Stray Dog von Akinara (Ich Bin Es Nicht Wert) ================================================================================ Kapitel 2: Abgewiesen? ---------------------- Mein Gefühl sagt mir, dass es klüger wäre, seiner Aufforderung Folge zu leisten und so schlage ich die schweren, wärmenden Decken zurück. Augenblicklich kriecht die Kälte in die feuchten Kleider zurück. Ich tappe tastend an der Wand entlang und betrete den langen, dunklen Flur. Am anderen Ende ist ein ganz schwacher Schein flackernden Lichts zu sehen. Ich wende mich nach rechts und öffne die Tür, hinter der sich laut der Beschreibung des Fremden das Badezimmer befinden soll. Tatsächlich stehe ich plötzlich in einem dunkel gefliesten Raum mit weißem Mobiliar. Ich suche den Lichtschalter und bin sehr beeindruckt, als sich kurz nach seiner Betätigung ein stilvoll eingerichteter Sanitärbereich offenbart. Das Zimmer ist erstaunlich groß, die indirekte Beleuchtung setzt es gekonnt in Szene und in der Mitte befindet sich eine riesige Dusche, die nicht über einen klassischen Duschkopf verfügt, sondern über eine Art Beregnungsanlage in der Decke bedient wird. Wow. Nachdem ich mich ausgezogen und die nasse Kleidung über den Handtuchhalter ausgebreitet habe, stelle ich mich unter die Dusche, die angenehm warme, dicke Wasserfäden über meine anfängliche Gänsehaut schickt. Die kalten Regentropfen sind bald vergessen und ich bin zum zweiten Mal an diesem Tag nass bis auf die Knochen, doch nun ist es sehr schön. Ich wasche mein Haar und meine Haut, glücklicherweise sieht man auf den schwarzen Fliesen den enormen Dreck, der fortgespült wird, nicht so stark, aber nachdem ich mich sauber gemacht habe, lasse ich das Wasser noch eine Weile weiterlaufen, damit auch wirklich aller Schmutz von meiner Haut aus der Duschkabine gewaschen wird. Anschließend föhne ich mein Haar trocken und ziehe meine klamme Kleidung wieder an. Das kostet Überwindung, aber etwas Anderes habe ich nicht. Ich weiß nicht, wo mein Rucksack ist, in dem zumindest trockene Unterwäsche drin wäre. Als ich mit Allem fertig bin, lösche ich das Licht und gehe den Flur entlang auf den flackernden Schein am anderen Ende zu. Dort finde ich ein gemütliches Wohnzimmer vor, erhellt von Feuer eines kleinen Elektrokamins, das eine wohlige, entspannte Atmosphäre erzeugt. Die Wände sind in einem dunklen Rot gestrichen, ein heller Teppich und eine schwarze Ledersitzecke komplettieren die Einrichtung. Eine große Fensterfront auf der anderen Raumseite gibt eine schöne Aussicht über die nächtliche Greifswalder Innenstadt mit Augenmerk auf den Rauthausplatz, über den ab und an die winzigen Lichter von Fahrrädern hinweg fliegen. Ein weiteres Mal denke ich: Wow. Schüchtern betrete ich die Stube und sehe mich anerkennend um. Erst als die fremde Stimme erklingt, bemerke ich, dass ich gar nicht allein bin. „Du trägst ja doch wieder die nasse Kleidung.“ Ein wenig Tadel steckt in dieser Aussage, aber gesprochen wird sanft und locker. Ich drehe mich in Richtung ihrer Quelle und erblicke nun zum ersten Mal den Mann, der mich aus dem Regen geholt hat. Er ist wirklich sehr groß, selbst wenn er sitzt, so wie jetzt auf der Couch. Sein Haar ist unnatürlich rot, sieht aus wie meines, aber irgendwie wirkt es nicht gefärbt. Es passt hervorragend zu seiner sehr blassen Haut und seinen unglaublichen Augen. Sie haben die Farbe von Gold und ruhen gelassen auf mir, indes ich ihn mustere. Sein Gesicht ist kantig und maskulin, er hat eine lange, spitze Nase und seine Züge wirken, völlig konträr zu seinem ruhigen, fürsorglichen Verhalten, beinahe Angst einflößend rau und kühl. Das Alter des Fremden kann ich unmöglich einschätzen, er könnte Mitte zwanzig oder aber schon Ende Dreißig sein. Auch sein Kleidungsstil liefert überhaupt keinen Hinweis, das schlichte weiße Hemd, etwas aufgeknöpft, und die schwarze Jeans könnten nicht weniger aussagekräftig sein, obwohl sie an ihm alles Andere als langweilig wirken. Wie individuell doch die Eindrücke sein können, die unterschiedliche Menschen in der gleichen Kleidung hinterlassen. „Mein Name ist Kid.“, reißt mich ebenjener Mann aus den Gedanken. Ich bin so überrascht, dass ich gar nichts erwidern kann. Ich versuche, mir den wirklich merkwürdigen Namen einzuprägen und starre ihn währenddessen stumm an. Kid lächelt und räuspert sich. „Und du?“ „Hm?“, frage ich verwirrt. Der Rothaarige präzisiert sich. „Wie heißt du, Mädchen?“ Achso. Ja, stimmt, ich habe mich unhöflicherweise nicht vorgestellt. Kurz überlege ich, welchen Namen ich ihm verrate und entscheide mich für den, der mir momentan näher liegt. „Solekk“ „Solekk, also.“, wiederholt der Mann und hebt ein Glas in seiner großen Hand an seine Lippen. Bedächtig trinkt er einen Schluck einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit und lässt sie sich gemeinsam mit meinem Namen auf der Zunge zergehen. Ich beobachte jede seiner Gesten und in mir erwächst ein seltsames Gefühl. Ein behagliches Kribbeln, ein bisschen Angst und Aufregung. Die Situation ist neu und ich weiß nicht, wie ich am Besten reagiere. Ich weiß nicht einmal, warum ich hier bin und was von mir erwartet wird. Allerdings kann ich es mir vorstellen. Ich schlucke. Was habe ich für Alternativen? Keine. Der Hüne kann mit mir machen, was er will, deshalb sollte ich lieber kein Theater veranstalten und einfach brav und artig gehorchen, wenn er etwas von mir verlangt. „Wie alt bist du, Solekk? Du siehst viel zu jung aus.“ Um auf der Straße zu sein, ergänze ich seinen Satz in Gedanken, bevor ich ehrlich antworte. „Zwanzig.“ Mit einem undurchschaubaren Blick mustert mich Kid, dann stellt er sein Glas aus der Hand und wiederholt mit auffordernder Geste. „Du solltest diese nasse Kleidung wirklich ablegen. Du wirst sonst noch krank und das will ich nicht.“ Aha, also lag ich doch nicht falsch mit meiner Vermutung für den Grund, aus dem er mich zu sich genommen hat. Nun, was habe ich auch Anderes erwartet? Man bekommt in dieser Welt nichts geschenkt. Und für ein Dach über dem Kopf muss man, in diesem Falle ich, wohl auch mal etwas tun, das Überwindung kostet. Ich unterdrücke ein Seufzen und beginne dem Befehl Folge zu leisten. Hoffe nur, dass er nicht zu grob mit mir umgehen wird. - Mit zittrigen Fingern beginne ich, mein Oberteil auszuziehen. Der nasse Pulli landet auf dem Teppich, das Top darunter klebt eng am Körper. Ich streife es mir über den Kopf und stehe im BH da, als Kid mich überrascht anfährt. „Nicht, was machst du denn?“ Verwirrt halte ich inne und schaue in die goldenen Augen. „Du hast gesagt, ich soll mich ausziehen.“, stottere ich erstaunt. „Ja, aber doch nicht vor mir.“ Unverständliche Frage steht mir im Gesicht. Habe ich seine Aussage etwa missverstanden? Oder...Eine schlimmere, weil sehr kränkende Vermutung beschleicht mich. „Findest du mich abstoßend?“ Kid verneint. „Alles Andere als das, glaub mir. Du bist jung, schön und auf eine beeindruckende Art und Weise du selbst. Doch ich will dich zu nichts zwingen und ich kann sehen, dass du dich gerade sehr unwohl fühlst.“ Peinlich berührt, weil ich die Situation offenbar völlig falsch verstanden und mich schon halb ausgezogen habe, schlinge ich die Arme um meinen Oberkörper und schaue betreten zu Boden. „Dann ist das wohl ein Missverständnis. Entschuldige, ich habe gedacht, dass...“ Kid unterbricht mich, seine Stimme ist sanft, klingt nicht gekränkt. „Dass ich dafür, dass du heute Nacht nicht im Regen schlafen musst, eine Gegenleistung erwarten würde? Eine körperliche? Hast du gedacht, ich will Sex mit dir?“ Ich nicke. Das Gespräch ist mir äußerst unangenehm. Zum einen, weil ich mich ziemlich blamiert habe und zum anderen, weil ich mit einem Fremden über so ein intimes Thema reden muss. Mit einem hilflosen Schulterzucken erwidere ich resigniert. „Etwas Anderes kann man sich von mir doch kaum erhoffen, oder?“ Kid seufzt. „Mädchen, komm her.“ Immer noch zu Boden blickend gehorche ich und sehe erstaunt auf, als mir ein weißes Männerhemd hingehalten wird. Kid schaut mich lächelnd an. „Hier, zieh das an. Du frierst sonst.“ Dankbar nehme ich es an und versuche, währenddessen jegliche bewundernde Blicke auf den muskulösen Männerkörper zu vermeiden. Die Nähe des sehr gut gebauten Kid macht mich sowieso schon nervös und sein nun nackter Oberkörper ist dabei gar nicht hilfreich. „Sieh mich an, Solekk.“, fordert Besagter leise und hebt mit sanfter Hand mein Kinn, sodass ich ihm in die Augen schauen muss. „Ich habe dich aus freien Stücken mit zu mir genommen, da wäre es meiner Meinung nach unangebracht, dafür etwas von dir zu verlangen. Versteh mich nicht falsch, ich wäre mit Sicherheit nicht abgeneigt, wenn du meine Nähe suchen würdest, ich bin auch nur ein Mann. Aber ich werde dich unter Garantie nicht dazu zwingen, wenn du es nicht willst. Ich bin kein böser Mensch. Nur allein.“ Schüchtern und unter großen Mühen halte ich den Augenkontakt aufrecht, bis Kid mein Kinn loslässt und sich wieder zurück lehnt. Seine Worten kreisen in meinem Kopf, indes ich den hellen Langflorteppich geistesabwesend anstarre. Er erwartet also nichts von mir außer meiner Anwesenheit. Wird mich nicht anfassen, es sei denn, ich suche seine Nähe. 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