Rabenkind von Kadan (Kind der Nacht) ================================================================================ Erinnerung II - Schwarzstahl - Teil I ------------------------------------- Die Nordfrau stand wenige Meter vor der Tür, dem schwarzhaarigen Mann gegenüber. Sie unterhielten sich. Als ich nähertrat, drehte sie sich um, lachte leise und legte die Klinge auf ihre Schulter. „Ich dachte schon, du kneifst.“ Sie lachte, spottend, ehe sie eine Braue hob und mich musterte. In ihren Augen lag immer noch das Feuer, dass ich entfacht hatte. Die Kampfeslust. „Da du so sicher bist, dass du mich besiegst, dann können wir ja sicherlich auch bis zum dritten Blut kämpfen, hm?“ Ich vernahm die Wut, die Aggression, die ihren Worten entsprang. Ich überlegte kurz, ehe ich nickte. Bis zum dritten Blut... Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich damals keine Ahnung hatte, was das bedeutete. Ich hielt es für eine Umschreibung der ritterlichen Kämpfe, in denen man ausschied, wenn man drei Treffer abbekam... „Kjaska... Meinst du nicht, dass ein Kampf bis zum dritten Blut etwas übertrieben ist? Schau ihn dir an... Er ist noch jung. Ich denke nicht, dass er überhaupt eine Chance hat. Und du willst gleich soweit gehen? Außerdem... wir wollen doch keinen Ärger. Denk daran!“ Der Schwarzhaarige Mann mischte sich ein. Er stand nun etwas abseits, die Arme vor der Brust gekreuzt. Auch er trug keine Rüstung mehr, sondern nun, ebenso wie ich, eine Toga. Allerdings war seine in einem leichten, hellen Blauton gehalten. „Halt du dich da raus, Netarius! Das geht nur mich und den Kerl da was an, klar?!“ Dennoch drehte sie sich um, blickte den Mann an. Sie ließ die Klinge einmal durch die Luft fahren, was ein surrendes Geräusch verursachte. „Außerdem ist er doch der Meinung, er könnte so gut kämpfen! Er meint doch, er würde mich mit links besiegen! Also – soll er zeigen was er kann! Und du glaubst doch wohl nicht, ich würde ihn dann mit einem blauen Auge davonkommen lassen?! Solche Leute brauchen ihre Lektion!“ Sie schnaubte laut. Die Nordfrau schien sich in Rage zu reden. Dann drehte sie sich unvermittelt wieder zu mir um, richtete sich auf – erst da bemerkte ich, wie groß sie eigentlich war. Sicherlich über neuneinhalb Spann – also fast zwei Schritt. Eine wahre Hünin... „Also, du bemerkenswerter Kämpe! Lass uns beginnen!“ Sie zischte die Worte, hob die Klinge und ließ sie provokativ durch die Luft gleiten. Ich vernahm wieder das vertraute, gewohnte Surren, wenn das kalte Metall durch die Luft glitt. Ich nickte und trat wortlos vor. Der Schwarzhaarige seufzte leise und trat einen Schritt zurück, ehe er den Blick hob und zur Schenkentür schaute. Der Zwerg – noch immer in voller Rüstung – und der Elf traten heraus und gesellten sich nach einem kurzen Rundumblick zu ihm. Auch ich zog die Klinge, ließ sie einmal in meiner Hand kreisen und wartete. Dann schnellte die Nordfrau nach vorne. Mit einem lauten Schrei auf ihren Lippen wuchtete sie die Klinge in meine Richtung. Von oben herab. Ich hob mein Schwert, um ihren Angriff zu parieren. Schlechte Idee. Ich unterschätzte die Wucht, mit der ihr Schwert auf das meine traf. Zwar konnte ich den Angriff verhindern, doch ich taumelte ein Stück nach hinten, ehe ich mich fing. Niemals in meinem Leben hätte ich der Frau vor mir eine solche Kraft zugeschätzt. Ja, sie war eine Nordfrau. Ja, sie war verdammt kräftig. Doch die Wut in ihr schien ihre Kraft zu verdoppeln. Ich bot ihr eine offene Stelle. Und sie nahm die Chance wahr. Ein Klingenstreich traf meinen linken Oberschenkel. Ich keuchte auf, machte einen Satz nach hinten und stand näher an der Wand der Schenke, als ich es wollte. Ich hatte noch nie in meinem Leben mit scharfen Waffen gekämpft. In jeder Übung, die mich damals vollzogen hatte, nutzten Arthasias und ich nur die stumpfen Seiten der Waffen, um uns nicht zu gefährden. Doch nun war alles anders. Bitterer Ernst. Und doch war es mir von Anfang an klar gewesen. Es war mir klar, seit ich ihre Klinge gesehen hatte – denn das schwarze Metall sollte mein Ende sein. Und das bedeutete, dass dieser Kampf ohne Rücksicht auf Verluste geführt wurde... Ich warf einen kurzen Blick auf die Wunde. Nicht tief, nur ein flüchtiger Treffer. Es sah nicht einmal danach aus, als müsste ich es vernähen lassen, würde ich diesen Kampf überleben. Aber diese Option fiel für mich ja weg. Es waren nur Sekunden, der Bruchteil eines Augenblicks, ehe ich mich wieder zu der Nordfrau wandte. Gerade rechtzeitig sah ich, wie ihre Klinge erneut nach mir ausholte. Diesmal von rechts, auf Höhe der Brust. Ich bog meinen Oberkörper nach hinten, balancierte auf den Fersen und ließ die Klinge nur haarscharf an mir vorbeigleiten, ehe ich selbst ausholte. Ich zielte auf ihre rechte Schulter, die nun, ob des Angriffs, ungeschützt dalag. Doch mit ungeahnter Geschwindigkeit hob die Nordfrau ihr Schwert zurück und blockierte meinen Schlag. Dann drückte sie meine Klinge nach hinten. Wir beide trennten uns, gingen jeweils einen Schritt nach hinten und standen uns wieder gegenüber. Allerdings hatte ich jetzt die Wand des Gasthauses direkt im Rücken. Nach hinten ausweichen ging nicht mehr. Die Nordfrau schien zufrieden. Scheinbar hatte sie mich nun, wo sie mich haben wollte. Sie ließ ihr Schwert abermals kreisen, machte zwei, drei kleine Schritte auf mich zu, blieb jedoch in gebürtiger Entfernung meiner Klinge. Sie bedachte die Situation. Dann holte sie erneut aus, von unten rechts. Eine Finte. Ich erkannte an der Art, wie sie ihre Klinge hielt, dass sie nicht vorhatte mich mit einem Streich zu treffen. Sie hielt den Griff des Schwertes fest, die Finger hatten sich um den Griff gelegt, doch ihre Handinnenfläche zeigte nach unten, nicht wie bei einem Hieb üblich nach oben. Sie wollte zustechen. Und plötzlich lief alles ganz langsam ab. Während ihre Bewegungen langsam und schwerfällig waren, bewegte ich mich scheinbar mit doppelter Geschwindigkeit. Ich sah ihre Klinge auf mich zukommen, sah, wie auf ihre Lippen ein triumphales Lächeln glitt. Sie wiegte sich im Sieg, sah ihre Finte triumphieren und mich tot an der Hauswand hinab gleiten. Doch ich hatte anderes vor, als zu sterben. Ich hob die Klinge, in aller Ruhe, wie mir schien, und tat einen Moment so, als wolle ich tatsächlich einen Hieb abwehren, als würde ich auf ihre Finte hereinfallen. Doch dann hob ich mein Schwert ruckartig an, parierte ihren Schlag nicht und rollte mich an der Hauswand zur Seite ab – in die Richtung, aus der ihr Schlag kam. Es schien dumm, unüberlegt und selbstmörderisch, denn ich warf mich mitten in die Bewegung der Klinge. Doch ich wusste, sie schlug nicht nach mir, ich wusste, all das war nur Farce, um mich abzulenken, damit sie ihre Klinge in meine Brust stoßen könnte. Und so glitt ihr Hieb tatsächlich knapp an mir vorbei, nicht damit rechnend, dass ich mich in seine Bahn werfen würde, und statt mich zu treffen, rammte sie ihr Schwert gegen die Wand. Ich machte eine Drehung, stieß mich an der Mauer ab und blieb direkt hinter ihr stehen, die Klinge erhoben. Dann holte ich aus und schlug mit Wucht nach ihrem Kopf. Und ich traf. Ich traf sie an der rechten Seite ihres Kopfes, direkt gegen die Schläfe, mit der flachen Seite der Klinge. Die Hünin verlor das Gleichgewicht, knallte seitlich auf den Boden und ließ die Klinge los, die zu Boden fiel. Sie stöhnte auf, lag einen Moment einfach auf dem Boden. Ich hob ihr Schwert aus dem Dreck und hielt es ihr entgegen. Stille lag auf dem Platz. Überraschte Stille, entgeistertes Schweigen. Scheinbar hatte niemand mit dieser Bewegung meinerseits gerechnet. Ich wartete, dass sich die Rothaarige wieder aufrichten würde, dass sie weiterkämpfen würde. Ich wartete, dass sie voller Wut hochkommen, ihr Schwert ergreifen und den Kampf fortführen würde, um mich zu töten. Um schlussendlich mein Schicksal zu erfüllen, wie es mir die Boroni vorhergesagt hatte. Doch sie rührte sich nicht. Sie lag am Boden, stöhnte nur gelegentlich und versuchte sich scheinbar bei Bewusstsein zu halten. Blut quoll aus einer Wunde an ihrem Kopf, seitlich an der rechten Schläfe. Ich hatte wirklich genau getroffen... Doch warum... stand sie nicht auf? Warum richtete sich die Hünin nicht auf, um mir den Tod zu bringen, mit dem ich mich just in diesem Moment so abgefunden hatte? Warum..? Mehr als verwirrt stand ich da, blickte die Rothaarige am Boden an und wurde meiner eigenen Gedanken nicht klar, geschweige denn den Moment als Ganzes. Augenblicke verstrichen, ehe endlich wieder Regungen in den Leib fuhren. Die Rothaarige richtete sich langsam auf die Knie, taumelte etwas und hockte da, ehe sie den Blick hob und mich ansah. Alle Wut schien augenblicklich verflogen, stattdessen schwang etwas andere in ihrem Blick mit. Etwas, von dem ich nicht wusste, wie ich es deuten sollte. Ehrfurcht? Respekt? Oder doch nur der Versuch, mich zu täuschen und mir dir Klinge in den Leib zu rammen? Ich wartete. Und die Hünin richtete sich auf, ächzend, ehe sie wieder in voller Größe vor mir stand, eine Hand an die blutende Wunde gelegt. Sie wirkte verwirrt. „Wie... Warum hast du dich in meinen Schwerthieb geworfen?“ „Weil ich wusste, dass er mich nicht treffen würde. Ich habe gesehen, dass dein Angriff kein Hieb, sondern ein Stich sein sollte, getarnt als Schwerthieb von unten.“ „Was? Du hast also...“ Sie schwieg, schien einen Moment verblüfft. Dann, plötzlich, lächelte sie. „Nicht schlecht mein Lieber... Nur wenige zuvor haben diese Finte erkennen können. Geschweige denn meine Bewegung zu seinen Vorteilen nutzen können...“ Sie lachte auf. Ich hielt ihr immer noch die Klinge entgegen, bedrohend. Als ich es merkte, drehte ich sie in meiner Hand und hielt ihr den Griff hin, damit sie es nehmen könnte. Vorsichtig tat sie es auch, zog das Metall aus meiner Hand und legte sie wieder auf die eigene, linke Schulter. Ich war verwirrt. Komplett verwirrt. Und ich blickte sie wohl genauso verwirrt an, wie meine Gedanken waren, da sie erneut lachte, die Klinge dann wegsteckte und an mich herantrat. „Der Kampf ist vorbei. Ich gebe auf. Ich hänge nämlich an meinem Leben, weißt du? Und da du die Chance gerade eben nicht genutzt hast, als ich am Boden lag, gehe ich davon aus, dass du mich auch nicht töten willst, hm?“ Sie lächelte erneut. Ich nickte, sichtlich verdattert. Töten? Warum sollte ich sie töten? Mir wurde der Sinn in ihren Worten nicht ganz klar. Zumindest nicht in jenem Moment, denn wenige Augenblicke später fiel mir etwas Wichtiges wieder ein. Etwas, dass mir Arthasias einst erklärt hatte. Den Unterschied zwischen den Kämpfen, die ein Ritter austrägt. Der Unterschied zwischen den Arten von Duellen – von Kämpfen aufs erste, zweite und dritte Blut. Erst jetzt fiel es mir wieder ein. Das erste Blut waren Kämpfe, bis einer der beiden Kontrahenten drei Treffer abbekam. Das zweite Blut war ein Kampf, bis einer der beiden Aufgab oder Bewusstlos wurde. Das dritte Blut ging vom Aufgeben bis zum Tod. Ich hatte mich auf einen Kampf bis zum Tod eingelassen – und ihn gewonnen. Wobei ich sagen muss, dass mich ersteres weniger schockierte, als die Tatsache, dass ich noch lebte. Ich sollte laut der Boroni sterben. Sterben an einer schwarzen Klinge im Kampfe. Und genau das war eingetreten – die Klinge der Nordfrau war geschwärzt und ich hatte mich mit ihr gemessen! Warum bei den Niederhöllen war ich dann nicht tot?! Oder... Moment. Hatte sie sich etwa geirrt? Hatte sie es falsch interpretiert? Das Herz sollte stehenbleiben, ein schwarzes Schwert sollte mein Leben beenden. Das war die Botschaft, die sie mir gesagt hatte. Doch vielleicht... war es nicht wörtlich gemeint? Vielleicht hatte sie es zu wörtlich genommen, zu sehr den wahren Tod hineininterpretiert... Vielleicht... Ein weiterer Gedanke. Ich hatte gewonnen. Das bedeutete ich gehörte nun zu ihnen. Das bedeutete, ich dürfte mit ihnen reisen, mit ihnen durch die Welt ziehen. Ich... Ich hatte meinen Traum erreicht..! Mein altes Leben war beendet. Und lag vielleicht darin die Bedeutung? War es vielleicht gar kein Unheil, dass mich erwartete, sondern... ein neues Leben? Brachte eine Klinge vielleicht nur mein altes Leben zum Stillstand, beendete mein altes, immer gleiches Leben, damit ich ein anderes beginnen konnte? „...wunsch.“ Ein Satzfetzen, der mich aus den Gedanken riss. Die Hünin stand vor mir, hielt mir die Hand hin und lächelte. Warm, freundlich. Ich nahm ihre Hand, erwiderte ihre Geste und schaute zurück. „Also... Unserer Abmachung nach, bist du nun Teil unserer Gruppe. Willkommen.“ Immer noch stand ein Lächeln in ihrem Gesicht. Und erst in diesem Moment wurden mir die Zusammenhänge klar. Erst in diesem Moment wurde mir alles klar, was soeben passiert war. Erstens: Ich hatte eine thorwalsche Kämpferin besiegt. Eine verdammte Nordfrau! Und dazu noch eine, die voller Wut und Rage gegen mich gekämpft hatte! Zweitens: Ich hatte gewonnen. Ich habe sie im Kampf geschlagen und durfte nun, laut unserer Abmachung, in ihrer Gruppe mitreisen. Mein Traum hatte sich soeben erfüllt. Drittens: Ich lebte noch. Die Vorhersage der Boroni war falsch. Sie hatte sich geirrt – mein Tod war nicht endgültig, sondern nur der Beginn eines neuen Lebens. Ein neues, ersehntes Leben begann. Und plötzlich verschwanden alle Verwirrtheit, alle Verwunderung und alle Sorgen. Stattdessen fing ich an zu jubeln. Laut. Voller Freude. Und mitten in der Nacht auf offener Straße. Euphorie. Unbändige Freude. Glück. Erwartung. Neugierde. Alles zusammen brach in mir auf und ließ mich jubeln, ließ mich schreien vor Glück und brachte mich sogar dazu, die Arme in die Höhe zu recken und meiner Freude laut Platz zu machen. Ich stoppte jedoch, als mir die Thorwalerin ihre Hand auf die Schulter legte und mir zuzwinkerte. „Lass uns deinen Sieg drinnen auskosten. Wir haben noch zwei Cervisia und gleich noch eine Flasche Rotwein offen, vergessen?“ Sie lachte leise und ging an mir vorbei. Auch der Elf und der Zwerg folgten, wobei beide kurz stehenblieben und mich ansahen. Der Elf lächelte leicht und ging dann hinein, der Zwerg musterte mich einen Moment und klopfte mir anerkennend gegen die Schulter, wobei er sich auf die Zehenspitzen stellen musste. „Gut gemacht, Junge. Scheinst ja ‘n ordentlicher Kämpfer zu sein, was?“ Er lachte, ebenso, und ging dann auch in das Gasthaus. Nur der Mann mit den schwarzen Haaren blieb noch einen Moment stehen und begutachtete mich. Ich wollte auch gehen, hatte ihn schon gänzlich vergessen, doch er machte einen Schritt auf mich zu, legte einen Arm um meine Schulter und zog mich in eine andere Richtung, etwas von der Tür des Gasthauses weg. Ich ging mit, wenngleich verwundert. Etwas abseits, in Richtung einer kleinen Seitengasse, blieben wir stehen. „Das war ja´n ganz schönes Spektakel, das du da abgeliefert hast. Nicht schlecht. Mein Respekt. Aber was anderes. Dein Kampfstil ist klasse. Wuchtig, aber schnell, im richtigen Moment offensiv.“ Ich nickte leicht. War er das? Ich kämpfte immer einfach nur und achtete eigentlich nicht darauf, wie genau. Ob ich nun gerade defensiv oder offensiv kämpfte, ob schnell oder langsam und ob wuchtige oder leichte Schläge. Ich tat es immer einfach nur... Dennoch nahm ich das Kompliment gern an. „Hast du vielleicht mal daran gedacht, mit einer anderen Waffe zu kämpfen? Ein Kurzschwert scheint mir für dich nicht so geeignet...“ Ich hob eine Braue und blickte ihn an. Eine andere Waffe? An den Gedanken war ich noch nie geraten. Ich hielt das Kurzschwert für mich gut, denn immerhin hatte ich damit gelernt. Außerdem... an eine andere Waffe gelangte man nicht so einfach. Andere Waffen waren teuer, aufwendig und meist nicht einfach so zu bekommen... Ich schüttelte also den Kopf und wartete gespannt auf seine nächsten Worte. Er hingegen hob seinerseits nur eine Braue und grinste seicht. „Bist nicht sehr gesprächig, was?“ Ich schüttelte den Kopf – und bestätigte damit seine Annahme. „Na, egal... Also, was hältst du davon, wenn wir dir ein Langschwert besorgen? Ich meine damit keines, wie man sie überall bekommt. Ich meine eines, das einzigartig ist. Eines, das es nur einmal gibt!“ Einen Zweihänder... Ich hatte einmal einen in der Hand gehabt. Es war die Klinge von Arthasias Vater, er hatte sie uns gezeigt, damit sein Sohn sich entscheiden konnte, ob er damit kämpfen würde oder ob er bei dem Kurzschwert blieb. Sie hatte unglaublich gut in der Hand gelegen und war sehr gut ausbalanciert. Ich war überrascht. Doch gekämpft hatte ich mit einer solchen Waffe nie. Nur gegen sie, als Arthasias sie führte, um zu Proben, wie gut er damit umkonnte. Doch er war an dem Gewicht der Waffe gescheitert und daran, die lange Klinge zu führen. Er war zu langsam gewesen mit ihr und ich hatte ihn schon in den ersten Minuten besiegen können. „Weißt du, Ogrim hat mir neulich von einer alten Mine in den Eternen östlich von hier erzählt... Eine alte Zwergenmine, nicht sonderlich groß, aber voller... Dinge. Alles Mögliche natürlich. Überwiegend alte Einrichtungsgegenstände, verdorbene Lebensmittel und sowas... “ Der Mann grinste. „...aber auch Goldmünzen, Juwelen und Waffen. Und laut Ogrim soll ein altes Schwert dabei sein, eine Klinge, geschmiedet von den Zwergen selbst, die der Drache vor Jahrhunderten gestohlen hat. Wär doch was, die zu besitzen, meinst du nicht?“ Er schlich hinter mir zur anderen Seite, legte den anderen Arm um meine Schulter und kam etwas näher. Noch immer lag ein Grinsen auf seinen Zügen. Ich verstand nun warum... „Kjaska ist dagegen, genauso wie Felarion. Kjaska meint, das wäre zu gefährlich, weil da alles mögliche sein könnte. Alte Minen, die einstürzen können, ein Höhlendrache und so weiter... Und Felarion... na, er ist ein Elf. Du weißt ja sicher, dass die sich mit den Zwergen nicht so gut haben, hm?“ Er lachte, dann grinste er wieder auf diese Art und Weise, die mich ahnen ließ, was er von mir wollte... „Und nun... naja, im Moment steht es zwei gegen zwei. Aber da wir jetzt zu fünft sind und dich dabeihaben – im Übrigen eine sehr gute Wahl, wie ich finde – können wir das Gleichgewicht zu unseren Gunsten... verbessern. Wenn du verstehst, was ich meine. Drei gegen zwei – und zack! Die Eternen sind nah.“ Er hob eine Braue, zugleich fragend und provozierend. So einer war er also..! Versuchte sich durch Lobreden und Schleimereien bei einem einzuschmeicheln. Doch gut, ich muss zugeben, dass mir seine Schleimerei in dem Moment gefiel. Er traf genau den Punkt, der mich damals verlockte. Abenteuer. Ungewissheit, auf was man sich einließ, was einen erwartete. Die Aussicht nach Schätzen, nach Reichtum... und nun auch nach einer einzigartigen Waffe. „Und mach dir keinen Kopf, dass irgendwer sich das Schwert nehmen würde. Kjaksa kämpft nur mit dem Kurzschwert, Ogrim nutzt nur Äxte und Felarion ist ein Fernkämpfer, er nutzt nur Pfeil und Bogen... und manchmal einen Dolch. Und ich.. naja. Ich hab' da so meine Tricks...“ Er wechselte wieder die Seite, immer noch grinsend, immer noch auf eine Art lauernd, die in mir ein seltsames Gefühl weckte. Der Typ schien Phex sehr nahe. Näher als ich... „Also, was meinst du? Kann ich mich... auf dich verlassen?“ Natürlich nickte ich. Wie gesagt, er hatte genau das getroffen, was mich in diesem Moment anspornte, was ich erwartete. Was ich mir ausgemalt hatte. Und da sagte man natürlich nicht nein! Wer hätte denn schon in seinem Leben die Chance, eine alte Zwergenstadt zu besuchen und vielleicht sogar einen Höhlendrachen zu sehen? Oder von einem gefressen zu werden. Doch das ging mir just in dem Moment natürlich nicht durch den Kopf... Also stimmte ich zu. „Wunderbar! Aber pscht. Wir beide haben darüber natürlich niemals gesprochen und vom dem Schwert weißt du auch nichts, ´ne? Geschweige denn von einer Zwergenmine. Du wirst dich ganz spontan dafür entscheiden, dass wir in die Eternen gehen. Weil... du schon immer mal auf die Berge wolltest. Schöner Ausblick und so...“ Er grinste. Ich machte es ihm gleich. Die Ausrede klang zwar nun nicht so überzeugend, doch ich würde mir bis dahin schon was einfallen lassen. Etwas, dass glaubhafter war. Etwas, das weniger stümperhaft wäre... Dann nickte ich natürlich erneut, was ihn dazu bewegte, freudig in die Hände zu klatschen. „Prima. Ach, eins noch... Mein Name ist Netanatus Arius Nemaketh. Aber mach‘s kurz und sag Netarius. Oder wenn’s dir immer noch zu lang ist, nenn mich Neta.“ Ich nickte. „Grangorias Kortha.“ Erst da fiel mir auf, dass ich gar keinen Spitznamen hatte... Arthasias hatte mich immer mit vollem Namen genannt und auch meine Eltern riefen mich so. Die meisten anderen Leute nutzten die kürzere Variante und sagten ‚du‘. „Grangorias Kortha..? Alveran, das ist ja viel zu lang... Hast du einen Spitznamen?“ Ich schüttelte den Kopf, woraufhin Netarius die Stirn in Falten legte. Sekunden später grinste er mich wieder an. „Gran-Kor. Wie wär’s damit?“ Gran-Kor? Ich überlegte einen Moment, versuchte ihn mir passend zu machen – und nickte dann lächelnd. „Wunderbar. Dann lass uns mal zurückgehen, sonst schöpfen die noch Verdacht... Übrigens eine Freude, dich kennenzulernen.“ Netarius lachte leise, ehe er vorging. Ich blieb noch einen Moment stehen, schaute ihm nach und ließ meine Gedanken zum Kommenden schweifen: Abenteuer. Eine Zwergenmine. Drachen. Gold. Waffen. Reichtum. Ehre. Ich grinste. Bei Phex, in diesem Moment war ich wohl der glücklichste Mensch in ganz Bosparan..! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)