi einen Blick über die Schulter. Genma war noch hinter ihm. Er hielt sich den linken Arm. Mit einer knappen Geste antwortete er auf Kakashis besorgten Blick. Hastig erklommen sie die Stufen. Das war bei weitem nicht seine erste Flucht, aber trotzdem galoppierte sein Herz wie wild. Und wie immer blieb er dabei nach außen hin souverän. Nur so konnte dieser Job gelingen. Die vier Stockwerke rasten nur so an ihnen vorbei. Als sie das Dach erreichten, war das Brummen des Helikopters schon zu hören. Ein erleichtertes Seufzen entkam ihm. Genma warf die Tür zum Treppenhaus hinter sich zu, zog die lange Nadel, die er stets bei sich trug und drehte damit das Schloss. Es würde ihnen noch einen Moment mehr verschaffen. “Oh mein Gott! Sie bluten!”, rief Ai und deutete auf Genma. “Berufsrisiko”, erwiderte dieser und neigte lässig den Kopf zur Seite. Tatsächlich war das nicht die erste Schussverletzung, die man ihnen beigebracht hatte - auch wenn Genma nicht zum regulären Team gehörte, so war er doch häufig genug dabei. Seine Fähigkeiten im Bezug auf Schlösser und Codes waren extrem nützlich. Der Helikopter hatte das Dach fast erreicht. Etwas donnerte von innen gegen die Tür. “Kommt!” Kakashi dirigierte sie zum nördlichen Ende der Plattform. Endlich wurde die Leiter herabgelassen. Zum Landen war keine Zeit. Naruto erschien an der Tür des Helikopters und blickte zu ihnen herunter. “Na los Leute!” “Gleich haben Sie es geschafft”, sagte Kakashi lächelnd und hob Ai unvermittelt an der Hüfte nach oben, sodass Naruto sie hineinziehen konnte. Etwas krachte so laut, dass es das Brummen des Helikopters noch übertönte: Die Tür war mit Gewalt geöffnet worden. Genma griff mit der rechten Hand nach der Leiter und zog sich neben ihm hoch. Blut lief in einem kleinen Bach seinen linken Arm hinab. “Festhalten!” Kakashi legte den Arm um seine Taille um sie beide zu stabilisieren während Naruto die Leiter einholte. Ai schrie von oben, als weitere Schüsse fielen, aber Kakashi wusste, wie schwer es war, ein bewegliches Ziel aus dieser Distanz zu treffen. Sie hatten es gerade so noch geschafft. Sasuke ließ den Helikopter aufsteigen. Er sah noch, wie der Dicke wütend mit den Armen fuchtelte, bevor er die Tür schloss und sich seufzend auf den Boden fallen ließ. “Wir wären schneller gewesen, wenn Naruto nicht noch seine Nudelsuppe aufgeschlürft hätte”, knurrte Sasuke von vorne. “Es war ja nicht so geplant, Mann! Mit dem Auto wären wir-” Kakashi überging die Beschwerde. “Habt ihr ein Zeichen von Sakura?” “Ja, sie ist schon auf dem Weg zum Büro.” “Gut.” Kakashi öffnete die Erste-Hilfe-Box, die hinter Sasukes Sitz stand. * Klirrend fiel die Patrone in die Schüssel. Mit einem grünen Leuchten schloss sich die Haut an Genmas Oberarm. Sakura wischte sich über die Stirn. Sie sah erschöpft aus. Sasuke reichte ihr ein Glas Wasser, das sie dankend annahm. Genma bewegte die Muskeln prüfend, bevor er ihr zulächelte. “Wie neu. Ich danke dir.” “Gute Arbeit”, lobte Kakashi und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. “Wieso werde ich eigentlich nie gelobt?”, empörte sich Naruto, der auf seinem gewohnten Platz - dem Schreibtisch - saß, und verschränkte die Arme. “Weil essen keine besondere Leistung ist”, kommentierte Sasuke prompt und fing sich damit einen bösen Blick ein. “Weißt du, diese Muskelkraft kommt nicht von alleine.” Naruto spannte die Arme an, wie ein Bodybuilder. “Dafür muss ich schon ab und zu meine Reserven auffüllen, echt jetzt!” Sasuke gab ein Zischen von sich. “Hört auf euch zu streiten, der Tag war anstrengend genug.” “Sakura hat Recht.” Kakashi rückte seine Sonnenbrille zurecht. “Darf ich … vielleicht jetzt erfahren, wer Sie alle sind. Ich bin Ihnen zu so großem Dank verpflichtet…” Dass Ai noch hier war, hatten sie beinahe vergessen. Alle Blicke glitten zu ihr herüber. Sie lächelte schüchtern. Kakashi öffnete eine Schublade und reichte ihr ein Kärtchen herüber. “Hier ist die Visitenkarte unserer Agentur.” “Event-Agentur Sieben?” Sie runzelte die Stirn. * Später am selben Abend saßen Naruto, Sakura und Sasuke in ihrem Lieblingsrestaurant um zu feiern. “Macht euch einen schönen Abend, ihr habt es euch verdient”, hatte der Chef gesagt, aber er selbst war ferngeblieben. Naruto zuckte mit den Schultern. Manchmal war er eben ein bisschen seltsam. Sasuke verteilte gerade den Sake auf ihre Becher. “Im Ernst Naruto, das wäre um ein Haar schief gegangen.” “Musst du schon wieder davon anfangen?” “Ich würde jedenfalls nicht angeschossen werden wollen, weil du trödelst.” Naruto verdrehte die Augen. Sie waren doch noch rechtzeitig zur Stelle gewesen. War ja nicht seine Schuld, dass plötzlich von der Straße aufs Dach umdisponiert werden musste. Und eigentlich waren an all dem ja auch grundsätzlich erstmal die Verbrecher Schuld. Auf jeden Fall wollte er sich jetzt nicht auch noch den Abend von Sissy versauen lassen. “Lasst uns lieber trinken”, schlug er vor und hob seinen Becher. Die anderen taten es ihm gleich. “Außerdem würde uns ja auch nichts passieren, solange wir Sakura haben.” Er grinste breit. “Schon, aber…” Ein Rotschimmer erschien auf Sakuras Wangen, als Sasuke eine Hand auf ihre Schulter legte. “…du hast doch gesehen, wie sehr es sie anstrengt. Ich will das lieber vermeiden.” Naruto hob eine Augenbraue und musterte die beiden genauer. Seit wann war Sasuke denn so fürsorglich? Und wieso schaute er Sakura so an? Das war jedenfalls eine ganz andere Sorte von Blick, als er immer abbekam. “Hast ja Recht”, gab er nach und grinste die beiden an. “Ich werde mir für Sakura mehr Mühe geben!” * Kakashi blickte von seiner Lektüre auf, als es klopfte. Müde schaute er zur Uhr. Wer sollte das sein? Um Mitternacht? Er bekam selten Besuch, was unter anderem daran lag, dass er nur wenige enge Kontakte hatte. Das brachte der Job mit sich. Fremde in sein Leben zu lassen war gefährlich und Freunde zu haben war schmerzhaft. Vielleicht war es seine Crew, die im angetrunkenen Zustand den Einfall gehabt hatte, ihm einen Besuch abzustatten. Aber auch das hielt er für unwahrscheinlich. Er legte den Roman beiseite und ging zur Tür. Vorsichtig lugte er durch den Spion. “Du solltest dich doch ausruhen.” Kakashi hielt seinem Freund die Tür auf. “Mir geht’s gut, keine Panik.” Genma ging an ihm vorbei Richtung Wohnzimmer. Kakashi schüttelte den Kopf. “Tee?”, fragte er schließlich und folgte ihm. “Nein, danke.” Genma hatte sich auf Kakashis Sessel niedergelassen und betrachtete den Einband des Liebesromans, in dem er eben noch gelesen hatte. Kakashi blieb einfach in der Mitte des Zimmers stehen. Seine Wohnung war nicht auf Gäste vorbereitet. Sie war so spartanisch eingerichtet, dass es in keinem Raum mehr als einen Sitzplatz gab. Und auch sonst gab es nicht viel. Einen Tisch, eine Lampe, ein Bücherregal. Nicht mal einen Fernseher. “Wieso bist du hier?” Seine Stimme war kälter, als er beabsichtigt hatte. Genma schaute von dem Buch auf. “Freunde besuchen sich hin und wieder.” Kakashi hob eine Braue. “Um diese Uhrzeit?” Genma lachte. “Ist doch egal wann, du hast noch nicht geschlafen. Ich dachte, du bräuchtest etwas Gesellschaft.” Sein Blick fiel unwillkürlich auf den Oberarm seines Freundes, dann wandte er sich ab. Wenn der Kerl etwas weiter rechts getroffen hätte- Langsam schüttelte er den Kopf. “Es wäre am besten, wenn du erstmal eine Weile untertauchst. Höchstwahrscheinlich haben die Kameras dein Gesicht aufgenommen. Es war nicht geplant, dass wir auf diese Art flüchten müssen.” Genma antwortete nicht. Stattdessen erklang das Rascheln von Papier. Ein paar Sekunden herrschte Stille. Das Leder des Sessels knarzte. Schließlich räusperte er sich. “Koichi streichelte ihre Wange und sah ihr so tief in die Augen, dass ihre Knie ganz weich wurden. Sie konnte seine Wärme spüren. ‘Ich liebe dich, mehr als alles auf der Welt.’ Sein heißer Atem streifte ihre Lippen. Kasumi schloss die Augen.” Genma schnaubte amüsiert. “Wird das nicht irgendwann langweilig?” Als Kakashi nicht darauf einging, klappte er das Buch zu und stand auf. “Ich bin hergekommen, weil ich genau wusste, dass du heute Abend wieder so drauf sein würdest.” Langsam kam er auf ihn zu. “Du sitzt hier rum, liest deine Liebesschnulzen, zerbrichst dir stundenlang den Kopf darüber, in welche Gefahren du deine Kollegen gebracht hast und redest dir Schuldgefühle ein.” Er kannte ihn wohl einfach zu gut. Ein müdes Lächeln zeichnete sich auf Kakashis Gesicht ab. Tief in seinem Innern wusste er, dass Genma Recht hatte. Er sollte sich nicht in diesem Ausmaß damit belasten. Aber es fiel ihm schwer, Dinge wie diese mit einem Schulterzucken wegzulächeln. Dafür hatte er schon zu viel erlebt. Und das wusste sein Freund auch. “Hey.” Genma berührte seine Schulter. “Wir sind alle wohlauf und wir werden weiterhin auf uns achten.” Kakashi bemühte sich, das aufmunternde Lächeln zu erwidern. “Gut.” Genma grinste. “Und noch was…” Plötzlich beugte er sich so weit vor, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten. “Diese Bücher können das echte Leben nicht ersetzen, mein Freund.” In den braunen Augen, die jetzt direkt vor seinen waren, blitzte etwas auf, aber mit dem nächsten Lidschlag war der Moment vorbei und Genma klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. “Schlaf gut. Und denk nicht mehr so viel nach.” Damit verließ er die Wohnung. * “Soll ich dich nach Hause bringen, Sakura?”, fragte Naruto und hielt ihr die Tür auf. Sasuke fluchte leise, als Naruto einfach losließ und sie ihm somit fast vor den Kopf schlug. “Ähm danke Naruto, aber du wohnst doch in der entgegengesetzten Richtung. Außerdem-” “Außerdem bist du selber betrunkener als wir beide zusammen”, beendete Sasuke mit einer unverkennbaren Prise Zorn in der Stimme ihren Satz. Naruto stemmte die Hände in die Hüften. “Ach Quatsch!” “Das ist sehr lieb von dir Naruto, aber ich wäre beruhigter, wenn du dir ein Taxi nehmen würdest. Sasuke kann mich begleiten.” Sie umarmte ihn zum Abschied. “Es war ein lustiger Abend.” Naruto lächelte seelig. “Okay. Schlaf gut, Sakura.” Sasuke grinste. “Dann lass uns gehen.” Eine Weile gingen sie schweigend die Straße entlang. Im Gegensatz zu Naruto wohnte Sasuke beinahe in ihrer Nachbarschaft. Natürlich war sie noch nie dort gewesen. Sie kannten sich zwar nun schon ein ganzes Jahr, aber Sasuke war nicht der Typ, der viel von seinem Privatleben preisgab. Trotzdem versuchte sie von Zeit zu Zeit, ihm ein paar Dinge zu entlocken. Sie konnte nicht leugnen, dass sie ein gewisses Interesse an ihrem Arbeitskollegen entwickelt hatte. Aber die Sache war kompliziert. Manchmal gab es Momente, in denen sie glaubte, dass er etwas für sie übrig hatte. Aber die meiste Zeit über war er kühl und still. So wie jetzt. Sie blickte aus dem Augenwinkel zu ihm herüber. Sein Gesicht sagte nichts aus, es war das übliche Pokerface. Was wohl hinter diesen Augen vorging? Fast wäre sie gestolpert. Aber sofort waren da Sasukes Hände, die ihr dabei halfen, sich abzufangen. “Vielleicht habe ich doch etwas zu viel getrunken”, sagte sie und lächelte entschuldigend. “Sei vorsichtig.” Sie nickte und versuchte ab jetzt, sich mehr auf ihre Füße zu konzentrieren. Aber als das Schweigen immer lauter wurde, glitten ihre Gedanken wieder zu ihm. “Was machst du, wenn du zu Hause bist?”, fragte sie und biss sich gleich darauf auf die Unterlippe. Sie hatte so lange nachgedacht, und dann stellte sie eine Frage, die klang als wolle sie sich direkt zu ihm einladen? Sie hatte wirklich zu viel getrunken. Innerlich schlug sie sich mit der Hand vor die Stirn. Kapitel 2: Event Two -------------------- Ein wenig irritiert hob Sasuke eine Augenbraue. »Vermutlich werde ich schlafen gehen.« Hoffentlich würde er ihren Kommentar einfach auf den Alkohol schieben und schnell wieder vergessen. Wieder entstand eine Stille, doch dieses Mal fühlte sie sich deutlich peinlicher an. Sakura presste die Lippen aufeinander und wagte nicht, nochmal anzusetzen, da sie befürchtete, es damit nur noch schlimmer zu machen. Sasuke schien auch gar kein Interesse an einer Unterhaltung zu haben. Es war wohl doch reine Höflichkeit, dass er sie überhaupt begleitete. Sie seufzte innerlich, als sie den Block erreichten, in dem sie wohnte. Vor dem Aufgang blieben sie stehen. Sasuke wandte sich ihr zu und schaute sie an. Wie immer konnte sie in seinem Gesicht nichts lesen, sie starrte ihn einfach nur an. Der Moment fühlte sich seltsam an. Fast wäre sie zusammengezuckt, als er die Hand nach ihr ausstreckte und ihr durchs Haar strich. Diese einfache Geste ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie fühlte sich wie ein Teenager. Hör auf damit!, rief sie sich zur Ruhe. Er ist einfach nur nett zu dir, weil er dich als Kollegin schätzt. Mit Romantik hat das rein gar nichts zu tun. »Schlaf gut, Sakura.« »Danke, dass du mich begleitet hast.« Sie neigte höflich den Kopf und drehte sich um, um die Treppe zu erklimmen. Es war eine schlechte Idee gewesen, noch einen Blick über die Schulter zu werfen. Sie geriet aus dem Gleichgewicht, stolperte, ruderte mit den Armen und kippte nach hinten. Und wieder waren es Sasukes Hände, die sie vor einer Kollision mit dem harten Boden bewahrten. Oh Gott, er musste sie nach all dem wirklich für einen Trampel halten. Es war keine sehr damenhafte Vorstellung, die sie hier gab. Sie kniff die Augen zusammen, als ein Schmerz ihren linken Knöchel durchzuckte. Verdammt! Auch das noch! »Sasuke- danke, ich … das ist wirklich nicht mein Tag heute«, stammelte sie vor sich hin, als er ihr wieder zu einem sicheren Stand verhalf. Hatte sein Mundwinkel gerade gezuckt, oder war das Einbildung? »Ich glaube nicht, dass ich nach Hause gehen kann, bevor ich sicher bin, dass du es ohne Knochenbrüche ins Bett geschafft hast.« »Nein, du- also du musst nicht mit reinkommen. Ich schaffe-« »Keine Widerrede.« Konnte dieser Abend noch merkwürdiger oder peinlicher werden? Sakura kramte den Schlüssel aus ihrer Tasche und Sasuke begleitete sie durchs Treppenhaus bis nach oben zu ihrer Wohnung. »Jetzt kommen keine Treppen mehr, du kannst-«, setzte sie nochmals an, aber sein Blick ließ sie verstummen. Ergeben öffnete sie die Tür und versuchte, die Gedanken zu verdrängen, die dabei in ihr aufkamen. Der Mann, für den sie schon so lange schwärmte, befand sich mitten in der Nacht in ihrer Wohnung. Sie spürte die Hitze in ihren Wangen und hoffte, dass er es - wie alle anderen Peinlichkeiten - auf ihren Rausch schieben würde. Sie zog ihre Jacke aus und entledigte sich der Schuhe, die sie überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht hatten. Duschen gehen war dann wohl nicht die beste Idee. Sonst würde Sasuke noch länger warten müssen und er war ja selber müde. Also würde sie direkt ins Bett gehen und es morgen früh nachholen. Und sich nochmal angemessen für die ganzen Umstände entschuldigen. »Sasuke es tut mir wirklich leid, dass du wegen mir-au!« Von den Schuhen befreit entfaltete der Schmerz sich erst so richtig. Sie stützte sich an der Wand ab und biss die Zähne aufeinander. Als sie aufblickte, stockte ihr der Atem. Sie hatte nicht bemerkt, wie Sasuke sich ihr genähert hatte. Jetzt stand er so dicht bei ihr, dass sie die Wärme spüren konnte, die von ihm ausging. Oder vielleicht bildete sie sich das auch ein. Ihr Puls raste, als er sich plötzlich zu ihr herabbeugte. Ihre Augen wurden immer größer. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Wollte er sie küssen? Ihr Kopf war leer und trotzdem tobte das Chaos in ihren Gedanken. Sie schloss ganz automatisch die Augen. Dann verlor sie den Boden unter den Füßen. Ein überraschter Aufschrei entkam ihr, als Sasuke sie einfach hochhob. »Wo ist dein Schlafzimmer?« Sie blinzelte perplex. »D-da drüben.« Ohne mit der Wimper zu zucken trug er sie den kurzen Flur entlang, öffnete die Tür und setzte sie dann sanft auf ihrem Bett ab. Der Mond schien durchs Fenster. Wieder sahen sie sich einige Wimpernschläge lang an, ohne etwas zu sagen. Es wäre der richtige Moment für einen Kuss gewesen. Etwas in ihr wünschte sich, das er sich zu ihr aufs Bett legen und die Nacht hier verbringen würde. »Gute Nacht«, sagte er schließlich, richtete sich auf und strich sich das Jackett glatt. »Gute Nacht, Sasuke«, erwiderte sie und schaute zu, wie er das Zimmer verließ und die Tür schloss. Kurz darauf hörte sie auch das Klappen der Eingangstür. Sie seufzte, pellte sich das Kleid vom Leib und wickelte sich in die Bettdecke. Was für ein Tag. * »Nur Sie können mir helfen«, begann Herr Yamasaki und zerknüllte mit beiden Händen den Hut, den er in seinem Schoß liegen hatte. »Wenn Sie mir nicht helfen, werden die mich umbringen.« »Erzählen Sie einfach ganz langsam von Anfang an«, schlug Kakashi vor und rückte seine Sonnenbrille zurecht. Der Klient wirkte so verzweifelt und mitleiderregend, dass selbst Naruto und Sasuke ihre alltäglichen Sticheleien unterbrochen hatten, um zuzuhören. Nur Sakura wirkte ungewöhnlicherweise etwas abwesend. »Also gut. Sehen Sie, das ist nicht das erste Mal. Ich habe in den vergangenen Jahren schon öfter Nachrichten von diesen Leuten bekommen. Aber es waren immer relativ simple Wünsche und ich hatte es eher als … na ja, seltsamen Spleen eines Fans oder so etwas abgetan.« »Was für Nachrichten waren das?« »Es waren Briefe ohne Absender. Es stand immer nur darin, wen oder was ich zeichnen sollte und bis wann. Am Anfang dachte ich, es seien eben nur Anreize, die meine Fans mir geben wollten, aber wenn ich dem Wunsch nicht im angegebenen Zeitrahmen nachkam, wurden Drohungen daraus. Ich habe mich zwar öfter gefragt, warum jemand jetzt unbedingt will, dass ich ein bestimmtes Haus male oder eine bestimmte Szene, aber ich wollte ja nur meine Fans glücklich machen.« »Womit hat man Ihnen gedroht?« »Mir sollte etwas unangenehmes zustoßen, wenn ich das geforderte Bild nicht bald produzieren würde. Genauer wurde es nicht. Und das wollte ich eigentlich auch nicht.« »Und was passierte, wenn Sie die Forderungen erfüllten?« »Dann war das Gemälde am nächsten Tag einfach verschwunden.« »Gestohlen?« »Ja, ich denke schon. Auch wenn die Polizei keine entsprechenden Spuren gefunden hat.« »Ein Unbekannter verlangt regelmäßig Gemälde mit bestimmten Motiven von Ihnen, die er nach Fertigstellung aus Ihren Räumen stiehlt«, fasste Kakashi zusammen. Das war wirklich ein merkwürdiges Vorgehen. Eine unübliche Art der Erpressung, aber das machte es nicht weniger kriminell. »Wahrscheinlich kann er selber nicht gut malen«, sinnierte Naruto, aber die anderen ignorierten ihn. »Und nun sind Sie hier, damit wir den Täter finden, weil die Polizei es nicht konnte.« Er begann, einige Notizen zu machen. »Also eigentlich … also es ist mir wirklich unangenehm.« Kakashi legte den Stift weg und lehnte sich vor. »Sprechen Sie ruhig offen mit uns.« »Mein neuer Auftrag lautet, Ihre Angestellte Haruno Sakura zu malen.« * Es war eine ungewohnte Mischung aus Schmeichelei und Angst. Sakura trug das Kleid, das man ihr gegeben hatte und saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Sofa. In der Hand hielt sie einen pompösen Fächer. Ihr Blick huschte immer wieder zur Tür, dann zu Sasuke oder Naruto oder Kakashi. Herr Yamasaki ermahnte sie mehrfach, aber es fiel einfach so schwer, sich nicht zu bewegen, wenn man so aufgewühlt war. Warum wollte der Erpresser ausgerechnet sie auf einem Gemälde haben? Sie war keine berühmte Persönlichkeit und erst recht kein Model. Sie war einfach nur Sakura. Aber was tat man nicht alles für den Job? Wenn alles funktionierte, würden sie den Dieb festnehmen und dann bestand keine Gefahr mehr für sie oder Herrn Yamasaki. Sasuke stand in einer Ecke des Zimmers schräg hinter dem Maler. Er hatte die Arme verschränkt und überblickte die Situation mit seinem Pokerface. Lediglich seine Pupillen bewegten sich hin und wieder. Manchmal schien er das Gemälde zu betrachten, manchmal sie, manchmal die gegenüberliegende Wand. Naruto und Kakashi verschwanden regelmäßig aus ihrem Sichtfeld, aber sie meiste Zeit über konnte sie sie leise miteinander reden hören. Sie untersuchten das Gebäude nach möglichen Eingängen, Türen, Fenstern, Schächten, die der Dieb nehmen konnte, um das Bild später ›abzuholen‹. Langsam wurde ihr Arm schwerer. Den Fächer so lange hochzuhalten war anstrengender, als sie gedacht hatte. »Können wir vielleicht eine kurze Pause machen?«, fragte sie hoffnungsvoll. Herr Yamasaki schaute von seiner Leinwand auf und schien den Kopf schütteln zu wollen. »Das ist eine gute Idee«, kam ihr Kakashi sogleich zu Hilfe. »Es gibt da noch ein paar Dinge, die Sie uns zeigen müssen.« »In Ordnung«, seufzte Herr Yamasaki und legte Pinsel und Palette ab. »Sasuke, du leistest Sakura Gesellschaft.« »Alles klar.« Erleichtert legte Sakura den Fächer auf das Sofa und stand auf. Ihre Beine kribbelten unangenehm von der Sitzposition. Die Neugier trieb sie sogleich zu der Staffelei. »Wow!«, entfuhr es ihr. Das Bild mochte erst zur Hälfte fertig sein, sah aber bereits sehr vielversprechend aus. War das künstlerische Freiheit, oder wirkten ihre Beine in dem Kleid tatsächlich so lang? Sasuke war neben sie getreten und betrachtete ebenfalls das Gemälde. »Wie findest du es?«, fragte sie. »Es sieht ganz gut aus, aber mich stört die Art, wie es entstanden ist.« Die Vorstellung, dass irgendein potentieller Verrückter dieses Bild in Auftrag gegeben hatte, ließ eine leichte Übelkeit in ihr aufsteigen. Auch der Schnitt des Kleides, ihre Sitzposition und der Fächer waren die Vorgaben des Fremden. Sasuke schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Was auch immer er damit vorhat, wird er sowieso nicht tun können. Der Chef hätte der Sache nicht zugestimmt, wenn er nicht überzeugt davon wäre.« Sie nickte und bemühte sich um ein Lächeln. * »Verdammt!«, fluchte Kakashi und sprintete den Flur entlang. Wie war der Kerl hereingekommen? Sie hatten alle Fenster gesichert und den Lüftungsschacht - der sein Favorit unter den Mutmaßungen des Einbruchsweges gewesen war - bewacht. Trotzdem war der Dieb in die Galerie gekommen und hatte sich das Porträt unter den Arm geklemmt. Eigentlich gab es nur noch eine andere Möglichkeit: Er musste das Alarmsystem der Türen irgendwie umgangen sein. Vielleicht steckte mehr als eine Person dahinter. Aber diese Fragen würden später gestellt werden müssen. Jetzt kam es darauf an, den Dieb aufzuhalten. Seine Schritte hallten durch den Gang. Sasuke, Sakura und Naruto waren ebenfalls alarmiert und auf dem Weg nach Draußen oder schon dort. Der Kerl war verdammt schnell. Eben hatte er ihn noch um die Ecke verschwinden sehen. Als er dort ankam, war er nicht mehr zu sehen. Das Fenster stand offen. Kakashi zögerte nicht lange und sprang hinaus. Tatsächlich entdeckte er draußen die Gestalt, die sich nun über den Rasen in Richtung Straße bewegte. »Sasuke, er kommt in eure Richtung«, gab er durch und legte noch einen Zahn zu, um den Anschluss nicht zu verlieren. »Verstanden.« »Naruto?« »Komme.« Es nieselte schon seit einer ganzen Weile, wodurch der Boden unter seinen Füßen aufgeweicht und glitschig war. Trotzdem gab er nicht nach. Sie würden den Täter auf jeden Fall fassen. Tatsächlich fuhr Naruto gerade vor, als Kakashi bei ihm ankam. Er riss die Tür auf und knallte auf den Beifahrersitz, als Naruto bereits wieder anfuhr. Der Motor jaulte auf und Naruto grinste. Er liebte die Verfolgungsjagden im Straßenverkehr. Vielleicht etwas zu sehr. Zum Glück hatte Sasuke sich an den Dieb gehängt. Mit dem Motorrad und seiner Fähigkeit konnte man ihn kaum je abhängen, sodass sie seinem GPS-Signal folgen konnten. »Da vorne nach rechts«, dirigierte er Naruto. Die Reifen quietschten. Sasuke ebnete ihnen den Weg, indem er Fußgänger davon abhielt, die Ampeln zu betätigen, die auf ihrem Weg lagen oder Autofahrer ihre Pläne ändern ließ. Viele würden heute zu spät zu ihren Verabredungen kommen, und hinterher gar nicht mehr wissen, warum sie umgekehrt waren. So holten sie den Abstand schnell auf und hefteten sich an Sasuke. Der Dieb führte sie in einen abgelegeneren Teil der Stadt, der von mehr oder weniger leerstehenden Fabriken dominiert wurde. Ihr Erpresser steuerte auf ein Gelände zu, das mit hohen Zäunen eingegrenzt war. Er stoppte kurz, ließ das Fenster herunter und tippte einen Code in das Panel daneben ein. Das Tor öffnete sich und schloss wieder, sobald er es durchquert hatte. Sicherlich glaubte er, sie damit loswerden zu können. Sie stellten ihre Fahrzeuge ab und stiegen aus. »Na dann mal los.« Kakashi ging zu dem Eingabefeld und kopierte die Handbewegungen, die er sich von ihrem Erpresser abgeschaut hatte. Das Tor öffnete sich und die vier betraten das Grundstück. Am Himmel hatten sich die Wolken zusammengezogen, sodass sie ihre Taschenlampen auspacken mussten, um das Gelände zu erkunden. Das Licht fiel auf kargen Betonboden, zerfledderte Kartons und Kisten sowie Metallfässer, die an den Hauswänden standen. Es gab nur zwei Gebäude. Schnell wurde klar, dass es sich bei dem einen Haus um eine ziemlich verwahrlost wirkende Wohnung handelte und bei dem anderen um eine Garage. Beides war verschlossen. Hatte der Dieb sich schlafen gelegt? Oder lauerte er irgendwo? Sie mussten wachsam bleiben. Kakashi tastete nach seiner Waffe. Für den Fall der Fälle wäre er bereit, sie zu benutzen. Auch wenn er Schusswaffen verabscheute. Der Nahkampf war ihm deutlich lieber. Leider konnte man es sich manchmal nicht aussuchen. Vor der Eingangstür der Wohnung blieben sie stehen. »Darf ich? Darf ich?« Naruto trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Kakashi hatte absichtlich einen gewissen jemand, der normalerweise die Türen für sie öffnete, von diesem Auftrag ausgeschlossen. »Bitte.« Naruto grinste breit, schob sich die Ärmel hoch und legte dann Hand an die Tür an. Es dauerte nur zwei Sekunden. Ein lautes Krachen verkündete den Sieg von übernatürlich harter Muskelkraft über eine wehrlose Tür. Eigentlich war es wenig elegant, sich auf diese Art und Weise Zugang zu verschaffen. Dafür war es wirkungsvoll. Sie fanden den Erpresser in dessen Bett. Er schien sich tatsächlich schlafen gelegt zu haben, trug nur Unterwäsche und blickte sie aus müden Augen an. Was für eine sorglose Natur. Er leistete auch keine Gegenwehr und ließ sich von Sasuke festnehmen, als hätte er bereits damit gerechnet. In der Garage fanden sie schließlich auch das Gemälde, zusammen mit einigen anderen, die vermutlich auch aus seinen Erpressereien stammten. Fragen beantwortete der unscheinbare Kerl jedoch keine. Stattdessen starrte er die ganze Zeit über Sakura an, die einen möglichst großen Sicherheitsabstand einnahm und sich mehrmals sogar hinter Naruto zu verstecken schien. Aber irgendwie konnte er das verstehen. Der Kerl war definitiv in wenig gruselig. Ehrlich gesagt wirkte dieser ganze Tage seltsam, wenn er ihn rückblickend betrachtete. Dieser Typ wirkte bei weitem nicht wie ein technisches Genie. Wie war er ausgerechnet auf Sakura gekommen? Okay, sie war ein hübsches junges Mädchen, aber davon gab es viele in der Großstadt… Wie hatte er den Alarm umgangen? Wieso hatte er sie direkt zu seinem Versteckt geführt? Hatte er nicht bemerkt, dass er verfolgt worden war? Wieso hatte er keinen Widerstand geleistet? Vielleicht sah er Gespenster, aber vielleicht war auch mehr an der Sache dran, als sie angenommen hatten. Hoffentlich würden die Ermittlungen und Befragungen der Polizei etwas ergeben, das seine Gedanken beruhigen konnte. * »Kann ich dich noch auf eine Pizza einladen?« Ein Hauch von Überraschung lag in Sasukes Blick, als er stehen blieb. »Ich will die Sache von vorgestern Nacht wieder gutmachen.« »Du schuldest mir nichts.« »Aber ich möchte es gerne«, beharrte sie. »Also, nur wenn du nichts anderes vorhast natürlich. Ich meine, wir können es auch verschieben.« Er ließ seine Hände in die Hosentaschen gleiten. »In Ordnung.« * »Was war auf den anderen Gemälden?«, fragte Genma und schob ihm eine Flasche Bier zu. »Jedenfalls keine jungen Frauen. Landschaften. Stillleben.« »Das macht es noch verdächtiger.« Kakashi nickte und öffnete das Bier. Genmas Wohnung war zwar auch eine Junggesellenbude, aber deutlich gemütlicher, als seine eigene. Es hingen sogar Bilder an den Wänden und es gab Gardinen, Lampen und Pflanzen, ein Sofa, einen Fernseher, eine Musikanlage … eben alles, was ein normaler Mensch besaß. Aber eigentlich vermisste er diese Sachen nicht. »Ihr solltet ein zusätzliches Auge auf Sakuras Sicherheit werfen. Zumindest für die nächste Zeit.« Genma hatte Recht. Er hatte auch schon darüber nachgedacht, sich dann aber sofort wieder gefragt, ob er damit nicht überreagierte und ihre Angst nur unnötig vergrößerte. Draußen gewann das Unwetter an Stärke. Der vom Wind gepeitschte Regen prasselte so hart gegen die Fensterscheibe neben ihnen, dass man befürchten musste, sie würde irgendwann nachgeben. Er nickte Genma zu und nahm dann einen großen Schluck von seinem Bier. Eine Weile saßen sie schweigend da, dachten nach, tranken und beobachteten das Wetter. * Mit Sasuke eine Unterhaltung zu führen, gestaltete sich weiterhin schwierig. Aber dafür hatte Sakura heute darauf geachtet, keinen Alkohol anzurühren. Etwas anderes machte ihr schon genug Sorgen. Sie stützte den Kopf auf die Hände und blickte hinaus. »Sie hatten gar keinen Sturm angesagt, oder?« »Keine Ahnung.« Sasuke lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und warf ebenfalls einen Blick nach draußen. »Wir haben gar keinen Schirm dabei«, bemerkte sie und rührte nervös in ihrem Kaffee herum. Es war schon relativ spät und so wie es aussah, saßen sie hier noch eine Weile fest. Irgendwie endete es immer in einem Fiasko, wenn sie mit Sasuke zusammen war. Heute würde er sich wieder wegen ihr die halbe Nacht um die Ohren schlagen. Also … nicht in dem Sinne, wie sie es sich eigentlich gewünscht hätte, sondern- »Du kannst mit zu mir kommen. Von hier ist es nicht weit.« »Was?!«, entfuhr es ihr, ehe sie sich zurückhalten konnte. Fast hätte sie ihren Kaffee umgestoßen. »Wir können auch gemeinsam hier warten, bis es aufhört«, erwiderte er gleichmütig. »N-nein, du musst nicht hier mit mir rumsitzen. Ich wollte dich nur einladen, um mich zu entschuldigen. Und das habe ich ja, also…« »Wie du meinst.« Er stand auf. Sie ballte die Hände zu Fäusten, ohne es zu merken. Wieso bist du nur so schwer zu durchschauen, Sasuke? * Kakashi hob den Kopf, als die Zimmertür klappte. Genma rieb sich die Haare mit einem Handtuch trocken und schob die Tür mit dem Fuß hinter sich zu. »Das ist wirklich nicht das selbe«, sagte Kakashi und deutete auf das Buch, das Genma ihm vorhin als Ersatz für seine Lieblingsromane gegeben hatte. »Ist das gut oder schlecht?«, fragte sein Freund während er durch den Raum lief und das Handtuch über eine Stuhllehne legte. »Wie man es nimmt.« Er klappte das Buch zusammen und legte es auf den Nachtschrank. »Du kannst die Sonnenbrille jetzt abnehmen.« Genma löschte das Licht, sodass nur noch die kleine Lampe bei Kakashi brannte und warf sich neben ihm auf das Bett. Kakashi bedachte ihn mit einem verständnislosen Blick. Dann schaltete er die Lampe aus. »Du schläfst doch nicht damit?« Genma saß immer noch aufrecht im Bett, während Kakashi sich bereits gemütlich in die Decke einrollte. »Im Ernst, Kumpel.« Genma griff im Halbdunkel nach der Brille und zog sie ihm vom Gesicht. »Ich weiß, wie deine Narbe aussieht.« Eigentlich hatte die Sonnenbrille nicht viel mit Eitelkeit zu tun. Es war eher eine Gewohnheit, die er schlecht loslassen konnte. Und natürlich hielt sie neugierige Blicke fern. Und irgendwie hielt sie dabei auch alles andere fern… Kakashi seufzte. Die Bettwäsche raschelte. Eine Hand strich durch seine Haare. Kakashi wollte sich abwenden, aber Genma hielt ihn fest. Eine Weile verharrten sie so. Es war ein innerer Kampf, den er in den letzten Jahren immer seltener gefochten hatte. Einer, der Narben hinterließ, die man nicht sehen konnte. Trotzdem gab er dieses Mal nach, ließ sich in die Umarmung ziehen, spürte die Wärme, roch Genmas Shampoo und fühlte sich glücklich und unglücklich zur selben Zeit. Nur für einen Moment. Kapitel 3: Event Three ---------------------- Obwohl Sasukes Wohnung tatsächlich fast um die Ecke war, und sie sich einen Regenschirm von der Chefin des Cafés hatten ausleihen dürfen, waren sie nass bis auf die Haut, als die Wohnungstür zufiel. Wind und Regen waren einfach keine gute Wetterkombination für einen Spaziergang. Neugierig ließ Sakura ihren Blick durch die heiligen Hallen von Sasukes Wohnung schweifen und vergaß dabei fast die klamme Kälte, die sie umarmte. »Hier.« Sasuke war so schnell in eins der Zimmer gehuscht und mit einem kleinen Stapel Kleidung zurückgekommen, dass sie es kaum bemerkt hatte. Wasser tropfte von seinen Haaren auf den Fußboden. Sie brauchte einen Moment, ehe sie verstand, was er wollte. Sie nahm die Sachen entgegen. »Da ist das Badezimmer.« Er zeigte auf die Tür am Ende des Flurs. Auf ihr Nicken wandte er sich wieder um und streifte sich im Gehen das durchnässte Hemd von den Schultern. Es fiel auf den Boden vor dem Zimmer, in das er verschwand, um sich umzuziehen. Erst das Zittern ihres Leibes erinnerte Sakura daran, dass sie ins Bad gehen und sich ebenfalls umziehen sollte. Sie schloss die Tür hinter sich ab und begann, sich aus den nassen Sachen zu schälen, die auf ihrer Haut klebten. Ihre Gedanken schweiften wieder zu Sasuke. Er musste sie langsam hassen, oder? Immer wieder brachte sie ihn in blöde Situationen. Dass er immer noch so nett zu ihr war, lag wahrscheinlich nur daran, dass sie Arbeitskollegen waren und daher miteinander auskommen mussten. Sie seufzte. Für die nächste Entschuldigung musste etwas her, das nicht wieder nach hinten losging. Selbstgebackener Kuchen oder so was. Aber wahrscheinlich würde sie da bei ihrem Glück irgendeine Zutat einbringen, gegen die er allergisch war. Sie zog sich das T-Shirt über, das Sasuke ihr gegeben hatte. Natürlich war es etwas zu groß, aber dafür warm und trocken. Und es roch angenehm. Die Jogginghose ließ sich zum Glück eng genug zuziehen, um auf ihren Hüften Halt zu finden. Sie betrachtete sich im Spiegel während sie ihre Haare mit einem Handtuch abtrocknete. Das Outfit war wirklich keines, in dem sie Sasuke gerne gegenübertreten wollte. Sie sah aus, wie einer der Kumpels aus dem Fitnessstudio. Nur eben mit rosa Haaren. Egal, ihre Chancen bei ihm - falls die je real existiert hatten - hatte sie inzwischen wohl ohnehin verspielt. Sasuke war damit beschäftigt, Bettzeug durch den Flur zu tragen, als sie aus dem Bad heraustrat. »Ich warte, bis der Sturm vorbei ist und nehme ein Taxi nach Hause«, bot sie an. Zögerlich folgte sie ihm in den Raum, der wohl sein Wohnzimmer war. Er warf die Decke auf das Sofa. »Heute sollte keiner von uns mehr vor die Tür gehen. Du kannst in meinem Bett schlafen«, erklärte er und war schon wieder dabei, durch die Räume zu wuseln. Sakura spürte die Hitze auf ihren Wangen. Natürlich hatte er gemeint, sie könne ALLEIN in seinem Bett schlafen. Trotzdem ließ der Gedanke ihr Herz schneller schlagen. Ihr war wirklich nicht mehr zu helfen. »Ähm Sasuke? Ich bin der ungebetene Gast und sollte auf dem Sofa schlafen. Ich will nicht, dass du dir so viele Umstände wegen mir machst.« Er schien sie zu überhören. Sie lief ihm nach in das andere Zimmer - sein Schlafzimmer. Als sie das Bett sah, merkte sie, dass sie tatsächlich ziemlich müde war. »Wenn du irgendwas brauchst, dann sag mir Bescheid. Ich bin nebenan.« »Aber-« Die Tür klappte und Sasuke war verschwunden. Sie atmete kurz durch, um sich zu sammeln. Dann zupfte sie ihre Klamotten zurecht und ging ins Wohnzimmer. Zögerlich lehnte sie sich gegen den Türrahmen. Sasuke saß auf dem Sofa und schaute fern. Draußen blitzte es. Es sah aus, als würde die Welt vor seinem Wohnzimmerfenster untergehen. »Ich äh-« Er sah nicht genervt aus, als er sich ihr zuwandte. Es war das selbe Pokerface wie immer. »Hast du vielleicht eine Reservezahnbürste?« »In der Schublade unter dem Waschbecken.« »Okay. Danke!« Sie verschwand im Badezimmer und putzte sich die Zähne. Diese ganze Situation war so unangenehm, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte. Das würde ein sehr großer Kuchen werden müssen. Sie wusch sich das Gesicht und blickte in den Spiegel, fuhr sich prüfend durch das fast wieder trockene Haar. Als sie merkte, wie lächerlich der Gedanke war, jetzt gut aussehen zu wollen, ließ sie die Hand sinken. Sasuke musste sie nach alldem hassen. Er war so weit entfernt von ihr, wie nie zuvor. Und sie war selber schuld daran. Sie seufzte erneut. Dabei hatte sie es so weit geschafft, in seine Wohnung, in sein Schlafzimmer … nur eben alleine. Sie warf ihrem Spiegelbild ein schiefes Lächeln zu und verließ das Badezimmer, um noch einen kurzen Blick auf Sasuke zu werfen, bevor sie schlafen ging. »Gute Nacht Sasuke. Und danke, dass ich hier bleiben darf. Das ist unheimlich nett von dir.« Sie neigte den Kopf, lächelte ihm zu. »Der Boss hat mir geschrieben, dass ich auf dich achten soll.« Sie presste die Lippen zusammen. Also war es gar kein Akt der Freundlichkeit sondern eine berufliche Pflicht? Sie gab sich Mühe, das Lächeln aufrecht zu erhalten, bis sie sich umdrehte und ins Schlafzimmer verschwand. * Die nächsten Tage waren verdächtig ruhig. Kakashi und sein Team hörten nichts mehr von Herrn Yamasaki und dem Erpresser. Letzterer schwieg eisern und sollte vorerst in Untersuchungshaft bleiben. Langsam verblassten die Sorgen. Sakura schien nicht in Gefahr zu sein. Trotzdem hatte Kakashi Sasuke und Naruto gebeten, besonders gut auf sie zu achten. Erst eine Woche nach dem Unwetter tat sich ein neuer Fall auf, der nicht das übliche Nachspionieren hinter potentiell untreuen Ehepartnern oder etwas vergleichbar banales beinhaltete. Stattdessen beinhaltete er Drogen. Vermutlich. Sie würden es herausfinden. Kühle Nachtluft umwehte ihre Truppe. Sie standen in der Warteschlange vor dem Club, wie jeder andere Besucher auch. Naruto hatte sichtlich Spaß an ihrem heutigen Job. Wahrscheinlich weil Getränke inklusive waren. Und natürlich, weil Sakura dabei war. Kakashi lächelte milde. Spaß war in Ordnung nach all den Gefahren, die ihre Arbeit sonst mit sich brachte. Trotzdem durften sie den Auftrag nicht aus den Augen verlieren. Gemeinsam mit dem Strom der Clubbesucher gelangten sie bald hinein. Die Aufgabenstellung war klar: Hinweise auf den Umlauf und die Quelle der verdealten Drogen sammeln und später gemeinsam auswerten - und dabei möglichst nicht auffallen. Das war besonders wichtig. Herr Tachikawa, der Besitzer des Clubs, vermutete seinen Schwager hinter dem Drogenproblem, konnte aber ohne handfeste Beweise nichts tun, da seine Frau sich eher scheiden lassen würde, als ihren geliebten Bruder auch nur ansatzweise eines Verbrechens zu verdächtigen. Blut war eben dicker als Wasser. Aber auch Blut war nicht immer so sauber, wie man annahm. So trennten sich die vier auf, um besser ermitteln zu können und mischten sich unter das Volk. * Naruto stürzte sich sofort auf die Tanzfläche. Einen besseren Fall hätten sie kaum bekommen können. Sakura sah toll aus in ihrem kurzen Kleid, vielleicht war heute Abend die Chance, ihr ein bisschen näher zu kommen. Zumindest wenn Sissy nicht wieder dauernd dazwischenfunkte. Er hatte das Gefühl, dass er heute gute Karten hatte. Es beruhte darauf, dass Sakura Sasuke heute viel seltener ansah, als sonst. Vielleicht hatten die beiden gestritten. Oder Sakura hatte endlich erkannt, was für ein arroganter Idiot ihr Kollege sein konnte. Er grinste breit und bewegte sich ausgelassen zur Musik. Mann, er hatte lange nicht mehr getanzt. Sakura stand noch etwas unschlüssig am Rand der Tanzfläche und schaute sich um. Natürlich war Sasuke auch nicht weit, aber er hatte sich an die Bar gestellt und beobachtete von dort aus das Treiben. Ja, sie nahmen ihre Arbeit wie immer viel zu ernst. Naruto winkte Sakura zu, auf dass sie zu ihm kommen und ebenfalls tanzen sollte, aber sie schien ihn nicht zu sehen. Plötzlich stieß jemand gegen seinen erhobenen Ellenbogen. Ups. Er fuhr herum und erblickte eine junge Frau mit langen, bläulich schimmernden Haaren und den tollsten Augen, die er je gesehen hatte. Etwas verdutzt blinzelte er, ehe er auf die Idee kam, sich zu entschuldigen. »Oh, tut mir leid. Hast du dir wehgetan?« Sie rieb sich die Schulter und lächelte dann sanft. »Macht nichts. Alles in Ordnung.« Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Sie hatte etwas beinahe hypnotisches an sich. »Ich sollte dir als Entschuldigung einen Drink ausgeben.« Das war die perfekte Möglichkeit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Vielleicht wusste die junge Dame ja etwas über die Drogensache. Und falls nicht, war er um eine nette Bekanntschaft reicher. Sein Grinsen wurde noch breiter, als sie nickte. * Sakura fiel es nicht schwer, Informationen zu sammeln. Obwohl sie nicht viel tat, kamen immer wieder junge Männer in ihre Nähe. Einige lächelten ihr zu, einige fanden den Mut, sie anzusprechen, aber bisher hatte ihr niemand Drogen angeboten oder den Eindruck gemacht, welche intus zu haben. Letztendlich konnte sie sich nicht mehr ums Tanzen drücken. Der junge Mann wirkte sehr sympathisch und es war wohl die richtige Gelegenheit, um Sasuke aus ihren Gedanken zu verbannen. Also tanzte sie, lachte und war bereit, sich von der Musik forttragen zu lassen. * Sasukes scharfer Blick suchte den Raum nach Verdächtigen ab. Er musterte die eng beieinander stehenden Gruppen Jugendlicher, flirtende Pärchen und trinkende Kumpels, verfolgte jede Handbewegung, die eine Tüte oder Pillen aus einer Hosentasche oder sonstwoher fördern könnte, achtete auf jeden Blick, suchte nach den Anzeichen, die Partydrogen normalerweise bei ihren Konsumenten hervorbrachten. Aber bisher war da nichts. Oder sie versteckten sich einfach zu gut. Naruto saß ein gutes Stück entfernt von ihm mit einem Mädchen an der Bar und unterhielt sich viel zu angeregt. Er war vollkommen abgelenkt und hatte den Auftrag sicherlich schon lange vergessen. Sakuras Haarschopf blitzte immer wieder in der tanzenden Menge auf. Kakashi tigerte unaufhörlich durch den Club. Er schien ebenfalls erkannt zu haben, dass die Drogen woanders ihre Besitzer wechselten - falls es denn welche gab. Vielleicht war es auch noch zu früh. * »Warum trägst du hier drin eine Sonnenbrille?« »Um geheimnisvoll zu wirken?«, erwiderte er und wandte sich der Frau zu, die ihn angesprochen hatte. Sie schien etwas angeheitert zu sein, vielleicht konnte sie ihm weiterhelfen. »Schüchtern, oder was?«, fragte sie und strich wie selbstverständlich über seinen Oberarm. »Dabei siehst du echt heiß aus.« Sie lachte und warf sich die blonde Mähne mit einem geübten Kopfschwung über die Schulter. Er hob eine Braue, sagte aber nichts. »Vielleicht brauchst du was, um ein bisschen locker zu werden, hm?« »Ja, vielleicht«, antwortete er lauernd. Sie lächelte, griff in ihre Hosentasche und zeigte ihm unauffällig den Inhalt ihrer Hand: zwei kleine rote Tabletten. »Fever. Wahnsinnszeug.« »Teilst du mit mir?« »Dann schuldest du mir was.« Ihre Augen funkelten gespannt. * Als Sasuke aus der Herrentoilette kam, konnte er aus dem Augenwinkel einen Blick auf zwei verdächtig wirkende Typen erhaschen. Einer von ihnen war Herrn Tachikawas Schwager Shingo, der ein Hemd mit dem Clublogo trug, das ihn als Angestellten auswies. Aber er hatte eben eindeutig etwas in seine Tasche gesteckt, das wie Geldscheine ausgesehen hatte und der Kerl, der jetzt an ihm vorbei schlenderte sah definitiv aus, wie ein Drogenopfer. Leerer Blick, aufgehitztes Gesicht, euphorisches Grinsen. Sasuke ging direkt zu Shingo. »Hi.« »Wie kann ich dir helfen?« Der Ton seiner Stimme sagte eher ›Verschwinde!‹, aber Sasuke ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht was Nettes verkaufen.« »Ich bin fürs Getränkelager zuständig. Kaufen kannste die Sachen an der Theke.« »Ich meinte eigentlich was anderes.« »Keine Ahnung, wovon du redest. Und jetzt lass mich weiterarbeiten.« Es war wohl doch nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte. Entweder er hatte die Beobachtung falsch gedeutet, oder der Typ war einfach nur vorsichtig. Sasuke ging zurück in den Hauptraum. Vielleicht konnte er den Käufer noch finden und von ihm etwas erfahren. * »Wow, du arbeitest also in einer richtigen Anwaltskanzlei?« Naruto packte seinen Drink und schüttete einen großen Schluck hinunter. Er wusste gar nicht, der wievielte es war. Er saß schon den ganzen Abend hier und trank und unterhielt sich sehr gut mit seiner neuen Bekanntschaft - Hinata. Sie hatte ihn schlichtweg in ihren Bann gezogen und sämtliche Gedanken an seine Kollegen und den Auftrag vertrieben. »Es ist nicht so besonders, wie es sich anhört«, erwiderte sie bescheiden und lächelte dieses unheimlich sanfte Lächeln. Er grinste ihr zu und sie sahen sich eine Weile nur an, bis Hinata den Blick abwandte. »Und was machst du, Naruto?« »Ich bin Detektiv«, posaunte er mit stolz hervorgestreckter Brust heraus, bevor ihm einfiel, dass er das nicht hätte sagen sollen. »Das ist natürlich total geheim, aber dir kann ich es ja verraten, oder?«, fügte er schnell mit leicht gesenkter Stimme und hinter vorgehaltener Hand hinzu. Mit großen Augen schaute sie ihn an, schien unsicher darüber zu sein, ob er einen Scherz machte, oder es ernst meinte. »Ich suche nach einem Drogendealer in diesem Club. Weißt du irgendwas darüber?« Er hatte sich ein Stück vorgelehnt, damit er leiser sprechen konnte. Hinata errötete leicht und schaute zur Seite. »Nein, ich weiß nichts davon. Aber das klingt ziemlich gefährlich.« »Ach was!« Naruto klopfte sich mit der Faust auf die Brust. »Für mich ist das nicht gefährlich.« Sollte Sasuke nochmal sagen, dass er seine Arbeit nicht ernst nahm. Er hatte immerhin jemanden befragt. * Auf einmal wandte sich der nette junge Mann, mit dem sie sich eben noch unterhalten hatte ab, als wäre ihm etwas wichtiges eingefallen und ließ sie stehen. Sakura runzelte die Stirn. »Hast du Kakashi gesehen?«, raunte Sasukes Stimme an ihrem Ohr. Sie drehte sich zu ihm um, vermied es aber, ihn direkt anzusehen. »Vorhin hat er da drüben mit einer blonden Frau in einem roten Kleid gesprochen. Aber ich habe ihn aus den Augen verloren.« »Irgendwas rausgefunden?« »Nichts.« »Ich schon. Wir sollten ihn suchen und uns neu beraten.« »Und Naruto?« Sasuke gab ein verächtliches Schnauben von sich und nickte mit dem Kopf Richtung Bar. »Der sitzt doch schon die ganze Zeit da drüben an der Theke und flirtet. Ich wette, er hat schon nach den ersten fünf Minuten vergessen, wieso er hier ist.« * Der kühle Wind schien ihr Gemüt keineswegs abkühlen zu können. Yukiko - falls das überhaupt ihr richtiger Name war - strahlte eine unnatürliche Hitze aus, als sie sich an ihn drückte. Ihre Augen blickten glasig zu ihm herauf. Sie wollte ihm die Brille abnehmen, aber er hielt sie gekonnt davon ab. »Du bist wirklich seltsam. Aber das gefällt mir«, sagte sie und legte ihre Arme um seinen Nacken, klammerte sich an ihn. Kakashi seufzte innerlich. Diese Ermittlungen waren anstrengender, als er erwartet hatte. Aber was tat man nicht alles für den Job. Zumindest hatte er die Substanz in der Tasche, aber da sie offenbar nur eine Kundin war, würden sie noch die Quelle ausfindig machen müssen. Vielleicht hatten die anderen etwas herausgefunden. Er würde sie einsammeln gehen, sobald er hier fertig war. Er ließ es zu, dass sie ihren Mund auf seinen presste und tat so, als würde er das gut finden, so wie sie es offensichtlich von ihm erwartete. »Komm mit zu mir nach Hause«, bat sie zwischen den Küssen. Ihre forschen Hände fanden keine Ruhe. Ihre Wangen fühlten sich fiebrig unter seinen Händen an. »Eigentlich ist es ja süß, dass du dich so zierst. Aber ich bin so furchtbar ungeduldig.« Sie zog ihn am Kragen zu sich heran und verwickelte ihn in einen weiteren, ziemlich gierigen Kuss, während sie ihn gegen die Mauer drückte. Er konnte spüren, dass sie vor Anspannung zitterte. Ihr Atem ging flach. Wahrscheinlich waren das bereits Auswirkungen der Droge. Nachdem sie ihm vorhin eine der Tabletten in die Hand gedrückt hatte, hatte sie selber die andere geschluckt. »Ich gehe es lieber langsam an«, sagte er wahrheitsgemäß und versuchte, sie mit sanfter Gewalt davon abzuhalten, ihn auf offener Straße auszuziehen. Sie ließ von seinem Hosenbund ab und streichelte sein Gesicht. Dann runzelte sie die Stirn. »Hast du es gar nicht genommen?« »Ich hebe es mir für die richtige Gelegenheit auf.« Sie stöhnte auf. »Du bist wirklich seltsam… Na gut. Ich gebe dir meine Telefonnummer und du rufst mich an, wenn es soweit ist.« Sie kramte einen Zettel aus ihrer Tasche. »Lass mich nicht zu lange warten!«, drohte sie und lachte. »Würde mir nie einfallen«, antwortete Kakashi und rückte seine Sonnenbrille zurecht, nachdem sie endlich - sehr widerwillig - von ihm abgelassen hatte. Oh Mann. Das waren hart erkämpfte Informationen. Er tastete in seiner Hosentasche nach der Tablette. Dann wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und machte sich auf die Suche nach dem Rest der Bande. * Es war weit nach Mitternacht, als alle wieder im Büro waren. »Es ist ziemlich sicher dieser Shingo«, sagte Sasuke. »Ich habe gesehen, wie er Geld von jemandem eingesteckt hat. Neben den Toiletten. Mir wollte er allerdings nichts verkaufen.« »Wahrscheinlich gibt er die Ware nur an bekannte Gesichter raus«, überlegte Kakashi und blickte dann zu Sakura und Naruto. »Was habt ihr erfahren?« »Leider nichts«, gab Sakura zu und senkte den Blick. »In Ordnung. Naruto?« »Naruto hat erfahren, wie viele Tequilas er nacheinander trinken kann, ohne vom Hocker zu kippen«, mischte sich Sasuke ein und verschränkte die Arme. »Ach Quatsch, ich habe natürlich Befragungen durchgeführt. Aber niemand hat was gesehen.« »Wie viele Personen außer dem Mädchen hast du denn befragt?« »Okay Schluss damit«, ging Kakashi dazwischen und holte die Tablette aus seiner Tasche. »Ich schicke das ins Labor. In drei Tagen, wenn wir das Ergebnis haben, geht es weiter. Sasuke, würdest du den Käufer wiedererkennen?« Er nickte. »Schätze schon.« »Gut. Dann ruht euch jetzt aus und passt auf euch auf. Wir sehen uns am Freitag.« *** »Das ist es!«, freute sich Naruto und betrachtete das Schild der Kanzlei. Es war Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel - der perfekte Tag für sein Wiedersehen mit Hinata. Er freute sich schon auf ihr Gesicht. Überraschungen waren seine Spezialität. Breit grinsend wartete er am Eingang. Einige Anzugträger mit wichtigen Aktenkoffern gingen an ihm vorbei. Das waren sicherlich die Anwälte. Ein bisschen beneidete er sie ja, dass sie mit der hübschen Hinata zusammenarbeiten konnten. Die meisten ignorierten ihn, wie er da stand und voll Vorfreude in sich hineinlachte. Einer jedoch stutzte, als er heraustrat, und sah ihn einen Moment lang an. Es waren kühle, graue Augen, die ihn innerhalb von Sekunden musterten. Schwarze Haare, blasse Haut und ein Blick der davon sprach, wie weit jemand wie er doch unter seinem Niveau lag. Ein wenig erinnerte er ihn damit an Sasuke. Aber von der Sorte Menschen gab es ziemlich viele. Naruto schnitt eine Grimasse und der Typ ging weiter. Endlich kam Hinata aus der Tür. Sie schien ihn nicht gesehen zu haben, denn sie war schon halb an ihm vorbeigelaufen, als er ihren Namen rief. Sie blieb stehen und wandte sich ihm zu. Ihre Augen wurden groß, als sie ihn erkannte. »Oh. Hallo Naruto! Was machst du denn hier?« »Ich wollte dich zum Mittagessen einladen.« Überraschung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Ich ähm… Das ist sehr nett von dir.« »Also, worauf hast du Lust? Wie wäre es mit Nudelsuppe?« * Der Bericht lag bereits am Donnerstagnachmittag vor. Was Yukiko als ›Fever‹ bezeichnet hatte, war eine synthetische Droge, deren Markenzeichen es war, den Konsumenten in einen fieberartigen Zustand zu versetzen und übersteigertes sexuelles Verlangen hervorzurufen - ja, das konnte er bezeugen… diese Frau war kurz davor gewesen, an Ort und Stelle über ihn herzufallen. Kopfschüttelnd betrachtete er die Liste der sonstigen Auswirkungen, die sich nicht viel besser lasen: Herabsetzung der allgemeinen Hemmschwelle, Ausgelassenheit, Selbstüberschätzung, Schwindel, Übelkeit, Wahnvorstellungen, Ansteigen des Blutdrucks. Es war eine recht neue Droge, die noch nicht lange im Umlauf war, sich aber zunehmender Beliebtheit erfreute, da sie günstig war und nicht sofort abhängig machte. Agentur Sieben würde ihren Teil dazu beitragen, die Verbreitung aufzuhalten. Sie würden Shingo Urasawa auf frischer Tat ertappen und die Drogen beschlagnahmen. * »Was ist eigentlich los?«, fragte Naruto und stemmte die Hände in die Hüften. Er und Sakura standen in der Nähe des Ganges, der zu den Toiletten führte, und beobachteten unauffällig Kakashi und Sasuke, falls ihr Einschreiten nötig werden würde. »Was meinst du?« »Dich und Sissy. Ich merke doch, dass irgendwas nicht stimmt. Du bist so anders. Erzähls mir ruhig!« Er lächelte ihr aufmunternd zu. Sakura nahm ihren Blick nicht von dem Flur. »Es ist nichts.« »Also kommst du wegen ›nichts‹ viel früher ins Büro, und nicht, weil du Sasuke auf dem Weg begegnen könntest? Und wegen ›nichts‹ gehst du nicht mehr mit uns Mittagessen und wegen ›nichts‹-« »Ist ja gut!« »Also?« »Ich gehe ihm aus dem Weg, weil ich ihm nur Probleme mache. Und weil ich… auf andere Gedanken kommen will.« »Ich kann mir nicht vorstellen, was das für Probleme sein sollen, Sakura.« »Schlafmangel zum Beispiel.« »Oh ja, das kenne ich.« Er grinste. »Was?!« * »Da drüben.« Sasuke deutete mit seinem Blick auf einen jungen Mann mit halblangem, schwarzen Haar und einer Tätowierung auf dem Oberarm. »Alles klar.« Ihre Wege trennten sich. Sasuke würde Den Typen möglichst unauffällig von seinem möglichen Harndrang beziehungsweise dem Betreten des Flures abhalten, während er seine Gestalt kopierte um zu beweisen, dass Shingo tatsächlich die Drogen verkaufte. Kakashi ging zu den Toiletten, verschanzte sich in einer der Kabinen und wartete ein paar Minuten, damit niemandem auffallen würde, dass jemand anderer herauskam, als zuvor hineingegangen war. Er warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Alles war perfekt, wie immer. Nun hieß es nur hoffen, dass es keinen Geheimcode oder etwas ähnliches gab, das ihn vorzeitig auffliegen lassen könnte. Kakashi verließ die Männertoiletten und blickte zu Shingo hinüber. Der lehnte an der Wand des Flurs und rauchte eine Zigarette. Als sich ihre Blicke trafen, veränderte sich seine vormals genervte Miene zu einem geschäftsmäßigen Lächeln. Ein gutes Zeichen. * Unauffällig bewegten sich Sakura, Naruto und Sasuke Richtung Gang, um Kakashi bei der möglichen Überführung zu unterstützen. Kriminelle, die auf frischer Tat ertappt wurden, neigten zu Fluchtversuchen. Oder sie schossen um sich. Natürlich hoffte Sakura, dass keine Waffen zum Einsatz kommen würden. Ihr Herz klopfte nervös, während sie sich den beiden näherten. Der Schwager griff in seinen Ärmel. Die Bewegung war gut getarnt und wenig auffällig, wenn man nicht darauf achtete, wie bei einem Taschenspieler. Etwas wechselte den Besitzer. Kakashi griff in seine Hosentasche. Plötzlich blitzte etwas auf. Naruto schnellte vor. Blut tropfte auf den Fliesenboden. Zum Glück war momentan niemand auf dem Weg zu den Toiletten, was sicherlich Sasukes Vorsorge zu verdanken war. Seine Fähigkeit war unfassbar nützlich und vielseitig. Sie eilte zu den anderen. Narutos Arm blutete. Kakashi hielt Shingo die Hände auf den Rücken und zerrte ihn weiter nach hinten in den Gang hinein. Naruto grinste sie an. »Jetzt komme ich auch mal wieder in den Genuss deiner Fürsorge, Sakura.« Sie schüttelte den Kopf. »Du bist unmöglich. Mach das nicht mit Absicht.« »Ich mache doch nur Spaß.« Er schob den Ärmel nach oben. Sie blickte sich kurz um, hielt dann ihre Handfläche über die Schnittwunde und konzentrierte sich. Schnitte waren gut zu heilen, leichter als Schüsse, zumal bei denen oft noch die Kugel herausgeholt werden musste. Es dauerte nur wenige Sekunden. Herr Tachikawa war vorab über den Plan informiert worden und eilte heran. Gemeinsam schleppten sie seinen Schwager in einen der Lagerräume, um ihn bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Da sie einmal hier waren, belohnten sie sich noch mit einer Runde Drinks. Dabei hatte ich mir ja eigentlich vorgenommen, nichts mehr zu trinken… Sie warf einen Seitenblick auf Sasuke. Sie hatte nun fast zwei Wochen lang versucht, von ihm loszukommen, und musste sich doch eingestehen, dass es nicht sehr gut funktioniert hatte. Und das würde es wahrscheinlich auch niemals, solange sie ihn ständig vor Augen hatte. Zum ersten Mal in ihrer ganzen Zeit in der Agentur dachte sie ernsthaft darüber nach, den Job zu kündigen. Unschlüssig schaute sie in ihr Glas. * Nachdem alle Drinks geleert waren, zerstreute sich seine Truppe und auch Kakashi trat den Heimweg an. Sie konnten relativ zufrieden mit dem Verlauf des Abends sein. Er hatte mit der Gegenwehr gerechnet, leider war es ihm trotzdem nicht gelungen, den Angriff zu unterbinden. Schade, dass keiner von ihnen die Fähigkeit hatte, versteckte Waffen aus der Ferne zu erkennen. Ob es so jemanden gab? Er wusste es nicht und er wusste leider auch generell noch sehr wenig über diese Besonderheiten, die ihm, Sasuke, Naruto und Sakura gegeben worden waren. Es war schon immer in ihm gewesen und damit ein Teil seines Lebens. Er hielt sich nicht für einen Superhelden, aber trotzdem war seine Entscheidung damals klar gewesen - er wollte Gutes damit tun. Heute zumindest war es ihm gelungen. Den restlichen Abend mit seinen Lieblingsromanen zu verbringen, hatte er sich auf jeden Fall verdient. Zum Glück war es nicht allzu weit. Er lief die Straße entlang und hing seinen Gedanken nach. Hinter ihm kamen stöckelnde Schritte näher und irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie zu ihm unterwegs waren. Als er sich umdrehen wollte, war die Person jedoch schon bei ihm, schlang ihre Arme um seinen Leib. Frauenhände wanderten über seinen Oberkörper. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da glitten flinke Finger seinen Hals und sein Kinn hinauf zu seinem Mund und ehe er in seiner Überraschung verstand, was passierte, schluckte er etwas herunter. Er griff sich aus Reflex an den Hals und versuchte, heraufzuwürgen, was man ihm aufgezwungen hatte. Zwecklos. Verdammt! »Du hast nicht angerufen«, raunte Yukiko. »Also dachte ich, ich nehme die Sache selbst in die Hand.« Er wand sich aus ihrem Griff und fuhr herum. »Was soll das?«, fragte er und gab sich keine Mühe, die Wut aus seiner Stimme zu verbannen. Diese Frau konnte doch nicht allen Ernstes herumlaufen und anderen Leuten ihre Pillen einwerfen. Ihre Augen funkelten ihn gierig an. »Jetzt komm, wir gehen zu mir. Oder lass es uns gleich hier-« »Ich habe kein Interesse.« »Lüg mich nicht an.« Ein leichtes Schwindelgefühl erfasste ihn. Er griff sich an den Kopf. Ich sollte so schnell wie möglich nach Hause gehen. »Gib dich einfach deinen Gefühlen hin.« Yukiko hatte den Moment genutzt und ihre Arme erneut um ihn gelegt. Energisch drückte er sie von sich. »Du weist nicht, was dir entgeht, Idiot!«, keifte sie, boxte gegen seine Schulter. »Warum habe ich überhaupt meine Zeit mit dir verschwendet?!« Damit wandte sie sich um und rannte davon. Sich innerlich verfluchend setzte er seinen Weg fort. Wieso hatte er auch nicht schneller reagiert? Wenn es jemand gewesen wäre, der ihm ernsthaft Schaden hätte zufügen wollen, würde er jetzt wahrscheinlich tödlich vergiftet in einer Gasse liegen. Da konnte er ja fast noch dankbar sein, dass es ›nur‹ eine Partydroge war, mit der er nun zu kämpfen hatte. Die Hitze, die nach und nach in ihm aufstieg, verdrängte die bissigen Gedanken. Er seufzte und beschleunigte seine Schritte. Es waren noch zwei Blocks bis nach Hause. Nach ein paar Minuten war ihm so heiß, als würde die Mittagssonne auf ihn herabbrennen. Eine kalte Dusche war genau was, was er brauchte. Er rief sich mühsam den Laborbericht in Erinnerung und hoffte, dass ihm wenigstens die Übelkeit erspart bleiben würde. Erleichtert atmete er aus, als er die Tür zu dem Mietshaus erreicht hatte. Im Treppenhaus musste er mehrmals Inne halten und warten, bis der Schwindel nachließ. Und diese Hitze! Er verstand nicht, wieso andere das für erstrebenswert hielten. Er unterdrückte den Impuls, sich das Hemd an Ort und Stelle auszuziehen. Es war gleich geschafft. Im dritten Stock angekommen tastete er sich an der Wand entlang zu seiner Wohnungstür. Seine Hand zitterte, als er den Schlüssel aus der Tasche zog. Er öffnete die Tür und schloss hinter sich ab. Geschafft. War doch gar nicht so- Im Wohnzimmer brannte Licht. Kakashi wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete tief durch. »Das ist kein guter Abend für einen Besuch«, sagte er und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Genma schaute von dem Roman auf. »Du hast ziemlich lange nichts von dir hören lassen, da musste ich doch mal nachsehen, was du so treibst.« »Entschuldige.« »Was ist los mit dir?« Genma klappte das Buch zusammen und kam auf ihn zu. »Nichts weiter. Nur ein anstrengender Abend.« Sein Freund blieb direkt vor ihm stehen und musterte ihn eindringlich. Seine Miene wurde ernst. Er hob die Hand und legte sie auf seine Stirn. Die Berührung fühlte sich angenehm kühl an. »Du hast Fieber.« Kakashi entglitt ein ironisches Lachen. Genma runzelte die Stirn. »Was ist los?«, wiederholte er. Der Boden begann urplötzlich zu rotieren. Kakashi geriet aus dem Gleichgewicht und fiel nach vorne. Genma hielt ihn auf und half ihm irgendwie dabei, sich auf den Boden zu setzen. Orientierung und Realität entglitten ihm für einige Sekunden. Selbst die Schwärze vor seinen Augen drehte sich. »Hier. Trink.« Kühles Wasser rann seine Kehle hinab. Es tat gut. Er blinzelte. Wo war seine Sonnenbrille? Seine Gedanken klärten ein wenig auf. Genma kniete vor ihm auf dem Boden. »Sprich mit mir, Kakashi.« Ihm war so heiß, dass er glaubte, zu verbrennen. Ohne es wirklich zu realisieren, begann er, sein Hemd aufzuknöpfen. Kapitel 4: Event Four --------------------- Der Stoff raschelte, als das Hemd von seinen Schultern glitt, aber es linderte die Hitze in seinem Körper kaum. Eher schien es nun noch schlimmer zu werden. Sein Herz schlug wild gegen seinen Brustkorb und ein Kribbeln schlich über seine Haut. Er sah Genma bei sich auf dem Boden hocken. Sein Blick war ernst und besorgt und er sprach mit ihm, doch seine Wahrnehmung verschwamm immer wieder. Am Ende war er sich gar nicht mehr sicher, ob das hier Realität oder Einbildung war. Er atmete tief durch und versuchte, die Gedanken zu ordnen. Fever. Er sollte am besten einfach schlafen und abwarten, bis es vorbei war. Aber er war in solcher Aufruhr, dass das unmöglich schien. Andere Begierden wollten die Kontrolle übernehmen. Er musste das verhindern. »Bitte geh.« Ein Hauch von Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. Genma zog ihn auf die Beine. Kakashi wusste, dass er ein viel zu guter Freund war, um sich einfach wegschicken zu lassen. Der Schwindel schien vorüber zu sein. Kakashi schleppte sich in sein Schlafzimmer, und Genma folgte ihm. Das Laken war angenehm kalt auf seiner Haut. Er seufzte. Wieder strichen Finger prüfend über seine Stirn, dann über seine Wange. Ein wohliger Schauer rollte über seinen Rücken. Der Rest seines wachen Verstandes sträubte sich dagegen. Es war ein unfairer Kampf. Er würde nicht schlafen. Und er wollte nicht, dass Genma ging. Er wollte nur, dass es aufhörte. Er griff nach seinem Arm und zog ihn zu sich. Er konnte Genmas Blick nicht mehr lesen, war das Verwunderung, Besorgnis oder etwas ganz anderes? Es war egal. »Kakashi, du-« Seine Hände fanden Genmas Nacken, zogen ihn zu sich herunter, seine Finger glitten über den Haaransatz. Es passierte einfach. Er war nicht stark genug, sich gegen den Drang zu wehren; das Fieber machte ihn schwach. Er wollte ihn anfassen, er wollte ihn bei sich haben, er wollte all das, was er sich seit Monaten und Jahren verbot. Die guten Gründe waren in diesem Moment nicht mehr greifbar. Er gab es auf. »Bitte bleib«, hörte er sich sagen. Die Matratze senkte sich etwas unter dem zusätzlichen Gewicht. Kühler Atem streifte seine Wange. Haarsträhnen kitzelten sein Gesicht. Fingerspitzen zogen sanft die Narbe an seinem Auge nach. Es war eine so intime Berührung, dass sie ihm sofort eine Gänsehaut bescherte. Alles kam ihm vor, wie ein Film, den er vor sich ablaufen sah, in den er nicht eingreifen konnte und wie ein entfernter Traum, von dem er nicht wusste, ob er ihn liebte oder hasste. Er wollte es herausfinden. Fever wollte es herausfinden. Gab es überhaupt noch einen Unterschied? Heiße Lippen legten sich auf seine eigenen, töteten die Zweifel. Seine Finger glitten durch weiches Haar, hinab zu den Schultern, über den Stoff, öffneten Knöpfe, streichelten die freigelegte Haut. Jeans rieb gegen Jeans als Genma ihm noch näher kam und eine Hand in seinen Haaren vergrub. Immer gieriger wurden die Küsse, immer größer der Hunger. Alles ging so schnell. Die Anspannung, die sich in ihm aufbaute, war fremd und unerträglich. Fahrig strichen seine Hände über Genmas Rücken, spürten harte Muskeln und weiche Haut, ergriffen seine Hüften. Ihre Lippen trennten sich. Aus halb geöffneten Augen sah er zu seinem Freund auf, sah, wie er sich auf die Unterlippe biss, wie sich Erregung und Skepsis bekämpften. Etwas in ihm wollte sich bei diesem Anblick auflehnen und hier und jetzt beenden, was sie begonnen hatten, aber es verklang ungehört in dem fiebrigen Chaos, das in ihm tobte. Hitze und Gier trieben ihn weiter, brachten ihn dazu, sein Becken zu heben und gegen Genmas zu reiben. Ein wohliges Beben durchlief ihn, als sie sich gegeneinander bewegten. Der kurze Moment der Vernunft war vorüber, die Skepsis verschwunden, vom Feuer zu Asche verbrannt. Wieder verloren sie sich in wilden Küssen, als hätten sie ihr Leben lang darauf gewartet, genau das zu tun. Hatten sie? Er konnte nicht darüber nachdenken. Jede Berührung schickte neue Schauer über seine Haut, erzeugte neue Hitze. Feuchte Lippen an seinem Hals ließen sein Herz schmerzhaft heftig schlagen. Der Schwindel kam zurück, ließ ihn vergessen, wo oben und unten war. Seine Finger verhakten sich in Genmas Hosenbund, zogen bis der Stoff endlich rutschte. Eine Hand streichelte seinen Oberkörper, streifte seine harten Brustwarzen, dann seinen Bauch, öffnete seine Jeans, glitt hinein. Kakashi keuchte rau auf und wand sich unter der Berührung, nach der sich sein Körper so gesehnt hatte. Eine neue Welle der Hitze schwappte über sein Gesicht. Genmas Küsse versiegelten sein leises Stöhnen. Es fühlte sich so gut an, so befreiend. Jeder Gedanke kreiste um das heiße Prickeln in seinem Schoß, das ihm noch mehr und noch mehr versprach und er wollte all das haben, obwohl er nicht glaubte, dass er es überhaupt ertragen könnte. Genmas Hand schloss sich fester um ihn, bewegte sich schneller, als ob er genau wusste, was er brauchte. Ihre Blicke trafen sich. Sein Atem wurde flacher. Kakashi verlor gänzlich die Kontrolle über sich und seine Hände, spürte bald nur noch heiße Haut auf heißer Haut, immer zügelloser, immer härter. Seine Sicht flackerte, flirrte in der Hitze, verschwamm. Er drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Er brauchte nicht zu sehen, was er tat. Genmas Keuchen an seinem Ohr bedeutete, dass es richtig war. Das Fieber verbrannte ihn. Was sich da in ihm auftürmte war zu intensiv, zu heftig, er wollte davor zurückweichen. Aber dafür war es längst zu spät. Die Laute, die aus seiner Kehle drangen, konnten unmöglich seine eigenen sein. Alles überschlug sich. * Gänsehaut kroch über Sakuras Schultern als sie endlich die Tür hinter sich zuschlug. Den ganzen Weg hierher hatte sie sich verfolgt gefühlt. Jetzt fühlte sie sich sicherer. Hätte Naruto ihr heute Nacht angeboten, sie zu begleiten, hätte sie es angenommen. Aber der war gleich als erster losgestürmt, völlig untypisch. Sie schüttelte den Kopf und ging ins Badezimmer. Das Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken. Das Handtuch war ihr aus der Hand gerutscht. Still blieb sie stehen. Jemand war an ihrer Tür. Der, der sie verfolgt hatte? War es am besten, so zu tun, als wäre sie nicht da? Sie hielt den Atem an, fasste sich dann aber ein Herz und schlich zur Tür, um durch den Spion zu lugen. Was? Sie beeilte sich, die Tür aufzuschließen. »Hi.« »Sasuke, was machst du hier?« »Ich will mit dir reden.« Die Hoffnung, die dieser Satz in ihr wachsen ließ, ärgerte den Teil von ihr, der sich entschlossen hatte, mit dem Kapitel ›Sasuke‹ abzuschließen. Aber vielleicht war das zu voreilig gewesen. Oder aber der richtige Tiefschlag kam jetzt erst noch. Vielleicht wollte er ihr abseits der anderen mal ordentlich die Meinung sagen. Angespannt lächelnd trat sie zur Seite. »Komm rein.« Sie führte Sasuke in den kleinen Wohnraum, aber keiner von ihnen schien sich hinsetzen zu wollen. »Du machst mir keine Probleme.« Naruto diese Quasselstrippe. »Wenn ich dir meine Hilfe anbiete, dann weil ich es will. Du solltest dir darüber nicht den Kopf zerbrechen.« Sie wusste nichts dazu zu sagen. Irgendwie war sie erleichtert. Andererseits stellte er gerade das kleine bisschen Klarheit, das sie sich inzwischen geschaffen hatte, wieder in Frage. Jetzt war sie, was seine Meinung zu ihr betraf fast wieder am Anfang angekommen. Sie hatte absolut keine Ahnung von ihm. »Warum kommst du mitten in der Nacht her, um mir das zu erzählen?« »Weil es wichtig ist.« Gott, wusste er eigentlich, was er ihr für eine Angst eingejagt hatte? Eine SMS hätte es auch getan. Aber irgendwie wurde sie nicht wütend. Nein, eher froh. »Okay. Danke.« Ein paar Sekunden schwiegen sie. Dann ging Sasuke wieder zur Tür. Sakura eilte ihm hinterher, um ihn zu verabschieden. »Dann komm gut nach Hause.« Sasuke drehte sich auf der Türschwelle nochmal um. Sie hatte nicht damit gerechnet und stockte, fast wäre sie gegen ihn geprallt. Er war so nahe, dass sie sich nur ein wenig hätte strecken und vorbeugen müssen, um ihn zu küssen. Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Perplex sah sie ihn an. Augenblicke vergingen. »Gute Nacht, Sakura«, sagte er schließlich und ging. * Als er erwachte, fror er. Sein Kopf war leer und fühlte sich dumpf an. Er zog die Decke weiter hoch und puzzelte die Erinnerungsfetzen in seinem Kopf zusammen. Den Dealer erwischt. Der Heimweg. Fever. Genma. Verdammt. Er unterdrückte ein Stöhnen und rieb sich die Stirn. Es hätte kaum schlechter laufen können. Die Erinnerung leuchtete in grellen Farben vor ihm auf. Gott, war das wirklich passiert? Er drehte sich auf die Seite und verdrängte das aufkommende Kribbeln in seinem Unterleib. Genma regte sich neben ihm. Er hörte das Knacken von Gelenken, als er sich streckte. »Wie geht es dir?«, fragte er. »Wieder normal.« »Gut.« Genma stand auf und ging um das Bett herum. Nur kurz streiften sich ihre Blicke. Genma trug sein übliches lässiges Grinsen zur Schau. Alles schien normal. Er verschwand im Flur. Eine Tür klappte. Kurz danach hörte er das Wasser rauschen. Kakashi setzte sich auf und sah sich verschlafen in dem kargen Zimmer um, während er versuchte, klare Gedanken zu fassen. Wo war eigentlich seine Sonnenbrille? Seine Hose lag zusammengefaltet auf dem Boden neben dem Bett. Sein Hemd von gestern ebenfalls. Er stand auf und ging in den Flur. Sie lag auf dem Schrank. Er setzte sie gerade auf, als Genma aus dem Bad kam. Grinsend schüttelte der den Kopf, als er ihn sah. »Zieh dir lieber was richtiges an. Sonst bekommst du noch Fieber.« Einerseits war es erleichternd, dass Genma die Sache so leicht nahm. Andererseits fühlte es sich an, als müsste er irgendetwas dazu sagen. »Genma-«, setzte er mit ernster Stimme an, und sah ihm in die Augen. Aber sein Freund hob die Hand und schüttelte den Kopf. »Ich kenne dich gut genug, Kakashi. Wir sind Freunde und dabei wird es bleiben. Es ist okay.« Er atmete aus. »Gut.« Damit ging er an Genma vorbei ins Bad, um zu duschen. Langsam, ganz langsam fiel die Last der vergangenen Nacht von ihm ab, während das kalte Wasser an ihm hinabrann. Alles würde so bleiben, wie es war. Und Gott wusste, er würde nie wieder in die Nähe solcher Drogen kommen. Das eine unfreiwillige Mal reichte für sein ganzes restliches Leben. Als er zurück ins Zimmer kam, um sich anzuziehen, war Genma schon fort. Gedankenverloren starrte er auf das Bett. * Dieser Tag konnte nur großartig werden! Es war Samstag, der Himmel war blau, die Sonne schien, er hatte frei und vor allem war er zu Hinata nach Hause eingeladen. Und das war immer noch nicht das Beste. Nein, sie wollte Nudelsuppe für ihn kochen. Er hatte seine Traumfrau gefunden. Oh Mann, er war echt richtig verknallt. Das Grinsen wollte gar nicht mehr von seinem Gesicht weichen. Die Welt war bunter und lebendiger, als sonst. Selbst Sasukes Sticheleien waren ihm fast egal geworden. Und auch Sakura … nein, er mochte sie immer noch. Aber jetzt, da er Hinata vor Augen hatte, sah er, dass sie vielleicht doch nicht die Richtige für ihn war. Trotzdem bleib er dabei, dass sie jemand besseren, als Sasuke verdient hatte. Heute trug er sein bestes Hemd, das er eine halbe Stunde lang gebügelt hatte. Dabei bügelte er sonst fast nie. Aber wann wurde er auch mal von einer wunderschönen jungen Frau zu einer selbstgemachten Nudelsuppe eingeladen? Er schaute auf die Uhr. Er war zu früh dran. Ha, wenn die anderen das sehen könnten. Die Gegend, in der Hinata wohnte, wirkte ganz anders, als sein Umfeld. Hier gab es mehr Anzugträger, mehr teure Autos, mehr Haarlack. Dass er hier nicht so wirklich ins Bild passte, war ihm aber völlig egal. Eine triste Landschaft brauchte auch mal einen Farbklecks. Vor dem Haus angekommen trat er noch ein paar Mal von einem Bein aufs andere. Jetzt machte sich doch etwas Nervosität breit. Er betrachtete den Blumenstrauß in seiner Hand. Wenn man eingeladen war, brachte man so was mit, oder? Er war sich nicht sicher. Er hätte Sakura vorher fragen sollen. Zu spät. Naja, Hinata würde sich bestimmt freuen. Er holte tief Luft und betrat das Mietshaus. Der Weg in den fünften Stock kam ihm unendlich lang vor, aber schließlich stand er doch vor ihrer Tür und klingelte. Sekunden später wurde ihm geöffnet und Hinata lächelte ihn an. »Hallo Naruto.« »Hi, da bin ich!« Er hielt ihr die Blumen hin. »Die sind für dich, ich hoffe, du magst sie.« Kurz sah sie überrascht aus, dann errötete sie und nahm ihm den Strauß ab. »Vielen Dank. Komm doch rein.« Sie hielt ihm die Tür auf. Naruto grinste und rieb sich ein wenig verlegen den Hinterkopf, bevor er eintrat. Hinata eilte an ihm vorbei, um die Blumen wegzubringen. »Ich bin leider noch nicht ganz fertig.« »Das macht doch nichts«, rief er ihr hinterher und schaute sich neugierig um. Hinatas Wohnung war groß, sauber und aufgeräumt. Also das komplette Gegenteil von seiner. Er musste unbedingt aufräumen, bevor er sie selber einlud. »Setz dich doch schon mal an den Tisch.« Er nickte und nahm an dem bereits gedeckten Esstisch Platz. Während Hinata noch in der Küche werkelte, ließ er den Blick schweifen. An den Wänden hingen Fotos, die wahrscheinlich ihre Familie zeigten. Es waren sehr viele Leute, aber alle hatten die dunklen Haare und die hellen Augen, die er an ihr so bewunderte. Ob Hinata viele Geschwister hatte? Er wusste so wenig über sie… aber heute würde er wieder etwas mehr über sie lernen. Er lächelte und lehnte sich zurück. Ein angenehmer Geruch streichelte seine Nase. Sein Magen knurrte. Zu seiner Rettung kam Hinata mit zwei Schüsseln dampfender Suppe. »Tut mir leid, dass du warten musstest.« Sie lächelte und setzte sich ihm gegenüber hin. »Das macht nichts.« Er strahlte sie an und betrachtete dann ehrfürchtig die dampfende Nudelsuppe. Als er nach seinen Stäbchen griff, bemerkte er, dass sie ihn mit einem merkwürdigen Blick musterte. Als er aufsah, erschien wieder das Lächeln. »Was ist los?«, fragte er. »Nichts. Ich… bin nur gespannt, ob du es magst.« Sie errötete wieder. »Ach so. Na dann werde ich es sofort probieren.« Er lachte und langte ordentlich zu. * »Was willst du?« »Meinen Bruder besuchen?« Sasuke hob eine Augenbraue. »Was willst du?«, wiederholte er im gleichen Tonfall. »Können wir drinnen darüber sprechen?« Nein. Er unternahm den halbherzigen Versuch, seinen Bruder so zu manipulieren, dass er es aufgab und ging, aber Itachi bewegte sich nicht. Er war schon immer irgendwie unempfindlich dagegen gewesen. Vielleicht lag es an ihrer Blutsverwandschaft. Schade aber auch. Also ging er zurück ins Wohnzimmer, ohne ihn ausdrücklich hineinzubitten und stellte sich mit verschränkten Armen ans Fenster. Er hörte, dass Itachi die Tür schloss und ihm dann folgte. Sein Bruder seufzte und ließ sich in das Sofa fallen. Einige Minuten verbrachten sie schweigend. Sasuke hatte ihm nichts zu sagen. Es gab nichts zu reden. Itachi hatte das Reden immerhin vor Jahren eingestellt. »Deine Wohnung gefällt mir.« Der Kommentar war Sasuke nicht mal ein verächtliches Schnauben wert. Was sollte das hier werden? War er gekommen um Wohnideen auszutauschen? Es sollte einfach sagen, was er sagen wollte und dann wieder auf nimmer Wiedersehen verschwinden. Das war schließlich seine leichteste Übung. »Du weißt, dass Mutter sehr krank ist.« Dieses Mal konnte er das Schnauben nicht unterdrücken. Natürlich wusste er das. Aber seit wann interessierte es ihn denn wieder? »Du brauchst nicht herkommen, um mir was über Familie zu erzählen.« »Du hast Recht«, gab Itachi zu. »Eigentlich wollte ich dich um etwas bitten.« Glaubte er wirklich, dass er nach all dem irgendwas von ihm zu erwarten hatte? Wie dumm war sein Bruder eigentlich? »Es geht dabei um sie.« Sasuke sah auf. Itachi über ihre Mutter sprechen zu hören hatte etwas abartiges. Er betrachtete ihn nicht mehr als Teil dieser Familie. »Sie würde gerne sehen, dass wir uns wieder versöhnen.« Sasukes Finger verkrampften sich. »Seit wann interessiert dich das?« Er schüttelte den Kopf. Vor Jahren hätte es so vieles gegeben, dass er ihm an den Kopf werfen wollte. Er hätte ihn angeschrien, bis seine Stimme versagte und ihn geschlagen bis seine Knöchel bluteten. Aber inzwischen war die Sache irgendwie so tief eingesickert, dass es keinen Ausbruch gab. Nur Verachtung und stillen Hass. »Ich habe nie aufgehört, mich für euch zu interessieren.« Sasuke erwiderte nichts. Es waren Lügen. Was sollte er dazu sagen? Man verschwand nicht einfach jahrelang ohne ein Wort und ohne eine Spur, hinterließ ein emotionales Trümmerfeld und fassungslose Menschen, wenn man sich in Wirklichkeit für seine Familie interessierte. Hielt er ihn für bescheuert? »Ich verstehe, dass das unerwartet kommt. Aber die Umstände sind nun mal so wie sie sind. Und wenn du kein Interesse daran hast, dann ist das auch dein gutes Recht. Aber bitte denk darüber nach, wenigstens Mutter zuliebe einmal mit mir gemeinsam im Krankenhaus zu erscheinen. Danach kannst du wieder so tun, als wäre ich tot.« Er blieb still und blickte aus dem Fenster. Die Sache war faul. Es ergab keinen Sinn. Itachi spielte nur mit ihm. »Bist du fertig?«, fragte er kühl. »Ich habe dir meine Handynummer notiert. Ruf mich einfach an, wenn du soweit bist.« Darauf kannst du lange warten. Kurz darauf klappte die Tür. Endlich konnte er in seiner Wohnung wieder atmen. Misstrauisch betrachtete er den Zettel. * Es war Montagmorgen und etwas fehlte im Büro der Agentur. Es war das rhythmische Trommeln von Turnschuhsohlen an seinem Schreibtisch und es waren freche Kommentare in Richtung Sasuke, die nicht da waren. »Wo ist eigentlich Naruto?«, fragte Kakashi und lehnte sich zurück. Sakura stellte eine Tasse Kaffee vor ihm auf den Tisch. Dann blickte sie auf die Uhr. »Hmm. Das ist merkwürdig. Es ist selbst für ihn schon reichlich spät.« »Wahrscheinlich hat ein neues Nudelsuppenrestaurant auf der Strecke hierher aufgemacht.« »Hoffentlich hast du Recht.« Eine gewisse Anspannung baute sich in dem Raum auf. Immer wieder zuckten ihre Blicke zur Uhr und aus dem Fenster, dann wieder zur Tür. Kakashi griff nach dem Telefon. »Er wird krank sein«, vermutete er und wählte. Aber die Ruftöne reihten sich endlos aneinander, ohne dass jemand am anderen Ende abnahm. Merkwürdig. Beunruhigung machte sich in ihm breit. Weder Krankheit noch Funkstille passten zu Naruto. »Ich werde zu ihm fahren und nachsehen«, beschloss Sakura. »Nein.« Kakashi leerte seinen Kaffee und stand auf. »Ich mache das. Ihr beiden bleibt hier.« Kapitel 5: Event Four (jugendfrei) ---------------------------------- Der Stoff raschelte, als das Hemd von seinen Schultern glitt, aber es linderte die Hitze in seinem Körper kaum. Eher schien es nun noch schlimmer zu werden. Sein Herz schlug wild gegen seinen Brustkorb und ein Kribbeln schlich über seine Haut. Er sah Genma bei sich auf dem Boden hocken. Sein Blick war ernst und besorgt und er sprach mit ihm, doch seine Wahrnehmung verschwamm immer wieder. Am Ende war er sich gar nicht mehr sicher, ob das hier Realität oder Einbildung war. Er atmete tief durch und versuchte, die Gedanken zu ordnen. Fever. Er sollte am besten einfach schlafen und abwarten, bis es vorbei war. Aber er war in solcher Aufruhr, dass das unmöglich schien. Andere Begierden wollten die Kontrolle übernehmen. Er musste das verhindern. »Bitte geh.« Ein Hauch von Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. Genma zog ihn auf die Beine. Kakashi wusste, dass er ein viel zu guter Freund war, um sich einfach wegschicken zu lassen. Der Schwindel schien vorüber zu sein. Kakashi schleppte sich in sein Schlafzimmer, und Genma folgte ihm. Das Laken war angenehm kalt auf seiner Haut. Er seufzte. Wieder strichen Finger prüfend über seine Stirn, dann über seine Wange. Ein wohliger Schauer rollte über seinen Rücken. Der Rest seines wachen Verstandes sträubte sich dagegen. Es war ein unfairer Kampf. Er würde nicht schlafen. Und er wollte nicht, dass Genma ging. Er wollte nur, dass es aufhörte. Er griff nach seinem Arm und zog ihn zu sich. Er konnte Genmas Blick nicht mehr lesen, war das Verwunderung, Besorgnis oder etwas ganz anderes? Es war egal. »Kakashi, du-« Seine Hände fanden Genmas Nacken, zogen ihn zu sich herunter, seine Finger glitten über den Haaransatz. Es passierte einfach. Er war nicht stark genug, sich gegen den Drang zu wehren; das Fieber machte ihn schwach. Er wollte ihn anfassen, er wollte ihn bei sich haben, er wollte all das, was er sich seit Monaten und Jahren verbot. Die guten Gründe waren in diesem Moment nicht mehr greifbar. Er gab es auf. »Bitte bleib«, hörte er sich sagen. Die Matratze senkte sich etwas unter dem zusätzlichen Gewicht. Kühler Atem streifte seine Wange. Haarsträhnen kitzelten sein Gesicht. Fingerspitzen zogen sanft die Narbe an seinem Auge nach. Es war eine so intime Berührung, dass sie ihm sofort eine Gänsehaut bescherte. [...] * Gänsehaut kroch über Sakuras Schultern als sie endlich die Tür hinter sich zuschlug. Den ganzen Weg hierher hatte sie sich verfolgt gefühlt. Jetzt fühlte sie sich sicherer. Hätte Naruto ihr heute Nacht angeboten, sie zu begleiten, hätte sie es angenommen. Aber der war gleich als erster losgestürmt, völlig untypisch. Sie schüttelte den Kopf und ging ins Badezimmer. Das Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken. Das Handtuch war ihr aus der Hand gerutscht. Still blieb sie stehen. Jemand war an ihrer Tür. Der, der sie verfolgt hatte? War es am besten, so zu tun, als wäre sie nicht da? Sie hielt den Atem an, fasste sich dann aber ein Herz und schlich zur Tür, um durch den Spion zu lugen. Was? Sie beeilte sich, die Tür aufzuschließen. »Hi.« »Sasuke, was machst du hier?« »Ich will mit dir reden.« Die Hoffnung, die dieser Satz in ihr wachsen ließ, ärgerte den Teil von ihr, der sich entschlossen hatte, mit dem Kapitel ›Sasuke‹ abzuschließen. Aber vielleicht war das zu voreilig gewesen. Oder aber der richtige Tiefschlag kam jetzt erst noch. Vielleicht wollte er ihr abseits der anderen mal ordentlich die Meinung sagen. Angespannt lächelnd trat sie zur Seite. »Komm rein.« Sie führte Sasuke in den kleinen Wohnraum, aber keiner von ihnen schien sich hinsetzen zu wollen. »Du machst mir keine Probleme.« Naruto diese Quasselstrippe. »Wenn ich dir meine Hilfe anbiete, dann weil ich es will. Du solltest dir darüber nicht den Kopf zerbrechen.« Sie wusste nichts dazu zu sagen. Irgendwie war sie erleichtert. Andererseits stellte er gerade das kleine bisschen Klarheit, das sie sich inzwischen geschaffen hatte, wieder in Frage. Jetzt war sie, was seine Meinung zu ihr betraf fast wieder am Anfang angekommen. Sie hatte absolut keine Ahnung von ihm. »Warum kommst du mitten in der Nacht her, um mir das zu erzählen?« »Weil es wichtig ist.« Gott, wusste er eigentlich, was er ihr für eine Angst eingejagt hatte? Eine SMS hätte es auch getan. Aber irgendwie wurde sie nicht wütend. Nein, eher froh. »Okay. Danke.« Ein paar Sekunden schwiegen sie. Dann ging Sasuke wieder zur Tür. Sakura eilte ihm hinterher, um ihn zu verabschieden. »Dann komm gut nach Hause.« Sasuke drehte sich auf der Türschwelle nochmal um. Sie hatte nicht damit gerechnet und stockte, fast wäre sie gegen ihn geprallt. Er war so nahe, dass sie sich nur ein wenig hätte strecken und vorbeugen müssen, um ihn zu küssen. Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Perplex sah sie ihn an. Augenblicke vergingen. »Gute Nacht, Sakura«, sagte er schließlich und ging. * Als er erwachte, fror er. Sein Kopf war leer und fühlte sich dumpf an. Er zog die Decke weiter hoch und puzzelte die Erinnerungsfetzen in seinem Kopf zusammen. Den Dealer erwischt. Der Heimweg. Fever. Genma. Verdammt. Er unterdrückte ein Stöhnen und rieb sich die Stirn. Es hätte kaum schlechter laufen können. Die Erinnerung leuchtete in grellen Farben vor ihm auf. Gott, war das wirklich passiert? Er drehte sich auf die Seite und verdrängte das aufkommende Kribbeln in seinem Unterleib. Genma regte sich neben ihm. Er hörte das Knacken von Gelenken, als er sich streckte. »Wie geht es dir?«, fragte er. »Wieder normal.« »Gut.« Genma stand auf und ging um das Bett herum. Nur kurz streiften sich ihre Blicke. Genma trug sein übliches lässiges Grinsen zur Schau. Alles schien normal. Er verschwand im Flur. Eine Tür klappte. Kurz danach hörte er das Wasser rauschen. Kakashi setzte sich auf und sah sich verschlafen in dem kargen Zimmer um, während er versuchte, klare Gedanken zu fassen. Wo war eigentlich seine Sonnenbrille? Seine Hose lag zusammengefaltet auf dem Boden neben dem Bett. Sein Hemd von gestern ebenfalls. Er stand auf und ging in den Flur. Sie lag auf dem Schrank. Er setzte sie gerade auf, als Genma aus dem Bad kam. Grinsend schüttelte der den Kopf, als er ihn sah. »Zieh dir lieber was richtiges an. Sonst bekommst du noch Fieber.« Einerseits war es erleichternd, dass Genma die Sache so leicht nahm. Andererseits fühlte es sich an, als müsste er irgendetwas dazu sagen. »Genma-«, setzte er mit ernster Stimme an, und sah ihm in die Augen. Aber sein Freund hob die Hand und schüttelte den Kopf. »Ich kenne dich gut genug, Kakashi. Wir sind Freunde und dabei wird es bleiben. Es ist okay.« Er atmete aus. »Gut.« Damit ging er an Genma vorbei ins Bad, um zu duschen. Langsam, ganz langsam fiel die Last der vergangenen Nacht von ihm ab, während das kalte Wasser an ihm hinabrann. Alles würde so bleiben, wie es war. Und Gott wusste, er würde nie wieder in die Nähe solcher Drogen kommen. Das eine unfreiwillige Mal reichte für sein ganzes restliches Leben. Als er zurück ins Zimmer kam, um sich anzuziehen, war Genma schon fort. Gedankenverloren starrte er auf das Bett. * Dieser Tag konnte nur großartig werden! Es war Samstag, der Himmel war blau, die Sonne schien, er hatte frei und vor allem war er zu Hinata nach Hause eingeladen. Und das war immer noch nicht das Beste. Nein, sie wollte Nudelsuppe für ihn kochen. Er hatte seine Traumfrau gefunden. Oh Mann, er war echt richtig verknallt. Das Grinsen wollte gar nicht mehr von seinem Gesicht weichen. Die Welt war bunter und lebendiger, als sonst. Selbst Sasukes Sticheleien waren ihm fast egal geworden. Und auch Sakura … nein, er mochte sie immer noch. Aber jetzt, da er Hinata vor Augen hatte, sah er, dass sie vielleicht doch nicht die Richtige für ihn war. Trotzdem bleib er dabei, dass sie jemand besseren, als Sasuke verdient hatte. Heute trug er sein bestes Hemd, das er eine halbe Stunde lang gebügelt hatte. Dabei bügelte er sonst fast nie. Aber wann wurde er auch mal von einer wunderschönen jungen Frau zu einer selbstgemachten Nudelsuppe eingeladen? Er schaute auf die Uhr. Er war zu früh dran. Ha, wenn die anderen das sehen könnten. Die Gegend, in der Hinata wohnte, wirkte ganz anders, als sein Umfeld. Hier gab es mehr Anzugträger, mehr teure Autos, mehr Haarlack. Dass er hier nicht so wirklich ins Bild passte, war ihm aber völlig egal. Eine triste Landschaft brauchte auch mal einen Farbklecks. Vor dem Haus angekommen trat er noch ein paar Mal von einem Bein aufs andere. Jetzt machte sich doch etwas Nervosität breit. Er betrachtete den Blumenstrauß in seiner Hand. Wenn man eingeladen war, brachte man so was mit, oder? Er war sich nicht sicher. Er hätte Sakura vorher fragen sollen. Zu spät. Naja, Hinata würde sich bestimmt freuen. Er holte tief Luft und betrat das Mietshaus. Der Weg in den fünften Stock kam ihm unendlich lang vor, aber schließlich stand er doch vor ihrer Tür und klingelte. Sekunden später wurde ihm geöffnet und Hinata lächelte ihn an. »Hallo Naruto.« »Hi, da bin ich!« Er hielt ihr die Blumen hin. »Die sind für dich, ich hoffe, du magst sie.« Kurz sah sie überrascht aus, dann errötete sie und nahm ihm den Strauß ab. »Vielen Dank. Komm doch rein.« Sie hielt ihm die Tür auf. Naruto grinste und rieb sich ein wenig verlegen den Hinterkopf, bevor er eintrat. Hinata eilte an ihm vorbei, um die Blumen wegzubringen. »Ich bin leider noch nicht ganz fertig.« »Das macht doch nichts«, rief er ihr hinterher und schaute sich neugierig um. Hinatas Wohnung war groß, sauber und aufgeräumt. Also das komplette Gegenteil von seiner. Er musste unbedingt aufräumen, bevor er sie selber einlud. »Setz dich doch schon mal an den Tisch.« Er nickte und nahm an dem bereits gedeckten Esstisch Platz. Während Hinata noch in der Küche werkelte, ließ er den Blick schweifen. An den Wänden hingen Fotos, die wahrscheinlich ihre Familie zeigten. Es waren sehr viele Leute, aber alle hatten die dunklen Haare und die hellen Augen, die er an ihr so bewunderte. Ob Hinata viele Geschwister hatte? Er wusste so wenig über sie… aber heute würde er wieder etwas mehr über sie lernen. Er lächelte und lehnte sich zurück. Ein angenehmer Geruch streichelte seine Nase. Sein Magen knurrte. Zu seiner Rettung kam Hinata mit zwei Schüsseln dampfender Suppe. »Tut mir leid, dass du warten musstest.« Sie lächelte und setzte sich ihm gegenüber hin. »Das macht nichts.« Er strahlte sie an und betrachtete dann ehrfürchtig die dampfende Nudelsuppe. Als er nach seinen Stäbchen griff, bemerkte er, dass sie ihn mit einem merkwürdigen Blick musterte. Als er aufsah, erschien wieder das Lächeln. »Was ist los?«, fragte er. »Nichts. Ich… bin nur gespannt, ob du es magst.« Sie errötete wieder. »Ach so. Na dann werde ich es sofort probieren.« Er lachte und langte ordentlich zu. * »Was willst du?« »Meinen Bruder besuchen?« Sasuke hob eine Augenbraue. »Was willst du?«, wiederholte er im gleichen Tonfall. »Können wir drinnen darüber sprechen?« Nein. Er unternahm den halbherzigen Versuch, seinen Bruder so zu manipulieren, dass er es aufgab und ging, aber Itachi bewegte sich nicht. Er war schon immer irgendwie unempfindlich dagegen gewesen. Vielleicht lag es an ihrer Blutsverwandschaft. Schade aber auch. Also ging er zurück ins Wohnzimmer, ohne ihn ausdrücklich hineinzubitten und stellte sich mit verschränkten Armen ans Fenster. Er hörte, dass Itachi die Tür schloss und ihm dann folgte. Sein Bruder seufzte und ließ sich in das Sofa fallen. Einige Minuten verbrachten sie schweigend. Sasuke hatte ihm nichts zu sagen. Es gab nichts zu reden. Itachi hatte das Reden immerhin vor Jahren eingestellt. »Deine Wohnung gefällt mir.« Der Kommentar war Sasuke nicht mal ein verächtliches Schnauben wert. Was sollte das hier werden? War er gekommen um Wohnideen auszutauschen? Es sollte einfach sagen, was er sagen wollte und dann wieder auf nimmer Wiedersehen verschwinden. Das war schließlich seine leichteste Übung. »Du weißt, dass Mutter sehr krank ist.« Dieses Mal konnte er das Schnauben nicht unterdrücken. Natürlich wusste er das. Aber seit wann interessierte es ihn denn wieder? »Du brauchst nicht herkommen, um mir was über Familie zu erzählen.« »Du hast Recht«, gab Itachi zu. »Eigentlich wollte ich dich um etwas bitten.« Glaubte er wirklich, dass er nach all dem irgendwas von ihm zu erwarten hatte? Wie dumm war sein Bruder eigentlich? »Es geht dabei um sie.« Sasuke sah auf. Itachi über ihre Mutter sprechen zu hören hatte etwas abartiges. Er betrachtete ihn nicht mehr als Teil dieser Familie. »Sie würde gerne sehen, dass wir uns wieder versöhnen.« Sasukes Finger verkrampften sich. »Seit wann interessiert dich das?« Er schüttelte den Kopf. Vor Jahren hätte es so vieles gegeben, dass er ihm an den Kopf werfen wollte. Er hätte ihn angeschrien, bis seine Stimme versagte und ihn geschlagen bis seine Knöchel bluteten. Aber inzwischen war die Sache irgendwie so tief eingesickert, dass es keinen Ausbruch gab. Nur Verachtung und stillen Hass. »Ich habe nie aufgehört, mich für euch zu interessieren.« Sasuke erwiderte nichts. Es waren Lügen. Was sollte er dazu sagen? Man verschwand nicht einfach jahrelang ohne ein Wort und ohne eine Spur, hinterließ ein emotionales Trümmerfeld und fassungslose Menschen, wenn man sich in Wirklichkeit für seine Familie interessierte. Hielt er ihn für bescheuert? »Ich verstehe, dass das unerwartet kommt. Aber die Umstände sind nun mal so wie sie sind. Und wenn du kein Interesse daran hast, dann ist das auch dein gutes Recht. Aber bitte denk darüber nach, wenigstens Mutter zuliebe einmal mit mir gemeinsam im Krankenhaus zu erscheinen. Danach kannst du wieder so tun, als wäre ich tot.« Er blieb still und blickte aus dem Fenster. Die Sache war faul. Es ergab keinen Sinn. Itachi spielte nur mit ihm. »Bist du fertig?«, fragte er kühl. »Ich habe dir meine Handynummer notiert. Ruf mich einfach an, wenn du soweit bist.« Darauf kannst du lange warten. Kurz darauf klappte die Tür. Endlich konnte er in seiner Wohnung wieder atmen. Misstrauisch betrachtete er den Zettel. * Es war Montagmorgen und etwas fehlte im Büro der Agentur. Es war das rhythmische Trommeln von Turnschuhsohlen an seinem Schreibtisch und es waren freche Kommentare in Richtung Sasuke, die nicht da waren. »Wo ist eigentlich Naruto?«, fragte Kakashi und lehnte sich zurück. Sakura stellte eine Tasse Kaffee vor ihm auf den Tisch. Dann blickte sie auf die Uhr. »Hmm. Das ist merkwürdig. Es ist selbst für ihn schon reichlich spät.« »Wahrscheinlich hat ein neues Nudelsuppenrestaurant auf der Strecke hierher aufgemacht.« »Hoffentlich hast du Recht.« Eine gewisse Anspannung baute sich in dem Raum auf. Immer wieder zuckten ihre Blicke zur Uhr und aus dem Fenster, dann wieder zur Tür. Kakashi griff nach dem Telefon. »Er wird krank sein«, vermutete er und wählte. Aber die Ruftöne reihten sich endlos aneinander, ohne das jemand am anderen Ende abnahm. Merkwürdig. Beunruhigung machte sich in ihm breit. Weder Krankheit noch Funkstille passten zu Naruto. »Ich werde zu ihm fahren und nachsehen«, beschloss Sakura. »Nein.« Kakashi leerte seinen Kaffee und stand auf. »Ich mache das. Ihr beiden bleibt hier.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)