Drei, Vier - Er steht vor deiner Tür von Anastasya ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Als Tris erwachte, blinzelte sie kurz, ehe sie vor Schreck aus dem Bett sprang und sich mit weit aufgerissenen Augen umsah. Ihre Beine waren dem nicht gewachsen und wollten nachgeben. Four kam auf sie zu und hielt sie fest. Dass noch jemand anderes im Zimmer war, hatte Tris nicht gewusst und auch nicht gesehen. Sie wusste nicht einmal, wo sie war. Was wusste sie überhaupt noch? Jeder Knochen schmerzte und ihr Kopf pochte. Sie fühlte sich, als wäre sie aus dem dritten Stock gestürzt. Als sie an sich herunter sah bemerkte sie, dass sie sich ganz automatisch an Four festgehalten hatte. Dabei wollte sie das gar nicht. Sie versuchte doch, ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Sie hatte noch immer Fours Unterarme umklammert und ohne was zu sagen, führte er sie wieder zum Bett und, ausnahmsweise mal artig gehorchend, ließ sie sich von ihm zur Matratze leiten. Als sie auf der Bettkante hockte, sah sie sich verwirrt um, während Four auf die andere Seite des Bettes ging und sich an einem Schrank an der Wand zu schaffen machte. Ohne ein Wort zu verlieren, legte er seinen Arm um Tris' Taille, zog sie wieder ganz aufs Bett und legte ihr einen kalten Lappen auf den Kopf. Langsam kehrten auch ihre Erinnerungen zurück. Sie hatte beim Training einen Kampf gehabt und sich eigentlich gar nicht schlecht geschlagen, aber dann... Ja, danach war alles weg. Tris setzte sich aufrecht hin und fixierte Four, der durch das Zimmer tigerte, wie ein Löwe im Käfig, mit ihrem Blick. Eric war das, schoss es ihr durch den Kopf und sie merkte, wie sie wieder wütend wurde. Er hatte sie auf dem Kieker, das war ja nichts Neues, aber dass er soweit gehen würde? Nach einer Weile, in der niemand etwas sagte, stützte Four sich am Fußende des Bettes ab und sah Tris eindringlich an. „Erinnerst du dich daran, dass Eric gesagt hat, dass wir hier Soldaten ausbilden und keine Rebellen? Das solltest du beherzigen.“ Natürlich erinnerte Tris sich an diese Worte. Wie sollte sie auch nicht? Diese Worte würde das junge Mädchen wohl nie in seinem Leben vergessen. Aber was fiel Four eigentlich ein? Das war doch allein ihre Sache, da brauchte er sich gar nicht einmischen, mit seinen neunmalklugen Ratschlägen. Es war ihm doch vorher auch immer egal gewesen, wenn man ihr übel mitspielte. Er ist nie besser gewesen! Mit trotzig verschränkten Armen, funkelte Tris ihren Ausbilder an. „Das kann dir doch egal sein. Ist ja nicht deine Sache.“ Four antwortete nicht und das war ihr recht. Was sollten sie auch reden. Außerdem hatte er ihr damals doch auch gesagt: 'Sprich mich nicht einfach so an.' Das konnte er gerne haben. Eigentlich rechnete sie damit, dass er gehen würde, stattdessen starrte er aus dem Fenster und sie an die Decke. So ging es eine ganze Weile. Tris wusste nicht, ob es nur wenige Sekunden oder einige Minuten still war, ehe sie mit trockener Stimme die Frage stellte, die bereits die ganze Zeit im Raum zu stehen schien: „Er wird mich umbringen, nicht wahr?“ Jetzt war es raus und obgleich Tris das schon lange klar war... Es jetzt laut gesagt zu haben war, als hätte sie sich diesem Schicksal ergeben. Sie sah mit leerem Blick zu Four hoch. Er schwieg und wich ihr aus. Das war klarer, als jede Antwort. Es war ihr schon lange klar. Eigentlich war diese Befürchtung seit der ersten Sekunde da gewesen. Four hatte sich ihr nun zugewandt und seine Miene war unergründlich. Natürlich wusste er, dass sie von Eric sprach. Dass sie befürchtete, Eric würde sie umbringen. Vielleicht würde er einen Unfall oder Ähnliches herbeiführen. So, dass er sich nicht rechtfertigen musste und trotzdem jeder der Ferox wusste, was mit ihm geschehen würde, wenn er nicht folgen, sondern sich auflehnen würde. Four trat wieder ans Bett und nickte mit trauriger Miene. War das überhaupt Traurigkeit in seinem Gesicht? Tris war sich nicht sicher. Four war aber auch nicht gerade ein offenes Buch. Bei ihr selbst war das offenbar anders, denn Four ergriff wieder das Wort und dieses Mal klang er viel energischer. „Tris, pass auf! Ich lasse nicht zu, dass er dir was antut. Solange ich da bin, werde ich auf dich aufpassen.“ Was sollte man denn jetzt davon halten? Tris war überrascht von seiner Reaktion. Immerhin hatte er sie sonst immer wie Abschaum behandelt. Für Four war sie doch nur das 'Stiff-Mädchen' und weiter nichts. Und jetzt sowas... „Ich...“, wollte Tris antworten, wusste aber nicht was. Das Ganze hier brachte sie aus dem Konzept. Manchmal - in Momenten wie diesen - kam es ihr vor, als wäre Four gar nicht das Arschloch, als das er meistens auftrat. Die beiden jungen Ferox sahen einander in die Augen und keiner sagte was, als könnten sie nur durch das bloße Ansehen kommunizieren. War das jetzt ein Abschied oder erst das Kennenlernen? Meinte Four auch, was er gesagt hat oder wollte er sie nur trösten? Je mehr geschah, desto weniger Sinn ergab alles und Tris' Kopf pochte immer mehr; da half auch der kalte Lappen nicht mehr richtig. Four trat neben das Kopfende des Krankenbettes und drückte Tris sanft in die Kissen. Sie meinte, in seinen Augen kurz etwas ganz Liebevolles aufblitzen zu sehen. Das war sehr untypisch für ihn - also zumindest für den Four, den Tris kannte. Trotzdem legte sie sich artig in die Kissen. Der Kampf steckte ihr noch immer in den Knochen und ein bisschen Ruhe konnte sicher nicht schaden. Die Müdigkeit überfuhr Tris wie eine Welle, aber dennoch schoss Adrenalin durch ihre Adern, das sie am Einschlafen zu hindern schien. Wie könnte sie auch, wenn Eric vielleicht nur darauf wartete, dass Four die schlafende Tris alleine ließ, um ihr mit einem Kissen für immer den Atem zu nehmen oder ihr ein Gift in den Organismus zu jagen. Tris wollte nicht sterben. Sie war jetzt eine Ferox und wollte leben. Das war das einzige, was sie wollte! Fours Finger strichen durch Tris' Haar, das wie ein Fächer, ausgebreitet auf dem weißen Kissen lag. „Geh' schon.“, murmelte Tris. Sie wollte Four nicht aufhalten. Ihren eigenen Kram würde sie schon irgendwie geregelt bekommen. Das war nicht seine Angelegenheit. Auch, wenn es wirklich schön wäre, hier eine Vertrauensperson zu haben und nicht nur Feinde. Doch war Four dafür der Richtige? In Momenten wie diesen, glaubte Tris ja. Aber es waren nicht alle Momente wie dieser. „Nein, ich bleibe...“, entgegnete Four und unwillkürlich fiel Tris ein Stein vom Herzen. Das gab ihr gerade einfach die Sicherheit, die sie brauchte, um vielleicht ein bisschen Schlaf finden zu können; auch, wenn sie das nicht zugeben wollte. „Musst du nicht...“ „Werde ich aber.“ Diesen Tonfall kannte Tris. Er hieß, dass sich Four wohl nicht von seinem Vorhaben abbringen ließ. Auch, wenn sie nicht wusste, ob er wirklich an ihrer Seite bleiben würde, nickte sie mit einem kaum hörbaren „Danke.“ ein und fiel in einen unruhigen Schlaf voller Albträume von Dingen, die schon bald Wirklichkeit werden könnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)