Vampires vs. Humanity von Nisshoku (Captured by Vampires) ================================================================================ Kapitel 14: Upsidedown ---------------------- Als die Nacht ihre Schwingen übers Land legte, erwachte ich aus einem traumlosen Schlaf. Ich schlug die Augen auf und bemerkte, dass ich in einem Bett lag. Der Raum kam mir bekannt vor weshalb ich mich aufsetzte um mich umzuschauen. Ja, ich kannte dieses Bett und dieses Zimmer. Es war Byous Raum. Byou. Die Bilder der letzten Nacht rauschten durch meinen Kopf. Ich lag im Sterben als er mich fand. Er hatte um mich geweint, mir gesagt, dass er mich liebt und nicht verlieren wollte und dann... Ich stockte und befühlte meine Lippen ehe meine Hände über meinen Körper glitten. Nichts tat weh. Ich fühlte mich gut weshalb ich mein Shirt, leicht panisch, nach oben riss und die makellose Haut begutachtete. Die Stichwunden waren verschwunden. Es wirkte fast so, als ob sie nie dagewesen wären. Ich presste die Lippen aufeinander und zog den Stoff wieder runter. Ich lebte aber auch wieder nicht. Meine Hand fuhr zu der Stelle, an der mein Herz war. Es war stumm. Keine Regung war zu fühlen. Ich war tot. Für einen Moment schloss ich die Augen und erinnerte mich an den Moment als Byou mir sein blutendes Handgelenk auf den Mund gepresst hatte, während ich im Todeskampf lag. Ich hatte es geschluckt. Aus Versehen hatte ich es getrunken und sofort mehr gewollt. Und nun war ich zu dem geworden, was ich immer so verabscheut hatte. Ein Vampir. Als sich die Tür öffnete, wehte ein Duft zu mir, den ich noch nie zuvor wahrgenommen hatte. Dennoch wusste ich instinktiv, dass er Byou gehörte. Er schloss die Tür und kam langsam zu mir, ließ sich auf sein Bett sinken und betrachtete mich. "Hey...wie geht's dir?", fragte er vorsichtig während ich nur vor mich hinstarrte. Er hob die Hand und strich mir ein paar Strähnen hinters Ohr, was mich aus meinen Gedanken holte. "Jin?" Ich drehte den Kopf zu ihm und sah ihn emotionslos an. Alles was ich aktuell verspürte war Hunger. Nicht mehr. Dieser unbändige Hunger verzehrte mich und ließ aktuell keinen Platz für weitere Emotionen. Ich wusste, dass Byou mir viel bedeutet hatte. Nur wegen ihm war ich gegangen, hatte seine Abwesenheit nicht ertragen, was zu dem führte, was ich nun war. Ich wusste, dass Jin der Mensch, ihn geliebt hatte aber gerade jetzt fühlte ich rein gar nichts. Ich war tot. Jin war gestorben und mit ihm seine Gefühle. Ich sah Byou einfach nur an und seufzte leise. "Es geht mir...gut. Denke ich.", gab ich zurück und drehte den Kopf zum Fenster. Obwohl es im Raum dunkel war, sah ich alles perfekt. Jede Farbe erstrahlte noch glanzvoller als bei Tageslicht und wäre ich durch meinen Hunger nicht so abgelenkt, hätte mich dieser Fakt unglaublich fasziniert. Die Nacht war nicht mehr ein Mischmasch an Grau- und Schwarztönen. Das waren also die Augen eines Vampirs. Ich schluckte und ließ meine Zunge über meine obere Zahnreihe wandern, wo ich leicht erschrocken meine längeren spitzen Eckzähne befühlen konnte. Spitz und tödlich, bereit sich in ein lebendes Opfer zu schlagen, um diesem das Leben zu rauben. Ich hörte ein Geräusch und drehte den Kopf blitzschnell zur Tür. Byou sah mich immer noch an aber ich ignorierte es. Jemand war da draußen und als es klopfte, bekam ich die Bestätigung. Die Tür öffnete sich und ich erkannte Kai, der vorsichtig den Raum betrat. Der nächste Verräter kam. "Hey..." Er hob leicht die Hand und näherte sich uns langsam, während ich auch ihn ausdruckslos ansah. Daraufhin sah ich zwischen Byou und Kai hin und her. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Langsam rutschte ich vom Bett und stellte mich auf meine Beine. Ich hatte die Befürchtung eventuell zu wanken aber das tat ich nicht. Ich stand mit beiden Beinen fest im Leben. Welch Ironie des Schicksals. Ich hörte, dass Byou ebenfalls aufstand aber stehen blieb. Mein Weg führte mich zu seinem Badezimmer, in dem ich den Lichtschalter betätigte und die Hand vor die Augen legte. Das Licht war im ersten Moment viel zu grell bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten und ich die Hand wieder sinken lassen konnte. Ich betrat den weiß gefliesten Raum und sah an mir herab. Irgendjemand hatte mich umgezogen und gewaschen. Ich vermutete Byou. Wahrscheinlich hatte er niemanden in meine Nähe gelassen, nicht mal Kai. Schulter zuckend nahm ich diese Vermutung hin und stellte mich vor den Spiegel. Langsam hob ich den Blick und betrachtete mein eigenes Spiegelbild. Eigentlich sah ich aus wie immer. Meine Haut wirkte nur etwas reiner und glatter aber ansonsten war alles wie sonst, bis auf eines - meine Augen. Ich schluckte und beugte mich dem Spiegel entgegen um sie genauer inspizieren zu können. Sie waren nicht länger fast schwarz sondern blaugrau. Ich war nun auch einer dieser Vampire mit der Augenfarben-Anomalie. Eine ganze Weile stand ich vor dem Spiegel, sah mir in die Augen, hob dann meine Oberlippe an um meine Fänge zu begutachten ehe ich das Badezimmer verließ. Byou und Kai standen einfach da und sahen mich an. Ich machte das Licht aus und sofort stellten sich meine Augen um. Faszinierend. Byou löste sich aus seiner Starre und kam langsam auf mich zu, blieb aber knapp vor mir stehen. "Du hast bestimmt Hunger oder?" Ich nickte. Natürlich hatte ich Hunger. Mein Hunger fraß mich fast auf. Welch dumme Frage. "Komm mit." Er hielt mir seine Hand hin, die ich musterte und dann einfach an ihm vorbeiging. Ich wusste, wo sie das Blut aufbewahrten. Kai hatte es mir gezeigt. Es gab keinen Grund, mich wie ein Kleinkind zu behandeln. Ich spürte, wie sie mir beide verwirrt nachsahen als ich das Zimmer verließ. Barfuß ging ich über den Läufer, spürte jede einzelne Faser ehe ich die Hand auf das Marmorgeländer legte und auch dort die winzigsten Unebenheiten bemerkte. Erstaunlich. Ich wusste, dass sie mir folgten, was mich aber nicht davon abhielt, einfach meinen Weg fortzusetzen. Als sich eine Tür öffnete, hielt ich kurz an und legte den Kopf schief. Ruki zog sich gerade eine Jacke über als er mich entdeckte und stockte. Hinter ihm tauchte Reita auf, der ihn fragend ansah, weil er ihm den Weg versperrte, bis auch er mich entdeckte. Wir sahen uns einfach nur an und als Ruki einen Schritt vorwärts tat, ging ich weiter. Ich hatte kein Interesse an ihnen. Mein Hunger vereinnahmte mich und war das einzige, das gerade zählte. Endlich in der Küche angekommen führte mich mein Weg geradewegs zum Kühlschrank. Ich öffnete die Tür und entdeckte, neben normalen Lebensmitteln, diverse Blutkonserven. Zielsicher griff ich nach dem Plastikbeutel und schloss die Tür wieder. Ich betrachtete die rote Flüssigkeit darin und spürte, wie sich etwas in mir danach verzehrte, sich wand und lüstern danach gierte. Ich verlor keine Zeit, riss den oberen Teil mit den Zähnen auf und trank das Blut. Es war wie flüssiges Feuer, das meine Kehle benetzte und mich kräftigte. Als ich den Beutel geleert hatte, leckte ich mir über die Lippen und wischte das restliche Blut von meinem Gesicht. Gott, war das gut aber es war nicht genug. Ich hatte noch immer Hunger weshalb ich den leeren Beutel durch einen vollen ersetzte und mich an die Arbeitsplatte lehnte während ich mich nährte. Byou und Kai betraten die Küche worauf ich sie nur kurz ansah um mich dann wieder dem Blut zu widmen. Insgesamt vier Beutel später, seufzte ich erleichtert und fühlte mich endlich gesättigt. Ich ging zum Waschbecken und wusch mir das Gesicht, da ich doch zwischenzeitlich etwas gierig geworden war und dadurch gekleckert hatte. Ich trocknete mein Gesicht mit einem Handtuch und drehte mich wieder um, legte den Kopf schief und betrachtete Beide. "Was ist?", fragte ich genervt und beide sahen sich kurz an ehe sie noch etwas näher kamen. "Geht es dir wirklich gut?", warf Byou besorgt ein und ich begann zu schmunzeln. Ich legte den Kopf etwas zurück ehe ich mich von der Arbeitsplatte abstieß und auf ihn zuging. "Natürlich. Mir geht es wunderbar. Warum sollte es mir auch nicht gut gehen? Ich habe eben etwa 1,2 Liter Blut getrunken und fühle mich wunderbar. Ich bin nicht tot oder halt, rein medizinisch bin ich es schon und woran liegt das hm?" Ich lächelte provokant und Byou sah mich verwirrt an. "Ich sage dir woran das liegt...weil du mich zu einem gottverdammten VAMPIR gemacht hast!!", schrie ich und er wich zurück. "Du hast es gewagt meinen Wunsch zu übergehen. Du hast mich gewandelt weil du mich ja nicht verlieren wolltest. Ich sage dir mal eins, du hast mich in dem scheiß Moment verloren, als du mir dein Blut aufgezwungen hast! Ich wollte sterben aber nicht so!", fauchte ich und ließ mich von meiner Wut beherrschen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass meine Emotionen mit mir spielten und doch fühlte es sich gut an, sie einfach zu leben. Langsam drehte ich mich zu Kai und funkelte auch ihn wütend an. "Und du? Ich dachte du bist mein Freund! Du hast ihn nicht aufgehalten, vermutlich aus den gleichen egoistischen Gründen, wie er. Ihr widert mich an, ach was sage ich. Ihr kotzt mich an. Lasst mich bloß in Ruhe. Ich will euch nicht sehen und auch nichts von euch hören und nun hört auf mir zu folgen. Ich bin kein verfluchter Welpe, den man 24 Stunden am Tag beobachten muss.", zischte ich und verschwand. Vor der Tür blinzelte ich überrascht. Wow. Das ging schnell. Ich hatte vergessen, dass die Schnelligkeit genauso zu Vampiren gehörte, wie ihre Stärke und der Blutdurst. Nett. Ich joggte locker die Treppe nach oben und sah mich um. Im Wohnzimmer war jemand. Ich wusste auch genau wer. Ruhig ging auf die Tür zu, öffnete sie und betrat das Wohnzimmer. Reita und Ruki sahen mich erneut groß an. Ich ignorierte es und entdeckte den Alkohol. Genau das, was ich jetzt brauchte. Ich schenkte mir einen doppelten ein und kippte das Glas auf Ex. Kurz verzog ich das Gesicht und nickte dann angetan. "Du weißt, dass du dich nicht betrinken kannst oder? Die Zeiten sind vorbei.", hörte ich Ruki sagen, der mittlerweile aufgestanden war und mich neugierig musterte. Ich schenkte mir trotzdem nach und verschloss die gläserne Flasche ehe ich mich umdrehte und an dem Drink nippte. "Noch nie 'nen Vampir gesehen?" Ruki hob eine Braue und schmunzelte. "Ich glaube so du gefällst mir besser." Ich schnaubte, lief an ihm vorbei zur Couch und ließ mich darauf fallen, überschlug die Beine und betrachtete Beide. "Gefällt dir dein neues Leben nicht?", hakte Reita nach und ich sah ihn über den Rand des Glases hinweg an ehe ich es absetzte. "Ich habe nicht darum gebeten. Es wurde mir aufgezwungen.", erwiderte ich und sah mich um. Jetzt wo ich mich frei und sicher bewegen konnte, hatte ich auch Zeit mir alles genauestens anzusehen. Die Bücher kannte ich ja schon aber mein Interesse sie zu lesen, war gerade praktisch nicht vorhanden. Ich entdeckte die Heimkinoanlage, diverse Filme und CDs. Interessant. Als die Tür erneut aufging, richtete sich mein Blick zu dieser und erkannte Ma...Ma...Vampir M. Der Rothaarige schlurfte gelangweilt herein, stoppte jedoch als er mich entdeckte und kam dann grinsend auf mich zu. Ich hatte einen Arm auf der Rückenlehne abgelegt und hielt mein Glas am Rand fest. Manabu wollte danach greifen aber ich hob die Hand und er griff ins Leere. Er ließ sich neben mich sinken und betrachtete mich, sah mir in die Augen und grinste. "Was für eine Überraschung. Ich hatte davon gehört aber es nicht geglaubt. Byou hat dich gewandelt. Was für ein Glück du doch hast.", schnurrte er und ließ seine schlanken Finger über meinen Oberschenkel gleiten. Ich schlug seine Hand weg und knurrte leise. Wow ich konnte knurren. Es klang merkwürdig aber es gehörte zu einem Vampir weshalb ich es einfach akzeptierte. Vorerst. "Uh so kratzbürstig. Das mag ich...", schnurrte er und rutschte näher. "Verpiss dich Manabu!" Hah! So hieß der Vampir also. Ich hatte den Namen doch nicht vergessen. Ich sah ihm funkelnd in die Augen worauf er den Kopf schief legte. "Nö? Hab dich nicht so. Jetzt könnte ich dich immerhin nicht mehr verletzen." Seine Hand rutschte auf meine Brust worauf ich sie streng beobachtete. "Wenn du die behalten willst, nimm sie sofort dort weg. Das ist mein ernst. Ich bin nicht in Stimmung für deine notgeilen Spielchen. Geh Byou vögeln. Der braucht jemanden, der ihn tröstet.", zischte ich dem Rothaarigen zu und trank erneut einen Schluck worauf er tatsächlich die Hand von meiner Brust nahm. "Ist ja gut. Beruhig dich. Ist doch nur etwas Spaß. Mensch, dass ihr auch alle so verbohrt sein müsst und wieso sollte Byou Trost brauchen?" Ich seufzte leise ehe ich ihn ansah. "Weil er gerade nicht damit klarkommt, dass der Jin den er kannte, tot ist. Tzja, selbst Schuld. Er hätte mich einfach sterben lassen sollen." Ich zuckte mit den Schultern und betrachtete die goldene Flüssigkeit in meinem Glas. "Was? Halt! Was soll das bedeuten?", hakte Manabu nach und ich seufzte erneut. "Frag ihn doch selbst.", lächelte ich zuckersüß, sah zur Seite wobei mein Gesicht direkt wieder genervte Züge annahm. "Manabu! Verschwinde jetzt. Los!", forderte Ruki streng und nickte Richtung Tür. "Ja Manabu. Hör auf deinen Bruder. Wobei es echt erstaunlich ist, dass ihr Brüder seid.", sprach ich ruhig und hörte den Rothaarigen knurren ehe er einen Abgang machte. Besser so. Ich konnte auf seine Gesellschaft verzichten. Ruki sah mich an und zuckte mit den Schultern. "Sind wir aber. Hör mal Jin, du kannst an deiner Situation nichts mehr ändern aber wenn du willst, helfen wir dir, deine Emotionen zu kontrollieren, genauso wie deine Fähigkeiten. Eigentlich müsste das Byou machen aber ich vermute, dass er nicht deine erste Wahl wäre.", schlug er vor und ich hob den Daumen. "Richtig geraten. Byou kann mich mal kreuzweise aber was meinst du damit, meine Emotionen zu kontrollieren? Ich bin ganz ruhig. Ich glaube du hast nur erwartet, dass ich nach wie vor verschüchtert und ängstlich bin und hast nicht damit gerechnet, dass ich mich in die andere Richtung entwickelt habe." Er lächelte leicht und sah Reita an. "Gut, erwischt aber trotzdem. Vampire neigen dazu, vor allem wenn sie frisch sind, sich in ihre Emotionen zu stürzen. Trauer, Wut, Mordlust, Sex und so weiter. Wir können dir helfen.", erklärte er ruhig und ich sah interessiert auf. "So ist das also. Könnte erklären warum ich vorhin den Beiden fast den Kopf hätte abreißen können, wobei es durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Immerhin haben sie mich beide hintergangen und über meinen Kopf hinweg entschieden. Nun, wie auch immer. Von mir aus könnt ihr das tun. Wie du bereits erwähnt hast, kann ich mein Schicksal nicht mehr ändern, es sei denn ich bringe mich um aber daran habe ich gerade kein Interesse. Also wird es Zeit etwas mehr über mein neues Ich zu lernen." Ich vernichtete den letzten Rest meines Whiskeys und stellte das Glas auf dem Tisch ab. "Dann geh dich mal umziehen. Wir gehen nämlich raus.", erklärte Reita mir und ich erhob mich nickend. "Gut. Bis gleich." Ich verließ das Wohnzimmer und mein Blick fiel auf mein Labor. Ob sie nun jemand anderes entführen würden? Ich schüttelte den Kopf. Sie. Wir. Ich gehörte nun dazu. Vielleicht würde ich aber auch weiterarbeiten. Immerhin konnte ich nun tatsächlich mit mir selbst experimentieren und ich war ja auch schon relativ weit gekommen. Darüberhinaus würde mich die ständige Dunkelheit vermutlich noch in Depressionen stürzen. Ich schob die Gedanken beiseite und ging runter in mein Zimmer. Vielleicht sollte ich wieder nach oben ziehen, wo die anderen Vampire waren. Ich hatte kein Interesse mehr daran, direkt neben Kai zu leben. Das war gut gewesen solange ich ein Mensch war aber nun konnte ich auf mich selbst aufpassen. Ruhig wechselte ich meine Klamotten, fand sogar meine Schuhe und verließ mein Zimmer. Ruki und Reita warteten bereits an der Eingangstür auf mich. Gut, dann musste ich nicht wieder hochlaufen. Wir verließen das Haus und betraten das Außengelände, liefen um das Gebäude herum, wo sich mir ein verwilderter Garten eröffnete. Allerdings spielten meine Sinne verrückt. Ich wurde von diversen Gerüchen und Geräuschen erdrückt weshalb ich angestrengt blinzelte und mir die Nase zuhielt. Das war ja grauenvoll. "Was zur Hölle ist hier los?", murrte ich und sah die Beiden an, die mich musterten ehe Reita sich löste und an mich herantrat. "Das ist die Nacht. Deshalb haben wir dir angeboten dir zu helfen. Es ist nicht leicht das alles runterzufahren. Im Haus bist du davon kaum betroffen aber in der Außenwelt sieht das Ganze schon anders aus. Was du hörst sind die Geräusche diverser Tiere und der leichten Brise, die durch die Gräser und Bäume streift. Sei froh, dass wir so weit außerhalb sind , sonst würdest du durch die städtischen Geräusche vermutlich verrückt werden. Dein Geruchssinn hat sich ebenfalls verbessert. Allerdings weiß ich, wie das hier alles für dich riecht. Ein großer Mix aus Pflanzen, Tieren, Erde und dem Geruch des Tages. Ich helfe dir deine Sinne zu kontrollieren, damit sie dich nicht überwältigen, so wie sie es jetzt gerade tun.", erklärte er mir ruhig, auch wenn ich Schwierigkeiten hatte ihn durch den ganzen Lärm zu verstehen. Wie konnten ein paar Würmer nur so einen Krach veranstalten? Hoffentlich konnte ich Reitas Instruktionen auch umsetzen, ansonsten wäre ich vorerst dazu verdammt, in diesem Haus bleiben zu müssen. Nein, soweit durfte es nicht kommen. Jetzt, wo ich definitiv nicht mehr wegrennen würde, wollte ich auch mal nach draußen und dort nicht von Gerüchen und Geräuschen in den Wahnsinn getrieben werden. "Was muss ich tun?" Er lächelte und stellte sich dicht vor mich, umschloss meinen Kopf mit seinen Händen und sah mich ruhig an. "Schließ die Augen und entspann dich." Ich lachte leise. Wie sollte ich mich denn nur entspannen, wenn alles über mir zusammenbrach? Andererseits wusste Reita mit Sicherheit was er tat, weshalb ich es wenigstens versuchte. Ich wollte diesen Krach und die Gerüche loswerden. So schloss ich also die Augen und versuchte mich so locker wie möglich zu machen. Seine Hände übten einen angenehmen Druck auf meine Schläfen aus, der mir zusätzlich half mich zu entspannen. "So ist es gut. Konzentrier dich jetzt nur auf meine Stimme und blende alles andere aus. Stell dir vor du stehst in einem langen Gang voller geöffneter Türen. Ich stehe am Ende des Ganges aber du kannst mich kaum verstehen weil durch alle Türen Geräusche dringen. Schließe sie. Wenn du das geschafft hast, wirst du nur noch mich hören. Die anderen Geräusche werden dir eher, wie früher vorkommen.", sprach er ruhig und ich probierte es. Zum Glück hatte ich einiges an Fantasie und stellte mir diesen Gang mit den Türen vor. Ich konnte Reita am Ende sehen, aber seine Stimme war nur ein Geräusch von vielen. Er sprach mit mir aber die anderen Geräusche übertönten ihn fast vollständig, weshalb ich begann die Türen zu schließen. Allerdings gestaltete sich das schwieriger als gedacht. Sobald ich glaubte ein Geräusch entfernt zu haben und mich dem nächsten widmen zu können, ging die bereits geschlossene Tür wieder auf und malträtierte mein Gehör. Das war doch wirklich deprimierend. Immer wieder versuchte ich die Geräusche auszusperren aber die Türen wollten einfach nicht geschlossen bleiben. Ich seufzte tief und versuchte mich noch weiter zu entspannen. Vielleicht war ich einfach noch nicht locker genug. Das Ganze musste mir vermutlich wie etwas ganz normales vorkommen. Etwas alltägliches, das keinerlei Anstrengung benötigte. Einfacher gesagt als getan. Ich stand also wieder am Anfang des Ganges und sah mich um. Etwas neues musste her. Ich konnte die Türen nicht mit Gewalt schließen, also akzeptierte ich einfach, dass es sie gab und lief los. Immerhin wollte ich endlich verstehen, was Reita mir erzählte. Locker, schon fast gelangweilt lief ich durch den Gang und sobald ich die ersten beiden Türen passiert hatte, geschah das Wunder. Sie schlossen sich von alleine und blieben zu. Blinzelnd sah ich beide an und ging weiter. Ich passierte jedes Türpaar bis es immer stiller wurde und ich Reita immer näher kam. Ich konnte seine Stimme nun deutlicher hören und als ich bei ihm ankam, öffnete ich die Augen und blickte in seine dunklen Iriden. "Ehrlich? Ein Märchen?", schmunzelte ich und er zuckte mit den Schultern. "Mir fiel nichts besseres ein. Ich habe kein Drehbuch für solche Momente.", rechtfertigte er sich und sah mich grinsend an. Er hielt meinen Kopf noch immer fest weshalb ich sie fragend ansah. "Wir sind noch nicht fertig oder?" Er schüttelte den Kopf. "Nein sind wir nicht. Du hast die erste Hürde gemeistert, was erstaunlich schnell ging. Du kannst anscheinend nun die Geräusche unterdrücken aber kannst du auch nur eines von ihnen wieder zum Vorschein bringen, ohne alle erneut zu aktivieren? Probier es. In diesem Feld lebt eine Hasenfamilie, die gerade sehr aktiv ist. Deute in die Richtung, in der sie sich aufhalten." Ich hob eine Braue und sah kurz zu Ruki, der gelangweilt an den Pflanzen zupfte. Seufzend schloss ich die Augen und stellte mir also kleine süße Hasen vor. Mein Gang hatte sich nun in einen kreisrunden Raum verwandelt. Ich stand in der Mitte und betrachtete die geschlossenen Türen. Verflucht. Wie sollte ich denn testen, wo sich die kleinen Puschi-Häschen verkrochen? Ich lauschte den Geräuschen der Natur, die sich nur im Hintergrund abspielten, fast so als würde hinter der Wohnungstür ein Fernseher laufen aber man konnte nicht verstehen, was gerade lief. Hasen. Was machten Hasen für Geräusche? Sie scharrten, rannten durchs Gras und fraßen die Pflanzen. Das war wirklich nicht einfach. Als ich glaubte das Geräusch gefunden zu haben, zischte ich gepeinigt auf. Alle Türen waren aufgesprungen und sofort wurde es wieder laut. Ich entspannte mich und sperrte die Geräusche wieder aus. Okay, so klappte das nicht. "Wie soll das denn gehen?", murmelte ich genervt und hörte ihn leise lächeln. "Probieren geht über studieren Herr Doktor.", stichelte er und ich öffnete kurz ein Augen um ihn böse anzusehen, konnte mir ein Grinsen aber nicht verkneifen. "Na gut, dann lass mich halt leiden.", murmelte ich und atmete tief durch, wodurch ich sofort wieder die volle Ladung Gerüche inhalierte. Moment. Vielleicht war das ja die Lösung! Die Gerüche. Die war ich bisher nicht los geworden aber vielleicht konnte ich so die Hasen lokalisieren. Immerhin waren sie Lebewesen, durch deren Adern warmes Blut pumpte. Wie Blut roch, wusste ich. Doch wie sollte ich die Gerüche aufspalten? Ich dachte an Blut. Warmes Blut. Der metallische Geruch sammelte sich langsam in meiner Nase und überlagerte die Anderen. Die Richtung aus der der Geruch kam, schloss schon mal einige andere Türen aus. Langsam drang ein stetiges Klopfen an mein Ohr während der Geruch von Blut stärker wurde. Was war das für ein Klopfen? Ich ließ mich auf das Geräusch ein und siehe da, alle anderen Türen blieben zu bis auf eine. Das Klopfen entpuppte sich als Herzschlag und ich konnte nun den Arm heben, um eine Richtung anzuzeigen. Ich deutete in einem 25 Grad Winkel nach rechts und öffnete die Augen ehe das Geräusch wieder verschwand. "Nicht schlecht." "Du hättest mir ruhig sagen können, dass ich dafür die Gerüche brauche.", murrte ich ehe Reita mich losließ. "Wieso? Du hast es doch auch alleine rausgefunden. Jetzt hast du zumindest die Grundlagen gelernt, wie du die Gerüche und Geräusche im Zaum hältst. Das solltest du aber in der nächsten Zeit üben. Falls du tatsächlich mal bewohntes Gebiet betrittst, wird dir das helfen nicht durchzudrehen. Dagegen ist dieses Feld ein Ort der Stille." Ich nickte und sah zu Ruki, der sich uns nun anschloss. Er lehnte sich an Reitas Seite und sah zu diesem auf. Mir wurde etwas mulmig als ich die beiden so beobachtete und es wurde noch schlimmer, als Reita seinen Freund küsste. Ich schluckte und sah zur Seite bis Ruki meine Aufmerksamkeit forderte. "Also. Rei kann den Kontrollkram am besten. Er bringt es den meisten Neulingen bei uns bei aber ich bin für den Rest zuständig. Wollen wir doch mal sehen, wie es um deine Reaktion steht.", schmunzelte der Kleinere und war auch schon verschwunden. Ich hob eine Braue und instinktiv spitzte ich die Ohren und wich gerade so seiner Faust aus, die aus dem Nichts kam. Doch den nächsten Schlag konnte ich nicht abpassen. Er traf mich am Arm und ließ mich wanken ehe er mich zu Boden riss. Ich lag im hohen Gras und seufzte leise ehe er neben mir auftauchte und mir die Hand hinhielt. Er half mir hoch und ich klopfte mir die Sachen ab. "Naja. Sie ist nicht schlecht aber definitiv verbesserungswürdig. Vampire sind schnell. Sehr schnell. Darüber hinaus sind wir sehr wendig, manche von uns noch mehr als andere. Ein abrupter Richtungswechsel ist kein Problem für uns. Diese Stärke machen wir uns im Kampf zu nutze. Du kannst den Schlägen eines Vampirs locker ausweichen wenn du dich auf deine Instinkte und dein Gehör verlässt. Wir sind zwar schnell aber nicht 100 Prozent lautlos, vor allem nicht in dieser Umgebung. Also nochmal. Ich werde versuchen drei Treffer zu landen. Wenn du allen ausweichen oder sie zumindest abwehren kannst, zeig ich dir, wie du deine Schnelligkeit nutzt." Er hatte noch nicht richtig zu Ende gesprochen, da war er auch schon aus meinem Blickfeld verschwunden. Na gut. Instinkt und Gehör. Wie schwer konnte das schon werden? Ich blieb einfach stehen und lauschte. Hin und wieder hörte ich Gräser knacken und das leise Rascheln von Gras. Er kam. Ich spürte es und ich konnte es ebenso hören. Allerdings war ich mir über die Richtung noch nicht ganz im Klaren. Rechts? Links? Ich hob eine Braue und hörte etwas genauer hin. Der Mistkerl lief im Zick Zack. Kein Wunder, dass ich verwirrt war. Ich schloss die Augen und erst, als er mich fast erreicht hatte, wusste ich, von wo er kam. Rechts. Ich wich nach links aus und sah einen Schatten, der an mir vorbeihuschte. So sah das also aus. Doch dann läuteten die Alarmglocken. Hinter mir. Ohne zu zögern ging ich etwas in die Hocke und sprang nach oben. Ehe ich mich versah, war ich zwei Meter in die Höhe gesprungen. Faszinierend. Jedoch ging es auch wieder runter. Ich landete etwa einen halben Meter versetzt, von meinem Sprungpunkt aus, auf meinen Füßen und sah mich wieder um. Doch seinen letzten Angriff bemerkte ich zu spät. Er zog mir die Füße unterm Boden weg, worauf ich erneut auf meinem Rücken landete und seufzend den Kopf fallen ließ. "Scheiße...", murmelte ich und sah in Rukis grinsendes Gesicht. "Du lernst schnell aber du bist zu unkonzentriert. Du lässt dich schnell aus der Fassung bringen und bietest mir damit eine gute Grundlage um einen Schlag oder Tritt zu platzieren. Allerdings scheint dein Instinkt doch schon recht ausgeprägt zu sein. Der Sprung war perfekt gesetzt. Ich hatte keine Chance darauf zu reagieren. Doch deine unkontrollierte Landung hat dir dann das Genick gebrochen." Ich lauschte aufmerksam und nickte immer wieder. Eigentlich war ich doch schon längst aus der Schule raus und doch bekam ich gerade wieder Unterricht. Ruki half mir erneut auf und ich holte mir Pflanzen aus dem Haar. Blödes Feld. Während ich mich sauber machte fiel mir auf, dass ich Reita gar nicht sehen konnte. Ich hob eine Braue ehe ich ein Geräusch vernahm und mich blitzschnell duckte. Der Blonde schoss über mich hinweg, was mich grinsen ließ bis eine Faust auf mich zu schnellte. Ich griff nach dem Arm und gab Ruki ordentlich Schwung mit, sodass er in Reitas Richtung flog. Was sollte das denn jetzt werden? Ich war auf der Hut und sah nur hin und wieder einen blitzschnellen Schatten durch das Gras huschen. Gut, ich musste mich nun also gegen zwei Vampire wehren. Reita hatte ich schon längst gefunden. Im Vergleich zu Ruki, trampelte er durch das Feld wie eine Horde Elefanten. Doch sein Freund war schwerer auszumachen. Der Kleinere huschte wie eine Gazelle durch das hohe Gras und das machte mich ganz wild. Reita kam von links weshalb ich aus dem Stand über ihn sprang. Sobald ich auf Schulterhöhe war stieß ich ihn mit beiden Füßen nach vorne. Ich sah zu, wie der Blonde flog und geradewegs mit Ruki zusammenknallte. Meine Landung war etwas unsanft aber die Beiden blieben liegen und begannen zu lachen. Irritiert lief ich zu beiden und sah sie abwechselnd an. Ruki rieb sich kurz den Arm ehe er mich ansah. "Gut gemacht. Damit hab ich nicht gerechnet und konnte nicht mehr ausweichen. Du hast aber echt zu viele Kampfsportfilme gesehen oder?", schmunzelte der Brünette und rappelte sich, klopfte sich den Staub von der Kleidung und sah zu seinem Freund, der es ihm gleichtat. Ich lächelte zufrieden und zuckte die Schultern. "Naja, nicht wirklich aber ich habe früher etwas Unterricht gehabt. Ist wohl doch mehr hängen geblieben als gedacht.", zwinkerte ich ihm zu. "Verstehe. Das erklärt so einiges. Nun, aber für heute haben wir genug gemacht. Lass uns wieder reingehen." Nickend folgte ich den Beiden während ich das Haus betrachtete. Eigentlich glich es mehr einer Villa als einem simplen Haus. Die Bezeichnung wurde ihm nicht gerecht. Drinnen angekommen, verabschiedeten sich die beiden von mir und verschwanden nach oben. Ich sah ihnen nach bevor ich mein Zimmer betrat und das Licht einschaltete. Wollte ich nicht umziehen? Richtig. Ich öffnete meinen Schrank, holte meine gesamte Kleidung heraus und stopfte sie in einen Karton, der noch in einer Ecke stand. Ich wusste gar nicht mehr, warum das Ding dort war aber es war gut, dass es ihn gab. Es folgten Hygieneprodukte und diverser Kleinkram wie Aktenordner und Stifte. Mein Hab und Gut war überschaubar. Mühelos hob ich den Karton an und verließ mein Zimmer. Ich nahm die Treppe bis ins oberste Stockwerk und hatte zum ersten Mal keine Konditionsprobleme mehr. Wie praktisch. Ich betrat mein altes Zimmer, machte das Licht an und begann meinen Kram einzuräumen. Jetzt gehörte ich hier her. Murrend zog ich mich um und warf mich wieder in meine Pyjamahose ehe ich mich aufs Bett schmiss und die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Ja, ich gehörte zu ihnen. Für immer und das war eine verdammt lange Zeit. Jetzt stand ich auch auf der Abschussliste der Menschen. Ich lächelte ironisch. Erst war ich der Doktor, der an Vampiren experimentierte und nun lag ich auf dem Tisch und wurde gepeinigt. Welch Ironie des Schicksals. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass diese höhere Macht da oben, einfach einen ganz schlechten Sinn für Humor hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)