Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Ich stöhnte innerlich, als ich schlaftrunken das Polizeigebäude betrat. „Morgen, Josephine“, grüßte mich ein Kollege. „Und für dich einen schönen Feierabend, Chris“, entgegnete ich. Mein Arbeitstag begann während seine Nachtschicht wohl gerade zu Ende ging. Es war noch dunkel draußen. Kalt und ungemütlich. Eine dicke Wolkendecke hing über Berlin und es regnete unentwegt. Vielleicht war es das Wetter, das heute so auf mein Gemüt schlug. Ich hatte schlecht geschlafen - sehr schlecht um ehrlich zu sein. Trotzdem wurde ich noch vor dem Klingeln des Weckers wach. Ich konnte mit Wotan aufgrund des daueranhaltenden Regens nicht ausreiten und war daher heute noch deutlich früher als sonst auf Arbeit. Mir kamen nur einzeln Kollegen der Nachtschicht entgegen. Mein erster Gang führte mich zum Getränkeautomaten. Eigentlich trank ich bereits zuhause meine morgendliche Portion an Koffein, aber wie es sich für so einen Tag gehörte, hatte sie heute Morgen den Geist aufgegeben. Als ich auf den Kalender blickte, wurde mir auch klar warum. Heute war Freitag der Dreizehnte. Ich schloss meine Augen, die sich schwer anfühlten, während ich wartete, dass mein Frühstück sich in die Tasse füllte. Eigentlich war ich nicht abergläubisch, aber bisher hatte heute noch nichts wirklich geklappt. Vielleicht war es nur Zufall oder tatsächlich ein Naturgesetzt, das ich einfach nicht verstand. Neben dem Summen der Kaffeemaschine, hörte ich leise und langsame Schritte, die durch den leeren Flur hallten. „Frau Klick.“ Bei meinem Namen horchte ich auf und drehte mich um. „Frau Krämer...“, erwiderte ich überrascht, als die Leiterin des Heims nur wenige Meter von mir entfernt stehen blieb. Ich schnappte mir meinen Kaffee und ging auf sie zu. Was machte sie um so eine Uhrzeit auf dem Revier?. „Ich muss mit Ihnen reden“, sagte Frau Krämer mit schwacher Stimme und unendlich traurigen Augen. Sie wirkte matt und erschöpft. Vermutlich war ihr Schlaf genauso spärlich ausgefallen wie meiner, wenn sie überhaupt die Nacht ein Auge zugemacht hatte. „Natürlich, kommen Sie bitte mit“, entgegnete ich und legte ihr meine Hand auf die Schulter. Es war dunkel auf dem Flur als ich sie langsam zu meinem Büro führte. „Sie müssen entschuldigen“, begann ich, schloss das Zimmer auf und knipste das Licht im Zimmer an. „Wir haben nur selten um diese Uhrzeit schon Besuch.“ „Um ehrlich zu sein, habe ich gar nicht erwartet Sie oder einen Ihrer Kollegen bereits anzutreffen, aber Zuhause habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten. Starten Sie ihren Tag immer so früh?“ Ich stellte den Kaffee auf meinen Tisch, legte meine Jacke und Tasche ab. „Nicht immer. Es hängt oft vom Fall ab. Aber manchmal heißt es eben früher Start, später Feierabend.“ Ich bat sie am Besprechungstisch Platz zu nehmen und setzte mich ihr direkt gegenüber. „Worüber wollten Sie mit mir reden?“ Den Blick gesenkt, sah sie ihre Hände auf dem Tisch an. Sie krallte ihre Fingerspitzen in die Haut ihrer Hände. „Torsten“, begann sie, schüttelte dann aber langsam ihren Kopf „Herr Dr. Schneider, meinte ich.“ Wieder stockte sie und holte einmal tief Luft. Die Augen von Frau Krämer waren mit Tränen gefüllt, als sie ihren Kopf hob und mich ansah. „Ich befürchte ihrer Vermutung recht geben zu müssen, Frau Klick.“ Ihr Mund zitterte und Tränen liefen über ihre Wange. Sie sah wieder auf Ihre Hände, der Kopf war leicht nach unten gebeugt. „Ich verstehe nur nicht, warum er so etwas Schreckliches tun musste.“ Sie ballte ihre Hände um das Zittern zu unterdrücken. „Frau Krämer“, begann ich ruhig. „Warum glauben Sie zu wissen, dass Herr Dr. Schneider es getan hat?“ Es dauerte eine Weile bis sie anfing zu sprechen. „Nachdem Gespräch mit Ihnen war er ganz verändert. Er brach die Schulung am frühen Nachmittag ab und verließ einfach die Arbeit ohne sich abzumelden. Nach Feierabend wartete er bereits in der Küche auf mich.“ „Hatte er Sie bedroht?“, fragte ich besorgt. „Nein, aber der Schock über seine Affäre saß noch tief und ich wollte nicht mit ihm reden. Er weigerte sich jedoch zu gehen, wollte mich überzeugen mit der Sache nichts zu tun zu haben. Ich wollte ihm glauben, bekam aber ein schlechtes Gefühl dabei. Mir war nicht wohl, dass er da war. Als wenn ich Angst vor ihm hätte.“ „Ist das schon mal vorgekommen, dass Sie sich vor ihm gefürchtet haben?“ „Er neigt manchmal zu starken emotionalen Ausbrüchen“, bestätigte sie mir. „Aber ich dachte, dass es einfach sein Charakter ist. Besonders die letzten Wochen war es schwierig mit ihm gewesen. Er schrie mich an, dass ich Ihnen und Ihrem Kollegen nicht glauben sollte, dass Sie versuchten unsere Beziehung kaputt zu machen. Ich sagte ihm, dass er alles alleine mit seinem Betrug bereits zerstört hatte und er gehen sollte bevor ich die Polizei rufen würde.“ „Ist er gegangen?“ „Nach einer Weile verschwand er und donnerte die Tür hinter sich zu. Es war zu viel in meinem Kopf und ich konnte einfach nicht schlafen. Als ich dann doch vor Müdigkeit kurz wegdämmerte, fielen mir wieder Sachen vom Abend der Benefizveranstaltung ein. Er hatte ständig auf seine Uhr gesehen und darauf bestanden zeitnah die Veranstaltung zu verlassen. Außerdem tranken wir nie Alkohol am Abend, wenn am nächsten Tag viel auf Arbeit anlag.“ Sie stockte für einen Moment und redete nicht weiter. Sie hatte wohl die ganze Nacht darüber nachgedacht und mit Sicherheit keinen Schlaf gefunden. „Am nächsten Morgen schlief er noch, was für ihn wirklich ungewöhnlich war. Er brauchte schon immer weniger Schlaf als ich. In der Wohnstube stand die leere Flasche auf dem Tisch. Ich konnte mich nicht daran erinnern den Wein geleert zu haben. Eigentlich holte er morgens immer Brötchen, aber ich wollte ihn schlafen lassen. Draußen fuhr gerade die Müllabfuhr mit unseren Müllsäcken weg und wie immer lagen noch Reste auf dem Boden. Also schnappte ich mir einen neuen Müllsack und ging zur Einfahrt. Etliche Zettel lagen auf dem Boden und ich sammelte sie ein. Ich ärgerte mich besonders, als ich mitten auf dem Gehweg eine Spritze liegen sah und wickelte sie mehrfach ein um sie dann ebenfalls in den Müllbeutel zu werfen.“ „Sie fanden es nicht merkwürdig eine Spritz auf dem Gehweg zu sehen?“, fragte ich verwundert wurde bei der Information aber hellhörig. „Nein, da ich seit vielen Jahren bereits Diabetes habe und mich regelmäßig spritze. Es lagen also regelmäßig Spritzen in unserem Müll, aber immer ordnungsgemäß verpackt, damit sich niemand verletzt. Wir haben doch so viele Kinder in der Nachbarschaft.“ Wenn die Müllabfuhr Montag erst den alten Abfall abgeholt hatte, dann musste der neue... „Haben Sie noch diese Spritze?“, fragte ich nach. „Haben Sie kontrolliert, ob es eine von Ihren ist?“ Natürlich konnte sie jedem gehören, aber bei der momentanen Beweislage klammerte ich mich an jeden noch so kleinen Hinweis. Sie nickte und holte aus Ihrer Tasche eine Sammlung an zusammengeknüllten Papiertaschentüchern hervor. „Die Spritze ist hier drin. Es ist eine aus unserer Klinik. Ich habe sie heute Nacht noch einmal rausgesucht.“ Sie legte den Packen Taschentücher auf den Tisch, wühlte abermals in ihrer Tasche und überreichte mir ein zerknülltes Stück Papier. „Was ist das?“ „Eine Tankquittung“, antwortete sie mit schwacher Stimme. „Sie lag ebenfalls im Müll.“ Ich nahm die Quittung und glättete das Papier. Es war auf den 9. März datiert, 2:34 Uhr – der Zeitraum in dem Frau Weiß ermordet wurde. Mein Kopf ratterte und ich blickte Frau Krämer an. Sie erwiderte meinen Blick nur kraftlos und niedergeschlagen. „Finden Sie nicht auch, dass es so viele Zufälle einfach nicht geben kann?“, fragte sie mich. Auf einen Schlag hatte sich alles völlig verändert. *** Frau Krämer, Alex und ich standen in ihrem Büro. Das Team hatte eine Weile gebraucht um alle Informationen zusammenzutragen. Waldi kümmerte sich um das Überwachungsvideo, während Karin die Spritze zusammen mit den Taschentüchern ins Labor brachte. Wir konnten nur hoffen noch Spuren zu finden. Das Überwachungsvideo würde aber zumindest für eine vorläufige Festnahme reichen. Zeit die wir brauchten um weitere Beweise zu sammeln. Herr Dr. Schneider hatte gelogen und sein Alibi war hinfällig. Wenn wir ihn bis morgen mit weiteren Beweisen dem Haftrichter vorführen konnten, war der Fall für uns erledigt. Wir erwarteten ihn jeden Moment im Büro von Frau Krämer und hielten uns daher verdeckt im hinteren Bereich des Raumes auf. Die Kollegen waren bereits verständigt und warteten in einer Seitenstraße vorm Institut. Sie würden ihn übernehmen und in Untersuchungshaft bringen, sobald wir ihm die Handschellen anlegen konnten. Die Tür ging auf und Herr Dr. Schneider trat ein. Er blieb nach einigen Schritten im Zimmer stehen. „Ich bin so froh, dass du mit mir reden möchtest.“ Seine Stimme klang ehrlich erleichtert. Beinahe hoffend. Mich überraschte der sanfte Ton von ihm. Ich versuchte aber diesen Gedanken abzuschütteln und mich auf die bevorstehende Festnahme zu konzentrieren. Frau Krämer stand angespannt hinter ihrem Schreibtisch und blickte hilfesuchend in unsere Richtung. Erst jetzt nahm er unsere Anwesenheit war. Er drehte sich ruckartig um, sah uns irritiert an. Alex ging auf ihn zu und ich verstellte die Tür, um einen möglichen Fluchtversuch zu verhindern. „Herr Dr. Schneider, Sie sind festgenommen, wegen dringendem Tatverdacht, Elisabeth Weiß ermordet zu haben.“ Alex drückte ihn gegen die Wand bevor er etwas sagen konnte und legte ihm Handschellen um. Ich ging auf die beiden zu und Herr Dr. Schneider blickte mich mit verengten Augen an. „Morgen müssen Sie mich sowieso wieder laufen lassen. Sie haben nichts gegen mich in der Hand“, sagte er noch immer in einem überheblichen Tonfall. „Die Beweise sprechen weniger dafür“, erwiderte ich knapp. Alex drehte ihn von der Wand und nahm sein Telefon zur Hand. Die Kollegen waren verständigt und auf dem Weg ins Büro. Herr Dr. Schneider sah Frau Krämer an und in diesem Moment veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen völlig. Seine Gesichtszüge wurden weicher und er sah sie sanft und beinahe flehend an „Sie werden mich in 48 Stunden wieder rauslasse müssen. Lass uns dann bitte über alles reden.“ Die Zerbrechlichkeit in seiner Stimme überraschte mich zutiefst. War das alles wirklich nur gespielt? Ich zweifelte mittlerweile an der Theorie. Ihm musste wirklich was an dieser Frau liegen. Frau Krämer liefen Tränen über ihre Wange, als sie kopfschüttelnd seine Bitte ablehnte. „Gib auf, Torsten. Ich verkrafte keine Lügen mehr.“ Sie sah ihn verletzt an und zum aller ersten Mal seit dem ich Herrn Dr. Schneider kennengelernt hatte sah ich Verzweiflung in seinem Blick. „Warum hast du das getan?“, fragte sie mit schwacher Stimme. „Ich habe ni-„ begann er, wurde aber unterbrochen. „Lüg mich nicht an“, schrie sie ihn an und kämpfte sichtlich mit ihrer Fassung. Auf wackeligen Beinen ging Sie um den Schreibtisch herum und blieb direkt vor ihm stehen. Sie sprach so leise, dass ich kaum verstand was sie sagte. „Keine Lügen mehr, Torsten. Ich will keine Lügen mehr hören. Ich haben die Spritze vom Tatort gefunden und die Tankquittung. Die Polizei hat ein Überwachungsvideo auf dem du deutlich zu sehen bist.“ Wenn er überrascht war diese Informationen von ihr zu hören ließ er es sich nicht anmerken. War es ihm etwa gleichgültig, dass wir die nötigen Beweise für seine Verhaftung in der Hand hielten? Er wandte seinen Blick nicht von Frau Krämer, als wenn er versuchte ihre Gedanken zu lesen. Als wenn er sie ohne wortlos anflehte nicht weiter zu fragen. „Vielleicht ist es deine letzte Chance einen Funken Menschlichkeit zu bewahren“, fuhr sie mit leiser Stimme fort und berührte für einen kurzen Augenblick seinen Arm. Ihre Worte und die kleine Geste mussten ihn so aus der Fassung gebracht haben, dass seinen Atem für einen Moment stockte um wenig später in einem Laut der Verzweiflung seinen Mund zu verlassen. „Warum hast du das getan?“, fragte sie erneut in ruhiger, aber auch ernster Stimme. Er schloss seine Augen und atmete langsam durch. Als seine Lider sich wieder öffneten, sah ich so viel Wärme in ihnen, dass mich ein eiskalter Schauer überfiel und ich schlucken musste. Eine einzelne Träne lief seine Wange hinab, als er langsam die Worte in seinem Mund sammelte. „Weil...“, begann er mit leiser Stimme, musste kurz um Fassung kämpfen. „Weil ich dich liebe und ich Angst hatte dich zu verlieren.“ Alex sah für einen Augenblick zu mir. Wir hatten unerwarteter Weise bereits unser Geständnis und Frau Krämer ihre Wahrheit bekommen. Für uns war der Fall gelöst und eigentlich sollte ich doch erleichtert sein, endlich Gewissheit zu haben. Aber diese Szene vor mir traf mich so tief, wie es nur ein heftiger Hieb in die Magengrube konnte. Dieser arrogante und überhebliche Mann liebte Frau Krämer wirklich. Niemand konnte so viel Gefühl schauspielern. Egal welche Schönheiten er vorher im Bett gehabt hat und wie viel Jahre die beiden trennten, diese Frau hatte sich so tief in sein Herz gegraben, dass er für die Zukunft mir ihr - bereit gewesen war einen Mord zu begehen. Meine Brust zog sich bei diesem Gedanken zusammen. Wie verzweifelt musste ein Mensch sein um nur diesen Ausweg zu sehen. Ein Mensch dessen Beruf es war Leben zu retten. Ich wusste, dass die Sache hier nicht mit dem Vorfall auf der Brücke zu vergleichen war, aber ich musste in diesem Moment an Fritz denken. Daran, wie er mir gerade noch versicherte, dass alles gut werden würde und ich wenige Augenblicke später mit dem Wagen in die Tiefe stürzte. Mein Kopf formte Bilder von dem Moment indem sich Fritz mit dem Messer über Clemens beugte. War er seinen Instinkten gefolgt oder bei klarem Verstand gewesen, als er Clemens den Schlüssel aus dem Körper schnitt und von der Brücke ins kalte Wasser sprang um mich zu retten. Ich verstand nicht warum gerade jetzt mein Kopf so genaue Bilder entstehen ließ, aber es raubte mir den Atem und ich hatte Mühe Luft zu kriegen. Mit meinen Händen rieb ich meinen Brustkorb und versuchte das Gefühl loszuwerden, konnte es aber einfach nicht abschütteln. Die nächsten Minuten verliefen wie im Film. Herr Dr. Schneider wurde von unseren Kollegen abgeführt, Vivienne kümmerte sich um Frau Krämer, die bitterlich weinte und wir gingen nach einer Weile wieder zu unserem Auto um uns auf den Weg ins Revier zu machen. Alex fuhr durch die grauen, nassen Straßen von Berlin. Es regnete immer noch und es schien einfach nicht Tag werden zu wollen. Schweigend saß ich neben ihm und blickte aus dem Fenster, sah an den Leuten vorbei, durch Gebäude durch. Sie verschwammen vor meinen Augen. „Alles okay?“, fragte Alex nach einer Weile. Die ungewohnte Stille musste ihm zu schaffen machen. „Ja“, sagte ich erschöpft und blickte weiterhin gedankenverloren aus dem Fenster blickte. „Der Fall war mir gerade nur irgendwie zu viel.“ „Zumindest haben wir das Geständnis. Das erspart uns ein weiteres Verhör. Wenn die DNA Analyse ihren Rest tut, sind wir mit allem durch. Dann können wir nächste Woche in aller Ruhe die Protokolle schreiben und haben endlich mal ein Wochenende frei. Caroline wird sich freuen.“ Ich gab nur einen zustimmenden Laut von mir und blickte weiter aus dem Fenster. „Essen wir unterwegs noch einen Happen? Ich kippe gleich um vor Hunger.“ Wieder gab ich nur einen undeutlichen Laut als Zustimmung von mir ohne meinen Blick vom Fenster abzuwenden. Ich sah im Spiegelbild des Fensters wie mich Alex beunruhigt ansah. Er konnte sich vermutlich genauso wenig erklären, warum ich so drauf war nach einem gelösten Fall. Zufrieden und erleichtert sollte ich sein. Aber irgendetwas trübte meine Stimmung und ließ mein Puls schneller schlagen, während meine Faust sich in meinem Shirt festkrallte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)