Die Reise eines Engels von Hei-chan ================================================================================ Kapitel 2: Ein dreckiger Engel (Annas Sicht) -------------------------------------------- Wie immer starrte ich die graue Wand vor mir an. Was hätte ich auch sonst tun sollen. In diesem Raum oder besser gesagt in meiner Zelle gab es ja nicht viel zu tun. Allerdings hatte ich auch kaum die Zeit oder Kraft dazu etwas zu unternehmen. In ein paar Sekunden würde die Wache hereinkommen und mich nach draußen zerren. So war es auch. Meine Zellentür öffnete sich und ein Mann in Rüstung kam herein. Er bemühte sich nicht mal um ein Wort sondern packte mich gleich am Arm und zog mich nach draußen. „Nicht immer gleich so grob!“, raunte ich. Allerdings reagierte der Halbelf nicht darauf. Er war einer der ruhigen Sorte. Normalerweise fing ich mir für eine solche Bemerkung ein paar Peitschenhiebe ein. Der Desian zerrte mich durch ein paar Hallen und Gänge, die fast alle gleich aussahen. Allerdings wusste ich wo er mich hinbrachte. Ich kannte die Gänge dieser verdammten Farm in und auswendig. Ich war ja auch lange genug hier. Vier Jahre waren es, wenn ich mich recht erinnerte. Ich wusste ja nicht mal welches Datum wir hatten. Wären wir nicht ab und an im Hof, wüsste ich wohl nicht mal, was für eine Jahreszeit wir hätten. Der Desian blieb vor einer Tür stehen. Diese war gut gesichert. Das konnte man ja wohl auch erwarten. Immerhin war es Kvars Raum. Die Tür ging auf und wir betraten den Raum. Es war alles sehr ordentlich und sauber. Ganz anders als in den Zellen. Hier gab es einen Schreibtisch mit Stuhl, ein Bücherregal, Computer und sonstige technische Maschine, von denen ich keine Ahnung hatte, wofür sie gut waren. Vor dem Schreibtisch stand ein Mann mit blonden Haaren. Er trug eine Art Rüstung. Das auffälligste an ihm waren aber seine schmalen zu Schlitzen geformten Augen. Wenn jemand in der Lag wäre mit Blicken zu töten, dann wäre er es. Kvar. Einer der fünf Großfürsten und Leiter dieser Menschenfarm. „Da ist ja mein Lieblingsexperiment.“, sagte Kvar in einem ruhigen spöttischen Ton. Meine Nackenhaare stellten sich dabei förmlich auf. „Päh!“, maulte ich und sah ihn trotzig an. „Wir haben immer noch unser kleines Problem mit unserer Einstellung nicht wahr A012.“ So wurde ich jetzt bestimmt schon vier Jahre lang genannt. Meinen richtigen Namen benutzten sie nie. Immer nur diese Nummer. Kvar kam nun auf mich zu. Instinktiv versuchte ich zurück zu weichen, aber der Desian hielt mich natürlich fest. Nun stand der Großfürst direkt vor mir und sah mir in die Augen. Ich wandte meinen Blick nicht ab. Das hätte für die meisten Menschen wohl das Todesurteil bedeutet, aber nicht bei mir. Immerhin war ich anders als die anderen hier. Kvar brauchte mich für seine Forschungen. Worum es genau ging war mir nicht klar, aber die Desians hatten den Befehl mich am Leben zu lassen. Ich war mir dessen bewusst und nutzte diese Tatsache natürlich aus. Kvar betrachtete nun meinen Hals oder vielmehr den Stein, den ich dort trug. Sie nannten ihn Exphere oder so. Er befand sich direkt über meinem Schlüsselbein. Der Großfürst berührte das Juwel und prüfte es genauestens. „Steht da jetzt was neues geschrieben?“, fragte ich keck. So war ich nun mal. Ich konnte meine Klappe nicht halten. Auch wenn das bestimmt Konsequenzen hatte. „Ungehorsam und ungestüm wie immer nicht wahr. Dir muss man mal Manieren beibringen.“, erlang Kvars kalte Stimme. Ich merkte, dass ihn das amüsierte. Leute quälen konnte er nur zu gut. Ich hatte gehört er war der grausamste der fünf Großfürsten. Diesen Titel trug er mit Recht. Er sah zu den Desian, der mich bewachte. Dieser verstand sofort. Ich auch. Ich wurde an die Tür gebunden. Dabei wehrte ich mich so sehr ich konnte. Natürlich war alles vergebens. Ich stand nun mit dem Rücken zu Kvar. Der Großfürst trat an mich heran. Er zog mein Shirt über meinen Kopf. Dass ich darunter nichts trug störte den Halbelfen wenig. Auf Schamgefühle achtete hier niemand. Trotzdem war es mir peinlich. Wahrscheinlich hatte ich so einiges hier verloren, aber nicht meinen Stolz. Kvar holte etwas hervor. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, damit ich wusste, dass es eine Eisenstange war. Mithilfe von Magie würde er diese zum Glühen bringen und sie mir dann in den Rücken rammen. Ich versuchte mich mental darauf vorzubereiten. Mein Kopf war zwischen meinen Armen Mein Blick war auf den Boden gerichtet, während ich tief einatmete. Dann kam auch schon der Schmerz. Das glühende Eisen brannte sich in meine Haut. So sehr ich auch versuchte einen Schrei zu unterdrücken, es gelang mir nicht. Dann ließ der Schmerz kurz nach. Allerdings fühlte sich meine Haut noch immer an als würde sie brennen. Ich atmete schwer. Der Schmerz hatte mir die Tränen ins Gesicht getrieben. Dann ging es wieder los. Immer und immer wieder drückte mir Kvar das Eisen in den Rücken. Die Schmerzen wurden nicht weniger. Kvar achtete auch leider genau darauf, dass ich nicht ohnmächtig wurde. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er auf. Er schnitt mich los. Ich sank schwer atmend auf die Knie. „Wie oft soll ich das noch wiederholen bis du mal gefügig bist.“, sprach Kvar gehässig. Er kniete sich zu mir runter. Mit seiner rechten Hand hob er mein Kinn, sodass er mir direkt in die Augen sehen konnte. „Ich warne dich A012.“, rief er kalt. Dabei grinste er mich kalt an. Ich hatte nicht mehr die Kraft zu sprechen. Also versuchte ich Kvar böse anzusehen. Ob mir das wirklich gelang war mir nicht klar. Kvar schien meinen stillen Protest aber zu bemerken. Er packte mich am Arm und schmiss mich vor den Desian. „Bring sie nach draußen. Das Drecksstück kann arbeiten wie die anderen.“, befahl Kvar herrisch. Ich merkte dass er unzufrieden war. Das brachte mich fast dazu zu lächeln. Allerdings fühlte ich noch die Schmerzen, an den Stellen wo mich das Eisen berührt hatte. Ich war völlig erschöpft. „Steh auf!“, schrie der Desian barsch. Dabei verpasste er mir einen kleinen Tritt. Ich machte nicht mal Anstalten aufzustehen. Selbst wenn ich es wollte, würde es mir wohl eh nicht gelingen. Nun packte mich der Halbelf am Handgelenk und zog mich auf die Beine. Ich hatte Mühe überhaupt stehen zu bleiben. Meine Beine zitterten. „Komm!“, befahl der Desian und zog mich hinter her. Ich konnte kaum mithalten, fiel aber zum Glück nicht hin. Sonst würde er mich wohl auspeitschten oder treten. Wir erreichten den Hof. Hier waren schon etliche Gefangene dabei große Blöcke durch die Gegend zu schieben. So was Unsinniges. Nur um die Menschen bis ans Ende ihrer Kraft zu bringen. Dabei wurde keiner verschont. Frauen, Kranke, Alte oder Kinder. Alle mussten sie gleich arbeiten. Dabei gab es nicht wenig tote. Auch jetzt lagen wieder einige Menschen am Boden. Sie waren wahrscheinlich schon tot. Am Anfang war ich immer noch hingerannt. Hatte geguckt ob sie in Ordnung waren. Allerdings war es alles vergebens. Die Desians hatten mich immer bestraft. Zudem waren die Zusammengebrochenen meist tot oder wurden von den Desians getötet. Das einzige was man ihnen abnahm war der Exphere. Das war das einzige wichtige Objekt was die Desians an einem Menschen fanden. Ich wurde zu einer Gruppe gebracht, die ebenfalls Steine schob. „Los fang an!“, maulte der Aufpasser mich an. Er schlug bedrohlich mit der Peitsche auf den Boden. Ich legte beide Hände gegen den Block, welcher größer war als ich und bestimmt auch viel schwerer. Zunächst tat sich nichts. Ich hatte keine Kraft den Block zu bewegen. Dann spürte ich ein leichtes Brennen an meinen Hals. Nun spürte ich eine Kraft durch meinen Körper fließen, wodurch ich es schaffte den Block zu bewegen. Ich war mir nicht genau sicher warum das so war, aber es lag sicher an meinem Exphere. Allerdings hatte ich ein unangenehmes Gefühl. Mit der Kraft breitete sich auch eine Kälte in mir aus. „Los schneller!“, schrie ein Desian. Er meinte allerdings nicht mich. Eine ältere Frau nicht weit von mir hatte aufgehört zu schieben, um mal kurz zu verschnaufen. Der Desians verpasste ihr einen Hieb mit der Peitsche. Die Frau tat mir Leid. Ich hörte ebenfalls auf zu schieben, um ihr zu helfen. „Hey!“, erklang eine Stimme, noch bevor ich etwas sagen konnte. Ich drehte mich zur Seite, um zu sehen, von wem sie kam. Nun sah ich ihn zum ersten Mal. Ein Mann kam auf uns zu. Aber kein gewöhnlicher Mann. Er sah ziemlich ungewöhnlich für einen Desian aus. Seine Haare waren rotbraun, so eine Art Weinrot und standen wild nach oben ab. Einige Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten sein linkes Auge. Seine Sachen waren auch seltsam. Sie sahen recht edel aus. Überall waren Gurte. Sein Oberteil war schwarz, wobei quer darüber vier braune Gurte gingen. Seine Ärmel waren lang. Diese waren weiß und lila. Ähnlich sah auch seine Hose aus. Der Mann war schon eine Erscheinung für sich. Recht gutaussehend würde ich sogar sagen, aber eine Sache war ebenfalls markant. Er hatte hellblaue Flügel auf dem Rücken. Dann war er ein Engel. Nun änderte sich meine Bewunderung in Verachtung. Ich hasste Engel aus guten Grund. Die Desians gingen einen Schritt zurück, als sie ihn sahen. Ihre Reaktion verstand ich nicht. Desians uns Engel waren doch Feinde? Warum hielten sie den Mann nicht auf? Die anderen Menschen sahen den Engel ehrfürchtig an. Als er uns erreicht hatte, gingen die anderen in die Knie. Die Reaktion wunderte mich nicht. Engel wurden ja auch schon außerhalb der Menschenfarmen verehrt. „Heilige Wesen“, laut der Kirche von Martel. „Bitte Herr Engel. Retten sie uns.“, sagte nun die ältere Frau. Als würde ein Engel uns auch retten. Ich hatte noch nie gesehen, dass sie etwas großartiges vollbrachten. „Befreien sie uns aus dieser Lage.“, sprach nun ein Mann, welcher ebenfalls vor dem Engel kniete. Dieser sah uns nun an. Man konnte kaum erkennen, was in ihm vorging. Allerdings schien er etwas verwundert zu sein, wenn auch nicht sonderlich überrascht. Nun sah er mich an. Immerhin war ich wohl auffällig, da ich die einzige Gefangene war, die noch stand. Ich starrte ihn böse an. Was wollte dieser Engel hier. Sich als Gott aufspielen? „Du bist also ein Engel, ja?“, zischte ich etwas während ich seine Flügel erneut betrachtete. In seinem Gesicht konnte ich Verwunderung erkennen. Kam wohl nicht oft vor, dass ihm jemand nicht anhimmelte. Schon allein bei dem Gedanken wurde mir übel. Ich ging nun auf ihn zu. Die Desians waren wohl zu erstaunt, um mich aufzuhalten. Nun stand ich dem Fremden direkt gegenüber. Er war größer als ich. Mit seinen ebenfalls weinroten Augen sah er mich fragend an. Er sah eigentlich wie ein normaler Mensch aus. Keine heiliges Licht oder ähnlichen Schnickschnack, die ein Engel eigentlich haben sollte. Er sah mehr wie ein Mensch aus, als der letzte Engel den ich gesehen hatte. Trotzdem war er ein Engel. „Heh!“, machte ich abfällig. Dann schlug ich ihn blitzschnell ins Gesicht. Das hatte er wohl nicht erwartet, denn er wich nicht aus und sah mich nun geschockt an. „Solch dreckige Engel wie ihr haben uns noch nie geholfen! Wenn ihr wirklich so gütig sein sollt, warum lasst ihr so etwas hier zu!“, schrie ich sauer. Irgendwie war ich auch zufrieden mit mir. Dieser Wutausbruch gab mir richtig Kraft. Allerdings war das nun auch vorbei, denn die Desians packten mich und zogen mich davon. Der Rothaarige sah mir nach. Ich wusste nicht wie ich seinen Blick deuten sollte. Das war auch egal, denn jetzt blühte mir bestimmt eine ordentliche Strafe. Die Desians brachten mich in einen kleinen Raum und schmissen mich in die nächste Ecke. „Was fällt dir ein!“, schrie er und schlug mich mit der Peitsche. „Dafür wirst du büßen!“ Der andere schoss ein paar Feuerbälle auf mich. „Hey übertreib nicht! Kvar braucht sie lebend.“, rief der andere. „So ein Mist was?!“, zischte ich, wobei ich mich aufsetzte. Das hielt sie aber nicht davon ab mich zu schlagen oder mich weiter zu verbrennen. Zumindest bis mein Retter kam. Der Engel befreite mich aus der Farm. Wir machten eine Bruchlandung und naja jetzt hatte ich ihn an der Backe. Er wolle mich zu einem sicheren Ort bringen, hatte er gesagt. Vielleicht ließ er mich in Asgard in Ruhe. Warum hatte er mich überhaupt gerettet? Was war so besonders an mir. Auf der Farm waren Dutzende von anderen Gefangenen. Warum gerade ich? Allerdings war ich nicht gewillt ihn zu fragen oder sonst mit ihm zu kommunizieren. Er war ein Engel. Damit war die Sache für mich geklärt. Engel waren einfach nicht gutherzig. Auch wenn dieser hier seltsam war. Er gab mir sogar etwas zu essen. Allerdings nahm ich nichts von ihm. Soweit ließ ich es bestimmt nicht kommen. Als würde ich etwas zu essen von dem annehmen. Auch wenn es Brot und Fleisch war. Ok klang eigentlich nicht gerade verlockend. Trockenes Brot und getrocknetes Fleisch. Hätte ich früher bestimmt nicht gerne gegessen, aber nach vier Jahren Gefangenschaft. Im Gegensatz zu verschimmelten Brot, gammliger Pampe und anderen, was ich die letzten vier Jahre aß, klang das wie Kaviar. //Nein Anna, nicht weich werden. Er ist ein dreckiger Engel. Von dem nimmst du kein Brot. Wie das wohl schmeckt? Nein! Nicht daran denken. Denke an…Blumen, Wasser…Brot…Meer, Wellen, Vögel, Brot und Fleisch. Mist!// In diesem Moment fing mein Magen an zu knurren. Na ganz Klasse! Der Rothaarige sah mich an und reichte mir erneut ein Stück Fleisch. //Stark bleiben Anna. Hör nicht auf deinen Magen. Du wirst ihm das jetzt nicht aus der Hand reißen// Gedacht und getan. Ich riss dem Engel das Fleisch aus der Hand und verschlang es. Und wie gut das schmeckte. Einfach himmlisch. Leider war es schon alle. Dieser Kratos reichte mir aber nun ein mit Fleisch belegtes Brot, was ich ebenfalls annahm. Das war echt köstlich. Allerdings verlangte mein Magen noch mehr. Der Engel saß gerade mit dem Rücken zu mir und aß gerade sein Brot. Sollte ich ihn fragen? Nein! Aber ich hatte Hunger. Da fiel mir sein Beutel auf. Daraus hatte er das Essen genommen. Da war bestimmt noch mehr. Heimlich sah ich hinein und…Bingo! Da war wirklich noch mehr Fleisch und Brot. Ich machte mich gleich daran zu schaffen. Der Rothaarige schien es nicht zu bemerken. Zumindest noch nicht. Er ermahnte mich zwar nach ein paar Minuten, aber das war mir egal. Ich hatte einen vollen Magen. Außerdem… Mir war erst in diesem Moment bewusst, dass ich ja frei war. Ich war keine Gefangene mehr! Das konnte ich gar nicht begreifen. Daher fehlte mir auch gerade die Freude. So richtig konnte ich es wohl doch noch nicht fassen. Trotzdem lächelte ich. Ich war frei. Nach vier Jahren Qualen und Erniedrigungen war ich endlich frei. Was sollte ich jetzt überhaupt machen. Erst mal zu meiner Tante nach Asgard. Immerhin lag es näher als meine Heimatstadt Luin. Waren wir echt soweit geflogen? Wie auch immer. Ich freute mich einfach nur über meine Freiheit. Was noch kommen würde, würde ich ja sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)