Lichter in der Dunkelheit von herzausglas (Wichtelgeschichte für Ur) ================================================================================ Kapitel 1: Drachenblut ---------------------- Tirdas, Erste Saat, 4Ä 219 Die Nächte in Himmelsrand waren kalt und die gesamte Khajiit-Karawane hatte sich um das Feuer in der Mitte ihres Lagers geschart. Raja und Maja saßen eng beieinander, ihre langen Katzenschwänze hinter ihnen ineinander verflochten. Die Nord beäugten die Khajiit von ihren Wachtürmen und Wällen herab mit misstrauischen Blicken. Weißlauf war noch ein Fürstentum indem die Karawane den mildesten Feindseligkeiten ausgesetzt war. In anderen Teilen des Landes spukten die Nord ihnen vor die Füße oder sogar in das dichte Fell und Beleidigungen waren an der Tagesordnung. Die Nord schimpften sie Diebe und Lügner, obwohl sie noch nie mit den Khajiit gesprochen hatten. Es gab nur wenige, die gewillt waren mit ihnen zu handeln. Raja verstand nicht warum die Karawane nicht in das Heimatland der Khajiit zurückkehren konnte, wo die Nord ihnen das Leben in Himmelsrand doch so schwer machten. Sie kannte Elsweyr nur aus den Erzählungen von Jirit und anderen Mitgliedern der Karawane, doch dort waren die Khajiit zu Hause und Raja war sich sicher, dass Raja und Maja und Jirit dort glücklicher sein würden. Eine der wenigen Nord, die mit der Karawane handelte, war eine Nordfrau namens Ysolda. Sie hatte einmal zu Raja gesagt: »Ich habe gehört, Elsweyr sei mit Himmelsrand nicht zu vergleichen. Es soll dort tropische Wälder und staubige Ödlande geben. Es klingt furchtbar.« Raja fand, dass es wundervoll klang. Doch Jirit sagte ihr immer wieder, dass die Reise in ihr Heimatland zu weit und gefährlich für die Karawane sei. Also hatte Raja noch häufiger mit dem Schwert geübt und sowohl ihre Krallen als auch ihren Verstand geschärft. Sie trainierte noch wenn Maja bereits keuchend im Gras lag und Jirit sie bat es nicht zu übertreiben. Ihr Ehrgeiz und ihr wachsendes Geschick waren von einigen der Nord nicht unbemerkt geblieben. Die Wachen gingen Raja aus dem Weg und mit der Zeit folgte ihr immer weniger Getuschel. Sie war fast sicher, dass es vielleicht noch Hoffnung für die Khajiit in Himmelsrand gab, dass sie das schlechte Bild, das die Nord von ihnen hatten, noch geändert werden konnte, als sie nach einer längeren Übungsstunde zurück ins Lager kam und Maja mit Tränen in den Augen vorfand. Einer der Nord hatte eine klebrige und stinkende Flüssigkeit nach Rajas Schwester geworfen und das dunkle Zeug hatte sich in ihrem Fell festgesetzt. Es dauerte Stunden Majas Fell zu reinigen und noch länger bis der Geruch verschwunden war. Nach diesem Ereignis wachte Raja noch öfter nachts von Majas Schluchzen auf und schlang ihre Arme fester um ihre Schwester. Sie wünschte sich so sehr, dass sie Maja und die anderen Khajiit beschützen könnte. Doch sie erkannte die bittere Wahrheit: in Himmelsrand würde es für die Khajiit nicht besser werden und Majas Tränen würden niemals versiegen. Jirit und das Oberhaupt der Karawane, S'kasha, teilten Rajas Enthusiasmus nach Elsweyr zurückzukehren jedoch nicht. Sie bestanden darauf, dass es zu gefährlich sei und Raja sollte sich diese dummen Tagträumereien aus dem Kopf schlagen. Raja hatte großen Respekt vor Jirit und auch vor S'kasha, die die beste Händlerin weit und breit war, aber warum konnten sie nicht erkennen was für Raja klar auf der Hand lag? Die Nord hassten die Khajiit und es würde die Karawane über kurz oder lang zu Grunde richten. Raja drückte Maja fester an sich, als sie spürte wie ein Zittern durch ihre Schwester lief. Die Nächte waren kalt in Himmelsrand, so kalt, wie die Nord zu den Khajiit waren. Es war still um das Lagerfeuer herum geworden. In der Stille hörte Raja die großen Schwingen des Drachen einen Bruchteil bevor der markerschütternde Schrei durch die Nacht hallte. Die Khajiit zuckten zusammen und aus den Augenwinkeln sah Raja, dass auch die Wachen der Nord erschrocken aussahen. Raja war sich sicher, dass es ein Drachenschrei sein musste, auch wenn sie noch nie zuvor einem Drachen begegnet war. Es gab nicht mehr viele von ihnen in Himmelsrand seit das legendäre Drachenblut vor fast zwanzig Jahren Alduin, den Weltenfresser und Erzfeind der Nord, besiegt hatte. Raja hatte sich in der Vergangenheit oftmals gewünscht, dass Alduin gewonnen und die Nord allesamt gefressen hätte. Doch das große Monster, das sich gegen den dunklen Nachthimmel abzeichnete, ließ auch Raja erschrecken. Sie sprang auf und griff nach ihrem Schwert, Maja klammerte noch immer an ihr und schien wie erstarrt. Als die Bestie Feuer spukte und sich ein Stall der Nord mitsamt seinen Bewohnern und den Pferden in ein Flammenmeer verwandelte erwachte Rajas Schwester aus ihrer Trance und griff ebenfalls nach ihrer Waffe. In dem Chaos, das nun ausbrach, hatte Raja Jirit aus den Augen verloren. Sie vertraute auf seine Stärke und wusste, dass er der fähigste Krieger in der Karawane war, doch beim Anblick dieses Monsters stellte sich jedes einzelne Haar ihres dichten Fells auf und ein Fauchen drang aus ihrem Mund. Der Drache kreiste einmal über die Stadt und kehrte dann zum Stadttor und dem davor aufgeschlagenen Lager der Khajiit zurück. Die Erde erzitterte unter dem enormen Gewicht des Drachen als er landete. Raja sah wie der Drache die Wachen der Nord mit einem Flügelschlag zu Boden warf und wie sie seinem Feueratem nicht entgehen konnten. Die dummen Nord rannten geradewegs in ihr Verderben! Aber nicht nur die Nord, wie Raja erkannte und es erschreckte sie zutiefst. Auch Jirit war unter den Kriegern, die sich dem Drachen entgegenstellten. Maja rannte als erste los und diesmal war es an ihr ihre Schwester mit sich zu ziehen. Alles in Raja sträubte sich dagegen sich diesem Monster entgegen zu stellen, ihre Überlebensinstinkte wiesen sie an zu fliehen, doch da waren Maja und Jirit, ihre Familie und ihre ganze Welt, und Raja würde sie niemals im Stich lassen. Im Sprint hob sie einen Rundschild auf, den eine der Nordwachen anscheinend fallen gelassen hatte. Der Drache sah die Khajiit-Schwester kommen und speite Feuer in ihre Richtung. Raja zog Maja zu sich und zusammen fanden sie Deckung hinter dem Schild. Das Feuer leckte an dem Schild und Raja fühlte wie der Griff heiß wurde, doch sie zwang sich den Schild weiterhin aufrecht zu halten. Denn auch der Schild konnte sie nicht vollständig vor dem Feuerstoß bewahren. Rajas Fell wurde versengt und eine Hitze, die sie nie zuvor für möglich gehalten hatte, nahm die Umgebung ein. Nach dem Feuerstoß folgte eine zweite Attacke. Der Drache schrie und trotz der ohrenbetäubenden Lautstärke hörte es sich für Raja fast an wie Worte einer ihr noch unbekannten Sprache. Eine unsichtbare Wucht versuchte sie zurückzustoßen doch Raja und Maja schafften es stand zu halten. Der Drache schnappte nach ihnen und entblößte lange scharfe Zähne. Sie wichen ihm geschickt aus und Raja verpasste ihm einen gezielten Schlag mit dem Schild. Sie hatten nicht umsonst so viele Stunden mit Schwert und Schild geübt. Khajiit hatten außerdem noch einen Vorteil, der den Nordwachen fehlte: sie konnten im Dunklen sehen. Das Schlachtfeld wurde zwar von einigen kleineren Feuern erhellt, doch so fand Rajas Blick Jirit wesentlich schneller. Er und wenige der Nordwachen waren noch am Leben. Jirit stützte sich auf sein Schwert und sah auf, direkt in Rajas Gesicht. Sein Schrei ging im Getöse unter und zeitgleich zerrte Maja an Rajas Arm, doch es war bereits zu spät. Der gezackte Schwanz des Drachen fegte ihnen so schnell entgegen, dass sie nicht mehr ausweichen konnten und warf die Schwestern zu Boden. Der harte Aufschlag presste alle Luft aus ihren Lungen und Raja schnappte schmerzhaft nach Luft. Sie spürte Blut in ihr Fell laufen wo die scharfen Zacken ihr die Beine aufgeschlitzt hatten. Sie tastete nach ihrem Schwert und blinzelte bis sich ihr verschwommener Blick langsam schärfte und sie Maja leblos neben sich auf der aufgewühlten und versengten Erde liegen sah. Angst erfasste Rajas Herz, viel schlimmer als die, die sie beim Anblick des Drachen verspürt hatte. Lass sie nicht tot sein, bitte, lass sie leben, lass sie nur bewusstlos sein. Raja glaubte an keine Götter, doch in diesem Augenblick betete sie trotzdem. Der Boden vibrierte als der Drache näher kam. Raja konnte sich nicht von dem gehörnten Gesicht und den leuchtend gelben Augen lösen, während sie weiter nach ihrem Schwert tastete. Raja und Maja würden beide sterben wenn sie nichts unternahm. Der Drache fixierte sie mit seinem Blick, gleich würde er sie töten, gleich würden sie sterben, gleich war es soweit, gleich- wo war das verdammte Schwert?! Jirit war zur Stelle als der Drache sein riesiges Maul öffnete und die langen Zähne im Halbdunkel aufblitzten. Doch sein Schwerthieb streifte den Drachen nur, woraufhin dieser wütend aufschrie. Es war dieselbe Art von Magie, die er auch gegen Raja und Maja eingesetzt hatte, aber Jirit hatte keinen Schild, der ihn schützen konnte. Raja sah Jirit straucheln und als der Drache nach ihm schnappte blieb ihm nicht genug Zeit um auszuweichen. Im gleichen Moment schloss sich Rajas Hand um den Griff eines Schwerts. Ohne darüber nachzudenken was sie tat sprang sie auf und schoss vor um dem Drachen die Klinge in den langen schuppigen Hals zu rammen. Sie hörte ihn keifen und der riesige Körper windete sich, mit den Krallen seiner Vorderbeine versuchte er Raja und das Schwert zu erreichen, doch sie hielt es fest. Der Drache rang mit ihr bis seine Versuche langsam schwächer wurden und er mit einem ächzenden Schnaufen zu Boden ging. Raja zitterte als sie Majas Schwert aus dem toten Körper des Drachen zog. Sie hatte Angst sich umzusehen. Der furchterregendste war nicht länger der Drache, sondern das, was er ihren Liebsten angetan hatte. Maja lag immer noch auf dem Boden, Jirit war neben ihr zusammengesackt und drückte eine Hand gegen seine blutende Schulter. Sein rechter Arm fehlte. Der Drache musste ihn abgebissen haben. Das Schwert fiel Raja aus der Hand als sie zu den beiden stürzte. »Maja lebt«, brachte Jirit zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Raja legte eine Hand auf ihre Brust und fühlte den Herzschlag ihrer Schwester. Sie atmete aus. Plötzlich umgab sie ein seltsames Licht und strömte in ihren Körper hinein. Es fühlte sich warm an und Raja wusste, dass sie es bedrohlich oder zumindest seltsam finden sollte, doch ihr Verstand war bereits vollkommen ausgelastet. »Drachenblut«, wisperte einer der Nord und das veränderte alles... Kapitel 2: Veränderungen ------------------------ Sundas, Jahresmitte, 4Ä 221 Es war seltsam, dass Maja und Raja nun Kodlaks Gemächer ihre eigenen nennen konnten. Der alte Nord hatte sie von Beginn an mit Respekt behandeltet, was für die Schwestern eine ganz neue Erfahrung im Umgang mit den Nord gewesen war. Anfangs hatten einige der Gefährten ihre Zweifel dazu geäußert, dass zwei Khajiit als Mitglieder der Gefährten zugelassen wurden. Doch Kodlak Weiß-Mähne hatte sie stets unterstützt und seinem Einfluss als Herold war es zu verdanken, dass inzwischen sechs der neun Fürstentümer in Himmelsrand den Khajiit gestatteten ihre Städte zu betreten. Seine Ermordung durch die Silberne Hand hatte die Gefährten und ganz Weißlauf tief getroffen. Um ihm seinen letzten Wunsch zu erfüllen waren die Mitglieder des Zirkel zu Ysgramors Grab gereist. Maja hatte sie begleitet, doch da sie das Bestienblut abgelehnt und daher niemals ein vollwertiges Mitglied des Zirkels geworden war, musste sie draußen warten. Die Zeit, die sie in der eisigen Kälte wartend verbracht hatte, war nur langsam vergangen. Eine halbe Ewigkeit später war Raja mit den anderen Zirkelmitgliedern aus den Tiefen der alten Grabstätte mit erstaunlichen Neuigkeiten zurückgekehrt. Kodlaks Geist hatte Raja, eine Khajiit, als seine würdige Nachfolgerin auserkoren. Maja war voller Stolz darüber und sie konnte sich niemanden vorstellen, der besser für diese Rolle geeignet war. Raja war stark, schnell und geschickt mit dem Schwert und ihr Verstand ebenso scharfsinnig wie ihre Krallen. Mit der Autorität des Herolds könnte sie viele Veränderungen in Himmelsrand zu Gunsten der Khajiit vornehmen. Doch natürlich hatte der Erfolg auch seine Schattenseite: kaum eine Woche nachdem Raja der neue Herold geworden war schickte die Dunkle Bruderschaft einen Assassinen um Raja zu töten. Es machte Maja Angst, dass es der Dunkelelfe so leicht gefallen war ins Herz von Jorrvaskr einzudringen. Sie würde bestimmt nicht die letzte sein, die versuchen würde Raja zu ermorden. »Maja macht sich zu viele Sorgen«, sagte Raja gerne mit einem Schmunzeln, wenn Maja sie bat vorsichtiger zu sein. Denn so schlau ihre Schwester auch war, die Entscheidung, die mordende Dunkelelfe in die Reihen der Gefährten aufzunehmen, fand nicht bei allen Mitgliedern Zuspruch. Maja fürchtete die Gefährten könnten sie zurückweisen und alle hart erarbeiteten Privilegien für ihr Volk könnten zunichte gemacht werden. Myriel, so hieß die Dunkelelfe, war zwar im Kontakt mit den anderen Gefährten eher schädlich für Rajas Ruf, doch letztendlich zählte in Jorrvaskr nicht was man sagte, sondern wie gut man mit seinen Waffen umzugehen wusste und seine Aufträge erledigte. »Den Gefährten Ehre bringen«, wie die Nord zu sagen pflegten. Maja vermutete, dass Myriel mit Ehre nicht viel anzufangen wusste, doch sie erledigte ihre Aufträge stets sauber und die Auftraggeber waren zufrieden mit ihr. Jedoch war sich Maja sicher, dass der nächste Schachzug der Dunklen Bruderschaft nicht lange auf sich warten lassen würde. Die Eliminierung des Herolds war gescheitert und der Assassine nicht getötet sondern abgeworben worden. Vielleicht hatte die Dunkelelfe neue Anweisungen bekommen? Vielleicht wartete sie auf den geeigneten Augenblick indem Raja unachtsam war um erneut zuzuschlagen? Maja würde auf diesen Moment vorbereitet sein und Raja zur Seite stehen. Kapitel 3: Begegnung -------------------- Fredas, Letzte Saat, 4Ä 221 Myriel war schnell und tödlich mit ihren Dolchen. Sie schlich durch die Reihen der Banditen und schnitt einem nach dem anderen die Kehle durch. Es war ein seltsames Unterfangen für die Gefährten zu arbeiten. Bei manchen Aufträgen ging es nur darum Eindruck zu schinden oder jemanden in die Schranken zu weisen. Bei anderen sollte sie Ungeziefer und ähnlichem Getier den Garaus machen. Und diesmal lag es an ihr sich mit einem ganzen Banditenclan auseinander zu setzen. Der Vogt des Jarl in Windhelm hatte erst lange um den heißen Brei herum geredet bis er auf Myriels Nachfragen endlich damit rausgerückt hatte, dass alle Banditen getötet werden sollten. Es war Myriel ein Rätsel weshalb diese Art von Auftrag nun in den Augen der Nord ehrwürdig war und eine Ermordung im Dienste der Dunklen Bruderschaft ein Verbrechen darstellte. Wenn sie eine Horde von Banditen abschlachtete gab es dabei wesentlich mehr Blutvergießen. Myriel hasste Windhelm. Es war die mit Abstand nordigste Stadt der Nord und die Fremdenfeindlichkeit fand dort ihren Höhepunkt. Als sie die Stadt am frühen Nachmittag betreten hatte, war sie gleich einem übellaunigen alten Nord über den Weg gelaufen, der sie in den Grauen Bezirk abschieben wollte. Myriel hatte ihn am Leben gelassen. Für ihren Geschmack hatten sich zu viele Zeugen auf dem Marktplatz befunden. Myriel schlich sich an ihr nächstes Opfer heran und hob einen ihrer Dolche als ein Pfeil durch die Luft surrte. Er traf den Mann in der Schulter, definitiv kein tödlicher Treffer, und doch sackte der Bandit augenblicklich in sich zusammen. Myriel duckte sich in den Schatten und sah sich um. Schon als sie die Spur der Banditen zu dieser Höhle zurück verfolgt hatte, hatte sie ein ungutes Gefühl verspürt. Doch immer wenn sie inne gehalten und sich umgesehen hatte war hinter ihr niemand zu sehen gewesen. Wer auch immer ihr gefolgt war musste im Schleichen ähnlich gut trainiert sein wie Myriel selbst. Zuerst verdächtigte sie die Dunkle Bruderschaft, aber Myriel bezweifelte, dass Astrid die Anweisung gab sie zu töten, bevor der Zeitraum für die Ermordung des Herolds komplett ausgereizt war. Zudem machte es keinen Sinn einen potentiellen Zeugen nur zu betäuben falls jemand den Fehler machte sich mit Myriel anzulegen. Myriel wurde in ihren Mutmaßungen unterbrochen als eine Person von einer felsigen Anhöhe sprang und direkt auf sie zukam. Ihr Körper spannte sich an. Tatsächlich hatte sie niemanden dort oben gesehen. »Na, na. Lass die Dolche stecken, wir kennen uns doch schon.« Die Stimme war eindeutig die einer Frau, doch entgegen ihrer Behauptung konnte Myriel sich nicht entsinnen sie schon einmal gehört zu haben. Die Unbekannte trug eine Lederrüstung, die Myriel als typisch für die Diebesgilde erkannte. »Ich wollte den Kerl auch gerade verprügeln, aber du bist mir leider zuvor gekommen. Wie jetzt auch.« Als sie sich die Kapuze vom Kopf streifte blickte Myriel in ein durchaus attraktives Gesicht. Helle Augen, dunkelbraune Haut und das Muster einer Tätowierung. Sie erinnerte sich dumpf daran, dass die Frau auch auf dem Marktplatz gestanden hatte. Allerdings war ein Großteil ihres Gesichts am Nachmittag von ihrer Kapuze verdeckt und Myriel war zu wütend gewesen um sich mit ihr zu befassen. Aber sie war sich sicher, dass ihr die Blicke der Frau, wie so viele der anderen Schaulustigen, bis ins Schloss gefolgt waren. »Ich entscheide selbst wann ich meine Dolche wegstecke. Und Ihr solltet mir hier besser nicht in die Quere kommen.« Myriels Stimme klang eisig in ihren Ohren und es störte sie ungemein, dass die Fremde sie behandelte als gäbe es eine Art Vertrautheit zwischen ihnen. »Dasselbe könnte ich auch sagen«, gab die Fremde zurück und blieb mit einigem Sicherheitsabstand zu Myriel stehen. Dumm war sie also nicht. Myriel strafte sie mit Schweigen und überspielte ihre aufsteigende Unsicherheit damit, dass sie die Fremde noch böser anstarrte. Die Frau seufzte und strich sich mit einer Hand durch die kurzen, hochstehen Haare. Auf der linken Seite fiel ihr eine einzelne geflochtene Strähne auf die Schulter. »Wollen wir's noch mal von vorne probieren?«, fragte die Fremde. »Ich bin Ria.« Myriel wollte überhaupt nichts probieren. Sie wollte, dass sich die Fremde nicht einmischte, doch bei dem frechen Grinsen auf ihrem Gesicht bezweifelte sie, dass sie diese Ria so einfach los werden konnte. Kapitel 4: Missverständnis -------------------------- Loredas, Herzfeuer, 4Ä 221 Es war bereits dunkel als Isaac Weißlauf endlich erreichte. Er hatte geplant die Stadt um die Mittagszeit zu erreichen, doch wie so oft war er auf seiner Reise abgelenkt worden. Als ein Mitglied der Dämmerwacht konnte er Spuren von Vampiren gut erkennen und es war seine Pflicht dem nachzugehen, wenn er zufällig über ausgesaugte Leichen stolperte. Zugegeben, die Leichen hatte er nur gefunden, weil er für einen alten Nord Vorräte nach Hoch-Hrothgar gebracht und sich beim Abstieg dazu entschieden hatte eine Abkürzung zu nehmen. Isaac war sich sicher gewesen, dass er die verlorene Zeit kompensieren könnte wenn er querfeldein richtig Weißlauf weiter lief, doch stattdessen war er fast in eine Grube voll ausgesaugter Leichen gefallen. So sehr die Zeit auch drängte, das konnte er nun wirklich nicht ignorieren. Also war er brav der Spur gefolgt und hatte jedem einzelnen der blutrünstigen Vampire den Garaus gemacht. Isran wäre sicher stolz auf ihn. Wenn da nicht dieses wichtige Treffen in Weißlauf wäre für das er Isaac als Repräsentanten der Dämmerwacht ausgesucht hatte. Und nun kam Isaac natürlich viel zu spät zu besagtem Treffen. Ups. Mit dem Treffen in Weißlauf verhielt es sich so: Die Gefährten in Jorrvaskr hatten einen neuen Herold auserkoren, der entgegen seiner Vorgänger auf die geniale Idee gekommen war Allianzen mit anderen Fraktionen in Himmelsrand zu schließen. Das würde sowohl den Gefährten als auch der Dämmerwacht und wer-auch-immer-sonst-noch-eingeladen-worden-war ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Irgendetwas mit verbessertem Informationsnetzwerk und Söldneraufträgen oder so. Isran hatte ihm das ganze erklärt als er seine Sachen für die Reise zusammengesucht hatte und vielleicht war Isaac deshalb nicht ganz so aufmerksam wie üblich gewesen. Die Methalle von Jorrvaskr war nicht schwer zu finden. Isaac war bei einem seiner früheren Besuche im Fürstentum Weißlauf in die Drachenfeste beordert worden (vom Vogt des Jarl, nicht dem Jarl persönlich) und das Bauwerk von Jorrvaskr mit der Himmelsschmiede waren dabei nicht zu übersehen gewesen. Isaac hätte zu gern schon früher einen Grund gehabt sich näher mit den Gefährten auseinander zu setzen. Einigen von ihnen war er auf seinen Reisen schon zufällig begegnet. Einer Norddame mit beeindruckenden Schießkünsten, ein Krieger der Dunkelelfen, zwei Nordzwillinge (einer von ihnen machte einen äußerst mürrischen Eindruck, doch Isaac konnte nicht abstreiten, dass ihm der andere um einiges positiver in Erinnerung geblieben war) und die Khajiit-Schwestern, die einen Drachen erlegt haben sollten und als erste ihres Volkes eine Stadt der Nord betreten durften (warum sich die Nord vorher so angestellt hatten war Isaac ein Rätsel). Ob einer von ihnen der sagenhafte neue Herold war wusste Isaac allerdings nicht. Das würde er jedoch bald herausfinden. Am Platz mit dem immer blühenden Baum und der großen Talos-Statue angekommen blieb Isaac zögernd stehen. Es war kein Geheimnis, dass er die Gefährten gerne näher kennen lernen würde (einen vielleicht mehr als die anderen, aber das war ein anderes Thema) und zweifelsohne war das einer der Gründe warum Isran ihn als Gesandten ausgewählt hatte, doch es gab ein Hindernis, das ihn bisher davon abgehalten hatte entgegen seiner offenen Persönlichkeit von selbst auf die Gefährten zu zugehen. Das verfluchte Mal auf seinem Gesicht. Die rote Hand der Assassinen, die ihm als Kind mit Magie eingebrannt worden war. Es war nicht seine Schuld gewesen, dass die Bruderschaft in Cyrodiil gefallen war, doch die wenigen Überlebenden der Zuflucht hatten seine Eltern aus Vergeltung getötet und Isaac als ihr Vermächtnis gekennzeichnet. Auf dem Weg zur Zuflucht der Bruderschaft in Himmelsrand war er den Assassinen entkommen und hielt das Mal seitdem versteckt. Serana und Isran waren die einzigen Personen in ganz Himmelsrand, die Isaacs Gesicht jemals gesehen hatten. Seine Angst vor der Bruderschaft und ihrer Reichweite ließ ihn auch nachts mit der verzauberten Drachenpriestermaske schlafen. Als Kind hatte er sich noch Tücher um den Kopf gewickelt, wie es die Krieger aus Hammerfell taten, doch nun fürchtete er, dass der Herold der Gefährten es als respektlos erachten würde, wenn ein Gesandter der Dämmerwacht vor ihn trat und sein Gesicht versteckte. Isaac war sich sicher, dass der Herold darauf bestehen würde, dass er die Maske für die Verhandlungen ablegte. Und wie lange wollte er sich noch hinter der alten Drachenpriestermaske verstecken? Er war kein Kind mehr und selbst wenn die Dunkle Bruderschaft wieder ihre Finger nach ihm ausstreckte hatte er inzwischen das Geschick und die Kraft sich ihnen entgegen zu stellen. Zudem hatte er gewusst worauf er sich einließ als Isran ihn als Gesandten auswählte. Er hätte diese Verantwortung und die damit verbundenen Herausforderungen auch ablehnen können. Das hier war seine Chance und es wäre dumm sie nicht zu nutzen. Isaac nahm all seinen Mut zusammen und zog sich Nahkriin vom Kopf. Es war ein eigenartiges Gefühl die kühle Nachtluft auf seiner Haut zu spüren und obwohl er sich ohne das Gewicht der Maske leichter fühlte, krochen Panik und Angst in ihm hoch. Er wusste, dass die Gefährten niemals jemanden von der Dunklen Bruderschaft zu ihren Verhandlungen einladen würden, doch was, wenn sich ein Spion in ihre Reihen geschlichen hatte? Es kostete ihn große Überwindung die Treppen zur Halle hinaufzusteigen. Vor den Türen von Jorrvaskr lehnte ein Argonier an der Wand. Isaac nahm an, dass er draußen postiert worden war um sicherzustellen, dass die Verhandlungen nicht gestört wurden. Seinem Körperbau nach zu urteilen war er um einiges stärker als Isaac und wenn er ein Mitglied der Gefährten war wusste er bestimmt mit dem Schwert an seinem Gürtel umzugehen. Hervorragend. Wahrscheinlich würde er schon daran scheitern überhaupt erst Einlass zur Halle zu bekommen. »Guten Abend.« Warum klang seine Stimme als sei er den ganzen Weg von Rifton bis nach Weißlauf gerannt? Isaac räusperte sich. »Mein Name ist Isaac und ich bin als Gesandter der Dämmerwacht hier.« Der Argonier sagte nichts und starrte Isaac ausdruckslos an. Aber vielleicht war sein Gesicht auch gar nicht ausdruckslos, Isaac kannte nur einige der Argonier, die im Hafen von Rifton arbeiteten, vom Sehen und es fiel ihm sehr schwer die Miene der Echsen zu deuten. Der Argonier nickte. »Deevan.« Wenn das eine Antwort war wusste Isaac nichts damit anzufangen. Er hatte erwartet, dass der Krieger gleich sein Schwert ziehen und auf ihn losgehen würde. Nur zur Sicherheit hatte Isaac bereits einen Schutzzauber auf die rechte Hand in seiner Tasche konzentriert. »Ist-ist das eine Aufforderung für ein Passwort oder sowas? Mir wurde nichts gesagt, ich-« Der Argonier runzelte erst die Stirn und verdrehte dann die Augen (in dieser Deutung war Isaac sich sehr sicher). »Braucht Ihr eine Extraeinladung? Die Verhandlungen haben bereits begonnen.« Die Stimme des Argoniers klang äußerst schroff, als hätte Isaac ihn gerade persönlich beleidigt. Hatte er das? Es war zumindest nicht seine Absicht gewesen. Er trat probehalber einen Schritt auf die Tür zu und behielt den Krieger weiterhin im Auge. Der Argonier machte immer noch keine Anstalten seine Waffe zu ziehen. Isaac war sich sicher, dass er nicht blind war, warum kam dann keine Reaktion auf die riesige rote Hand in seinem Gesicht? Der Argonier schüttelte über Isaacs seltsames Verhalten nur den Kopf und machte einen leicht verstörten Eindruck. Alles in allem wesentlich harmloser als Isaac erwartet hatte. Nun gut, wenn das die Reaktion auf Isaacs entblößtes Gesicht war konnte er durchaus damit leben. Er wandte sich von dem Argonier ab und betrat Jorrvaskr. Er hatte den neuen Herold der Gefährten lange genug warten lassen. Kapitel 5: Gefühle ------------------ Morndas, Sonnenaufgang, 4Ä 222 Ria ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen in die Kissen zurückfallen. »Das sollten wir öfter machen.« Sie betrachtete das Chaos um sie herum. Die Möbel waren verrückt, ein Stuhl lag umgekippt auf dem Boden und eine Blumenvase daneben samt ihrem Inhalt in Scherben. Myriel antwortete nicht. Sie hatte die Knie angezogen und saß mit dem Rücken an der Wand angelehnt auf dem Bett. Ihr ganzer Körper war so platziert, dass sie auf dem schmalen Bett keinen Körperkontakt mehr zu Ria hatte. Einen Augenblick lang zuvor waren sie sich noch so nahe gewesen und nun wirkte es auf Ria als würde Myriel lieber nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. »Oder lieber nicht?«, fragte Ria und stützte sich auf ihren Ellbogen auf. Sie hatte sich von dem abweisenden und misstrauischen Verhalten der Dunmer noch nie beeindruckenden lassen und war sich sicher, dass Myriel ihre Gründe hatte warum sie sich so verhielt. Doch aus irgendeinem Grund hatte sie vermutet, dass Myriel nach dem Sex vielleicht etwas auftauen würde. »Ist... alles in Ordnung?« Myriel richtete sich ruckartig auf und begann sich anzuziehen. Ria setzte sich ebenfalls im Bett auf und sah mit wachsender Verwirrung dabei zu wie Myriel die Einzelteile ihrer Rüstung aus dem Chaos fischte. »Du gehst schon?«, fragte Ria als sie immer noch keine Antwort bekam. Sie spürte wie eine Gänsehaut über ihren nackten Körper kroch. »Weißt du, du kannst auch bleiben wenn du möchtest.« Bei ihren letzten Worten sah sie Myriel nicht an. Es war entgegen ihrer Dynamik etwas annähernd gefühlvolles zu sagen. Manchmal ertappte sich Ria dabei wie sie ihre eigentliche Absicht umformulierte um sie Myriels schroffen Aussagen anzupassen. Myriel hielt in ihren Bewegungen inne und musterte Ria wie sie immer noch nackt auf dem zerwühlten Bett saß. Es war schwierig zu entziffern welche Emotionen über ihr Gesicht flackerten und es ging so schnell, dass Ria sich nicht sicher war, ob sich Myriels ausdruckslose Miene überhaupt verändert hatte. »Wir sind hier fertig.« Es klang als fiel es Myriel sehr schwer diese Worte auszusprechen. Ria war fast darüber erleichtert, dass Myriel überhaupt etwas sagte, aber sie fühlte sich weiterhin unwohl. War zuvor etwas schief gelaufen? »Ist- hab ich was falsches gemacht?« Myriels gepflegt unlesbare Miene entgleiste und ihre schwarzen Augen weiten sich vor Überraschung. »Nein, so hab ich-« Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Damit war zumindest genug kommuniziert worden um Rias Befürchtungen soweit zu beruhigen, dass sie sich wieder entspannte. Sie ließ sich wieder zurück aufs Bett fallen und der Seitenblick, mit dem Myriel ihren gesamten Körper musterte, entging ihr dabei nicht. »Komm mich mal wieder besuchen wenn du das nächste Mal in Rifton bist.« Myriels Augen huschten hoch zu Rias Gesicht, während sich ein leichter Rotschimmer auf ihren graublauen Wangen abzeichnete. Ertappt wandte sich Myriel ab und ging zur Tür, doch als sie die Klinke herunterdrückte, drehte sie sich noch einmal um und nickte kurz. Ria lag noch lange Zeit wach und fragte sich ob sie sich tatsächlich in eine anderen-angsteinflößende, sozial untalentierte Dunkelelfe verliebt hatte. Die Antwort war bedauerlicherweise ja. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)