Erinnerst du dich? von ahaa ================================================================================ Kapitel 8: Epilog ----------------- Anmerkung: Der Epilog ist genau wie der Prolog aus Antonios Sicht geschrieben. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und ging langsam zu dem von Alfred gemieteten Auto. Sobald ich dieses Haus verlassen hätte, sobald ich den Türknauf losließ, so glaubte ich, würde ich mich fühlen als hätte ich ein Buch zugemacht, traurig, dass es zu Ende gegangen ist und gleichzeitig erleichtert, das alles hinter mir zu haben. Doch so war es nicht. Als ich das Haus verließ, war es so, als hätte sich die Last, die ich in dieser ganzen Zeit schleppen musste, vertausendfacht. Ich legte den Koffer auf den Rücksitz und machte die Beifahrertür auf bevor ich mich auf den Sitz fallen ließ und mein Gesicht in den Händen vergrub. Ausnahmsweise hatte Alfred mal den Anstand, seine Meinung für sich zu behalten. Schweigend startete er den Motor und sagte nichts bis er die Ausfahrt zur Autobahn nahm. Dann wurde es zu viel für ihn. „Nicht gut gelaufen?“, fragte er ohne den Blick von der Straße zu lösen. „Nein, es ist wirklich nicht gut gelaufen“, antwortete ich ihm und holte das Fotoalbum heraus. Nacht für Nacht hatte ich mir seinen Inhalt angesehen, mich an schöne Zeiten erinnert und mich selbst verflucht, nicht jeden Blick, jedes Blinzeln, jedes Wort und jede Geste von Lovino aufbewahrt zu haben. Nein, nicht Lovino. So durfte ich ihn nicht nennen, es tat zu sehr weh. Romano. Dieser Name war professioneller, förmlicher, unpersönlicher, schaffte mehr Distanz zwischen uns und hatte keinen liebevollen Beiklang wie der Name Lovino. Denn für mich war er immer Lovino gewesen oder zumindest „Romanito“ um ihn zu ärgern. „Lovino, hilf mir beim Hausputz.“ „Lovino, bist du hingefallen? Hast du dir wehgetan?“ „Für mich? Zu meinem Geburtstag? Vielen Dank, Lovino!“ „Du bist niedlich.“ „Bleib heute nacht bei mir.“ „Lass mich nicht allein.“ „Ich kann nicht ohne dich.“ „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll.“ „Liebe mich.“ Wütend knallte ich das Album zu. Ich hatte es satt, mich selbst zu bemitleiden, es brachte doch sowieso nichts. Man sagte, die Zeit würde alle Wunden heilen, was ich auch ehrlich erhoffte, sonst würde ich noch den Verstand verlieren wenn ich jede Minute an Lovino denke. (Nein, Romano. Was hatte ich vorhin gesagt? RomanoRomanoRomano.) „Alfred“ Meine Stimme kam aus dem Nichts wie ein plötzlicher Windstoß. Ich sollte nicht mehr über dieses Thema sprechen, das wusste ich, doch die Unsicherheit quälte mich. „Alfred … denkst du, ich tue das Richtige?“ Stille. Er überholte einen blauen Seat und schwieg weiter. „Was hättest du an meiner Stelle getan?“ Er richtete seine Brille und zeigte lächelte albern so wie nur er es konnte. „Genau das Gleiche wie du“, sagte er und wechselte wieder auf die rechte Fahrspur. „Aber ich wäre dageblieben bis ich die ganze Wahrheit erfahre, Helden gehen nicht einfach so weg.“ Langsam nickte ich. Ich hätte bei ihm bleiben sollen, schließlich hatte ich das Recht zu erfahren, warum er mich auf so eine unerwartete und absurde Weise verlassen hatte. Doch tief in mir drin wusste ich es bereits. Lovino hatte mich nie geliebt. Das war die einzige mögliche Wahrheit, das Einzige, worüber ich mir von Anfang an im Klaren war, die harte Realität, die mein Herz Zentimeter für Zentimeter auseinanderriss, seit ich festgestellt hatte, dass der Ring nicht mehr um seinen Hals hing. Fünfzig Jahre hatte er mich leiden lassen, bis ich lästig genug für ihn wurde, dass er akzeptierte um mich so zum Schweigen zu bringen. Und im Laufe dieser Zeit, in der wir zusammen waren, war immer ich der, der anrief, der, der ihn in Italien besuchte, der, der ihn dazu drängen musste, nicht nur ein paar Stunden miteinander zu reden und dann wieder an die Arbeit zu gehen. Warum hätte ich sonst fast zwei Monate gebraucht, um ihn zu überzeugen, möglichst bald zu heiraten? Warum sonst hatte er die Nachricht vor der ganzen Welt verheimlicht? Warum sonst wollte er nicht einmal ein Verlobungsgeschenk von mir? Er hat sich nie für mich interessiert. Ich vermute mal, ich war keine wichtige Person in seinem Leben. So wie er es für mich war (ist). ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Die Autofahrt kam mir wie ein Traum vor. Ich erinnerte mich wie Alfred ein paar Mal versucht hatte, mich aufzumuntern, aber ich war so niedergeschlagen, dass ich kaum ein Wort von mir gab. Ich musste im Stillen leiden, das war das Beste, was ich tun konnte. Das alles führte dazu, dass ich so darauf konzentriert war, mir den Kummer nicht anmerken zu lassen, dass es mich überraschte, als ich mich plötzlich auf einen Sitzplatz im Flugzeug niederließ und man mir riet, mein Handy auszuschalten. Ich lächelte. Normalerweise war es Lov …. Romano, der mich jedes Mal etwa zwanzig Mal daran erinnerte, obwohl ich ihm schwor, dass es schon aus war. Dann hätte er sich neben mich gesetzt und mir ein paar Anekdoten erzählt, damit ich lachte und mich entspannte. Nur wenn wir mit dem Flugzeug flogen, war er einigermaßen nett zu mir, zumindest hatte er wenigstens den Anstand, mich nicht wegen meiner Flugangst zu ärgern oder sich darüber lustigzumachen. Manchmal reichte er mir sogar die Hand, die ich fest drückte. „Alles wird gut, Bastard. Mach dir keine Sorgen mehr, du machst mir Kopfschmerzen.“ Doch diesmal saß er nicht neben mir. Es gab nichts außer einem leeren Sitzplatz am Fenster, von dem aus man sah wie die Flughafenangestellten mit ihren Warnwesten hin- und hereilten und den Flugzeugen mit ihren farbigen Lichtern das Signal zum Abheben gaben. Ich strich über den Umschlag des Fotoalbums. Heracles hatte mir empfohlen, es ihm nach und nach zu zeigen wenn er in seiner Geschichte vorankommt, damit er sich schnell wieder erinnern kann. Doch ich hatte es nicht geschafft. Ich war ein Feigling, einfach so abzuhauen ohne zu warten bis er sein Gedächtnis wieder vollständig zurückerhalten hat, aber es tat einfach zu sehr weh, sich zur gleichen Zeit wie er an all unsere glücklichen Momente zu erinnern. Das Einzige, was ich wollte, war nach Hause zurückzukehren und mich so schnell wie möglich zu erholen um wieder an die Arbeit zu gehen. „Verzeihung … sind Sie Antonio Fernández?“, fragte eine sehr nette Stewardess in perfektem Spanisch und mit einem gigantischen Lächeln. „Ja, gibt’s ein Problem?“ „Bitte kommen Sie mit.“ Erstaunt folgte ich der Stewardess, die mich zum Ausgang des Flugzeugs führte. Meine Überraschung war enorm als ich Elisabeth, Francis und Gilbert dort draußen warten sah. „Was ist lo-?“ „Das ist er!“, rief Elisabeth und zeigte mit dem Finger auf mich. „Das ist der Betrüger, der mein ganzes Geld geklaut hat!“ „Verhafte ihn, Beilschmidt.“ Gilbert kam auf mich zu und ohne dass ich immer noch begriff, was eigentlich los war, legte er mir Handschellen an. „Moment mal … warte! Was soll das?“ „Du hast das Recht zu schweigen. Und auch das Recht auf einen Anwalt. Widersetz dich nicht, denn sonst werden wir Gewalt anwenden müssen ...“ „Gilbert! Was redest du denn da?“ „Vielen Dank für Ihre Mitwirkung, Fräulein“, sagte Francis galant. „Dank Ihnen werden wir nun einen der bekanntesten Betrüger der Geschichte verhaften können.“ Die Stewardess nickte eifrig. „Gott sei Dank haben Sie ihn geschnappt, nicht auszudenken, was passiert wäre, wäre so ein Krimineller weiterhin auf freiem Fuß.“ „Aber ich bin kein ...“ „Kesesese, zum Glück ist der Awesome da, um die Welt zu retten.“ Er passte die Handschellen ein wenig an. „Und spar dir deine Ausreden für den Anwalt auf, der hat sicher mehr Interesse daran, dir zuzuhören.“ „Halten wir sie nicht mehr auf.“ Und Francis nickte ihr zu, was verdächtigerweise nach einer dieser veralteten Verbeugungen aussah, die er Frauen im 18. Jahrhundert gewidmet hatte. „Einen schönen Flug wünsche ich Ihnen, Fräulein ...“ „Erika Morgan.“ Sie hob die Hand, verabschiedete sich von uns und schloss die Tür hinter sich. Trotz meiner zahlreichen Bitten und Forderungen, blieben die drei stumm und gaben kein Wort von sich bis wir den Flughafen hastig verlassen hatten. „Da bist du aber in ein schönes Durcheinander geraten, Antonio“, bemerkte Elisabeth lächelnd. „Darf ich bitte erfahren, was hier los ist?“ fragte ich während ich versuchte, mich zu befreien. „Nimmst du mir endlich diese Handschellen ab, Gilbert?“ „Nein, noch nicht. Er hat uns gesagt, das wäre deine Strafe.“ „Strafe? Er? Aber was …?“ Sie öffneten die Türen eines grünen Autos und steckten mich mit dem Kopf voran hinein. „Das ist nicht lustig. Lasst mich hier raus, ihr Idioten!“ „Der einzige Idiot hier bist du“, hörte ich eine wütende Stimme in meinem Rücken. Eine Stimme, die ich nur zu gut kannte. Langsam drehte ich mich um, was angesichts der Ketten gar nicht so einfach war, um einem angespannten, gereizten und unglaublich wütenden Lovino zu begegnen. „Bastard, Mistkerl, Arschloch, Idiot, Blödmann, ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich!“, schrie er während er auf mich einschlug. „Aufhören! Du tust mir weh! Schluss damit!“ Doch er verhaute mich weiterhin und ich steckte die Schläge ein ohne zu wissen wie ich mich verteidigen sollte. Dann schien Lovino sich zu beruhigen. Er atmete schwer, war feuerrot im Gesicht, hatte steife Kiefer und die Hände fest zu Fäusten geschlossen. Er musste wirklich stinksauer sein. Und dann startete er ohne Weiteres den Motor, beschleunigte mit allem was er hatte und fuhr auf die Autobahn. Wusstet ihr, dass man von den Italienern sagt, sie seien fürchterliche Autofahrer? Das stimmt. Lovino raste über die Landstraße als wäre der Teufel hinter ihm her. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass er schon die 140 km/h überschritten hatte und noch weiter beschleunigte. Mir schlug das Herz bis zum Hals als er ein Polizeiauto überholte, das wir dann zum Glück an einer der Kreuzungen abschüttelten. „Lovino, bitte … fahr langsamer“, flehte ich verängstigt und versuchte, mir den Sicherheitsgurt so gut es ging anzulegen. „Wie konntest du … nur denken, dass ich … dass ich ...“ Fest umklammerte er das Lenkrad. „Du verstehst aber auch gar nichts.“ Auf einmal schloss ich meinen Mund. Er hatte Recht, ich verstand es nicht. Fast eine Woche hatte ich mich im Kreis bewegt und es nicht geschafft, auch nur das kleinste bisschen Licht in die Angelegenheit zu bringen. Warum hatte er mich verlassen? Warum hatte er die Beziehung zu mir abgebrochen? Warum hatte er mich die ganze Zeit getäuscht obwohl er mich in Wirklichkeit niemals geliebt hatte? „Dann erklär du es mir“, verlangte ich mit Bestimmtheit. Er atmete tief durch in dem Versuch, sich vollständig zu beruhigen. Dann kniff er die Augen zusammen und nahm den Fuß ein wenig vom Gaspedal bis er eine mehr oder weniger normale Geschwindigkeit erreichte. „Als ich ging … war ich sehr wütend auf dich. Schrecklich wütend. Ich glaubte, das Ganze mit der Hochzeit sei nur ein Vorwand, um dich wieder mal mit Belgien zu treffen und mit ihr durchzubrennen oder sowas in der Art. Die ganze Zeit dachte ich, dass sie die Einzige wäre, die du liebst ...“ Überrascht von diesem seltsamen Geständnis runzelte ich die Stirn. „Aber … ich hab dir doch tausend Mal gesagt, dass ich dich liebe.“ „Ich weiß, aber …“ Er seufzte ohne den Blick von der Straße abzuwenden. „Sie ist wunderschön, sympathisch, nett, liebevoll und denkt niemals schlecht von Anderen, im Gegensatz zu mir. Und das ist genau … genau das, was du brauchst.“ Er schluckte geräuschvoll und fuhr sich durchs Haar, so wie jedes Mal, wenn er bestimmte Gedanken beiseiteschieben wollte. „Deshalb habe ich immer gedacht, dass du mit ihr zusammen sein solltest und nicht mit mir. Aus diesem Grund war ich so gereizt, was die Hochzeit anging, weil ich dachte, du verdienest etwas Besseres als mich.“ Ich fragte mich ob ich richtig gehört hatte. Ob ich exakt das hörte, was er zu sagen schien. Letztendlich könnte es doch sein, dass … „Also … liebst du mich?“ „Aber natürlich …!“ Er räusperte sich und drehte sich zum Fenster, so als ob er in den Rückspiegel schauen würde obwohl ich ganz genau wusste, dass Spiegel für Italiener kaum mehr als nur Schmuck waren. „Als ich durch die Straßen lief und dich dabei in dutzend verschiedenen Sprachen verfluchte, stellte ich fest, dass ich mich auf der Gran Vía befand, von unbekannten Leuten umzingelt, die aus allen Richtungen kamen.“ Sehr langsam nickte ich. Aus meiner Erfahrung wusste ich, dass Lovi Menschenmengen nicht so gern mochte. „Um aus der Menge rauszukommen, begab ich mich in den nächstbesten Laden, den ich finden konnte“, fuhr er fort. „Er stellte sich als ein Juwelier der teuren Sorte heraus, einer von der Art, in dem man dich schon fürs Atmen abkassiert und in dem sich in jedem Winkel Kameras befanden. Ein Verkäufer kam auf mich zu und fragte, ob er mir helfen könne. Ich wollte schon nein sagen und so schnell es ging verschwinden als ich im Schaufenster etwas entdeckte, was meine Aufmerksamkeit erweckte. Und dann erinnerte ich mich an dich.“ Lovino beugte sich in Richtung Autotür und warf mir eine Schachtel zu, die in sehr zerknittertes buntes Papier eingewickelt war. Vorsichtig nahm ich sie entgegen und schaute ihn aus dem Augenwinkel an, um zu erfahren, was ich damit tun sollte. Da er ungeduldig murrte, schien er wohl darauf zu warten, dass ich sie aufmachte. Ich zog das Papier vorsichtig ab und machte das Kästchen auf, dass sich mit einem vielversprechenden Klicken öffnete. Darin lag eine wunderschöne silberne Armbanduhr mit pechschwarzen Zeigern. „Du fragst mich ständig nach der Uhrzeit, das nervt“, erklärte er mir während die Zahnrädchen in meinem Hirn anfingen, sich zu drehen, in meinem Versuch, zu verstehen, was ich da gerade in der Hand hielt und was es bedeutete. „Ich weiß schon, dass … dass ich dir gesagt hatte, ich wolle dir nichts zur Verlobung schenken, aber sie gefiel mir und ist praktisch und … hör auf mich so blöd anzustarren.“ „Lovino, ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Das war die Wahrheit. Er hatte mich sprachlos gemacht. „Dann könntest du doch so höflich sein und sie dir umlegen, oder? Sie ist sehr teuer.“ Ich strich über das kristallene Zifferblatt und nahm die Uhr vorsichtig heraus. Sie war ziemlich schwer, doch ich musste mich schnell daran gewöhnen. Ich wollte sie jeden Tag anziehen und jede Sekunde lang nach der Uhrzeit schauen. „Es gibt noch mehr“, flüsterte Lovino. „Mehr? Wie das?“ „Such es doch.“ Verwundert versuchte ich einen Hinweis zu finden, der mir sagte, wo ich suchen sollte und entdeckte einen doppelten Boden. Ich hob den zweiten Deckel an und das Herz blieb mir fast stehen als ich drinnen seinen Verlobungsring liegen sah. Mit zitternden Händen nahm ich ihn an mich und starrte ihn eingehend an, so als würde ich fast erwarten, dass er sich jeden Moment in Luft auflöst. „Damit … wollte ich versuchen, mich zu entschuldigen. Du hast mehrmals versucht, mir einen Antrag zu machen, doch ich hatte es jedes Mal vermasselt. Ich wollte, dass du das anständig machst, da du dich so darauf gefreut hast.“ Nun war ich erst recht sprachlos. Ich wollte ausdrücken wie dankbar ich war, wie glücklich ich war, ihn an meiner Seite zu haben und wie unglaublich erleichtert ich war, als ich erfuhr, dass er mich immer noch liebte … Nein. Dass er niemals aufgehört hatte, mich zu lieben. „Lovi, ich ...“ „Aber das ist jetzt vorbei“, sagte er während er die Schachtel von der Uhr nahm und sie auf den Rücksitz warf. „Wie vorbei?“, fragte ich verwirrt. „Was meinst du damit?“ „Du willst mich gar nicht heiraten.“ „Was?! Aber natürlich will ich das, das ist das Einzige, woran ich seit zwei Jahrhunderten denke.“ „Wenn du mich wirklich heiraten wolltest, dann hättest du dich nicht wie ein verängstigtes Schulmädchen aufgeführt als du den Ring nicht um meinen Hals hängen sahst.“ Beschämt wendete er sich ab. Er hatte völlig Recht. Die Entscheidung, die ich getroffen hatte, war feige und dazu noch von der allerkindischten Sorte. „Also echt, was hast du dir eigentlich gedacht?“ „Es tut mir schrecklich leid, Lovino. Ich war ein Egoist.“ „Ja, ich weiß.“ „Und ein Feigling“, fügte ich noch hinzu, um die Gemüter zu besänftigen. „Und ein Idiot, vergiss das mit dem Idioten nicht.“ „Ich war der größte Idiot von allen Idioten, die es gibt.“ Es freute mich sehr, ein ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. „Verzeihst du mir?“ Plötzlich wurde er ernst und schüttelte den Kopf. „Aber warum denn nicht?“, fragte ich verzweifelt. „Weil du mich nicht heiraten willst.“ „Doch, das will ich, Lovi, wirklich, ich schwöre es. Es gibt nichts, was mich glücklicher machen würde als dich zu heiraten.“ Ich legte mir die Hand auf die Brust, damit er sah, dass meine Worte vom Herzen kamen. Lovino nahm die Ausfahrt, in der sein Landhaus lag und parkte auf einem Feldweg. Er schaltete den Motor aus, schnallte sich ab und drehte sich um, um mir in die Augen zu blicken. „Schön, dann beweis es mir.“ „Was?“ „Beweis es mir. Heirate mich hier und jetzt. Und keine Ausreden.“ Meine Herzschläge wurden schneller, als ich merkte, dass es kein Scherz war. „H-Hier?“ Er nickte sehr ernst. „Aber wir haben weder eine Kirche hier, noch Trauzeugen, noch ...“ „Leider haben wir mehr als genug Trauzeugen.“ Er zeigte nach draußen, wo ich all die anderen Nationen ungeduldig warten sah. „Und ich glaube nicht, dass wir die Papiere in einer Kirche unterschreiben müssen. Gott ist schließlich überall. Sicher wird er es verstehen.“ „Aber … Lovino, bist du dir sicher? Ist es das, was du willst? Eine informelle Hochzeit mitten auf dem Land?“ Nachdenklich kniff er die Augen zusammen und verschränkte dann sarkastisch lächelnd die Arme. „Wir sprechen nicht davon, was ich will, sondern wozu du fähig bist. Du sagst, dass mich zu heiraten dein sehnlichster Wunsch ist, nicht? Dann beweis es mir.“ Ich lächelte als ich verstand was er da gerade versuchte. Er stellte eine Art „Falle“ für mich auf, damit ich aus freiem Willen zustimmte, ihn zu heiraten. Obwohl er mir in Wirklichkeit einen Antrag machen wollte. „Hilfst du mir, hier rauszukommen? Ich will dich so schnell wie möglich heiraten.“ Lovino stieg aus und öffnete mir die Tür mit ernstem Gesicht obwohl ich ganz genau den freudigen Glanz tief in seinen goldfarbenen Augen sehen konnte. „Also ja?“, fragte Feliciano aus der Ferne. „Der Idiot sagte ja, also vermute ich mal, es lässt sich nicht vermeiden“, antwortete ihm sein Bruder. Ich merkte, dass seine Stimme brach und er anfing, nervös zu werden. Doch auch nicht mehr als ich. Die Anderen kamen auf uns zugelaufen und begannen, uns gerührt zu umarmen. Ich hatte immer noch die Handschellen um, doch sowohl Francis als auch Gilbert weigerten sich, mir den Schlüssel auszuhändigen. „Wir wollen ja nicht, dass du wieder wegläufst“, sagte Francis und zwinkerte mir zu. „Wie schade! Mein Antoine wird erwachsen und nimmt meinen Lovino mit. Ach, hat Jemand ein Taschentuch?“ „Halt den Mund“, sagte mein Verlobter (mein Verlobter!). „Sonst bereue ich es noch, dich hier zu haben.“ „Ich sage kein Wort mehr, je promets.“ Das war das erste Mal, das Francis eine Abmachung akzeptierte und nicht einmal verhandeln wollte. Ich ließ meinen Blick wandern und jeder Einzelne von meinen Freunden lächelte mir zu. Elisabeth weinte bereits. Gilbert lachte sie aus und bekam dafür einen schönen Schlag verpasst. Feliciano hielt den Arm von Ludwig umklammert, der sich nicht sehr wohl zu fühlen schien. Österreich zeigte mir die Papiere, die wir unterschreiben mussten um den Akt offiziell zu machen. Keine Ahnung, wo er die herhatte, doch ich war ihm sehr dankbar dafür, sie in so kurzer Zeit besorgt zu haben. Ich lächelte als wir auf den Hügel gelangten und uns um den einzigen Apfelbaum herum, den es im Umkreis von einigen Kilometern gab, aufstellten. Dies war unser heiligster Ort, der einzige, an dem wir ohne jede Zurückhaltung reden konnten, wo wir uns die Sterne ansahen und uns über unsere Probleme und Sorgen unterhielten. Der einzige Ort, an dem wir wir selbst sein konnten. „Fangen wir an?“, wollte Lovino wissen. „Ich, Lovino Vargas, nehme dich ...“ „Warte, warte“, unterbrach ich ihn plötzlich und ein wenig enttäuschst. „Und unsere Hochzeitsschwüre?“ „Was für Hochzeitsschwüre? Ich werde keine blöden Schwüre sagen ...“ „Ach, komm schon, Lovi, ich würde mich sehr freuen, wenn du mir an dem Tag unserer Hochzeit etwas Schönes sagen würdest. Schau, ich fang an, in Ordnung?“ Die Ketten klimperten als ich seine Hand nahm und ihm in die Augen sah, jedes meiner gesagten Worte auch wirklich so meinend. „Lovino Vargas, ich liebe dich. Ich liebe dich schon seit so langer Zeit, dass ich selbst nicht weiß wie lange. Das Einzige, was ich weiß ist, wie beunruhigt ich war wenn du nicht bei mir warst, wie ich mir wegen jeder Sache Sorgen um dich machte und wie sehr ich dich bei jeder politischen Wahl an meiner Seite brauchte. Ich brauche dich an meiner Seite. Ich verspreche dir, ich werde auf dich aufpassen, jeden Tag, für den Rest meines Lebens und meiner Ewigkeit, von der ich jede Sekunde nutzen werde, um dich glücklich zu machen.“ Sanft drückte ich seine Handflächen. „Bitte, erweise mir die unglaubliche Ehre, dein Ehemann zu werden.“ Obwohl ich nur Augen für Lovino hatte, der nach und nach rot wurde, konnte ich Elisabeth schluchzen hören. „Ist das alles?“, fragte er den Blick abwendend. „Ich hab ein wenig improvisiert“, gab ich lächelnd zu. „Du bist sowas von blöd.“ Mühevoll verflechtete er seine Finger mit den meinen. „Nichts gelingt dir, du nervst, bist kindisch, verwirrend und ein Blödmann, wie es nur wenige auf dieser Welt gibt. Aber … ich nehme mal an, du brauchst Jemanden, der auf dich aufpasst, nicht wahr? Damit du dich nicht in mehr Schwierigkeiten begibst als unbedingt nötig.“ „Mehr nicht?“, fragte ich eine Schnute ziehend. „Und außerdem liebe ich dich auch, du Bastard“, gab er leise zu. Von nun an geschah alles in Zeitraffer. Kraftlos sprach ich Worte nach („ … in Gesundheit und in Krankheit ...“), unterschrieb wie mir schien, hunderte verschiedener Formulare und unsere Hände ließen nicht mehr voneinander ab, außer um die Ringe zu nehmen und sie uns an die Finger zu stecken, damit den Akt besiegelnd. Sobald alle Formalitäten erledigt waren, küssten wir uns. Es war ein Kuss voller Versprechen für die Zukunft. Einer Zukunft mit zahlreichen Streitigkeiten, leisen Gesprächen nach dem Liebemachen, voller Lächeln und Wutausbrüchen von beiden Seiten. Es war ein „Kuss der wahren Liebe“, so wie es einige nannten. Doch für mich war es nichts Anderes als ein Kuss von meinem Lovino. Dem ersten von vielen. „Verdammt, Gilbert!“, schrie Elisabeth und ruinierte damit den Moment. „Du hast vergessen, mir die Kamera für den Kuss zu geben, ich wollte doch ein Foto für meine Sammlung machen!“ Ach was, kein Problem. Ich brauchte kein Foto. Denn ich wusste eines: Wenn ich mich in ein, zwei oder zehn Jahren an unsere Hochzeit erinnern wollte, dann brauchte ich nichts Anderes zu tun, als Lovino auf meinen Schoß zu setzen, seine Proteste mit einem Kuss verstummen zu lassen und ihm ins Ohr zu flüstern: „Lovino, erinnerst du dich?“ ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)