Smallville-Expanded - 03 von ulimann644 (Vacation) ================================================================================ Kapitel 5: In Deutschland ------------------------- Die letzte Schuljahrwoche verging wie im Flug und bereits am Samstagabend saß Christian von Falkenhayn, zusammen mit seiner Freundin, im Privatjet seines Vaters. Alicia, die zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Flugzeug reiste, war gleichzeitig aufgeregt und fasziniert, ob der luxuriösen Ausstattung des Jets. Und obgleich Christian seinen Vater darum gebeten hatte, auf das sonst übliche Service-Personal an Bord zu verzichten, kam sich Alicia vor, wie in einem Traum. Die helle, kostbare Holztäfelung an der Innenwandung der Fluggastzelle hatte sie ebenso sehr überrascht, wie die Fenstervorhänge aus echter Seide, die Kommode, in die ein moderner Kühlschrank nebst Eisfach untergebracht war, und die schweren, bequemen Ledersessel, die farblich zur hellbeigen Decke und dem dunkelbraunen Teppich passten. Eine weitere Kommode auf der anderen Seite der Flugzelle diente als Stauraum für das Handgepäck. Den Start vom Metropolis-Airport hatte sie beinahe gar nicht mitbekommen, und erst, als sie sich bereits in einer Höhe von 10.000 Metern über Meereshöhe befanden, und Christian, an einem niedrigen Glastisch gegenüber saß, da sagte sie: „Wow, ich hatte keine Ahnung, wie solche Jets ausgestattet sind.“ Sie machte eine umfassende Geste mit der Hand und zählte auf: „Filmmonitor, inklusive Blue-Ray-Player, Stereoanlage, Bar, und dann die gesamte restliche Ausstattung... Im Waschraum fehlt nur noch die Badewanne.“ Christian nahm schnell ihre Hände in seine und erklärte ernsthaft: „Mir ist klar, welche Gedanken dir jetzt gerade durch den Kopf gehen müssen, Alicia. Alles darüber, dass nur sehr wenige Menschen so etwas jemals erleben oder besitzen. Aber vergiss dabei bitte nicht, dass dafür nicht eine Generation meiner Familie, sondern viele Generationen gearbeitet haben. Und vielleicht solltest du dabei auch daran denken, welche Verantwortung ein Industrie-Tycoon, wie mein Vater, auf seinen Schultern trägt. Dazu kommt, dass er hunderttausenden Menschen weltweit einen sicheren Arbeitsplatz gibt. Und diese Menschen verdienen sehr gut, denn unsere Firma zahlt bestimmt keine Hungerlöhne. Dazu kommt, dass der Terminkalender meines Vaters ziemlich vollgestopft ist – selbst an Sonn- und Feiertagen ist er oft mehrere Stunden beschäftigt. All das muss hart verdient werden. Außerdem hat meine Mom zahlreiche Stiftungen für sozial benachteiligte Menschen ins Leben gerufen. Darum kümmert sich jetzt ihre jüngere Schwester – mein Vater hätte dazu kaum auch noch Zeit, obwohl gerade diese Projekte ihm immer sehr wichtig gewesen sind. Er war sehr glücklich darüber, dass sich meine Tante Christina angeboten hat, diese Projekte, nach dem Tod meiner Mutter, zu betreuen.“ Alicia erhob sich aus ihrem Sessel und setzte sich auf Christians Schoß, nachdem er geendet hatte. Schnell gab sie ihm einen Kuss auf die Lippen und erklärte dann verlegen: „Ich wollte bestimmt nicht andeuten, dass das alles deiner Familie unverdient in die Hände gefallen ist. Es ist für mich nur so fremd und ungewohnt.“ „Du hättest dich bestimmt sehr gut mit meiner Mom verstanden. Sie hat mir oft gesagt, wie gerne sie auf den gesamten Rummel verzichten würde.“ „War deine Mutter denn nicht...“ „Adelig? Oder Reich?“ Christian schüttelte den Kopf. „Nein, meine Mom stammt aus einer gutbürgerlichen Familie, die jedoch nach dem ersten Weltkrieg verarmte. So lebten ihre Eltern, ihre Schwester und sie eher in bescheidenen Verhältnissen. Vielleicht beruhigt es dich zu erfahren, dass sie, so wie deine Mom, Krankenschwester gewesen ist, als sie meinen Vater, bei einer Veranstaltung für sozial benachteiligte Kinder kennenlernte, welches er finanziell, und sie aktiv, unterstützte. Sie hat meinen Dad aus Liebe geheiratet, nicht wegen seines Geldes, das weiß ich ganz sicher.“ Sie küssten sich erneut und es dauerte eine ganze Weile, bis sich Alicia zögernd von Christian löste. „Sie muss eine ganz besondere Frau gewesen sein, denn sonst wärst du sicher ein ganz anderer Mensch geworden.“ „Unterschätze meinen Vater nicht. Auch der ist in Ordnung.“ Alicia nickte. „Ich bin trotzdem total aufgeregt, ihn bald kennenzulernen. Hoffentlich mache ich einen ordentlichen Eindruck auf ihn.“ „Das wirst du ganz bestimmt, Alicia.“   * * *   Trotz ihrer Müdigkeit hatten beide Teenager nur knapp vier Stunden geschlafen, während des zehn Stunden langen Fluges. Jetzt, kurz vor der Landung am Dortmunder Flughafen, zupfte Alicia immer wieder ihre bordeauxrote Hose und das dazu passende Top zurecht. Ihre, in ebenfalls bordeauxfarbenen Sandaletten steckenden Füße wippten dabei permanent auf und ab. Die dazugehörige Jacke, lag noch gefaltet auf dem Sessel gegenüber. Sie hatte diese Sachen zu ihrem Geburtstag, in Metropolis, gekauft und sie war jetzt ganz froh darüber, dass Samantha ihr zu diesem etwas eleganteren Outfit geraten hatte, ohne zu ahnen, wofür sie es zuerst brauchen würde. Oder hatte Samantha es vielleicht doch geahnt? „Deine Nervosität ist süß, aber auch ansteckend“, schmunzelte Christian, der sie dabei beobachtete. „Du siehst perfekt aus, Alicia.“ Er selbst trug nun eine anthrazitfarbene Tuchhose, schwarze Schuhe und dazu ein violettes Hemd. Er wusste, dass sein Vater ihn lieber in solchen Sachen sah, als in, wie er es auszudrücken pflegte, Räuberzivil. Also hatte er beschlossen ihm, zumindest heute, diesen Gefallen zu tun. Außerdem harmonierte sein jetziges Outfit besser zu dem seiner Freundin. Er hatte Alicia erklärt, dass es in Deutschland Privatpersonen nicht gestattet war, mit ihren Autos auf einen, auch öffentlich genutzten, Flugplatz zu fahren. Sacht setzte der Pilot die Maschine auf, und nachdem sie endlich vor dem Terminal für Privatflugzeuge hielt, beeilte sich der Co-Pilot, die Tür für die beiden jungen Passagiere zu öffnen. Christian verließ zuerst die Maschine und half Alicia beim Aussteigen. Während sich die beiden Piloten, ungewohnter Weise, um ihr Gepäck kümmerten, schritten die beiden Teenager gemeinsam zum Terminal hinüber. Die Zollbeamten hielten sie nicht lange auf, und als sie den Zoll hinter sich gelassen hatten, hielt Christian Alicia kurz zurück. Noch bevor sie fragen konnte warum, holte er vorsichtig den Anhänger an seiner Kette, unter ihrem Top hervor. Lächelnd gab er Alicia dann einen Kuss auf die Wange und meinte: „Jetzt siehst du perfekt aus.“ Schnell ergriff Alicia wieder seine Hand, als sie weitergingen.   * * *   „Glaubst du wirklich es war richtig, dass ich mitgekommen bin?“, fragte Christina Wienholt-Langenhagen, und fuhr sich mit einer fahrigen Geste durch das lange, blonde Haar. Die jüngere Schwester der verstorbenen Andrea von Falkenhayn wusste, wie ähnlich sie ihrer Schwester sah, und darum befürchtete sie, in Christian unangenehme Erinnerungen zu wecken, wenn er sie sah. Sie trug bereits seit einigen Wochen kein schwarz mehr, aber nach allzu hellen Farben stand ihr auch jetzt noch nicht der Sinn, darum hatte sie sich für ein dunkelblaues Kostüm entschieden, zu dem sie eine weiße Spitzenbluse trug. „Absolut“, antwortete Gernot von Falkenhayn bestimmt. „Ich bin froh, dass du mitgekommen bist, und Christian wird sich ganz bestimmt freuen, dich zu sehen. Er hatte dich doch schon immer sehr gern. Außerdem weißt du doch, wie es heißt: Drei Räder am Auto fahren nicht. Christians Freundin wird sicherlich froh sein, wenn eine Frau dabei ist.“ „Hoffen wir es.“ Sie fuhr sich erneut durch das Haar. Als sie Gernot bei einer ganz ähnlichen Geste ertappte, schmunzelte sie unmerklich. Soviel zur Coolness ihres Schwagers. Dieser hatte in demselben Moment völlig andere Sorgen. Ihm war nämlich ein Gedanke, siedend heiß, durch den Kopf geschossen, der ihm bislang noch gar nicht gekommen war: Würden er und Alicia überhaupt miteinander auskommen? Davon war er bisher stets, wie selbstverständlich, ausgegangen. Aber was würde sein, falls sie sich gegenseitig überhaupt nicht leiden konnten? Sicher, auf den Fotos, die Christian ihm per Mail geschickt hatte, wirkte das Mädchen nett und freundlich, aber es bestand immerhin die Möglichkeit, dass sie total zickig oder durchgeknallt war. Oder beides... Mit einem Anflug von Panik blickte er zu seiner Schwägerin, die ihn fragend musterte und schließlich meinte: „Ist irgend etwas mit dir?“ „Nein, ich musste gerade nur daran denken, dass diese Alicia vielleicht vollkommen ausgeflippt sein könnte.“ „Traust du Christian denn zu, dass er sich ein solches Mädchen angeln würde?“ „Nein. Aber wer weiß – er ist noch jung.“ Christina warf ihrem Begleiter einen langen Blick zu. Ironisch antwortete sie: „Du machst mir Angst, mein Lieber, ist dir das klar?“ Statt zu antworten, deutete Gernot nach vorne, zum gläsernen Durchgang, und sagte deutlich aufgeregt: „Da sind sie endlich.“ Den Blumenstrauß für Alicia etwas fester packend schritt er den beiden Teenagern entgegen, wobei ihm Christina folgte. Christian ließ Alicia los, als sein Vater sie fast erreicht hatte, und gleich darauf schlossen sich Vater und Sohn herzlich in die Arme. Alicia, deren Nervosität sich nun spürbar steigerte, nutzte die Gelegenheit, Christians Vater etwas eingehender zu betrachten. Trotz seiner bereits ergrauenden Schläfen wirkte er sehr energiegeladen, und für sein Alter machte er eine ganz gute Figur. Gernot von Falkenhayn trieb offensichtlich regelmäßig Sport und achtete auf seinen Körper. Insgesamt gesehen war er ein gutaussehender Mann, fand das Mädchen. Die blonde Frau an seiner Seite sah fast so aus, wie Christians Mutter, deren Fotos sie gesehen hatte. Gernot von Falkenhayn, der wusste, was sich gehörte, schob seinen Sohn nach einem Moment mit sanfter Gewalt ein Stück von sich und wandte sich Alicia zu. Noch immer ergriffen sagte er mit sonorer Stimme, auf Englisch: „Entschuldigen Sie bitte, Miss Sterling. Es gehört sich eigentlich nicht, die Dame nicht zuerst zu begrüßen.“ Damit überreichte er ihr schnell den Blumenstrauß. Lächelnd erwiderte das Mädchen: „Aber das macht doch nichts, Mister von Falkenhayn. Ich verstehe Ihre Freude, Ihren Sohn nach so langer Zeit endlich wiederzusehen. Diese Blumen sind sehr hübsch, vielen Dank.“ Sie reichte ihm ihre Hand. Gernot von Falkenhayn ergriff sie vorsichtig, schüttelte sie jedoch nicht, sondern führte sie an seine Lippen und gab dem Mädchen einen vollendeten Handkuss. Dann sagte er lächelnd: „Willkommen in Deutschland, Miss Sterling. Ich hoffe es wird Ihnen bei uns gefallen.“ Der Handkuss hatte Alicia sichtlich verlegen gemacht, und sie war froh, als die blonde Frau, an der Seite des Mannes nun zu ihr schritt und sie herzlich, mit einem Kuss auf beide Wangen, begrüßte, wobei sie sich freundlich als Schwester von Christians verstorbener Mutter vorstellte. Nachdem Christians Tante auch ihn begrüßt hatte, trat der Junge wieder an die Seite seiner Freundin, und Alicia war überglücklich über den freundlichen Empfang, vor dem sie so einen Bammel gehabt hatte. Ungeheuer erleichtert stellte sie fest, dass alle vorherigen Sorgen deswegen unbegründet gewesen waren – ganz so, wie es Christian ihr zuvor immer wieder versichert hatte. Christian, der Alicias Erleichterung deutlich spüren konnte, drückte sanft ihre Hand und zwinkerte ihr zu. Die beiden Piloten, die sich bislang unauffällig im Hintergrund gehalten hatten folgten den vier Personen, als sie sich schließlich zum Ausgang begaben, vor dem Gernot von Falkenhayns schwarzer BMW wartete, den er heute ausnahmsweise selbst fuhr. Sie verstauten das Gepäck im Kofferraum des geräumigen Wagens, bevor Gernot von Falkenhayn ihnen herzlich dankte und sich von ihnen verabschiedete. Es wurde nur sehr wenig gesprochen während der Fahrt, da alle Insassen des Wagens ihren eigenen Gedanken nachhingen. Außerdem überkam beide Teenager nun, da die bisherige Anspannung von ihnen abgefallen war, nun die längst überfällige Müdigkeit, verursacht durch zu wenig Schlaf während der letzten Stunden. Staunend blickte Alicia zum Fenster des Wagens hinaus, als Christian sie darauf hinwies, dass sie sein Zuhause, am Rande von Hagen erreichten. Sie durchfuhren zunächst ein großes, schmiedeeisernes Doppeltor, dass die umlaufende hohe Steinmauer an dieser Stelle teilte und sich öffnete, nachdem Gernot von Falkenhayn vom Wagen aus einen siebenstelligen Code in ein kleines Kontaktgerät eingegeben hatte. Gleichzeitig nahmen zwei Kameras den Wagen und seine Insassen auf, so dass das Sicherheitspersonal kontrollieren konnte, dass sich tatsächlich niemand unbefugt Zutritt verschaffte. Durch einen gepflegten Park hindurch, der von hohen Rotbuchen, Kastanien und Platanen bestanden war, erreichten sie, nach kurzer Fahrt, den kleinen Vorplatz zum Hauptportal der alten Natursteinvilla. Sie stiegen aus, und etwas befremdet, weil sie dies nicht gewohnt war, beobachtete Alicia, wie zwei Hausangestellte in dunklen Anzügen die Freitreppe herunter kamen und sich um das Gepäck kümmerten. Sie verfolgte, wie Christians Vater den beiden Männern freundlich erklärte, wohin sie die Sachen bringen sollten und wies dabei kurz zu ihr hinüber wobei er sie anwies Englisch mit ihr zu sprechen. Etwas hilflos hakte sich Alicia bei Christian unter und ging mit ihm zum Haus. Dabei blickte sie sich interessiert um. Der Park schien ihr riesig zu sein. Kurz erhaschte sie einen Blick auf eine dunkel gekleidete Person, mit einem Hund an der Leine. Neugierig erkundigte sie sich bei Christian: „Wieviel Personal gibt es hier?“ Es war Christians Vater der darauf antwortete. „Momentan habe ich zwei männliche und eine weibliche Bedienstete im Haus, Miss Sterling. Außerdem eine sehr gute Köchin. Das Wachpersonal besteht aus vierundzwanzig Männern und Frauen, von denen aber nur acht gleichzeitig hier sind, da sie in drei Schichten, rund um die Uhr, für mich tätig sind.“ „Danke, Mister von Falkenhayn. Aber Sie müssen nicht Miss Sterling zu mir sagen, dabei komme ich mir so schrecklich alt vor.“ Der Mann lachte launig. „In Ordnung, Alicia.“ In der Halle trafen sie auf eine hochgewachsene, athletisch wirkende Frau mittleren Alters, deren harte Gesichtszüge Alicia sofort auffielen. Gernot von Falkenhayn sprach sie an und erklärte ihr dann auf Englisch, so dass Alicia verstehen konnte was gesagt wurde, dass sie für einige Wochen zu Gast im Haus sein würde, und dass sie sich bitte darum kümmern sollte, dass die Leute des Wachdienstes Bescheid wussten wer sie war. Christian, der die Befangenheit seiner Freundin deutlich spüren konnte, sagte zu ihr: „Komm, ich führe dich erst einmal im Haus herum, und zeige dir das Gästezimmer, oder besser, die Gästesuite.“ Danach wandte er sich schnell an seinen Vater. „Und nach dem Abendessen werden wir uns wohl aufs Ohr legen, denn wir haben während des langen Fluges kaum geschlafen.“ „Wir essen in einer halben Stunde, also beeilt euch“, erwiderte sein Vater gutgelaunt und nickte dabei Alicia noch einmal freundlich zu. Als sie eine halbe Minute später, im ersten Stock, endlich allein waren flüsterte Alicia beklommen: „Ich hoffe nur, dass der gesamte Aufwand hier nicht extra für mich betrieben wird, Chris.“ Der Junge lächelte und erklärte: „Nein, Alicia, so geht es hier seit Jahr und Tag zu. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich das ungezwungene Leben bei Onkel Jason und Tante Mary bisher genossen habe. Das hier kann einem manchmal ziemlich auf den Wecker gehen.“ „Aber es ist doch bestimmt auch sehr angenehm, wenn man sich um all die häuslichen Dinge nicht zu kümmern braucht.“ „Ich glaube, das wird oft überbewertet.“ Christian führte sie durch die gesamte obere Etage und zeigte ihr dann die Gästesuite, die gegenüber seines eigenen Wohnbereichs lag. Alicia staunte mit offenem Mund, als sie das riesige Zimmer betrat, dass über einen eigenen, offenen Kamin verfügte, der natürlich jetzt im Sommer nicht in Betrieb war. Drei hohe Fenster durchfluteten das modern und gleichzeitig behaglich eingerichtete Zimmer mit Tageslicht. Eine der beiden Türen im hinteren Bereich führte zum angrenzenden großen Schlafraum, während die gegenüber liegende Tür in ein geräumiges Bad, mit einer riesigen, im Boden eingelassenen Wanne, führte. Eine offene Dusche gab es außerdem. Die Toilette war seitlich davon abgeteilt. „Oh mein Gott, hier passen alle Räume unserer Farm hinein“, stieß das Mädchen schließlich hervor. Dann wandte sie sich mit fragender Miene an Christian. „Habt ihr auch einen Pool hinter dem Haus?“ Christian schmunzelte vergnügt: „Einmal darfst du raten. Was wäre denn ein solches Anwesen ohne einen Pool? Wenn du magst schwimmen wir morgen Früh gleich ein paar Runden. Scheint so, als wäre das Wetter zufällig gerade mal sommerlich in Hagen, was keine Selbstverständlichkeit ist, möchte ich betonen.“ „Ich finde es toll bei euch. Besonders, weil hier alle so nett zu mir sind.“ Christian grinste schief: „Die sollten auch mal wagen nicht nett zu dir sein...“ Dann warf er einen Blick auf seine Uhr und meinte: „Komm, lass uns wieder nach unten gehen, es ist fast halb sieben und mein Vater mag keine Unpünktlichkeit.“ „Dann wollen wir ihn auch nicht verärgern.“ Sie legte ihre Jacke und ihre Handtasche ab und folgte Christian, der kurz in sein Zimmer schaute und sein Jackett auf einen der Sessel legte. Hand in Hand hopsten sie lachend die Treppenstufen hinunter.   * * *   So ruhig wie die Fahrt hierher verlaufen war, so munter ging es beim Abendessen zu. Besonders weil Christina ganz genau erfahren wollte, wie Christian und Alicia sich kennengelernt hatten, und wie ihrem Neffen das Leben an der Smallville Highschool bekam. Sie unterhielten sich auf Englisch und Alicia stellte fest, dass sowohl Christians Vater, als auch seine Tante diese Sprache fließend beherrschten, wenn auch mit einem ungewohnten und etwas harten Akzent. Als Alicia auf ihre Bedenken zu sprechen kam, die sie vor ihrem Kennenlernen insgeheim gehabt hatte, da legte Christina Wienholt-Langenhagen spontan ihre Hand auf die des Mädchens und sagte warmherzig: „Du bist ein hübsches und sehr liebenswertes Mädchen, Alicia. Deshalb habe ich dich vom ersten Augenblick an gemocht. Und ich freue mich für meinen Neffen, dass er eine so tolle Freundin in dir gefunden hat.“ Christians Vater nickte zustimmend. „Ich hätte es nicht treffender ausdrücken können, und ich stimme meiner Schwägerin vorbehaltlos zu.“ Etwas ernster fügte er dann hinzu: „Was mich besonders freut ist, dass Sie die Kette tragen, die Christian Ihnen zum Geburtstag geschenkt hat. Sie steht Ihnen ausgezeichnet, und ich bedauere nicht, sie Christian geschickt zu haben, Alicia. „Ich danke, Ihnen beiden“, antwortete das Mädchen sichtlich verlegen. „Es gefällt mir hier sehr gut, besonders weil Sie mich so nett aufgenommen haben. Dafür möchte ich Ihnen ebenfalls danken.“ „Das ist doch selbstverständlich“, wehrte Gernot von Falkenhayn ab. „Wissen Sie: Kurz vor Ihrer Landung, da bekam ich selbst auch für einen Moment so etwas wie Panik, weil ich plötzlich Angst hatte, Sie könnten vielleicht zickig oder ausgeflippt sein. Ich bin sehr froh, dass wir uns beide geirrt haben.“ Alicia nickte lächelnd. Dann fragte sie: „Wäre es unhöflich, mich bereits jetzt zurückzuziehen? Ich bin sehr müde, müssen Sie wissen.“ „Überhaupt nicht“, antwortete Gernot von Falkenhayn und er erhob sich ganz Gentlemanlike, als Alicia vom Tisch aufstand. „Ich werde mich auch hinlegen“, beschloss Christian und verließ gemeinsam mit Alicia das Speisezimmer. Als sich Gernot von Falkenhayn wieder setzte, legte seine Schwägerin ihre Hand auf seine und fragte leise: „Wann willst du es ihm sagen, Gernot?“ Der Mann blickte Christina ernst an und sagte ruhig: „Am liebsten gar nicht, aber das ist keine Option, fürchte ich.“ „Nein“, stimmte die Frau leise zu. „Das ist es bestimmt nicht.“   * * *   Als Christian aus einem unruhigen Schlaf erwachte, wusste er im ersten Moment nicht, wo er sich befand. Erst dann tröpfelten die Erinnerungen wieder langsam in sein Gedächtnis. Er war Zuhause. Aber war das wirklich noch sein Zuhause? Den gesamten Abend über hatte er nicht aufgehört, sich wie ein Besucher zu fühlen. Er atmete tief durch und blickte in die Dunkelheit. Vielleicht musste er sich nur erst wieder daran gewöhnen. Nach dem Abendessen hatte er sich auf dem Korridor von Alicia verabschiedet. Da er selbst ebenso erschlagen gewesen war, von der langen Reise, war es ihm ganz recht gewesen, sich allein zur Ruhe zu legen. Christian verspürte einen brennenden Durst und so schlug er die dünne Bettdecke zurück, schwang sich aus dem Bett und erhob sich dann. Schnell in bequeme Pantoffeln schlüpfend, warf er sich seinen Morgenmantel über und verließ dann beinahe lautlos seine Zimmerflucht. Nachdem er unten in der Küche gewesen war, um seinen Durst zu stillen, ging es ihm schon besser und er machte sich auf den Rückweg. Dabei stutzte er, als er die leisen Stimmen von seinem Vater und seiner Tante aus dem Wohnzimmer vernahm. Erst jetzt fiel ihm auf, dass dort noch gedämpftes Licht brannte. Verwundert blickte Christian auf seine Armbanduhr. Es war bereits 01:00 Uhr durch, und er fragte sich, was Christina, um diese Uhrzeit, noch hier machte. Christian beschloss kurz einen Blick ins Wohnzimmer zu riskieren. Dabei hatte er nicht die Absicht die beiden Erwachsenen irgendwie zu bespitzeln. Er wollte nur einmal unauffällig nachschauen, das war alles. Also bewegte sich der Junge lautlos zum breiten Durchgang des Zimmers und sah vorsichtig um die Ecke. Bei diesem Blick um die Ecke, wäre Christian fast das Herz stehen geblieben, denn sein Vater und dessen Schwägerin gefielen sich momentan darin, sich sanft zu umarmen, sich zu streicheln und schließlich sogar zu küssen. Christian wusste, dass es ihm nicht zustand, wie ein Rachegott vor den beiden Erwachsenen aufzutauchen, und sie daran zu erinnern, dass der Tod seiner Mutter noch nicht allzu lange zurücklag. Nein, das stand Christian nicht zu - darum zog er sich ganz vorsichtig wieder zurück, bevor sie ihn bemerken konnten und eilte lautlos zu seinem Zimmer hinauf. Dort angekommen stand er eine ganze Weile grübelnd vor einem der Fenster und sah in den dunklen Park hinaus, bevor er seinen Morgenmantel auszog, ihn auf einen der Sessel warf und wieder zu Bett ging. Doch Schlaf sollte er in dieser Nacht nicht mehr finden.   * * *   Alicia erwachte, als die Morgendämmerung bereits voll eingesetzt hatte. Im Haus war alles ruhig, und so verschränkte sie die Arme hinter dem Kopf, schloss ihre Augen und ließ die Ereignisse des vergangenen Tages noch einmal Revue passieren. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie mit einem Flugzeug gereist – es war überhaupt ihre erste Reise in ein anderes Land, und dann gleich in eines auf einem anderen Kontinent. Alles hier in Deutschland erschien ihr so anders; die Gegend, die Häuser, einfach Alles. Und dann der freundliche Empfang, mit dem sie so zuvor nicht gerechnet hatte. Sie konnte immer noch nicht richtig glauben so weit von Zuhause entfernt zu sein. Nach dem Abendessen hatte sie ihre Eltern angerufen, um ihnen dreimal zu versichern, dass sie gut angekommen, und sie, von den Verwandten ihres Freundes, nett aufgenommen worden war. Danach hatte sie noch ein längeres Gespräch mit Samantha geführt, und ihr dasselbe erzählt, wie ihren Eltern. Für eine Weile blieb Alicia in angenehme Gedanken versunken liegen, bevor sie es nicht mehr länger im Bett aushielt, obwohl es gerade erst 05:00 Uhr war. Sie duschte ausgiebig und warf sich, nach dem Abtrocknen nur den Morgenmantel über. Ein Handtuch um ihre nassen Haare wickelnd beschloss sie nachzuschauen, ob Christian schon wach war. Barfuß lief sie über den Korridor zu Christians Zimmerflucht hinüber und klopfte leise an die Tür. Fast augenblicklich hörte sie seine Stimme, die sie hereinbat und sie betrat schnell seinen Wohnraum. Sich kurz orientierend lief sie dann zum Schlafraum hinüber und setzte sich einen Moment später auf die Kante seines Bettes, in dem er auf dem Rücken lag und gegen die Decke des Zimmers starrte. Sanft berührte sie seine Brust mit der Hand und sagte leise: „Guten Morgen.“ Dann bemerkte sie seinen abwesenden Zustand und fragte vorsichtig: „Hast du irgend etwas?“ Christian sah etwas entschuldigend zu Alicia und erwiderte schnell: „Guten Morgen, Honey. Ich bin bereits seit einigen Stunden wach und finde keinen Schlaf mehr.“ „Also liegst du im Bett und starrst unter die Decke.“ Der Junge atmete tief durch und entgegnete dann: „Schlüpfe zu mir unter die Decke, und ich erzähle dir, was los ist.“ Mit einem etwas unbehaglichen Gefühl, weil sie nicht wusste, was genau Christian an diesem Morgen die Laune verdarb, schmiegte sie sich unter der Decke an ihn und kuschelte sich in seine Arme. Fragend blickte sie ihn an. Christian zögerte etwas, bevor er davon zu berichten begann, was sich vor einigen Stunden ereignet hatte. Als er endete, meinte er tonlos: „Ich verstehe das nicht, Alicia. Meine Mom ist erst seit einem halben Jahr tot. Und dann machte er nicht mit irgend einer Frau herum, sondern ausgerechnet mit ihrer Schwester. Ich...“ „Du findest das schockierend? Ist deine Tante verheiratet?“ Christian blickte etwas überrascht. „Ja, ich finde es schockierend – und nein, Tante Christina ist nicht verheiratet.“ Alicias Blick wurde nachdenklich. „Entschuldige Chris, aber Letzteres verstehe ich viel mehr nicht. Deine Tante ist doch eine wirklich hübsche und obendrein sehr nette und intelligente Frau. Da müssten die Bewerber doch Schlange stehen.“ Etwas verwirrt fragte der Junge: „Was willst du damit sagen?“ „Nun ja, ist dir nie in den Sinn gekommen, dich zu fragen, ob sie vielleicht schon viel länger für deinen Dad schwärmt, als du glaubst? Vielleicht ist das der Grund, warum so eine tolle Frau unverheiratet geblieben ist.“ Das Schweigen des Jungen wirkte äußerst vielsagend. Dann wandte er ein: „Aber das erklärt noch immer nicht, warum mein Vater meine Mutter so schnell vergessen hat.“ Sanft streichelte Alicia ihrem Freund über die Wange und blickte ihm in die Augen. „Er hat sie ganz bestimmt nicht vergessen, Chris. Aber ich glaube, dass er sich sehr einsam gefühlt hat, und nachdem dann auch du noch weg warst, da muss es doch doppelt schlimm für ihn gewesen sein. Noch dazu war er, bis vor Kurzem, in akuter Lebensgefahr, da die Terroristen jederzeit nochmal hätten zuschlagen können. Sieh mal: Du hattest während der letzten Monate, deinen Onkel und deine Tante. Zudem hast du an der Schule schnell neue Freundschaften geschlossen. Und du hattest mich, in dieser Zeit. Aber dein Vater hatte niemanden. Vielleicht trifft das ebenfalls auf deine Tante zu. Wenn die beiden nur sich hatten, dann ist es doch verständlich, wenn sie sich in ihrem Schmerz wirklich nähergekommen sein sollten.“ Etwas überrascht und beschämt zugleich blickte Christian seiner Freundin in die Augen, bevor er rau sagte: „Dass er sich, so plötzlich ganz ohne Familie, vollkommen alleingelassen fühlen könnte, das hatte ich in den letzten Monaten wohl ganz und gar verdrängt. Ich hatte wohl viel zu sehr mit mir selbst zu tun?“ „Es war für euch beide eine sehr schwierige Zeit, Chris. So wie du, brauchte auch dein Vater eine Person, der er sich anvertrauen konnte. Vielleicht solltest du froh darüber sein, dass es eine Frau, wie deine Tante war, und nicht irgendeine Fremde, die seinen Zustand vielleicht ausgenutzt hätte.“ Ein flüchtiges Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Jungen. Dann drückte er Alicia zärtlich an sich und flüsterte: „Ich bin sehr glücklich, dass wir einander begegnet sind, denn du bist ein ganz tolles Mädchen, Alicia. Womit habe ich dich nur verdient?“ „Dasselbe frage ich mich auch mitunter, Chris.“ Alicia lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag und seinen ruhigen Atemzügen. Dann fragte sie leise: „Chris...?“ Er war eingeschlafen, und lächelnd schloss auch Alicia ihre Augen um einfach seine Nähe zu genießen.   * * *   Drei Stunden später saß Christian mit seinem Vater und Alicia am Frühstückstisch. Immer wieder warf Gernot von Falkenhayn kurze Blicke zu seinem Sohn, und auch zu Alicia. Dann legte er seine Servierte zur Seite und sagte mit entschlossen klingendem Tonfall, auf Deutsch: „Christian, ich muss dir etwas erklären. Deine Tante Christina und ich, wir... verdammt, ich und Christina hatten gedacht es wäre leichter, darüber zu reden... Was ich meine ist, das wir...“ „Ich habe eure verstohlenen Blicke bemerkt, Vater“, sagte Christian ruhig, der in diesem Moment froh darüber war, dass er bereits mit Alicia darüber gesprochen hatte. Er lächelte schwach. „Seit wann genau ist es denn so?“ Etwas verblüfft sah Gernot seinen Sohn an. Dann antwortete er stockend: „Seit knapp drei Wochen. Aber entwickelt hat es sich seitdem du nach Smallville gezogen bist. Verstehst du: Christina fühlte sich verloren, und ich auch. Zuerst hatten wir uns täglich nur für jeweils eine Stunde zum Kaffee gesehen. Doch es tat so gut, mit einander reden zu können, dass wir schließlich immer mehr Zeit mit einander verbracht haben. Es war für uns beide sehr überraschend, als wir nach geraumer Zeit merkten, dass da mehr ist, als nur Zuneigung für einander. Sehr viel mehr. Niemand von uns hatte das für möglich gehalten, oder geplant.“ Christian nickte. Dann blickte er seinem Vater in die Augen und sagte: „Ich verstehe das, Paps. Während ich in Amerika eine ganze Menge Leute um mich herum hatte, waren du und Tante Christina sehr allein.“ Mit einer Mischung aus Erleichterung und Stolz blickte Gernot seinen Sohn an und antwortete: „Stimmt, so war es. Ich bin erleichtert, dass du nicht sauer, oder gar schockiert deswegen bist, Christian.“ Er erhob sich rasch und sagte: „Entschuldigt mich einen Augenblick. Ich habe Christina versprochen, dass ich sie anrufen werde, sobald ich es dir gesagt habe.“ Christian reagierte schnell und erwiderte, bevor sich sein Vater abwenden konnte: „Lade sie doch zu einem gemeinsamen Spaziergang zum Eugen-Richter-Turm ein. Ich wollte Alicia ohnehin ein wenig mehr von Hagens Umgebung zeigen, und von da oben hat man einen tollen Blick auf Hagen.“ Sein Vater strahlte. „Das ist eine gute Idee. Christina wird bestimmt gerne mitkommen. Ach und Christian: Du darfst ruhig mit Alicia darüber reden.“ „Äh, ja, das werde ich machen.“ Christian wartete, bis sein Vater nach Nebenan gegangen war, bevor er zu Alicia blickte, die ihn bereits neugierig musterte. Flüsternd erklärte er ihr, worüber sein Vater und er gesprochen hatten. Dann nahm er ihr Gesicht in die Hände und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen, bevor er ganz sanft sagte: „Ich liebe Dich, Honey.“   * * *   Das Wetter war geradezu ideal zum Wandern. Christina, die den Weg genau kannte, setzte sich mit Alicia ein ganzes Stück von Gernot und Christian ab, bis sie außer Hörweite waren. Gernot, der darüber etwas enttäuscht war, wandte sich zu Christian und meinte ratlos: „Worüber die Beiden, am frühen Morgen, wohl schon zu tratschen haben? Wenn ich nicht wüsste, dass es kaum sein kann, dann würde ich glatt behaupten, die beiden hecken gemeinsam was aus.“ „Du hörst das Gras wachsen, Paps“, lachte Christian. „Die Beiden unterhalten sich über das, was dir auch schon den ganzen Morgen im Kopf herumspukt. Nämlich darüber, worüber du mit mir heute Morgen gesprochen hast. Und natürlich wird Tantchen die Gelegenheit nutzen, ein Frauengespräch mit Alicia zu führen. Tante Christina und Alicia scheinen sich sehr gut zu verstehen, und darüber freue ich mich.“ Sein Vater nickte nur. Dann meinte er neugierig: „Du hast mir bisher gar nicht erzählt, wie ihr euch kennengelernt habt.“ Christian zögerte einen langen Moment, was seinem Vater nicht entging, und erst nach einer Weile erzählte er schließlich zögernd von dem Überfall dreier Männer auf Alicia, wobei er wohlweislich einige Details unter den Tisch fallen ließ. Nachdem er geendet hatte, blickte ihn sein Vater an und sagte dunkel: „Der Sinn deiner Reise nach Amerika sollte sein, dich in Sicherheit zu bringen, und nicht, dich noch größerer Gefahr auszusetzen, Christian.“ „Paps, das hätte auch hier passieren können. Abgesehen von diesem einen Vorfall ist es in Smallville wirklich sehr friedlich und beschaulich gewesen. Außerdem stammten diese drei Schurken nicht aus der Gegend.“ Gernot warf seinem Sohn einen langen Blick zu. „Und das soll mich jetzt beruhigen?“ Christian seufzte schwach. „Es ist dort wirklich sehr ruhig. Frage Onkel Jason und Tante Mary.“ Sein Vater lächelte beschwichtigend. „Ich glaube es dir ja.“ Dann veränderte sich seine Miene und er fragte: „Es gefällt dir sehr in Smallville, wie es scheint. Aber jetzt, nachdem das BKA die Mörder deiner Mutter endlich dingfest gemacht hat, besteht kein wirklicher Grund mehr, dort zu bleiben. Wie wäre es, wenn du wieder nach Deutschland zurückkommen würdest?“ Natürlich hatte Christian damit gerechnet, dass sein Vater diese Frage stellen würde, doch er hatte gehofft, er würde es nicht so schnell tun. Mit verschlossener Miene blickte Christian ihm in die Augen, bevor er antwortete: „Ich überlege bereits seit einigen Wochen, ob ich nicht dort bleiben soll. Zumindest noch solange um dort meinen Abschluss an der Highschool zu machen. Und ich könnte dort danach, ein ganzes Jahr eher, mit dem Studium beginnen.“ Sein Vater nickte verstehen, und seiner Miene war zu entnehmen, dass er bereits mit einer ähnlichen Antwort gerechnet hatte. Leise fügte er den Worten seines Sohnes hinzu: „Und darüber hinaus gibt es dort ein sehr nettes Mädchen, das du nicht verlassen möchtest.“ Er grinste schief und legte Christian seine Hand auf die Schulter. „Ich bin traurig, dass du dableiben willst, aber ich bin auch stolz auf dich, weil du beschlossen hast, deinen eigenen Weg zu gehen, mein Sohn. Ich werde deine Entscheidung akzeptieren und dir keine Steine in den Weg legen, aber ich erwarte von dir, dass du dort drüben, in Amerika, die Schule ordentlich abschließt, und beim Studium gute Noten vorweist. Ansonsten werde ich rüberfliegen und dich an den Ohren zurück nach Deutschland schleifen, damit wir uns richtig verstehen, Christian.“ „Wow – danke, Dad.“ Gernot verzog das Gesicht, so als habe er in eine Zitrone gebissen. „Bitte bleibe bei Paps, in Ordnung?“ Christian lachte erleichtert. „In Ordnung, Paps.“ Gernot von Falkenhayn nickte zufrieden. Dann sagte er: „Nun, wenn du künftig in Smallville wohnen willst, dann solltest du vielleicht darüber nachdenken, dir eine eigene Bleibe zu suchen. Du kannst nicht ewig bei Jason und Mary wohnen, obwohl ich sicher bin, dass die Beiden das anders sehen, nicht wahr?“ „Tante Mary ganz bestimmt“, nickte Christian. „Aber ich werde ihr versprechen, sie und Onkel Jason dann regelmäßig besuchen. Ich hoffe, sie unterstützt mich bei der Suche nach einem Apartment.“ „Apartment?“ Christian lächelte entsagungsvoll. „Ich werde bestimmt nicht in ein eigenes Haus ziehen, Paps. Das wäre doch viel zu groß für mich.“ Sie blickten im selben Moment nach vorne, zu Alicia und Gernot sagte schmunzelnd: „Ich verstehe, was du meinst. Nun, es ist deine Entscheidung. Ich werde dennoch einen gewissen Betrag auf dein Konto überweisen. Außerdem denke ich, dass ich dein Taschengeld etwas erhöhen sollte, wenn du zukünftig allein wohnst und für deinen Unterhalt sorgen musst. Hast du mal daran gedacht, dort den Autoführerschein zu machen, wie es dir Jason vorgeschlagen hat?“ Christian erinnerte sich daran, seinem Vater bereits vor einiger Zeit von diesem Gespräch mit seinem Onkel erzählt zu haben. „Ja, ich denke, das ist keine schlechte Idee.“ Und an was für ein Auto denkst du? Hoffentlich kein Ferrari.“ Christian lachte vergnügt. „Nein, in Smallville bieten sich Pickups eher an.“ „Bekommt man die dort drüben auch ohne Jagdgewehr?“, spöttelte sein Vater. Dann meinte er: „Komm, lass uns zu unseren Mädels aufschließen, sonst fangen die am Ende wirklich noch an etwas auszuhecken.“   * * *   Als sie eine halbe Stunde später den Turm erreicht hatten, beschlossen Christian und sein Vater, einen kurzen Abstecher zur Sternwarte zu machen, die gleich nebenan lag. Inzwischen stiegen Christina und Alicia zur Aussichtsplattform des Turmes hinauf und Alicia war begeistert von der Aussicht. „Wie groß ist Smallville?“ erkundigte sich Christina interessiert bei Alicia, nachdem sie sich eine ganze Weile umgesehen hatten. Alicia lachte vergnügt. „Sie meinen wohl, wie klein ist Smallville denn. Der Name ist Programm. Seit dem Meteoritenschauer ist die Stadt nicht gerade ein Zuwanderungsmagnet. Landschaftlich ist die Gegend toll, aber was das Nachtleben angeht, herrscht dort absolute Flaute. Ein typisches, verschlafenes Nest in Kansas eben.“ „Aber Sie leben gerne dort, nicht wahr?“ Alicia nickte nachdenklich und meinte zögernd: „Ja, ich bin glücklich dort. Meine Eltern besitzen eine kleine Farm, nichts Besonderes, wissen Sie? „Warum sagen Sie das?“, hakte die blonde Frau überraschend nach. „Lieben Ihre Eltern Sie denn nicht?“ Alicia blickte Christina Wienholt-Langenhagen an und antwortete dann bestimmt: „Doch, natürlich lieben sie mich – und ich liebe sie auch. Sehr sogar.“ Die blonde Frau lächelte nachsichtig. „Dann sollten Sie nicht sagen, es wäre nichts Besonderes, Alicia, denn Elternliebe ist nicht immer selbstverständlich. Ich stelle das bei den sozialen Projekten, die meine Schwester initiiert hat fast täglich aufs Neue fest. Sie glauben gar nicht, wieviele Eltern es gibt, die ihre Kinder verwahrlosen lassen, oder sie misshandeln.“ Sacht legte die Blonde eine Hand an die Schulter des Mädchens und fügte lächelnd hinzu: „Ich habe die Freundin meines Neffen sehr genau beobachtet, und mir scheint, Ihr Elternhaus ist etwas ganz Besonderes, Alicia.“ „Danke, Miss...“ „Ich würde mich freuen, wenn Sie einfach Christina sagen würden.“ Alicia nickte lächelnd. „Sehr gerne.“ Alicia erzählte der blonden Frau davon, dass sie Christian am Anfang überhaupt nicht hatte leiden können, und wie sie sich schließlich doch nähergekommen waren. Dabei ließ sie, ohne es zu ahnen, dieselben Details aus, wie Christian seinem Vater gegenüber. Als sie schließlich davon erzählte, wie Christian bei seinem ersten Einsatz für die SMALLVILLE-CROWS das Spiel noch zum Guten hatte wenden können, nickte Christina in Gedanken und meinte: „Es muss toll sein, dort am Spielfeldrand, als Cheerleader, seine Mannschaft anfeuern zu können. Noch dazu, wenn der Freund mitspielt.“ Alicia nickte begeistert. „Ja, das ist es. Aber das Training, als Cheerleaderin, ist auch ziemlich anstrengend, und es steckt mehr sportlicher Einsatz dahinter, als viele Leute vielleicht glauben.“ Ein Schmunzeln überflog das Gesicht von Christina Wienholt-Langenhagen. „Sie haben meinen Neffen wirklich sehr in Ihr Herz geschlossen, nicht wahr?“ Alicia nickte zustimmend: „In manchen Augenblicken habe ich das Gefühl, ich würde Chris schon eine Ewigkeit kennen. Manchmal erscheint er mir beinahe, wie ein gebürtiger Amerikaner, und gar nicht, wie ein Deutscher. Außer bei Verabredungen, denn seine Pünktlichkeit ist beinahe beängstigend.“ Sie lachten und schließlich sagte Christina: „Ich bin froh, dass Christian in Kansas so ein nettes Mädchen, wie Sie, kennengelernt hat, Alicia, und dass er sich dort so gut zurechtfindet, dass er gerne dort ist. Gernot und ich vermissen ihn zwar sehr, aber ich glaube, dass er in Smallville glücklicher ist, als hier, seit dem Tod meiner Schwester. Vielleicht verwindet er so ihren Tod besser, als wenn er hier wäre. Es würde mich sehr beruhigen, zu wissen, dass Sie ihm dabei zur Seite stehen werden.“ Alicia nickte ernsthaft. „Das werde ich, Christina.“ Das Mädchen spürte ihre aufrichtige Zuneigung, als die blonde Frau sie spontan in die Arme schloss, und sanft drückte. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Christian genauso glücklich werden, wie ich es mit seinem Vater bin. Und ich hoffe, dass wir, im Laufe der Zeit, gute Freundinnen werden.“ „Ja, ich auch“, antwortete Alicia ein wenig gerührt. Als sie wieder über die Brüstung nach unten sahen, erkannte sie Christian und seinen Vater, die auf den Turmeingang zu marschierten. „Da unten kommen Chris und sein Dad.“ „Genau rechtzeitig“, schmunzelte die Frau und zwinkerte Alicia verschwörerisch zu.   * * *   Der Vormittag verging, wie ihm Flug, während die Vier ihren Ausflug zum Wildgehege fortgesetzt hatten. Als sich die Sonne bereits merklich Richtung Westen neigte, stellte Christian, bei einem Blick auf seine Armbanduhr, verblüfft fest, dass es bereits siebzehn Uhr durch war. Neugierig blickte er in die Runde und fragte: „Was haltet ihr davon, wenn wir bei TONI zum Abendessen reinschauen?“ Sein Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung, und sie machten sich auf den Rückweg. Als sie eine Stunde später bei TONI, in einer der gemütlichen Nischen saßen, erzählte Gernot von Falkenhayn Alicia die Anekdote, als Christian sich ein alkoholfreies Weizenbier, statt Wein zur Pizza bestellt hatte. Als er geendet hatte meinte Alicia: „Damit könnte Chris gut als Amerikaner durchgehen. Bei uns ist es nämlich Sitte, oder besser gesagt: Unsitte, Bier zur Pizza zu trinken, fürchte ich.“ „Da hast du es!“ triumphierte Christian obenauf und blickte von Alicia zu seinem Vater. „Das muss Schicksal sein, oder so ähnlich.“ „Faule Ausrede!“ konterte sein Vater gelassen. „Aber egal.“ Sie wurden abgelenkt, als das Essen serviert wurde. Natürlich hatte Christian es sich nicht nehmen lassen, sich ein alkoholfreies Weizenbier zur Pizza zu bestellen. Aus Protest, wie er seinem Vater erklärt hatte. Damit du was zum Lachen hast! Während sie aßen, blickte Alicia misstrauisch auf Christians Glas und fragte schließlich: „Bist du sicher, dass dein Getränk frisch ist?“ Christian schmunzelte unterdrückt. „Mit dem Weizen ist alles in Ordnung; das muss trüb sein. Möchtest du mal probieren?“ Alicia nickte und Christian schob sein Glas zu ihr hinüber. Vorsichtig nahm das Mädchen einen Schluck und meinte dann: „Schmeckt gar nicht so übel, wie es aussieht.“ „Ha!“ lachte Christian zufrieden. „Daran merkt man, dass wir uns gesucht und gefunden haben.“ Für den Rest des Abends wurden ernste Themen vermieden, und sie verbrachten einen sehr heiteren Abend zusammen. Als sie gegen 22:00 Uhr wieder Zuhause waren, zogen sich Christian und Alicia bald zurück. Einerseits, weil sie den Jetlag noch immer deutlich spürten, andererseits weil sie das Gefühl hatten, dass es Gernot und Christina ganz recht sein würde für sich zu sein. Sie duschten, und schließlich schaute Alicia bei Christian herein. Sie hatte sich den gesamten Tag bereits auf diesen Moment gefreut, in dem sie Christian endlich in ihre Arme nehmen – ihn an sich drücken und ihn sanft und ausdauernd küssen konnte. Schließlich hauchte sie leise in sein Ohr: „Das wollte ich den gesamten Tag über schon tun, aber ich habe mich im Beisein deines Vaters und deiner Tante nicht getraut.“ Christian blickte lächelnd in die Augen des Mädchens und lachte leise: „Ja, mir ging es ganz ähnlich. Aber das können wir ja jetzt alles nachholen.“ Damit küsste Christian seine Freundin erneut, und ganz vorsichtig öffnete er den Gürtel ihres Morgenmantels. Als er sich teilte bemerkte er, dass Alicia nichts außer einem Slip darunter trug. Seinen eigenen Morgenmantel ablegend zog er schließlich den ihren an ihren Armen hinunter und warf ihn auf den Sessel zu seinem, bevor er sie in seine Arme zog. Mit sanfter Anleitung bewegte er sie zum Bett hinüber und sank zusammen mit ihr auf das weiche Lager. Sie schlüpften beide schnell unter die leichte Decke und es dauerte nicht lange, bis ihre Slips vor dem Bett landeten. Alicia erschauderte unter den sanften, fast nur gehauchten Berührungen Christians und sie selbst erwiderte seine Liebkosungen ebenso sachte, beinahe vorsichtig. Als sie sich nach einer schier endlosen Zeit vereinigten, wobei sie kaum mitbekam, wie Christian sich ein Kondom überstreifte, bäumte sich das Mädchen seufzend in seinen Armen auf und hatte fast das Gefühl zu vergehen. Die so behutsamen Berührungen ihres Freundes schien ihre Haut in Brand zu setzen. Noch niemals zuvor war sie von einem Jungen so liebevoll sanft berührt worden, und es trieb sie vor Erregung fast an den Rand des Wahnsinns. Auf dem Höhepunkt ihres Liebesspiels begann sich die Welt um sie herum zu drehen, und einen nicht messbaren Moment lang war ihr, als würde sie in der Dunkelheit des Zimmers schweben um ganz sacht, in Christians Armen wieder auf dem weichen Lager einzusinken und Gewicht zu bekommen. Als Christian beinahe gleichzeitig mit Alicia Entspannung fand, und sie unter halb geschlossenen Augen ansah, da wäre beinahe sein Herz stehengeblieben. Sie schwebten beide ein Stück über der Matratze, und schnell konzentrierte er sich um mit ihr vorsichtig wieder zu landen, ohne dass Alicia etwas mitbekam. Er hatte sich vollkommen fallen gelassen, und gar nicht bemerkt, was sich da für einen Moment lang abgespielt hatte. Das kann ja heiter werden, dachte der Junge bestürzt und atmete schließlich erleichtert auf. Alicia schien von diesem Vorfall nichts bemerkt zu haben. Sanft küsste er das Mädchen in seinen Armen. Als sie sich, nach Luft schnappend, wieder von einander lösten, da blickte Alicia ihren Freund mit seltsamen Blick an und fragte schließlich leise: „Chris?“ „Ja, Honey?“ „Kannst du mir sagen, warum ich eben, für einen Moment schwerelos war?“ Alicias Augen funkelten im Mondlicht, das zum Fenster herein fiel, wie dunkle Edelsteine. „Anscheinend macht sich die Fähigkeit der Telekinese selbstständig, wenn ich mich fallen lasse. Hast du deswegen Angst gehabt?“ Eine Weile blieb es still im Raum, bevor Alicia leise sagte: „Nein, im Gegenteil, Das Gefühl zu schweben war fast berauschend, als du mich eben so wahnsinnig glücklich gemacht hast. Aber du kannst mir nicht verdenken, wenn ich das erst einmal sortieren muss, wenn wir beim Liebesspiel wortwörtlich abheben.“ Christian streichelte sanft ihre Wange. „Honey, wo wir gerade beim Thema sind möchte ich dir auch alles andere anvertrauen.“ „Okay?“, hauchte Alicia mit unsicherer Stimme. „Was wäre denn da noch?“ Christian räusperte sich bevor er erklärte: „Nun ja, ich kann sehr gut im Dunkeln sehen. Außerdem kann ich fühlen was andere Menschen fühlen, wenn ihre Emotionen sehr intensiv sind. Und Wunden an meinem Körper heilen mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit.“ Alicia blickte ihn einen langen Moment nur an, bevor sie ihn sanft zu sich hinab zog und sagte: „Dann ist also auch etwas Vernünftiges dabei.“ Christian lächelte unsicher. „Ja, da hast du Recht.“ Nach einer kurzen Pause fragte er: „Und du findest es wirklich nicht schlimm?“ Ein Kuss war die Antwort, bevor sie leise erwiderte: „Schlimm wäre es gewesen, wenn du mich belogen hättest, um das zu verheimlichen. Ich liebe dich, Chris – ohne Einschränkungen, und auch ohne Angst. Meine einzige Angst ist es momentan, dass ich dich irgendwann verlieren könnte.“ „Ich liebe dich auch, Alicia. Mehr, als du vielleicht ahnst.“ Sie lachte leise. „Ich weiß es, und das ganz ohne besondere Fähigkeiten. Denn dazu reicht es, ein ganz normaler Mensch zu sein.“ „Aber du bist kein normaler Mensch, Alicia. Du bist ein außergewöhnlicher Mensch, und darum bedauere ich auch nicht, dass ich mich dazu entschieden habe, für längere Zeit nach Smallville zu ziehen, und mir dort demnächst ein eigenes Apartment zu suchen.“ „Ist das wirklich wahr, Chris?“, fragte das Mädchen heiser. „Dann umarmte Alicia den Jungen und küsste ihn stürmisch, bevor sie mit zittriger Stimme fragte: „Glaubst du, du könntest in dieser Nacht noch einmal mit mir abheben, Chris?“ Seine Antwort bestand aus einem leisen Lachen. Dann küsste er ihre Lippen und sagte flüsternd: „Mit dir jederzeit, Honey...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)