Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 27: ------------ „Christopher?“, fragte ich erstaunt als er den Kopf in mein Büro steckte. „Josephine“, begrüßte er mich freundlich mit diesem Lächeln, das ihn so sympathisch machte. „Was machst du denn hier?“, fragte ich ihn erstaunt. „Haben dir deine Kollegen nichts gesagt?“ Nein, musste ich feststellen. Meine Kollegen hatten mir nicht gesagt, dass er heute vorbeikommen würde. Ich hatte drei Tage mit einem Praktikanten das Archiv durchwühlt und anschließend hatte ich mich in diesen Akten vergraben. Ich wusste also nicht an was Fritz und Alex gerade arbeiteten. Ich hatte bewusst etwas Abstand gesucht und wollte eine Situation vermeiden, in der ich bezüglich der Akten in Erklärungsnot geriet. „Ich habe die letzten Tage in eine andere Richtung ermittelt“, sagte ich ihm ohne Detail zu verraten. Ich war die ungelösten und gelösten Akten der letzten Zehn Jahre durchgegangen. Solange arbeitete Johannes Rombach nämlich schon für das Drogendezernat in Berlin. Er war Anfang vierzig, wie ich bei meiner weiteren Recherche herausgefunden hatte. Also war er etwas älter, als ich gedacht hatte. Ebenfalls war mir aufgefallen, dass er eine tadellose Akte besaß. Er war bereits in Gesprächen für einen höheren Posten und dieser Umstand irritierte mich. Warum sollte jemand wie er kriminell oder korrupt sein? Das machte keinen Sinn. Er verdiente genug Geld und bald hatte er eine noch höhere Position. In den ganzen Akten war mir nur ein Fall mit Ähnlichkeiten zum Mord von Rebecca und Christin aufgefallen. Und auch hier war wieder Hannes beteiligt. Es widersprach allen anderen Informationen, die ich zusammengetragen hatte, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich am Ball bleiben sollte. Lisa war auch noch nicht aufgewacht, da die Ärzte sie noch immer in einem künstlichen Koma hielten. Sie meinten zwar, dass sich ihr Zustand täglich verbesserte, es aber noch einige Tage dauern würde, bis das Sedativum abgesetzt werden konnte. Die Ärzte machten mir wenig Hoffnung, dass Lisa in den nächsten zwei, drei Wochen in der Verfassung wäre befragt zu werden. Für den Fall war es natürlich nicht gut. Aber Hauptsache war doch, dass das Mädchen überlebt hatte. Der ältere Mann war von mir verständigt worden und besuchte sie fast täglich. Ich war ihm so dankbar, dass er uns den Weg zur Lagerhalle gezeigt hatte. Ihm alleine war es zu verdanken, dass sie noch lebte. Ich traf ihn oft im Krankenhaus, wenn ich mich über den Zustand von Lisa informierte. Natürlich durfte er nicht ohne die Aufsicht eines Polizisten Lisa besuchen. Wir wussten immer noch nicht, wer versucht hatte sie zu töten. Und vermutlich würden wir es ohne ihre Hilfe auch nicht rausfinden. Ich hoffte wirklich, dass Herr Altenburg bald wieder hier wäre. Ich musste mit jemanden darüber reden. Ich hatte mich selber oft erwischt, wie ich Fritz ansah und mir die Worte schon auf der Zunge lagen. Warum fühlte ich mich bei diesem Fall so alleine? Warum wollte ich Fritz unbedingt einweihen? „Hast du Hannes gar nicht mitgebracht?“, fragte ich Christopher. Er schüttelte den Kopf. „Nein, der hat heute noch andere Termine.“ „Andere Termine?“, fragte ich und sah auf die Uhr. „Um diese Uhrzeit?“ Es war immerhin schon 19 Uhr und ich wunderte mich, warum Christopher noch so spät hier war. „Im Drogendezernat sind die Arbeitszeiten ein wenig anders als bei euch“, begann er und grinste mich dabei an. „Wir sind am Abend aktiv, wenn die Deals ablaufen. Bei der Mordkommission seid ihr vermutlich immer früh am Werk, da die meisten Leichen am frühen Morgen gefunden werden.“ Ich musste ihm zustimmen und gleichzeitig grinsen. Er und seine Statistiken. Ich fragte mich wirklich, ob er vorher Analytiker oder Polizist an seinem alten Einsatzort gewesen war. Wie lange hatte er gesagt, arbeitete er schon hier in Berlin? Ein halbes Jahr? Wie gut mochte er wohl seinen Partner schon kennen? Vielleicht wäre es hilfreich mit ihm über Hannes zu reden. „Wo kommst du eigentlich her?“, fragte ich ihn und versuchte das Gespräch ein wenig privater werden zu lassen. „Hannover“, antwortete er und sah dabei etwas gequält aus. Ich kannte diesen Blick. Ich hatte vermutlich die Leute genauso angesehen, wenn sie mich auf Bielefeld ansprachen. Es waren also nicht nur dienstliche Gründe, die ihn nach Berlin gebracht hatten. „Private Gründe die dich hier her gebracht haben?“, fragte ich. „Kann man wohl sagen“, entgegnete er knapp. Anscheinend gehörte er nicht zur gesprächigen Sorte. Ich lehnte mich an meinen Tisch. „Ich bin damals hierher gekommen als ich mich von meinem Ex-Verlobten getrennt habe. Ich brauchte einfach ne Änderung: Neue Umgebung, neue Leute, neue Aufgaben.“ Es war nicht meine Art einfach so darüber zu reden, aber ich musste sein Vertrauen gewinnen. Er sah mich erstaunt an, dann lächelte er zögernd. „Ich brauchte auch was Neues und der Job hier wurde gerade ausgeschrieben. Also habe ich mich darauf beworben.“ Gemeinsamkeiten waren immer gut für einen erfolgreichen Gesprächsverlauf. „Und wie ist es so für dich, hier im großen Berlin zu arbeiten? Sehr anders?“ Jetzt lachte er. „Ja! Definitiv anders. Hier ist viel mehr los.“ „Du gewöhnst dich schon daran“, sagte ich und grinste ihn schief an. Ich wollte ihn gerade danach fragen, wie es war mit Hannes zusammenzuarbeiten als die Tür vom Büro aufging und Fritz in der Tür stand. Er sah uns einen Augenblick fragend an, ging dann aber auf Christopher zu und begrüßte ihn. „Wir haben schon auf dich gewartet“, sagte Fritz. Christopher fuhr sich durch seine lockigen Haare und seine Hand verweilte an seinem Genick als er Fritz entschuldigend ansah. „Tut mir leid, ich habe mich wohl mit eurer Kollegin verquatscht. Da hab ich vergessen zu fragen, wo ihr seid.“ Die beiden verschwanden im Büro von Fritz. Er fragte nicht mal, ob ich dabei sein wollte, was mich ärgerte. Ich hätte noch einige Fragen an Christopher gehabt. Gehörte ich nicht genauso zum Team? Ich hatte zwar die letzten Tage separat gearbeitet, aber das hieß doch nicht, dass ich nicht mehr mit der Fallklärung beschäftigt war. Außerdem wäre es für mich eine gute Gelegenheit gewesen Christopfer einige Fragen zu Hannes zu stellen. Aber leider hatte Fritz uns unterbrochen. Vielleicht konnte ich ihn mir nach dem Termin nochmal greifen. *** „Warum kommst du nicht einfach mit?“, fragte ich Christopher. Ich hatte ihn zusammen mit Fritz und Alex auf dem Flur abgepasst. Heute war Mittwoch und ich hatte kurzfristig beschlossen doch mit zu Addie zu gehen. Eigentlich hatte ich das heute nicht geplant, aber ich konnte nicht die Chance vertun das Gespräch mit Christopher fortzuführen. Er sah mich etwas irritiert an. „Habt ihr keine Stammkneipe, wo ihr regelmäßig hingeht?“, fragte ich ihn. Mich würde das wundern. JEDER Mann hatte eine Stammkneipe. „Doch haben wir“, sagte er nach kurzem Zögern. „Na siehst du“, gab ich zurück. „Dann nehmen wir dich heute mit zu unserer.“ Ich sah zu den Jungs. „Das ist doch ok, oder?“ „Klar, warum nicht“, stimmte Alex zu und klopfte Christopher auf die Schultern während er ihn anlächelte. „Oder hast du schon was anderes vor?“ „Nein, heute liegt eigentlich nichts mehr an“, sagte er und blickte mich an. „Hervorragend“, sagte ich und zog meine Jacke zu. „Dann können wir ja endlich los.“ Als Christopher und Alex vorneweg gingen, passte sich Fritz meinem Tempo an. „Hattest du heute Morgen nicht noch gesagt, dass du nicht mit zu Addie kommst?“, fragte er mich leise. „Darf ich nicht meine Meinung ändern?“, gab ich zurück und sah ihn an. Ihm passte schon wieder irgendwas nicht, dass konnte ich sehen. Heute Abend war Fußball. Vielleicht wollte er einfach mit Alex einen ruhigen Abend haben und das Spiel sehen. Mir konnte das egal sein. Ich hatte sowieso nicht vor viel Zeit mit den beiden zu verbringen. Ich musste es schaffen mit Christopher zu reden, ohne dass meine Kollegen sofort misstrauisch wurden. Und genau das würde passieren, wenn ich ihm so viele und vielleicht auch offensichtliche Fragen über seinen Partner stellte. Das musste ich vermeiden. Vielleicht sollte ich ihn zum Dart oder Billard spielen einladen. Da wären wir ungestört. Wir gingen gerade auf den Ausgang zu als von draußen jemand das Gebäude betrat. Fritz murmelte irgendwas, aber das verstand ich nicht. Ich blieb erstaunt stehen, als ich sah, wer dort im Gang stand. „Herr Altenburg!“, rief ich aus und merkte dabei selber wie erleichtert meine Stimme klang. Ich hatte ihn die ganze Woche nicht angerufen, weil ich das Gefühl hatte, noch nicht genügend recherchiert zu haben. Er hatte gesagt, dass er sich melden würde, wenn er wieder hier sei. Was macht er also hier ohne mich vorher anzurufen? Ich hätte auch schon längst im Feierabend sein können. „Frau Klick“, sagte er in einem ruhigen, freundlichen Ton und kam auf mich zu während er mich anlächelte. Aber es war nicht echt, dachte ich. Es war sein Dienstlächeln. Er wirkte angespannt, als er näher kam. Er begrüßte höflich Alex und stellte sich Christopher vor. In diesem Moment war ich froh, dass Hannes heute nicht aufs Revier gekommen war. Kannten sich die beiden? Würde er was ahnen, wenn er wirklich in die Sache verwickelt war und er mich mit Herrn Altenburg sah? „Ich sehe, dass sie gerade in den Feierabend starten wollen”, sagte er und stellte sich vor Fritz und mich. Die beiden begrüßten sich knapp und ich konnte sehen, dass Fritz sich augenblicklich wieder anspannte. Ich fragte mich wirklich, was bei dieser Befragung zwischen Herr Altenburg und Fritz vorgefallen war, dass Fritz jedes Mal seinen Kamm aufstellte, wenn Herr Altenburg sein Territorium betrat. „Wir wollten gerade noch in unsere Stammkneipe gehen“, sagte ich zu Herrn Altenburg als ich meine Tonlage wieder etwas unter Kontrolle hatte. „Aber ich nehmen an, dass Sie mit mir reden wollen?“ „Wenn es gerade passt, wäre ich Ihnen für Ihre Zeit sehr dankbar.” Er sah mich vielsagend an, wirkte plötzlich viel ernster. Mir war natürlich klar um welches Thema es sich handelte und ich wollte auch unbedingt mit ihm reden. Aber gerade jetzt, wo Christopher da war und ich einige Fragen an ihn loswerden konnte, passte es mir weniger. Ich sah kurz Christopher an und traf dann meine Entscheidung. „Ihr könnt ja schon vorgehen. Ich komm spätestens in einer halben Stunde nach“, sagte ich und schaute in die Runde. Alex stimmte zu, auch wenn er mich skeptisch anblickte. Christopher sah etwas enttäuscht aus und Fritz sah ich lieber gar nicht erst an. Ich konnte mir seinen grimmigen Gesichtsausdruck auch so gut vorstellen. „Dann lassen Sie uns doch ins Büro gehen“, sagte ich und führte Herr Altenburg zu meinem Arbeitsplatz. Auf dem Weg dorthin sprachen wir kein Wort miteinander und ich fragte mich, was in seinem Kopf vor sich ging. Warum war er so angespannt? Ich schloss die Bürotür wieder auf und knipste das Licht an als wir den Raum betraten. „Warum haben Sie mich nicht angerufen?“, fragte ich ihn, stellte meine Tasche auf den Stuhl und lehnte mich an meinen Tisch. „Ich wollte es Ihnen nicht so einfach machen“, sagte er und steckte die Hände in die Hosentaschen als er nachdenklich zu Boden sah. „Einfach machen?”, fragte ich verwirrt. “Was meinen Sie damit?” „Ich wollte nicht, dass Sie mir eine Absage einfach übers Telefon erteilen. Ich habe die Hoffnung, dass es Ihnen schwerer fällt, wenn Sie mir zumindest gegenüberstehen und Sie wissen, welche Gründe es gibt, warum ich Sie für diesen Fall brauche.“ Seine Stimme klang ein wenig kehlig und ich sah wie seine Kieferknochen arbeiteten. War er deswegen so angespannt? War er sich so sicher, dass ich den Fall ablehnen würde? Ich musste an unsere letzte Begegnung denken. Er hatte Probleme mich davon zu überzeugen, mir den Fall überhaupt noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Aber er wusste nicht, was in den letzten Wochen passiert war. Wenn ich den Fall annehmen würde, konnten wir vielleicht zwei Morde auf einmal lösen und beide Akten konnten geschlossen werden. Und ich müsste mir in diesem Fall keine Sorgen machen, dass der Fall von Fritz erneut Gesprächsthema werden könnte. Dazu musste aber geklärt werden, ob der Fall von Christin mit dem Fall von Rebecca überhaupt zusammenhingen. Sonst würden wir in die Irre geführt werden. Mittlerweile war ich mir aber sicher, dass das der Fall war. Mein Bauchgefühl hatte sich beruflich eher selten getäuscht. Herr Altenburg hatte nichts weiter gesagt, mich aber nachdenklich angesehen. „Sie glauben also, dass ich ablehne?“, fragte ich ihn nach einer Weile. „Ja, das befürchte ich in der Tat.“ „Es gab einige Ereignisse in den letzten Wochen über die ich gerne mit Ihnen sprechen wollte und die den Fall betreffen könnten.“ Er wurde hellhörig. „Haben diese Ereignisse Ihre Meinung geändert?“, fragte er beinahe zögerlich. Ich sah ihn an und nickte dann langsam. „Ja“, sagte ich. „Ja?“, wiederholte er meine Worte, als wenn er ganz sicher sein wollte. Er kam einige Schritte auf mich zu. „Heißt das, dass Sie den Fall annehmen?“ Er klang atemlos als er mich erwartungsvoll ansah. Als ich seine Fragen bejahte, sah ich die Erleichterung in seinen Augen und langsam zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er auf mich zugehen und mich umarmen würde. Ich war etwas erschrocken, als er mich an sich zog. Das entsprach so gar nicht meinem Bild von ihm. Er hatte seinen Kopf dicht neben meinem Ohr, als er ein `Danke´, flüsterte. „Nur weil ich annehme, ist der Fall noch lange nicht gelöst, Herr Altenburg“, murmelte ich und klopfte ihm auf seinen Rücken. Mit dieser emotionalen Reaktion von ihm hatte ich wirklich nicht gerechnet. „Natürlich. Aber Sie glauben nicht wie mich Ihre Entscheidung erleichtert“, sagte er flüsternd und ließ mich noch immer nicht los. „Ich merke es“, sagte ich etwas erstickt, als seine Umarmung noch fester geworden war. Augenblicklich ließ er von mir ab und sah mich entschuldigend an. „Tut mir leid“, sagte er. „Schon ok“, erwiderte ich und richtete meine Kleidung. Er nahm ebenfalls wieder Haltung an, als er sich von seinem emotionalen Ausbruch erholte. „Wir sind jetzt also Partner?“, fragte mich Herr Altenburg und grinste. „Ich frage Sie jetzt aber nicht, ob Sie noch mit in die Bar kommen wollen. Mein Kollege kann Sie leider weniger leiden“, gab ich zurück. „Ich verstehe“, erwiderte er und sein Grinsen wurde breiter. „Außerdem ist nichts sicher, solange der Chef nicht zugestimmt hat“, gab ich zu bedenken. Er wurde wieder ernster. „Ich kann gleich morgen früh bei ihm vorsprechen.“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Vielleicht sollten Sie erst mal mich mit meinem Chef reden lassen. Er fordert Sie dann an. Das wäre aus meiner Sicht vorteilhafter für uns.“ Herr Altenburg stimmte der Idee zu. „Was ist passiert, das Ihre Meinung geändert hat?”, wollte er wissen. „Wir haben einen neuen Fall“, begann ich. „Eine junge Frau wurde tot in einem Kanal entdeckt. Sie ist aber nicht ertrunken. Das Opfer ist an einer Überdosis gestorben.“ „Es war kein Selbstmord?“, fragte er mich. „Nein, dass können wir ausschließen. Ihr wurde Liquid Ecstasy verabreicht.“ Ich konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Als er mich mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah, war ich mir sicher, dass er verstand, wo meine Ausführungen uns hinbringen würden. „Wer vom Drogendezernat wurden Ihnen zur Verfügung gestellt?“ „Herr Christopher Haas“, begann ich. „Den Kollegen haben Sie ja heute schon kennengelernt und sein Partner Johannes Rombach.“ Bei dem Namen verhärteten sich sofort seine Gesichtszüge und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er vertraute ihm nicht, wie ich es geahnt hatte. Wusste er schon etwas über Hannes, was mir nicht bekannt war? „Seine Akte ist sauber“, begann ich, wurde aber von Herrn Altenburg unterbrochen. „Natürlich ist seine Akte sauber.“ „Habe Sie gegen ihn schon einmal ermittelt?“ Er verneinte die Frage. Ich konnte die Frustration in seinen Augen sehen. „Das ist unmöglich“, begann er. „Er hat sich nie was zu schulden kommen lassen, was man ihm hätte nachweisen können.“ „Aber Sie glauben, dass er was damit zu tun haben könnte?” „Was glauben Sie, Frau Klick?“, stellte er mir die passende Gegenfrage. Ich senkte bei dieser Frage meinen Blick. „Ich glaube, dass man ihm nicht vertrauen sollte.“ Ich sah Herrn Altenburg an, als er den Blick ernst erwiderte. „Dito“ *** Herr Altenburg hatte von mir eine Kurzfassung des Falls bekommen. Wir wollten morgen noch einmal miteinander reden sobald ich das Thema beim Chef anbringen konnte. Anschließend war er so freundlich gewesen und fuhr mich zu Addie. Als ich in die Kneipe kam, saßen jedoch nur Alex und Christopher an der Bar und verfolgten das Fußballspiel. „Hey Jungs“, sagte ich und setzte mich neben die beiden. „Wo ist Fritz?“, fragte ich nachdem ich ihn nirgendwo sehen konnte. „Hast du ihn nicht getroffen?“, fragte mich Alex verwundert. Ich schüttelte meinen Kopf. „Warum hätte ich ihn treffen sollen?“ „Er ist noch mal zurückgegangen, wollte seine Schlüssel holen.“ Fritz war noch einmal zurückgegangen? Wann? Hatte er etwa das Gespräch zwischen Herrn Altenburg und mir mitbekommen? Ich hatte niemanden auf dem Flur bemerkt, aber wir hatten die Tür auch nur angelehnt. Mir wurde mulmig bei diesem Gedanken. Ich hoffte nicht, dass Fritz was mitbekommen hatte, sonst würde ich in Erklärungsnot geraten. Ich bestellte mir ein Bier und versuchte mich abzulenken. Also konzentrierte ich mich auf Christopher. Glücklicher Weise war er nicht der große Fußballfan und ich konnte ihn überreden mit mir später ein wenig Billard zu spielen. Er wirkte sogar erleichtert, dass wir nicht ausschließlich zum Trinken und Fußballgucken in der Bar waren. Das Spiel im Fernsehen lief schon eine gute halbe Stunde als Fritz die Bar betrat. Ich nutzte die Gelegenheit um mit Christopher zum Billardtisch zu wechseln. Vor allem, nachdem mich Fritz grimmig angesehen hatte. Vielleicht war es nur Einbildung oder Paranoia, aber ich hatte das Gefühl, dass er mich mit diesem `Ich weiß alles´-Blick ansah. Da ich an dieser Tatsache jetzt nichts ändern konnte, musste ich meinen Fokus auf das Gespräch mit Christopher legen. Wir spielten jetzt schon eine Weile am Billardtisch, aber ich hatte bisher kaum Informationen sammeln können. Es war schwer was aus Christopher rauszukriegen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich nicht voll bei der Sache war. Fritz sah immer wieder in unsere Richtung und ich hatte das Gefühl, dass seine Blicke regelrecht auf meiner Haut brannten. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen, was er mitbekommen hatte. Sollte ich doch noch heute mit ihm reden? Aber vielleicht wäre er dazu auch gar nicht mehr in der Lage. Neben ihm stand nicht nur ein Bierglas, sondern auch eine halbleere Flasche Tequila. Trank er das Zeug etwa alleine? Ich versuchte mich wieder auf das Spiel und meinen Billardpartner zu konzentrieren. Ich hatte schon vier Durchgänge verloren. Christopher war unglaublich gut im Billard oder ich war heute einfach nicht in der Lage die Kugeln richtig anzuspielen. „Du spielst das aber nicht zum ersten Mal, oder?“, fragte ich Christopher als er die dritte Kugel in Folge versenkte. Er schüttelte den Kopf als er mich entschuldigend ansah. „Nee, ich bin in Hannover in einem Verein gewesen. Wir haben uns einmal in der Woche zum Billard spielen getroffen.“ „Also ist Billard dein Hobby? Hast du hier auch einen Verein?“ „Ich habe noch nichts passendes gefunden“, sagte er etwas bedrückt. „Aber Hannes spielt doch bestimmt mit dir ab und zu Billard, oder?“, fragte ich nach und versuchte erneut etwas über Hannes zu erfahren. „Hannes ist nicht der Typ, der nach dem Feierabend mit Kollegen was macht“, sagte er. „Nie?“, hakte ich nach. „Seit ich hier angefangen habe, sind wir nur zu meinem Einstand einmal alle zusammen in ne Bar gegangen. Er trennt sein Privatleben sonst sehr von der Arbeit. Ich weiß daher kaum was über ihn.“ „Ist bestimmt nicht leicht. Gerade wenn man als Partner so eng zusammenarbeiten muss“, sagte ich mitfühlend und klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern, während ich ihn anlächelte. „Er hat einen eigenen Kopf, arbeitet aber sehr korrekt“, sagte Christopher. Dann wirkte er nachdenklich. „Aber es ist nicht so wie bei euch.“ „Bei uns?“, fragte ich verwirrt. Christopher nickte. „Eure Zusammenarbeit wirkt so natürlich. Fritz und Alex sehen sich an und tauschen Gedanken aus ohne ein Wort zu wechseln. Das finde ich schon bemerkenswert.“ Ich musste lachen. Mir war das damals auch aufgefallen. Die beiden waren wie Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden und sich im Berufsleben wieder gefunden hatten. „Ja“, stimmte ich zu. „Die beiden sind ein eingespieltes Team. Da bleibt man immer irgendwie ein bisschen außen vor.“ „Findest du?“, fragte er skeptisch. „Ich hab das Gefühl, dass die beiden viel Wert auf deine Meinung legen. Bei unserem ersten Termin hat Fritz darum gebeten, dass wir später anfangen, weil du dich verspäten würdest. Außerdem behält er dich immer im Blick und studiert deine Mimik. Ist dir das etwa noch nie aufgefallen?“ Ich stutze bei seiner Bemerkung. Hatte Fritz das getan? Unweigerlich spürte ich, wie sich mein Gesicht ein wenig erhitzte und ich sah etwas unsicher zu Boden. „Bevor ich hier angefangen habe, war ich in Hannover Profiler. Ich analysiere Menschen und Situationen. Und aus meiner Sicht hast du mit Fritz auch eine sehr spezielle Partnerschaft.“ Es gefiel mir nicht, wie er das Wort speziell betonte. „Ich glaube, dass du den falschen Eindruck von Fritz und mir gewonnen hast. Wir sind Kollegen. Da ist nichts anderes zwischen uns.“ Christopher sah mich skeptisch an. Wie waren wir auf so ein Thema gekommen? Bevor ich noch was sagen konnte, stellte sich Alex neben uns und klopfte auf den Billardtisch. „Ich werde los“, sagte er. Ich drehte mich überrascht zu Alex. „Schon?“, fragte ich ihn. War das Fussballspiel etwa zu Ende? „Was heißt hier `schon´, Josephine? Es ist gleich Mitternacht!“ „Mitternacht?“ Ich sah auf meine Uhr. Er hatte Recht. Es war kurz vor Mitternacht. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie schnell die Zeit vergangen war. Mein Blick ging an Alex vorbei zur Bar und ich sah wie Fritz bei Addie gerade noch ein Bier bestellte. Wie viel hatte er getrunken? Er sah ein wenig mitgenommen aus, müde und seine Haare waren zerzaust. „Nimmst du Fritz gar nicht mit?“ Alex zuckte nur die Schultern, als er eine Augenbraue hochzog. „Der wollte noch hier bleiben.“ Warum sollte Fritz alleine noch hier bleiben wollen? „Also dann“, sagte Alex. „Ich wünsch euch noch einen schönen Abend.“ „Danke, dir auch“, sagte Christopher. Alex verließ die Bar und ich sah ihm noch eine Weile hinterher. „Alles klar?“, fragte mich Christopher. Ich drehte mich zu ihm um. „Ja, sorry. Habe nur nicht mitbekommen, wie spät es schon ist.“ „Wir können die Runde ja noch zu Ende spielen und machen dann Schluss für heute.“ „Klingt nach einem guten Plan“, stimmte ich zu. Christopher lehnte sich zurück und deutete auf den Billardtisch. Ich war an der Reihe. Dieses Spiel war für mich bisher besser gelaufen und ich hatte gute Chancen zu gewinnen, wenn ich die nächste Kugel versenkte. Sie lag etwas kompliziert, aber ich traf sie an der richtigen Stelle und sie schnellte ins Loch. Ich musste grinsen, als ich Christopher ansah. „Sieht schlecht für dich aus“, scherzte ich. Christopher nahm es gelassen. Er lehnte sich noch immer entspannt gegen die Wand während er mich beobachtete. „Mein Ego ist nicht so ausgeprägt wie das der Kollegen. Ich werde das wohl verkraften. Viel spannender finde ich dich dabei zu beobachten“, sagte er und zwinkerte mir zu. Mich irritierte das ein wenig. Mich zu beobachten? Sagte er das nur so, damit ich mich nicht auf den nächsten Stoß konzentrieren konnte? Um ihn zu beweisen, dass mich das nicht aus der Ruhe brachte versenkte ich auch die restlichen Kugeln und hatte damit das Spiel für mich entschieden. Ich ging auf ihn zu und klopfte ihn auf die Schultern. „Du bist ein guter Verlieren“, sagte ich. Er hob sein Bierglas zum Anstoßen. Ich nahm ein Schluck aus meinem Glas und stellte es dann wieder auf den Tisch. „Du warst also Profiler?“, fragte ich ihn. Es bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Anscheinend hatte er seinen Job in Hannover wirklich gern gemacht. „Ja. Ich hatte vorher weniger mit dem Drogendezernat zu tun“, gab er zu. „Das hatte ich mir schon gedacht. Aber ich glaubte eher, dass du aus dem Innendienst kommst und den ganzen Tag nur Statistiken in Powerpoint Präsentationen gepackt hast.“ Bei meiner Bemerkung musste er lachen. „Ich scheine dich ja nicht beeindruckt zu haben mit meinen Statistiken bei unserem Termin.“ „Du musst doch zugeben, dass dieser Teil recht einschläfernd war“, entgegnete ich entschuldigend. „Aber du glaubst nicht wie hilfreich solche Analysen sind, wenn man Menschen beobachten und einschätzen will.“ Ich sah ihn verwirrt an. Schon wieder fing er damit an. Ich hatte das Gefühl, dass er mich heute im Laufe des Abends analysiert hatte. Was hatte er rausgefunden? Ich kam nicht dazu ihn zu Fragen, da sich jemand neben mich stellte. Als ich mich umdrehte erkannte ich Fritz. „Fritz?“, fragte ich überrascht, als er ohne was zu sagen ein Euro-Stück auf den Billardtisch legte. Ich sah ihn verwirrt an. „Was soll das?“, fragte ich ihn. „Ich will mich anmelden“, entgegnete er mir. „Anmelden?“ „Macht man das nicht so bei euch in Bielefeld?“, fragte er mich und klang dabei ein wenig spöttisch. Was war denn mit ihm los? „Du kommst aus Bielefeld?“, fragte mich Christopher. Bevor ich antworten konnte, mischte sich Fritz ein. „Ja“, sagte er an Christopher gewandt und klang bissig. „Sie wollte mal die Großstadt schnuppern.“ Dann wandte er sich wieder an mich. “Was ist nun oder wollt ihr den ganzen Abend hier den Billardtisch blockieren?” Wusste er nicht wie spät es war? Wie tief hatte er ins Glas gesehen? Zumindest wirkte er nicht allzu betrunken. Aber irgendwas stimmte nicht. “Willst du hier alleine spielen?”, fragte ich ihn. Fritz sah mich bitterböse an, als sich seine Stirn in Falten legte und ich seine Kieferknochen arbeiten sah. Er musste mich missverstanden haben. Christopher und ich wollten los, also wäre hier niemand mehr mit dem er spielen konnte, da Alex auch schon auf dem Weg nach Hause war. Ich bekam aber keine Chance das richtig zu stellen. Er sah mich einen Moment mit verengten Augen an, dann wandte er sich von mir ab. “Vergiss es”, sagte er und entfernte sich von uns. Was war denn los? Er ging zur Bar und rief Addie irgendwas zu, griff sich seine Jacke und verschwand. “Speziell”, sagte Christopher hinter mir. Ich drehte mich zu ihm. Er deutete zum Ausgang. „Vielleicht solltest du hinterher.“ Er hatte Recht. Ich sollte mit Fritz reden. Irgendwas ging schon wieder vor sich. “Komm gut nach Hause, Christopher. Du schuldest mir noch eine Revanche für die verlorenen Spiele. Lass uns das irgendwann mal nachholen”, sagte ich noch schnell bevor ich mich auf den Weg machte. Bevor ich die Straße erreichte, zog ich mir meine Jacke halbherzig über. Wo konnte Fritz wohl langgegangen sein? Ich entschied mich für den Weg rechts von mir. Fritz hatte reichlich Alkohol getrunken. Er suchte bestimmt nach einem Taxi. Als ich um die Ecke bog, sah ich Fritz in einiger Entfernung den Gehweg entlang laufen. Er war noch nicht weit gekommen. „Fritz“, rief ich und lief hinter ihm her. Aber er reagierte nicht und setzte seinen Weg fort. „Fritz, nun warte doch!“, forderte ich ihn auf. Ich hatte ihn fast erreicht. Als er immer noch nicht reagierte, zog ich an seiner Jacke. Ich versuchte ihn zum Stehen zu bringen, aber er riss sich los. Langsam reichte es mir mit ihm. Ich rannte an ihm vorbei und stellte mich vor ihn. „Was ist denn los, Fritz?“, wollte ich wissen. „Wenn ich schon wieder was falsch gemacht habe, dann sage es doch einfach. Du hälst doch sonst nicht damit hinterm Berg.“ Er sah mich mit verengten Augen an, schüttelte dann aber seinen Kopf. „Lass es für heute einfach gut sein, Josephine“, sagte er und wollte sich wieder an mir vorbei drängen. „Fritz“, sagte ich warnend und stellte mich ihm wieder in den Weg. „Es ist keine gute Idee heute mit mir zu reden.” Es klang beinahe wie eine Drohung. Ich konnte sehen, dass er innerlich mit irgendwas kämpfte. Er wirkte verkrampft und seine Nasenflügel waren geweitet als er tief atmete. „Du bist sauer auf mich“, sagte ich. Ich war mir sicher, dass ich das nicht als Frage formulieren brauchte. „Nein“, sagte er, fuhr sich dann durch seine Haare. „Ja, doch. Aber...“ Er fluchte etwas vor sich hin als er wieder versuchte sich an der Wand entlang an mir vorbei zu drängen. Ich hielt ihn am Arm fest. “Ich will, dass du mit mir redest!” „Bielefeld“, sagte er warnend, aber ich ließ ihn nicht los. In der einen Sekunde hörte ich ihn knurren und in der nächsten Sekunde packte er mit beiden Händen meine Schultern und schob mich an die Wand. Als er meinem Rücken an die Wand drückte, atmete ich keuchend aus. War ihm überhaupt klar wie viel Kraft er hatte? Seine Hände lagen noch immer auf meinen Schultern als er mich festhielt. Er atmete schwer und sah mich mit verengten Augen an. „Warum kannst du nicht mal akzeptieren, wenn es nicht so läuft wie du es willst?“, fragte er mich heiser. „Warum kannst du mir nicht einfach sagen, was los ist?“, entgegnete ich und sah ihn ernst an. „Du bist doch sonst immer so clever, Bielefeld. Sag du es mir“, forderte er mich auf und klang bitter. „Geht es um Herrn Altenburg?“, fragte ich und konnte sehen, wie sich sein Blick noch mehr verfinsterte, wenn das überhaupt noch möglich war. „Hast du uns belauscht?“, fragte ich etwas atemlos. Was würde ich ihm erzählen, wenn er mir Fragen zum Fall stellte? Ich wollte ihn nicht anlügen. Nicht Fritz. Ich... „Belauscht? Mir hat gereicht was ich gesehen habe!“, sagte er. „Gesehen?“, fragte ich verwirrt. „Du hast dich in seinen Armen offensichtlich wohlgefühlt“, sagte Fritz bissig. Wohlgefühlt in seinen Armen? Bitte, was? Meinte er etwa die Umarmung von Herrn Altenburg? Die war doch total harmlos. Anscheinend hatte er nicht gehört, was Herr Altenburg und ich besprochen hatten. Die Umarmung wäre dann gewiss das kleinere Problem gewesen. „Du hast nicht gehört, was wir besprochen haben?“, fragte ich erneut und die Erleichterung sprach aus mir. Das schien ihn nur noch mehr aufzuregen. Er stemmte seine linke Hand dicht neben meinem Kopf an die Wand und beugte sich näher zu mir. „Ich dachte, dass du einfach mehr Zeit brauchst.“ Seine Stimme war heiser und kaum mehr als ein Flüstern. „Zeit?“, flüsterte ich fragend. Seine Nähe macht mir zu schaffen. Ich konnte kaum denken. Ich roch den Alkohol und sein Aftershave. Ich musste dringend etwas Abstand gewinnen und versuchte mich von der Wand zu lösen und ihn wegzustoßen, aber er stand wie ein Fels in der Brandung. Ich konnte mich nicht bewegen. Mein Puls raste als er sein Gesicht dicht vor meinem hielt. Er sah mich an ohne was zu sagen. „Fritz“, sagte ich flehend. Warum konnte er mich nicht einfach loslassen? Warum musste alles immer so kompliziert zwischen uns sein? Warum konnten wir nicht einfach normale Kollegen sein? Und warum um Himmels Willen raste mein Herz jedes Mal, wenn er mir so nahe kam? Ich war nicht nach Berlin gekommen um die Fehler von damals zu wiederholen. Er sah mich mit diesen unsagbar traurigen Augen an und mich zerriss es, schnürte mir meine Kehle zu und mein Brustkorb verkrampfte sich. Ich wollte nicht, dass er mich so ansah. Konnte es wirklich sein, dass er auf diese Art und Weise für mich empfand oder sprach nur der Alkohol aus ihm? Er musste damit aufhören. Ich würde ihm nur wehtun. Er war mein Kollege. Er verdiente mehr. Er war ein wunderbarer Mensch, einfach zu wertvoll, um ihn zu verletzen und ich wollte ihn nicht verlieren, nicht als Kollege und besonders nicht als Freund, dafür bedeutete er mir zu viel. „Lass mich bitte los, Fritz“, sagte ich heiser. Er schüttelte seinen Kopf langsam ohne seinen Blick von mir zu lassen. Seine linke Hand löste sich von der Wand und bewegte sich behutsam meinem Oberarm hinab um mich am Ellenbogen zu halten. Seine rechte Hand verfing sich in meinen Haaren. „Fritz”, sagte ich und fand selber, dass meine Stimme panisch und verzweifelt klang. „Du weißt nicht, was du tust.” Aber er hörte nicht auf mich und meine Worte verklangen, als er seine Lippen auf meine legte. Da war es wieder, dieses Gefühl, so wie beim letzten Mal als er mich so berührt hatte - noch viel stärker. Mein Körper glühte und mir wurde schwindelig, als sein Duft mich umhüllte. Mein Puls raste und ich hatte das Gefühl, dass mich die Einsamkeit umbringen würde, wenn er mich jetzt losließe. Aber er tat es nicht und ich schloss langsam meine Augen. Seine Hände umfingen zärtlich mein Gesicht und er drängte sich noch dichter an mich. Ich ließ zu, dass er mich küsste und genoss es, genoss seine Lippen, seine Nähe. Ich brauchte mehr von dieser Wärme, die meinen Körper durchströmte, wann immer er mich so berührte. Dieses Mal konnte ich nicht dem Alkohol Schuld geben. Ich konnte es nicht darauf schieben, dass es ein emotionaler Tag war. Ich konnte allein meinen eigenen Gefühlen die Schuld geben und das machte mir Angst es machte mich regelrecht panisch. In einem letzten Versuch gegen meine Gefühle anzukämpfen, entzog ich ihm mein Gesicht und drehte es zur Seite. Er hielt inne ohne mich erneut zu küssen. Mich durchzog ein Schauer als ich seinen heißen Atem auf meinem Hals spürte. „Ich will das nicht“, sagte ich erstickt. Ich atmete schwer als ich seine Lippen ganz sanft an meinem Hals spürte. Meine linke Hand legte sich auf seinen Brustkorb und er ließ es zu, dass ich ihn einige Zentimeter von mir schob. Aber als ich meinen Kopf hob um ihn anzusehen, musste ich feststellen, dass sein Gesicht nur wenige Millimeter von meinem entfernt war. „Du solltest das nicht tun“, sagte ich und sah ihn dieses Mal etwas fester an. Es fiel mir schwer seinem Blick stand zu halten. Ich sah so viel Wärme in seinen Augen, dass meine Knie sich zittrig und weich anfühlten. „Warum?“, fragte er mich sanft als seine rechte Hand langsam durch mein offenes Haar fuhr. Warum ich nicht wollte, dass er mich küsste? Es gab tausende Gründe. Er war mein Kollege. Wir sollten keine intime Beziehung eingehen. Außerdem machten mich seine Berührungen verrückt und ich hatte Angst vor diesem Gefühl. Ich war noch nicht bereit mich wieder auf jemanden einzulassen. Wir hatten nie über Gefühle gesprochen. Ich würde ihm wehtun und er würde mir vielleicht das Herz brechen. Und dieses Mal würde es wirklich gebrochen sein und sich vermutlich nie wieder erholen. Ich dachte an seine Probezeit und daran, dass es vermutlich nicht gut wäre, wenn etwas, dass wir abgestritten hatten, plötzlich nicht mehr so wäre. Welche Dinge davon sollte ich ihm als Grund nennen? „Einfach, weil ich es nicht will“, sagte ich und verfluchte mich für meine schwache Stimme als meine Augen zu seinen Lippen wanderten. Sie verharrten dort eine Weile ohne das einer von uns was sagte. Ich biss mir auf die Lippen als ich noch immer das Kribbeln seines Kusses auf meinem Mund spürte. „Wenn du nicht willst“, fragte er mich mit heiserer Stimme und beugte sich ein Stück vor. „Warum erwiderst du dann meinen Kuss?“ Und wie zum Beweis legte er erneute seine Lippen auf meine. Dieses Mal gab er mir mehr Zeit darauf zu reagieren. Ich hätte meinen Kopf wieder wegdrehen können, aber ich hatte es nicht getan. Und wieder verlor ich mich in seiner Berührung, erwiderte seinen Kuss, krallte meine Finger in seiner Jacke fest als ich ihn näher zu mir zog. Er sollte verflucht sein, dass er mir das antat. Warum musste ich gerade bei ihm so schwach sein? Ich wollte das nicht fühlen, wollte mich nicht wieder so abhängig machen. Ohne das ich etwas dagegen tun konnten, bildeten sich Tränen in meinen Augen und liefen über meine Wangen. Er fühlte meine Tränen als seine Hände mein Gesicht streichelten. Er hielt inne und löste seine Lippen von meinen. „Verflucht, Josephine!“, keuchte er, als er Abstand nahm um mich anzusehen. Es bildeten sich immer neue Tränen. Ich konnte einfach nicht damit aufhören. Ich sah den Schmerz in seinen Augen, was das Ganze nicht leichter für mich machte. „Es tut mir leid“, flüsterte er als er mir die Tränen aus dem Gesicht wischte. Er sah mich wortlos an, ließ meine Tränen laufen um sie immer wieder mit seinem Daumen wegzuwischen. Ich nahm etwas Abstand von ihm und er ließ es zu, gab mir Raum zum Atmen, zum Denken. Als ich mich ein wenig beruhigt hatte, sah ich ihn an. „Ich will nicht wieder irgendwo neu anfangen müssen“, sagte ich zu ihm. „Das musst du doch auch nicht“, entgegnete er mir und sah mich mit so viel Wärme an, dass mein Brustkorb sich schmerzhaft zusammen zog. Warum hatte er mich geküsst? Warum hatte ich seinen Kuss erwidert? Schon beim ersten Mal hatten mich diese Fragen nicht losgelassen und ich brauchte lange bis sie nicht mehr ständig in meinem Kopf waren. Als ich nichts erwiderte sah er mich ernster an. Er fuhr sich durch seine Haare, atmete einmal tief durch. „Dann sag mir was du willst, Bielefeld.“ Ich brauchte einen Moment um etwas sagen zu können. Wie sollte ich ihm erklären, was ich wollte, wenn ich es selber nicht wusste. Ich wusste wovor ich Angst hatte und das Fritz etwas in mir auslöste wovor ich mich fürchtete. „Ich möchte, dass wir Partner bleiben“, sagte ich. „Aber das können wir doch auch“, wandte er ein. „Nur Partner, Fritz. Alles andere kann ich nicht.“ Meine Stimme klang heiser und drohte zu brechen. Fritz sah mich schweigend an und ich bereute meine Worte noch im selben Augenblick, als ich den Ausdruck in seinem Gesicht sah. Ich sah, dass sich etwas in ihm veränderte, dass sein Stolz sich schützend vor ihm aufbaute, ich musste schlucken. „Verstehe“, sagte er und klang erschreckend fremd. Er drehte sich um und ging weg. „Fritz“, rief ich ihm hinterher. Er stockte kurz und wandte seinen Kopf noch einmal zu mir. „Mache dir keine Gedanken wegen morgen. Es besteht kein Grund irgendwas klären zu wollen. Du hast alles gesagt.“ Er gab mir keine weitere Chance etwas zu erwidern als er sich umdrehte und verschwand. Ich zog an meiner Kleidung, die sich plötzlich zu eng anfühlte. Ich hatte das Gefühl keine Luft zu bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)