Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Gedankenverloren starrte ich auf das Blatt Papier vor mir. Ich musste den selben Satz mindestens schon fünf Mal gelesen haben. In den letzten Tagen war es schwer für mich, mich zu konzentrieren. Es lag kein neuer Fall an und wir hatte Zeit für die Ablage und viel Zeit um nachzudenken. „Josephine“, unterbrach Alex meine Gedanken. „Kannst du mir noch mal die Notizen vom Gespräch mit Frau Krämer geben? Ich bin mit dem Bericht noch nicht durch.“ Ich drehte mich zu ihm um. Er stand im Türrahmen und sah mich an. Alex wirkte irgendwie angespannt, müde und erschöpft. Es konnte nicht an der Arbeit liegen. Unsere Tage waren momentan kurz und wir hatten nur Büroarbeit, die erledigt werden musste. Ihm machte der Fall von Fritz vermutlich genauso zu schaffen wie mir. Ich konnte nur ahnen wie es Fritz gehen musste. Wir hatten seit Freitag nichts gehört. Nicht mal einen Zwischenstand vom Chef. Vermutlich reichte sein Einfluss nicht soweit, dass er Informationen von der Staatsanwaltschaft erhielt. Ich hatte überlegt, ob ich Herrn Altenburg fragen sollte, aber war mir nicht sicher, ob das was bringen würde. Alex sah mich immer noch an. Ich schob die Gedanken beiseite und drehte mich zu der Akte, um ihm das nötige Schriftstück rauszusuchen. „Hier“, sagte ich, als ich es schließlich gefunden hatte. Er kam auf mich zu und nahm mir das Dokument ab. „Danke“, erwiderte er und ging langsam wieder in sein Büro, während er bereits die ersten Zeilen las. Ich versuchte mich auf das Schreiben vor mir zu konzentrieren. Herr Dr. Schneider hatte sein Geständnis nicht widerrufen und die zuständigen Kollegen hatten ihn dem Haftrichter vorgeführt. Der Fall war damit für uns geschlossen und ich versuchte das Ganze bestmöglich zu verdrängen und nicht zu sehr an mich ranzulassen. Aber das klappte nicht sonderlich gut, wenn man sich alle Berichte noch mal genau ansehen und alles entsprechend für die Ablage aufarbeiten musste. Und wenn ich nicht gerade an diesen Fall dachte, stellte ich mir Fragen zum Fall von Fritz. Es war ein Teufelskreis. Frustriert ließ ich den Stift auf meinen Schreibtisch fallen und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Ich sah eine Weile aus dem Fenster. „Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte mich Karin, die an ihrem Monitor vorbei sah und mich beobachtete. „Hmm“, antwortete ich erschöpft. „Warum machst du heute nicht einfach früher Feierabend?“, schlug sie mir vor. Nein. Das Einzige, worauf ich mich heute freute, lag noch vor mir. Es war Mittwoch und ich hatte beschlossen heute Fritz und Alex mal wieder zu Addie zu begleiten. Vielleicht würde es uns allen gut tun, wenn wir uns gemeinsam ein wenig mit Billard spielen und Fußball gucken ablenken konnten. Ich rollte wieder an meinen Schreibtisch mit meinem Stuhl und bemühte mich, für den Rest der Zeit mich auf den Fall zu konzentrieren. Ich war erleichtert, als später die Tür aufging und Fritz eintrat. „Bielefeld“, begrüßte er mich. „Heute dabei?“ „Wenn du bereit bist gegen mich beim Billard zu verlieren - dann ja“, gab ich zurück. Er schenkte mir ein schiefes Lächeln. Ich erwiderte es. „Geht klar“, stimmte er zu und verschränkte seine Arme während er sich an den Türrahmen lehnte. Alex kam in den Raum. „Fritz“, sagte er in einem erleichterten Ton. „Meine Rettung. Ich dachte schon, dass der Tag nie enden würde.“ Fritz sah kurz von Alex zu mir und wieder zu seinem Kumpel. „Hat Bielefeld schon wieder was angestellt?“ „Eh“, protestierte ich. “Warum muss eigentlich immer ich schuld sein?“ Er zuckte mit den Schultern als er mich angrinste. Da ich keine Diskussion wollte, ging ich nicht weiter auf das Thema ein. Ich sollte mir das besser für später aufheben, wenn er wieder behauptete, dass ich beim Billard geschummeln würde. „Kommt ihr?“, fragte Fritz. Alex ging in sein Büro um den Computer herunterzufahren. Ich tat das Gleiche und wenig später konnten wir die Lichter unserer Büros ausschalten. Ewald und Karin waren bereits vor uns in den Feierabend gestartet. Wir gingen durch den Flur zum Ausgang. Alex und Fritz unterhielten sich über das letzte Spiel von Hertha, als wir das Gebäude verließen. Eine milde Prise streifte mein Gesicht. Es war ein angenehmer Frühlingsabend und die Tage wurden langsam länger. Wir gingen gerade über den Parkplatz als ein Wagen auf den Hof fuhr. Es war keiner von den Streifenwagen und auch das Auto kam mir nicht bekannt vor. Einige Meter vor uns hielt der Wagen und zwei Kollegen stiegen aus. Alex und Fritz blieben stehen. Kannten sie die beiden etwa? Sie kam auf uns zu, sahen konzentriert aus, aber auch ein wenig unglücklich. Besonders der Jüngere von den beiden. „Fritz“, sagte er. „Was machst du nur für eine Scheiße.“ „Hannes?“, fragte Fritz. Alle vier Männer sahen angespannt aus, als sie sich gegenüberstanden. „Alter, es tut mir leid. Aber ich muss dich bitten mit uns zu kommen. Gegen dich liegt ein Haftbefehl vor“, sagte der junge Mann etwas schwerfällig. Mein Atem stockte als ich die Bedeutung der Worte langsam Begriff. Ein Haftbefehl gegen Fritz? Das konnte doch nicht sein. Der Staatsanwaltschaft lag doch erst seit Freitag der Fall von Fritz vor. Wenn die sich Montag erst mit dem Fall beschäftigt hatten, konnte doch nicht jetzt schon ein Haftbefehl vorliegen, oder? Die konnten doch nicht wirklich schon eine Entscheidung getroffen haben. Das musste ein Fehler sein. Die mussten sich nicht alle Unterlagen angesehen haben. Ich wollte das nicht glauben. „Das muss ein Missverständnis sein“, sagte ich und ging dazwischen, als die Beamten versuchten Fritz Handschellen anzulegen. Hannes schüttelte den Kopf und holte aus seiner Jackentasche ein Formular. Er sah mich dabei mitfühlend an. Ich überflog es. Es war ein Haftbefehl. Und darauf stand der Name von Fritz. Es war kein Fehler, kein übler Scherz von Kollegen. Es war echt. Aber ich wollte es immer noch nicht glauben. Hatte ich etwas falsch gemacht? In Bruchteilen von Sekunden ratterten alle Ereignisse, alle Gespräche und Auswertungen zu dem Fall von Fritz durch meinen Kopf. War es das Gespräch mit Frau Bremer gewesen? Das Gespräch mit Herrn Altenburg? Hätte ich denn überhaupt noch was machen können oder war es von Anfang an aussichtslos? Der Chef hatte doch gesagt, dass Fritz gute Chancen hätte aus der Sache rauszukommen. Selbst Herr Altenburg hatte gesagt, dass Hoffnung bestand. Hatten alle gelogen? Hatten alle sich verschätzt? Ich fühlte mich betrogen und eine unbekannt heftige Wut stieg in mir auf. Eine Wut auf die Staatsanwaltschaft, auf Herrn Altenburg, auf mich selbst. Ich hatte das Gefühl Fritz im Stich gelassen zu haben als er am meisten meine Hilfe brauchte. Ich hätte mehr machen müssen. Verzweiflung und Panik ergriffen mich und mir stiegen Tränen in die Augen, als der Beamte noch immer das Stück Papier mir vors Gesicht hielt. Hannes nahm das Dokument wieder an sich und packte es in seine Tasche. Als ob das Thema damit erledigt wäre, legten sie Fritz die Handschellen an und wollten ihn abführen. Ich starrte Fritz an. Warum sagte er nichts? Warum sah er mich nicht verwundert oder verzweifelt an. Hatte er etwa so einen Ausgang erwartet? Ich kämpfte noch mit mir, aber Fritz schien sich der Situation bewusst zu sein. Wie konnte er so ruhig sein, wenn ich so fassungslos war. Er senkte seine Lider und war schon im Begriff sich umzudrehen. „Fritz“, rief ich aus. Er hielt inne und die Beamten sahen mich an, als ich auf Fritz zuging. Ich schob mich an Hannes und seinem älteren Kollegen vorbei und stellte mich vor Fritz. Wieder sah er mich mit diesem `Es wird alles Gut´-Lächeln an. Sanft und warm. Es versetzte mir einen Stich. Meine Brust schnürte sich zu und mein Atem stockte. Ich legte meine Arme um seinen Hals und zog ihn in eine feste Umarmung. Meine Hände zitterten und ich krallte sie in den Stoff seiner Jacke, damit es sich nicht auf den ganzen Körper übertrug. Er konnte meine Umarmung nicht erwidern - seine Hände bereits in Handschellen gelegt worden. Ich spürte, wie er seinen Kopf seitlich gegen meinen legte, spürte seinen warmen Atem, als er langsam und regelmäßig ein- und ausatmete. „Es tut mir so leid“, flüsterte ich mit schwacher, zittriger Stimme an seine Wange. Ich hatte ihn im Stich gelassen und hatte versagt. Warum hatte ich meinen Partner nicht beschützen können? „Ich würde alles tun, um das hier verhindern zu können, Fritz.“ Ich krallte mich fester in den Stoff seiner Jacke. „Josephine“, begann er sanft in einem Flüsterton. „Ich bereue es nicht, dass hab ich dir schon mal gesagt und ich würde es wieder tun.“ Ich schüttelte meinen Kopf, wollte es nicht wahrhaben. Ich wollte Fritz nicht in Handschellen sehen. Ich wollte ihn nicht vor Gericht sehen, suspendiert oder hinter Gittern. Den Gedanken ertrug ich nicht und Fritz verdiente das nicht. Der Platz von ihm war in unserem Team, an unserer Seite. Ich wollte ihn nicht loslassen. Aber mich zog jemand von Fritz weg. Ich wollte mich dagegen wehren, aber mir fehlte die Kraft. Einer der beiden Beamten redete auf mich ein. Aber ich verstand kein Wort von dem was er sagte. Ich sah nur Fritz, mit diesen traurigen Augen. Ich konnte mich noch genau an den Moment erinnern, als Fritz von den Kollegen aus der Zweiten abgeführt worden war. Es war direkt nach meiner Befreiung aus der Geiselnahme. Ich hatte gehofft, dass ich es nie wieder erleben müsste. Ich hatte alles dafür getan, was mir möglich war. Aber offensichtlich hatte es nicht gereicht und alles war umsonst. Und jetzt musste ich mit ansehen, wie Fritz ein weiteres Mal in Handschellen abgeführt wurde, wegen mir. Weil er versucht hatte mich zu retten. Weil ich unfähig gewesen war mich selber zu verteidigen. Es war allein meine Schuld. Er zahlte einen hohen Preis für seine Loyalität und es schnürte meine Kehle zu. Fritz blickte uns noch einmal an, als die Beamten mit ihm den Wagen erreicht hatten. Er lächelte mich kurz an, sah dann aber an mir vorbei. „Pass auf sie auf“, sagte er. Einen Augenblick später legte mir jemand seine Hand auf die Schulter. Ich kontrollierte es nicht, aber es musste wohl Alex sein. Für ihn musste die Situation doch genauso schlimm sein. Sein bester Freund war festgenommen worden. Wegen mir. „Es tut mir schrecklich leid“, murmelte ich vor mir hin, als ich noch immer in die Richtung von Fritz starrte. Die Beamten hatten Fritz gerade auf dem Rücksitz vom Wagen platziert und die Wagentür geschlossen als sich der Fahrer noch einmal zu uns umdrehte und Alex und mir zunickte. Dann stieg er zusammen mit seinem Partner ein. Wenige Augenblicke später setzte sich der Wagen in Bewegung und wir konnte nur zusehen, wie sie langsam hinter der Mauer verschwanden. Ich wollte hinterher rennen und den Wagen stoppen, aber die Hand an meiner Schulter hielt mich davon ab. „Das kann doch nicht wahr sein“, sagte ich noch immer ungläubig. „Josephine“, sagte Alex leise nach einem Moment der Stille. Er stand dicht hinter mir. Seine Stimme klang gequält. „Selbst du hättest diesen Fall nicht anders lösen können.“ Ich hätte gemusst, dachte ich. Eine einzelne Träne lief mir die Wange hinunter. Ich hätte gemusst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)