Was übrig bleibt, ist Chaos von Schattenaugen ================================================================================ Kapitel 17: Absturz ------------------- 17: Absturz „Was… war das eben?“ Trunks sprach die Frage aus, die Goten ebenfalls auf der Zunge lag, während sie alle dem immer kleiner werdenden Punkt am Himmel nachschauten und nicht genau sagen konnte, ob es gut war ihn gehen zu lassen, oder ob sie schlicht und einfach folgen sollten. Erkenntnis mischte sich mit dem unguten Gefühl in ihrem Inneren und die Jugendlichen wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Besonders Trunks, dem erst jetzt die Tragweite der Situation, seiner eigenen Handlung bewusst geworden war – in dem Moment, als er in das verwirrte, traurige Gesicht seines Vaters gesehen hatte. Er hatte es erkannt, es war ihm förmlich ins Gesicht gesprungen, haftete sich in sein Hirn und breitete sich von dort aus weiter in ihm aus, hinterließ schwere Selbstzweifel und Vorwürfe. Neben ihm seufzte Goku und wandte den Blick zu ihm, ein gezwungenes Lächeln auf den Lippen. Ja, es tat ihm schon leid, ihn vorhin derart angefahren zu haben, er hätte es auch ruhiger und dennoch bestimmt sagen können, aber das änderte auch nichts an der Tatsache, dass er froh war, die Wahrheit endlich gesagt zu haben, egal in welchem Ton das geschehen war. So gern er half und es bis jetzt auch gut alleine geregelt bekam, irgendjemand musste anfangen den Anderen die Angst, die Scheu zu nehmen und wenn niemand bereit war das zu tun, musste er eben hinhalten. Und so gern er seine Zeit mit dem Prinzen verbrachte und dessen Fortschritte beobachtete, die Neugier in dessen Augen sah und es manchmal sogar schaffte, die Traurigkeit aus ihnen zu entfernen, in ferne Weiten rücken zu lassen – er konnte es nicht alleine schaffen. Es gab hier Menschen, Halbsaiyajins, die seine Familie waren, die Freunde waren und es half ihnen nicht, wenn sie davonliefen. „Stimmt, du hast es noch nicht gesehen.“, antwortete er schließlich mit einer Feststellung statt einer richtigen Antwort. „Das passiert wenn er sich an etwas erinnert. Frag mich nicht, ich habe keine Ahnung warum, aber in den Wochen schon ein paar Mal gesehen. Und glaub mir, das heute war noch harmlos.“ Er wollte ihnen nicht antworten, ihnen alles erklären. Sie sollten selbst den Mut haben zu Vegeta zu gehen und ihn zu fragen, sie sollten ihn fragen was er wusste und was nicht, was von ihm selbst entsprang und was Goku ihm erzählt hatte. Sie sollten ihren Teil der Geschichte beitragen, aber der Versuch war wahrscheinlich für den Moment zuviel verlangt. Es war schön, dass sie gekommen waren, diese Geste sollte er im Hinterkopf behalten und nicht zuviel auf einmal fordern. Überhaupt über ihren Schatten zu springen und die tief sitzende Unsicherheit, die mit diesem Unfall, dem neuen Vegeta gekommen war, für einen Augenblick zur Seite zu schieben. Es war ein Fortschritt, der nicht geschehen wäre, wenn er seinen Mund nicht geöffnet hätte. „Das geht noch schlimmer?“ Trunks klang alarmiert, für ihn hat das vorhin schon schmerzhaft genug ausgesehen und seinen Vater derart windend auf dem Boden zu sehen, passte ihm nicht wirklich. Er war ein starker Mann, der ungern und äußerst selten Schwäche zeigte oder Gefühle zuließ, die über bloße Kenntnisnahme hinwegreichten. Er sollte nicht leiden oder gar offen wie ein Buch zu lesen sein – der Gedanke verstärkte den Klos nur, der sich schon zu Anfang an in seinen Hals gelegt hatte. „Es reicht davon, bis hin zur Bewusstlosigkeit. Das längste, was er danach nicht ansprechbar war, war etwas über eine Stunde.“ Der Vorfall im GR und selbst danach hatte es eine Weile gedauert, bis er überhaupt wirklich sprechen wollte, sich der Tumult in seinen Augen gelegt hatte. Aber das sagte er ihm nicht, der Junge knabberte gerade genug mit den Ereignissen, ihm noch mehr Sorgen musste er nicht machen. „Verstehe.“ Das schlechte Gewissen breitete sich in Trunks aus. Er schlug die Augen nieder und versuchte zu verstehen, versuchte das Wort nicht unnütz wirken zu lassen, aber es ging einfach nicht. Warum hatte er eine solche Angst gehabt, warum war er davongelaufen, wo er hätte da sein müssen, da sein können und helfen können? Warum kam die Erkenntnis so spät und hatte er sich stattdessen in seine Vorwürfe, seine eigene Welt geflüchtet, in der er sich alles ausgemalt hatte, was letzten Endes doch nicht so war? Goten legte ihm eine Hand auf die Schulter, die angespannte Atmosphäre gefiel ihm nicht, aber sie ging von ihnen allen Dreien aus und somit konnte er wenig dazu beitragen, sie zu mildern. Er wollte etwas sagen, schluckte den Drang aber hinunter, weil er einfach nicht wusste, was er sagen konnte, was etwas gebracht hätte. Der Unfall zumindest hatte eines bewiesen: dass Niemand von ihnen bereit war zu helfen, dass sich alle nicht kümmern wollten, den Stress nicht auf sich nehmen wollten und dass sie unterschätzt hatten, wie es Vegeta dabei ging. Jeder ging davon aus, dass er schon okay sein würde und wiederkam, wenn es vorbei war, aber dem war nicht so. Jeder ging davon aus, dass er keine Hilfe wollte und flüchtete sich in diese Annahme, weil Vegeta stark sein sollte, nicht sie. Aber der neue Vegeta war nicht so stark. Goten ahnte ja nicht einmal, wie Recht er damit hatte. So sehr Vegeta nach Hause wollte, auch wenn er das noch immer nicht als zu Hause ansah, kam er nicht dort an. Ein plötzlicher Schmerz zuckte durch seinen Kopf und in Folge dessen verlor er die Konzentration, stürzte wie ein Stein zum Boden und kam hart auf. Mit der Schläfe zuerst zuckte neuerlicher Schmerz durch ihn hindurch und für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, bevor er sich fragen konnte, ob es nun der Schmerz einer Erinnerung, deren Nachwirkungen oder einfach nur der Aufprall war. Dann wurde ihm auch diese Frage beantwortet, als er ungebremst über den Boden schlidderte, seine Sachen und die Haut aufriss und schließlich keuchend liegend blieb. Er hatte eindeutig zuviel seiner Energie bei seinem Versuch verschwendet und zu wenig in der Nacht geschlafen, dachte er sich stumm und starrte in den Himmel, während warme Flüssigkeit seine Schläfe hinunter lief und von seinen Haaren aufgesogen wurde. Warum nur passierte ihm immer so was? Warum konnte ein Tag nicht mal gut laufen, eine Woche ohne Zwischenfälle vergehen und sein emotionales Chaos einfach nur verschwinden? Es ermüdete ihn, die Unwissenheit machte ihn sprunghaft und die Verwirrung angreifbar. Und jetzt hatte er den Salat, lag hier inmitten der Wildnis und hatte weder Lust noch Kraft wieder aufzustehen. Resigniert seufzte er, versuchte das beständige Pochen in seinem Kopf zu ignorieren, die übrigen Schmerzen zu dulden und nicht weiter auf sie einzugehen. Er wusste selbst, dass sein Körper mehr aushielt als das, aber rein persönlich konnte er nicht noch mehr Niederschläge wegstecken und so tun als wäre nie etwas gewesen. Egal wie angreifbar er sich gerade selbst mit dieser Lage machte, es spielte keine große Rolle mehr. Von Anfang an war er angreifbar gewesen und er verstand die ganze Logik dieser Personen nicht, verstand ihre Beweggrüne nicht und die Tatsache, dass sie ihn erst behandelten wie einen Schwerverbrecher, nur um dazu über zu gehen, ihn wie ein Kind zu behandeln. Klar, er mochte nicht das sein, was sie erwarteten, was sie kannten – aber warum zum Teufel legte er auch einen so großen Wert darauf? Warum hakte er es nicht einfach ab und ließ sie machen? Warum war er noch hier und warum tat er sich all das emotionale Getue an? Die Fragen häuften sich noch immer und er war sich nicht sicher, wie groß ihr Berg mittlerweile wirklich war und auch wenn er ein paar Antworten erhalten hatte, so kamen immer neue hinzu, wurden einige nie beantwortet und andere verschwanden unter der Dringlichkeit einer neuen Frage. Er seufzte und hob eine Hand um sie über seine Schläfe zu fahren, zog die Augenbrauen zusammen und versuchte den Gedankenstrom abzustellen. So sehr er es versuchte, er scheiterte seit Wochen kläglich und der Anblick seines eigenen Blutes auf seiner Hand trug auch zu keiner Besserung bei. Manchmal fühlte es sich an, als ob er im falschen Körper steckte. Manchmal war es, als ob er die falsche Person war und manchmal schien es schlicht, als ob er in der falschen Zeit war, auf dem falschen Planeten, im falschen Sonnensystem. Das Universum drehte sich unermüdlich, so wie seine Gedanken und er selbst um die eigene Achse, ohne die Möglichkeit zu finden, den Schwachpunkt in der Rotation um hinaus zu treten. Die Ungewissheit lähmte ihn, brachte ihn dazu stehen zu bleiben und sich an diesen einen Strohhalm zu klammern wie ein Ertrinkender. Die eine Konstante in seinem Leben seit er in diesem Haus die Augen aufgemacht hatte und nicht verstand wie er dorthin gekommen war. Er war müde, ausgebrannt von dem ständigen Kampf herauszufinden, wer er selbst war. Er war erschöpft von seinen Überlegungen, dem Versuch wenigstens ein wenig Ordnung hinein zu bringen und doch immer wieder zu scheitern. Ein kleiner Schritt nach vorne, ein Bild, eine Szene, ein Gefühl und es katapultierte ihn in seinen Anstrengungen drei Schritte zurück. Wie ein Spielball des Schicksals, der mit einem kräftigen Schlag vom Feld geschleudert wurde und langsam auf einen Abgrund zurollte. Er war es leid stillzustehen, hin und hergeschleudert zu werden. Auch wenn er nichts erreichte, zog es die Energie aus ihm heraus und er blinzelte langsam in den Himmel als ihn der Gedanke streifte, wieder verschwand und ein wehmütiges Lächeln hinterließ. Wie wahr es doch war, energielos, kraftlos, ausgebrannt – nicht fähig sich selbst zu finden. Ein weiteres Blinzeln und mühsames Schlucken, das allbekannte Brennen hinter seinen Augen, der fade Klos, der sich in seinem Hals bildete. Nicht nur sein Körper war kraftlos, sein Geist zog diesen Weg mit entlang und war ausgezehrt, würde am Wegrand am liebsten eine Pause einlegen und doch gönnte er ihm das nicht, zwang ihn zum weitergehen, zur Bewegung, die eigentlich nicht mehr getan werden konnte. Goku hob den Blick, zur selben Zeit als die Jungs dasselbe spürten. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und bevor einer der Beiden etwas sagen konnte, hatte er bereits zwei Finger an die Stirn gelegt und war verschwunden, ließ sie stehen und war sich doch bewusst, dass sie ihm folgen würden – auf einem etwas langsameren Weg als er selbst, aber das spielte keine Rolle. Umweit neben Vegeta materialisierte er sich wieder und brauchte erst einmal ein paar Sekunden, um die Szene in sich aufzunehmen, zu ergründen was passiert war und machte erst dann einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu. Vegeta war wach, aber das musste noch lange nichts heißen. Alleine die Art, wie er dort lag ließ nur einen Schluss zu, die Art, wie seine Sachen zerfetzt waren und die Wunde am Kopf machten ihn selbst nervös. Er nahm einen zittrigen tiefen Atemzug und machte noch einen Schritt, zu weit entfernt um sich in dessen Blickfeld zu schieben und zu nah um seine Sorge irgendwie herunter zu spielen. Sein Blick glitt für den Bruchteil einer Sekunde nach oben und ohne es selbst wahrzunehmen, scannte er die Umgebung mit seinen Sinnen, in der vagen Annahme, es könnte ein Angriff gewesen sein – aber da war nichts, was seine Sorge nur nach oben katapultierte. „Vegeta?“ Ein träges Blinzeln, um das verräterische Schimmern in seinen Augen zu beseitigen folgte. Nichts mehr, nicht weniger, keine Regung, keine Kenntnisnahme. Er konnte den Tumult selbst von hier aus in seinen Augen sehen, den verzweifelten Versuch sich wieder zu fangen und alles andere auszublenden. „Was ist passiert?“, versuchte er es weiter, aber auch jetzt sah er ihn nicht an, blinzelte nur noch einmal und er konnte den tiefen Atemzug mehr an seiner Brust sehen, als dass er ihn hörte. Vegetas Hand wanderte noch einmal oben zu seiner blutenden Schläfe, doch er verzog nicht einmal das Gesicht als er sie berührte, wieder wegnahm und ansah. Die Szene war… unnatürlich, angsteinflößend und bevor er weiter zögern konnte überbrückte er ihre Distanz und hockte sich neben den Kleineren, dessen Blick im Nichts verschwand, im blauen Himmel und seiner eigenen kleinen Welt, während er spürte, dass die Jungs näher kamen und sich selbst auf die Unterlippe biss. „Komm schon, rede mit mir.“ Dabei hatte er ihm wirklich Ruhe lassen wollen, hatte ihm seine Zeit geben wollen. Aber unter diesen Umständen konnte er das einfach nicht, konnte nicht darüber hinwegsehen wie verdammt seltsam sich Vegeta verhielt. Konnte das Gefühl nicht loswerden, dass es ernster war als es aussah und dass er ihn verlieren würde, wenn er jetzt ging. Das konnte er nicht zulassen, wollte er nicht zulassen und als ob er ihn erst jetzt wahrgenommen hatte, zuckte Vegetas Blick zu ihm, um sich sofort danach wieder auf den Himmel zu legen, während ein weiteres Seufzen seine Lippen verließ, dessen er sich wahrscheinlich nicht einmal bewusst war. „Was ist passiert?“, wiederholte er, versuchte den Blick des Kleineren einzufangen und scheiterte kläglich. Das leichte Lächeln, was sich allerdings auf dessen Lippen legte, schickte ihm einen kalten Schauer über den Rücken und er musste ein Schütteln unterdrücken. Das war nicht richtig, nicht natürlich. „Bin vom Himmel gefallen.“, kam dann doch noch die Erwiderung und als ob das Aussprechen der Tatsachen die Erinnerung zurückbrachte, verzog sich Vegetas Gesicht für einen Moment schmerzhaft, bevor es wieder entspannte. Dann wischte er die Hand an seiner Hose ab, als ob auch die Erinnerung an das Blut wiederkehrte, hob sie und tippte sich mit dem Zeigefinger über seiner Wunde an die Schläfe. „Fliegt sich schlecht, wenn da drin Chaos herrscht.“ Die Hand fiel wieder nach unten in den Dreck und Goku biss sich erneut auf die Lippe. Die Art wie er sich verhielt, wie er redete wollte ihm einen weiteren Schauer über den Rücken jagen. Es war… er fand kein Wort dafür, wie sehr es ihm unter die Haut ging. Andererseits konnte man die Verzweiflung und die Wut über die ganze Sache nur zu genau spüren, sie mit eigenen Händen greifen. So ausdruckslos sein Gesicht auch sein möge, so unnatürlich ruhig seine gesamte Körpersprache war und so vage seine Geste, so leise seine Stimme… Goku konnte es fühlen und es schürte seine Sorgen. „Kannst du aufstehen?“, fragte er, hauptsächlich um sich selbst davon abzulenken. Um ihn zu einer Reaktion zu zwingen und zu sehen, wie hoch der Schaden war, wenn dort überhaupt einer war. Und Vegeta zog die Augenbrauen zusammen, als ob er erst überlegen müsste, was er von ihm wollte, bevor auch sie sich wieder entspannten, Goku unweigerlich zum Schlucken brachten. Himmel Herrgott noch mal, was zum Teufel war jetzt wieder los? Musste er ihn erst greifen, anschreien und einmal ordentlich schütteln um diese plötzliche Lethargie, diese… Gleichgültigkeit auszutreiben? „Was wenn ich nicht will?“ Die Erwiderung ließ ihn abermals die Augen schließen, tief durchatmen und sich selbst sammeln. „Du musst, ich kann dich hier nicht so liegen lassen.“ Nur noch Sekunden und die Jungs wären in Reichweite, würden nur wenig später landen und er wollte ihnen ersparen Vegeta so zu sehen, wollte Vegeta ersparen so gesehen zu werden. „Was spielt das für eine Rolle?“ Er mochte nicht mehr, er wollte nicht mehr und vor allem konnte er nicht mehr. Wozu brauchte er einen Körper, wenn der Geist nicht dazu passte? „Du lässt mir keine andere Wahl.“, flüsterte Goku und gerade als sich Vegetas Blick auf ihn legte und er die unausgesprochene Frage in seinen Augen sehen konnte, was das zu bedeuten hatte, hatte er schon ausgeholt und ihm eine Ohrfeige verpasst. „Komm wieder zu dir!“, schrie er ihn an, entgegen seinen zuvor geflüsterten Worten und legte all seine eigene Verzweiflung in seine Stimme, in die wenigen Worte. „Lass dich nicht so hängen.“ Noch eine Ohrfeige und jetzt waren es Vegetas Augenbrauen, die sich zusammenzogen, während sich seine Hand auf die brennende Wange legte. „Das macht es auch nicht besser.“, hängte der Größere noch an und stand wieder auf, starrte auf ihn nieder, wie er ihn ansah. Voll Unverständnis und Verwirrung, ein wenig Wut und… Schmerz? „Das weiß ich selbst.“, flüsterte nun auch Vegeta und stand langsam auf, gerade rechtzeitig, bevor die Jungs auf dem Boden aufsetzten. Das Blut aus seiner Schläfe suchte sich nun den anderen Weg, lief an seiner Seite nach unten und tropfte auf seine Schulter. Vage wunderte er sich, warum es noch immer blutete, verschwendete jedoch nicht zu viele Gedanken daran, als Trunks auch schon vor ihm stand und musterte, Sorge zu deutlich in seinem Gesicht. Er zog die Augenbrauen zusammen, jetzt musste er auch nicht damit anfangen und ihn verwirren. Jetzt wo er sich damit abgefunden hatte, wo er versuchte die Tatsache, dass er so nicht gewollt war, zu akzeptieren. „Was ist passiert?“, wiederholte der Junge Gokus Frage und bewirkte damit nur, dass sich seine Augen ebenfalls verengten und er einen Schritt zurück machte. Zuviel Nähe, zuviel Kontakt auf einmal, von jemandem den er nicht kannte. Der ihn auch nicht kennen wollte. „Nichts!“, spie er ihm entgegen, starrte ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust. Zumindest versuchte er es, nicht ohne das schmerzhafte Aufschreien seiner Schulter wahrnehmen zu müssen, die Zähne aufeinander zu beißen. „Sieht mir nicht nach nichts aus.“ Er konnte die Verletztheit in seinen Augen sehen und wandte den Blick ab, konnte sie in seiner Stimme hören und versuchte ihn zu überhören, sich selbst klar zu machen, das das nicht möglich war. Aber es ging nicht, irgendwas in ihm drängte ihm dazu wieder zu ihm zu sehen, ihm zuzuhören und irgendwas zu tun, von dem er selbst nicht wusste, was es sein sollte. Es überforderte ihn zu wissen, dass dies sein Sohn war, an den er sich nicht erinnerte bis auf den winzigen Fetzen, der ihm kaum etwas sagte. Es belastete ihn zu wissen, dass irgendwas von ihm verlangt wurde, was er nicht machen konnte und es strapazierte seinen eigenen Halt an seinen Gedanken, seinen Gefühlen, dass er ihnen nicht geben konnte, was sie wollten. Dass sie ihm nicht geben konnten, was er wollte. „Ist es auch nicht. Aber nichts, was ich nicht überlebe.“, sagte er schließlich eine Spur zu kalt, zu abweisend, aber er konnte sich nicht helfen. Ein Seitenblick auf Goku zeigte ihm seine Tat auf und doch sah er ihn nur undeutbar einige stumme Sekunden an, konnte es nicht zurücknehmen. Was verlangte er? Dass er sich plötzlich wie ein Vater verhielt, wo alles was er wollte Ruhe war? Wo er den Instinkt sich umzudrehen, der Szene den Rücken zu kehren und zu gehen, kaum widerstehen konnte? Es war zuviel, verstand er das denn nicht? Kapierte er nicht, dass er nichts sein konnte, was er gerade eben nicht war, dass er nicht wollte und sich lieber in Luft auflösen würde als hier noch weiter begutachtet zu werden, als wäre das eine riesige, sich sorgende Familie? „Kakarott.“ Gerade als Trunks den Mund öffnen wollte, schnürte er ihm die Worte ab, bevor er sie sagen konnte. Er wollte sie nicht hören, ignorierte den Blick, das stechende Gefühl in seinem Inneren, schluckte. Etwas sagen musste er nicht, der Andere verstand auch so, was er wollte und es war gut so, weil er begann seiner eigenen Stimme nicht mehr zu trauen und auch wenn er sah, dass er es nicht gerne tat, nickte Goku. Es tat weh zu sehen, dass seine Versuche ein Verhältnis zwischen ihnen aufzubauen, alles nur noch mehr durcheinander brachte. Der Tag endete nicht so, wie er es sich erhofft hatte, aber andererseits war er sich nicht einmal sicher, was er sich wirklich erhoffte. Dass sofort alles wieder gut wurde? Es war rein Utopie zu denken und zu hoffen, dass nur eine einzige Begegnung alles wieder ins Lot bringen konnte, Erinnerungen wiederbrachte und ein Verhältnis schuf, das stark genug war die Umstände zu überleben. Es war Wahnsinn zu hoffen, dass es etwas an der Aussichtslosigkeit ändern würde, an der eigenen Verzweiflung, der Hilflosigkeit. Und Vegeta war hilfloser, verwirrter und verzweifelter – wie musste sich das anfühlen? „Ihr geht besser wieder nach Hause.“, sagte er deshalb, ohne die Jungs dabei anzusehen und ihren Schmerz auch noch in sich aufzunehmen. Seine Grenze war erreicht, mit Kämpfen konnte er umgehen, mit Schmerzen, die aus sichtbaren Wunden entstanden. Aber nicht mit etwas, das man nicht sehen konnte, nur fühlen und es brach ihm das Herz ein weiteres Mal für ein Geschöpf, das selbst noch nicht alt genug war die Welt zu verstehen. Seine Welt war am Tag des Unfalls in sich zusammengestürzt und die Trümmer lagen verteilt zu seinen Füßen und auch die heutige Begegnung hatte es nicht geschafft, auch nur ein Gebäude wieder aufzubauen. Stattdessen waren die Brocken wahrscheinlich nur noch weiter zerfallen. „Ich komm euch später noch mal besuchen.“ Ihr Nicken sah er aus den Augenwinkeln, ihr Zögern abzuheben nahm er ebenfalls wahr, sagte aber nichts. Einzig seine Augen lagen auf Vegeta, während er versuchte die Trümmer ihrer eigenen Beziehung zueinander zu analysieren. Dann waren sie verschwunden, hinterließen ein schweres Gefühl in seinem Herzen und das Wissen, sich heute noch einem weiteren Gespräch widmen zu müssen. Noch ein Herz zu kitten, ihm Hoffnung zu geben – aber welche Hoffnung, wenn sie mit jedem Tag mehr und mehr schwand? „Lass uns gehen.“, sagte er leise, gedrückt und kam auf den Kleineren zu um ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. Noch einen Absturz dessen wollte er nicht riskieren, wenn sie versuchten zu fliegen. Zudem sah er ihm an, dass er es sowieso lieber so hätte, sah ihm die geistige Erschöpfung an und seufzte innerlich, während er zum Himmel sah, sich konzentrierte und zwei Finger auf die Stirn legte. Wie lange noch? Wie lange musste diese Situation andauern, wie lange würde es dauern, bis er, Bulma, Trunks oder gar Vegeta nicht mehr konnten? Bis einer von ihnen offen sagte, was er dachte, damit den nächsten verletzte und wiederum eine Reaktion hervorrief, das ganze eskalieren ließ. Wie lange würde es dauern, bis sie wussten, was sie machen sollten? Wie lange dauerte seine eigene Entscheidung an, die Dragonballs doch nicht zu benutzen, wann würde sein Wille einbrechen, vor sich zusammenfallen und er doch den Versuch wagen, nur um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. So sehr er den alten Vegeta vermisste, so sehr mochte er auch diesen Neuen. Wollte er wirklich eingreifen oder die Dinge einfach laufen lassen, sehen was geschah? Wollte er den alten grummeligen Vegeta wiederhaben, oder den etwas leichter zu ertragenden, offeneren, mit dem man sogar vernünftig reden konnte. Oder anders – wie lange konnte er den Wirbelsturm an Gefühlen in dessen Augen ertragen, die Traurigkeit und die verzweifelte Suche nach der Wahrheit, nach seinem Leben? „Auf geht’s.“ Einen Moment später befanden sie sich in Vegetas Zimmer. Es war manchmal keine Aura nötig, wenn er oft genug an einem bestimmten Ort war und einfach nur dorthin wollte, was eindeutig seine Vorteile hatte. Und so ließ er Vegeta los, welcher sich untypisch für ihn einfach auf die Knie sinken ließ und den Boden anstarrte, anstatt wenigstens aufs Bett zu setzen. Ein Kopfschütteln, ein tiefer Atemzug folgten und er schluckte, als er den zusammengesunkenen Kämpfer vor sich sah. Es passte nicht zu ihm, wollte sich nicht in das Bild einfügen, das er sonst von ihm hatte. Er strahlte ein Gefühl aus, das ihn in seiner Intensität beinahe zu ersticken drohte und seine Entscheidung zerfiel in tausend Teile, nur um sich beinahe augenblicklich wieder zusammen zu setzen. Er durfte nicht eingreifen, vielleicht war es besser ihn durch diese Hölle zu schicken und am Ende einen völlig neuen Mann, mit ganz neuen Ansichten zu erschaffen. Was wiederum falsch klang und ihm ein schlechtes Gewissen einbrachte. „Soll ich… dich alleine lassen?“ Er konnte die Tränen riechen, die er durch den gesenkten Blick nicht sehen konnte und war sich nicht sicher, ob er ihn alleine lassen sollte, durfte und wollte. Aber er würde sich seinem Willen beugen, wenn es nötig war, wenn er eine Antwort bekam. Doch genau die ließ auf sich warten und so fasste er sich ein Herz, bewegte sich, so dass er vor ihm zum stehen kam und kniete sich ebenfalls hin. Vegeta senkte den Blick nur noch mehr und er wusste, dass er ihn in diesem Zustand nicht alleine lassen durfte. Sich auf die Lippe beißend rückte er noch etwas heran, hob die Arme und zögerte, bevor er sich einen letzten Ruck gab und dem Drang nachgab. Er nahm ihn in den Arm und stieß auf keinerlei Widerstand… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)