Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ryan – Akt 1, Szene 4 --------------------- 9 Jahre vor Team Shadows Gründung Der scharfe Duft von Harz und feuchten Nadeln kitzelte Ryans Nase. Corinna presste ihn gegen den Baumstamm und so musste er sich auf sein Gehör verlassen. Der schlammige Untergrund schmatzte unter den Schritten der Aqua Mitglieder, die aus dem hohen Gras gekommen waren und nun wenige Meter von ihnen entfernt den Weg abgingen. Ryans Herz pochte so schnell, dass er kaum Luft bekam. Corinnas Finger, die das Taschenmesser an seinem Hals umklammert hielten, zitterten. Hatte sie Angst oder war sie wütend? Ryan war nicht sicher, aber eines wusste er. Sobald sie wieder alleine waren und Corinna ihn nicht mehr bedrohte, würde er sich seinen Rucksack schnappen und zurück nach Baumhausen City gehen. Route 120 war der größte Fehler seines Lebens und … er konnte nicht fassen, dass er das einmal denken würde, aber lieber schlug er sich mit den tollwütigen Dachsen und mörderischen Steilhängen herum, als noch eine Sekunde länger mit dieser Irren zu verbringen. Die Stimmen wurden lauter, je näher das Grüppchen kam, bis Ryan schließlich vollständige Sätze aufschnappen konnte. „Immer noch nichts?“ „Diese verdammten Magmas … wie schaffen die es, jedes Mal wieder zu verschwinden? Wenn wir nicht bald was vorzuweisen haben, bringt Adrian uns um." „Ich weiß eh' nicht, warum wir uns so viel Mühe machen. Die Reste von Magma sind über ganz Hoenn versprengt, eine mickrige Handvoll, die nicht wichtig genug war, um an dem großen Coup beteiligt zu sein. Was können die schon ausrichten?“ „Frag mich nicht, Erwin. Hey, wartet mal, was liegt da?“ „Weiß nicht, sieht aus wie … ein Rucksack?“ Ryans Eingeweide knoteten sich zusammen. Nein. Nein, nein, nein, das war einfach nicht wahr. Er schielte zu Boden, doch natürlich war da nichts. Corinna hatte ihn so abrupt in den Wald gezerrt, dass er keine Gelegenheit gehabt hatte, seinen Rucksack mitzunehmen. Und nun lag sein einziger Besitz, sein gesamtes Geld und all seine Dateien einsam und verlassen neben dem Stein wie ein verfluchter Wegweiser! Ryan bockte, drückte Corinna weg und versuchte, dem Messer zu entgehen, doch sie hatte ebenfalls zugehört. Während die Aquas die Tasche unter Beschlag nahmen, rammte sie Ryan eine Hand auf den Mund und bevor er richtig zubeißen konnte, ließ sie schon ihre Stirn auf seine prallen und verpasste ihm eine Kopfnuss, die ihm schwarz vor Augen werden und seine Ohren ringen ließ. Kurz strauchelte er, dann stützte sie ihn mit ihrem Körper und wenige Momente später presste sich die Spitze ihres Taschenmessers unter sein Kinn. „Einen Laut, und ich steche dich ab“, flüsterte sie. Ihre Hand zitterte, doch Ryan verspürte nicht das Bedürfnis, ihre Drohung zu testen. Sein Kopf pochte, er schmeckte Blut und seine Augen brannten, doch er hielt den Mund und hoffte, dass Team Aqua bald verschwand, damit er sich in Embryonalstellung zusammenrollen konnte. „Was ist drin?“, fragte einer der Aquas. „Nur Junkfood, Geld und … Moment, da ist ein Reißverschluss. Sieht aus wie ein Geheimfach.“ Innerlich heulte Ryan auf. Sein wertvollster Besitz, jahrelange Programmier- und Sammelarbeit, in den dreckigen Händen von unwissenden Erwachsenen. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen! „Wenn die Magmagöre ihn zurückgelassen hat, muss sie überstürzt geflüchtet sein“, murmelte der dritte Aqua. Das Taschenmesser drückte sich fester in seinen Hals, als Corinna sich anspannte. Ryan schielte zu ihr hoch. Ihr Blick war an dem Baum vorbeigerichtet. Ryan öffnete den Mund, doch ein roter Lichtblitz unterbrach ihn. Flügelschlagen drang an seine Ohren und die Luft um ihn herum schien mit der Anwesenheit des neuen Pokémons zu vibrieren. „Golbat, such den Wald mit Superschall ab. Sie kann noch nicht weit sein.“ „Renn!“ Das Messer verschwand von seiner Kehle, stattdessen packte Corinna seine Hand und sprintete durch das Unterholz. Golbats schriller Schrei durchschnitt die Nacht, während Ryans Entführerin fieberhaft an ihrem Pokégürtel zerrte und ihr Magnayen rief, das neben ihnen in einen langbeinigen Trab verfiel, mit dem es problemlos Schritt hielt. Ryan kämpfte unterdessen gegen Wurzeln, Dornen und Gestrüpp an, die eigens für ihn aus dem Waldboden zu sprießen schienen. Er hasste Wälder, er hasste Pflanzen, er hasste all das hier und noch mehr hasste er, dass er wie ein Verbrecher vor dem Team floh, das seinerzeit ganz Hoenn gerettet hatte. „Ich komme nicht mit!“, fauchte er, riss sich von Corinna los und machte auf dem Absatz kehrt, doch sie sprang ihn von hinten an und rempelte ihn zu Boden. „Lass mich los!“ „Du weißt, wie ich aussehe“, schrie Corinna ihn an und drückte seine Handgelenke in den feuchten Erdboden. Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit. „Ich kann dich nicht einfach laufen lassen!“ „Ist mir verdammt nochmal egal“, konterte Ryan und riss und zerrte, bis er die Taktik änderte und Corinna mit dem Knie in den Bauch rammte. Sie keuchte und er stieß sie mit aller Kraft von sich. „Ich bin nicht auf der Flucht, ich habe nichts zu verbergen und ich gehe jetzt zurück und —“ Der zweite Superschall durchfuhr die Bäume wie ein unheilvoller Wind und rang in seinen Ohren nach. Schwindel überkam ihn. Er hustete, drehte sich auf die Seite und übergab sich unzeremoniell ins nasse Laub. Als er den Kopf hob, war seine Sicht verschwommen. Wabernde Bilder überlagerten sich, formten Farbflecke und geometrische Muster und alles erschien ihm doppelt. Mit etwas Mühe entdeckte er Corinna, die ihr Magnayen umarmte und vergeblich versuchte, es davon abzuhalten, sich selbst in die Flanke zu beißen. Die gefletschten Fänge des Unlichtpokémons glänzten ihm Schein der Taschenlampen. Moment. Taschenlampen? „Da sind sie!“ Verwirrt richtete Ryan seine Aufmerksamkeit auf die Stimme, die von allen Seiten auf ihn einzudringen schien. Ein scharfes Stechen in seiner linken Schulter ließ ihn wie in Zeitlupe den Kopf drehen. Violette Fledermausflügel nahmen ihm die Sicht und ein gewaltiges, speicheltriefendes Maul öffnete sich weit, bereit zum Biss. Magnayen krachte seitlich gegen das Golbat und riss es mit einem Tackle zu Boden. Gleichzeitig packte Corinna wieder seine Hand, zog ihn auf die Füße und zerrte ihn hinter sich her, einen Arm um seine Taille geschlungen. „Sandwirbel und Brüller!“, befahl Corinna über ihre Schulter hinweg. Hinter ihnen konnte Ryan das kollektive Heulen eines ganzen Rudels von Magnayen hören, dicht gefolgt von markerschütterndem Brüllen. Plötzlich tauchte Corinnas Pokémon neben ihnen auf. Es scharrte mit den Krallen durch die feuchte Erde, die in Klumpen durch die Luft flog und grollte frustriert. Soweit zum Thema Sandwirbel. Ryan erinnerte sich schummrig an einen Plan, den er vor dem Superschallangriff gehabt hatte, aber so sehr er sich auch bemühte, seine Gedanken blieben ein einziges Chaos. Er konnte nicht mal die Richtung einschätzen, in die sie sich bewegten, geschweige denn ohne Corinnas Hilfe laufen. Sie musste fast sein gesamtes Gewicht stützen, denn Ryan war sicher, dass er alleine sofort eingeknickt wäre. „Was … was ist los mit mir?“, fragte er matt. Seine Stimme klang seltsam fern. „Das ist doch nicht nur der Superschall.“ „Giftzahn“, brachte Corinna mühsam hervor, während sie sich unter Ryans Gewicht dahinschleppte. „Ich dachte nicht, dass sie sofort zu solchen Mitteln greifen würden.“ Kurz lachte sie auf. „Aqua muss wirklich frustriert sein.“ „Aber … warum?“ Es war dunkler geworden. Ryan wusste nicht, ob sie ihre Verfolger abgewimmelt hatten oder ob seine Sehkraft nachließ. „Ich habe doch nichts gemacht.“ „Sie glauben, du gehörst zu mir“, fuhr Corinna fort und half ihm über einen halb umgestürzten Baumstamm. Magnayen sprang mühelos hinterher. „Wir müssen hier weg, bevor sie wieder die Spur aufnehmen. Maggy, leg eine falsche Fährte. Wir treffen uns bei unserem letzten Versteck.“ Magnayen knurrte zustimmend und verschwand im Gestrüpp. „Es tut mir leid“, fuhr Corinna ungefragt fort. „Das ist meine Schuld. Wenn ich dich nicht mitgezerrt hätte, wärst du nie unter Verdacht geraten, ein Magma zu sein. Ich bin nur … ich hab Panik bekommen, verstehst du? Seit Monaten fliehe ich vor ihnen und komme nirgends zur Ruhe und als du mich heute Abend so mühelos enttarnt hast, da ist die Paranoia mit mir durchgegangen.“ Ryan war nicht sicher, was sie da redete. Seine Gedanken verliefen in immer kleiner werdenden Kreisen, seine Atmung ging schon seit Minuten rasselnd und seine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Doch als Corinnas Monolog zum Erliegen kam, hob er leicht den Kopf. „Es ist einfach nur …“ Sie schniefte und zog Ryan höher über ihre Schulter. Er zuckte bei der Bewegung zusammen. Alles drehte sich und seine Schulter brannte höllisch, bevor sie wieder nur dumpf pochte. „Ich habe damals alles verloren, verstehst du? Team Magma war meine Familie und jetzt sind sie alle im Gefängnis. Mir ist fast niemand mehr geblieben und ich will nicht wie sie enden. Es tut mir so leid, ich —“ Weiter kam sie nicht. Ryan sackte zwischen ihren Armen hindurch und fiel reglos in den Schlamm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)