Harry Potter und die Gestohlene Zeit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Süße Träume ---------------------- Disclaimer : Meins : nix JKR : alles Noch Fragen ? *lol* Anmerkungen der Autorin : Die Story spielt vor und während Harry's sechstem Schuljahr in Hogwarts und baut auf dem bisher nur in Englisch veröffentlichten Buch "HP and the Order of the Phoenix" auf . Wenn ihr dieses Buch noch nicht gelesen habt und auch nicht wissen wollt , wer darin stirbt , dann lest hier besser nicht weiter. Allen anderen wünsche ich viel Spaß und gute Nerven *ggg* Sympa ******************************************************************************* Kapitel 1 - Süße Träume "Und nun ..." begann Onkel Vernon feierlich "... zum Höhepunkt des Abends - Petunia ?" "Alles bereit , Liebster !" Harry stöhnte innerlich auf. Kein normaler Mensch , die Dursleys natürlich ausgeschlossen , würde so ein Aufhebens um eine Schulmeisterschaft im Preisboxen machen. Einmal abgesehen von dem mit Tante Petunias hellblauem Seidenschal verhüllten Pokal , der kaum mehr war als ein Bierkrug aus Messing , hatte man sämtliche Nachbarn , Dudleys "kleine Freunde" und natürlich Tante Marge samt ihrer Hunde eingeladen , die sich nun am Nachtisch , der nicht weniger als sechs Torten und zwei verschiedene Arten von Schokocreme umfasste gütlich taten. Die Anwesenheit einiger Ordensmitglieder und nicht zuletzt Mad Eye Moodys offene Drohung am Bahnhof in King's Cross hatten dazu geführt , dass Harry diesmal nicht in seinem Zimmer eingeschlossen , sondern geradezu Wert auf seine Anwesenheit bei der Party gelegt worden war. Unter anderen Umständen hätte Harry das übermäßig vorsichtige - ja , beinahe zuvorkommende Verhalten seiner Verwandten sicherlich als amüsant empfunden , nach den Ereignissen des vergangenen Schuljahres empfand er jedoch kaum mehr als eine resignative Gleichgültigkeit , gepaart mit einer inneren Leere , wie er sie noch nicht einmal empfunden hatte , als er von den Dursleys vernachlässigt und ungeliebt in dem Schrank unter der Treppe hatte hausen müssen. Sein Pate Sirius , der einzige Mensch , der ihm noch geblieben war , seine einzige Zuflucht , seine einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft - dieser Mensch war ihm genommen worden. Niemals war ihm der Tod je so grausam und endgültig vorgekommen , als an dem Tag , an dem Sirius hinter dem Schleier im "Department of Mysteries" verschwunden war. Hätte er doch nur ... "Der Pokal !" verkündete Onkel Vernon mit bedeutungsschwerer Stimme , woraufhin Tante Petunia besagte Trophäe mit feierlicher Miene enthüllte , alle Anwesenden in Applaus und Beifallsrufe ausbrachen und Harry aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er sah von seiner Puddingschale , aus der noch keinen einzigen Löffel gegessen hatte auf und wandte sich wie alle anderen auch Dudley zu , der den Messingbecher mit seinen viel zu kurz geratenen , schweineartigen Armen in die Luft hielt , als handle es sich um den Meisterschaftspokal der Premier League. Als die allgemeine Begeisterung etwas abgeebbt war und die Gäste sich wieder ihren mit Süßspeisen überladenen Tellern zugewandt hatten , hob Onkel Vernon , der inzwischen einen Arm um Dudleys breite Schultern gelegt hatte erneut zu sprechen an. "Hier seht ihr das Ergebnis eines Jahres voll eiserner Disziplin , voll harten Trainings ..." Ja , ja , dachte Harry , wenn man das Verprügeln jüngerer Mitschüler als Training betrachtete. Aber hatte nicht auch sein eigener Vater ... " ... voll Siegeswillen und unerschütterlichem Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit. Mit Stolz kann ich verkünden , dass unser Dudley sich als echter Dursley erwiesen hat und trotz aller Strapazen zum erfolgreichsten Boxchampion wurde , den Smeltings je gesehen hat ! Schon von Beginn des Schuljahres an war ..." So zog sich die Litanei noch eine ganze Weile hin und Harry spürte , wie seine Augenlider trotz Tante Marges warnender Blicke immer schwerer wurden. "Nur für einen Augenblick. Ganz kurz ." Dann schloss er die Augen. Auf einmal fühlte er sich leicht , sein Kopf so frei von bedrückenden Gedanken und Erinnerungen wie schon seit Jahren nicht mehr. Er genoss das Gefühl von Frieden und Glückseligkeit noch für eine Weile , dann öffnete er langsam die Augen. Aller Müdigkeit schien auf einmal wie weggeblasen , beinahe war ihm , als hätte er für Stunden geschlafen. Vielleicht hatte er das ja auch , denn um ihn herum herrschte völlige Dunkelheit. Trotzdem war er sich beinahe sicher , dass er noch immer auf seinem Stuhl im Esszimmer der Dursleys saß. Hatte man ihn am Ende einfach sitzen lassen , ohne auch nur den kleinsten Versuch zu unternehmen , ihn aufzuwecken ? Harry verwarf den Gedanken sofort wieder. Es war schlichtweg unmöglich , dass er völlig unbeachtet am Esstisch der Dursleys schlafen konnte , noch dazu zu einer Party zu Ehren Dudleys , der ihn sozusagen in seiner Eigenschaft als Boxchampion von Smeltings sicherlich sehr unsanft geweckt hätte. Unter Anstrengung aller seiner Sinne versuchte Harry die Dunkelheit zu durchdringen , hatte aber das Gefühl , sich immer tiefer in ihr zu verlieren als ihr zu entkommen. Obwohl er nie unter Klaustrophobie gelitten hatte , fühlte er mit einem Mal eine Panik in sich aufsteigen , wie er sie bisher nur erlebt hatte , wenn Voldemort ... Voldemort !!!! In all seinem Schmerz , dem er sich in den letzten Wochen in einer beinahe perversen Befriedigung hingegeben hatte , hatte er völlig vergessen , welche Gefahr von den mentalen Kräften des Dunklen Lords ausging. Hinzu kam , dass er seit seiner letzten Begegnung mit dem personifizierten Bösen nicht wieder ... Hier wurde seinen Überlegungen ein abruptes Ende gesetzt , denn plötzlich verschwamm das Schwarz vor seinen Augen zu einem rötlich-grauen Strudel , der ihn mit sich riss , immer tiefer und tiefer hinunter , bis er jegliches Gefühl für Zeit und Raum verlor . Dann war alles vorbei , der Strudel und der Schleier vor Harrys Augen verschwanden genauso schnell und unerwartet wie sie gekommen waren und ließen ihn erneut in der Dunkelheit zurück. Diesmal war es jedoch keine undurchdringliche , bedrohliche Finsternis wie zuvor , sondern schlicht und ergreifend Nacht und er saß auch nicht mehr auf dem unbequemen , harten Esszimmerstuhl der Dursleys , sondern stand mit beiden Beinen fest auf weichem Grund , den er , er wusste nicht warum , sofort als moosbewachsenen Waldboden identifizierte. Als sich seine Augen etwas an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten , konnte er erkennen , dass er auf einer Lichtung stand , die nur schwach vom matten Schein eines wolkenverhangenen Mondes beschienen wurde. Eine Vision , wie er sie schon zuvor gehabt hatte - nur , dass er diesmal mit einhundertprozentiger Sicherheit wusste , dass es er ,Harry Potter war , der sich in diesem Moment an diesem Ort befand und nicht Lord Voldemort , wie er im Stillen bereits befürchtet hatte . Mit ein wenig Anstrengung konnte er seine zerschlissenen , weißen Tennisschuhe und die ausgebleichten Jeans erkennen. Probehalber streckte er den Arm aus und beobachtete seine Hände - ohne Zweifel die seinen . Mit einem Mal spürte er den beinahe unwiderstehlichen Drang , wegzulaufen. Das hier war eine Falle , ganz bestimmt ! Hätte er nur mehr Anstrengungen in die Occlumency Stunden gesetzt , hätte Snape , dieser verdammte , widerliche Bastard nur nicht alles hingeworfen , dann wäre er jetzt vielleicht nicht hier ! Doch tief in seinem Inneren wusste er bereits , dass es ihm in dieser Situation auch nichts genützt hätte , wenn er der beste Occlumens aller Zeiten gewesen wäre und ihm diese Art der Magie auch nicht helfen würde , dem zu entkommen , was in diesem Wald auf ihn wartete. Unvermittelt griff er an seine rechte Hosentasche , um sich zu versichern , dass er zumindest seinen Zauberstab bei sich trug . Erleichtert stellte er fest , dass er sich im Falle eines Falles würde verteidigen können , auch wenn es ihm anzunehmender Weise nicht viel nützen würde. Er sah sich nach allen Seiten um , konnte aber nichts erkennen außer dicht beieinander stehenden Bäumen. Erneut kroch eine lähmende Angst in ihm hoch. Was , wenn es überhaupt keinen Ausweg für ihn gab ? Er atmete ein paar mal tief durch , ein letzter , verzweifelter Versuch , seine Sinne beisammen zu halten und nicht in Panik zu verfallen. Gerade , als er glaubte , wieder halbwegs klar denken zu können , wurde sein Blick wie von Zauberhand auf eine Stelle ganz am Rande der Lichtung gelenkt . Ihm blieb beinahe das Herz stehen , als er erkannte , dass er nicht allein war. Dort , wenn auch nur schwer vom dahinter liegenden Dickicht zu unterscheiden , lag etwas auf dem Boden , dass Harry sofort als einen menschlichen Körper identifizierte. Noch ein Grund , wegzulaufen ... "Harry ..." Was war das ? Hatte da jemand seinen Namen gerufen ? "Harry , komm zu mir ..." Da war es wieder gewesen , leise und schwach , doch eindeutig eine Frauenstimme , die ihn zu sich rief. Ein unkontrolliertes Zittern machte sich in ihm breit , seine Kehle fühlte sich mit einem Mal sehr trocken an , ebenso wie seine Beine , die er nicht mehr bewegen zu können glaubte. Eine Falle , ganz eindeutig eine Falle ... "Komm zu mir ..." "Nein !" Er wunderte sich selbst , wie klar und fest seine Stimme plötzlich klang. "Ich weiß , dass du nicht wirklich bist ! Du bist nichts als ein Hirngespinst , ein Geschöpf Voldemorts . Er hat dich gesandt , nicht wahr ?" "Harry ..." Obwohl die Stimme noch immer sehr leise war , schien sie in seinem Kopf auf hundertfache Lautstärke anzuschwellen und auf ihn einzudröhnen. "Harry , komm zu mir , Harry ..." Mit aller Macht versuchte er gegen die Trance anzukämpfen , in die er zu verfallen drohte , jedoch vergeblich. Ihm war , als würden zwei unsichtbare Männer ihn an den Armen packen und zu der am Waldrand liegenden Gestalt zerren. Er schloss die Augen , wusste instinktiv , dass er nicht sehen wollte , wer oder was dort in einen dunklen Umhang gehüllt lag und verlor am Ende doch . Obwohl er nicht genau sagen konnte , was er erwartet hatte , so wusste er doch , dass es nicht das war , was er nun vor Augen hatte. Vor ihm , auf dem mit losen Blättern und kleinen Ästen übersäten Waldboden lag ein Mädchen - nein , eine junge Frau - korrigierte er sich. Zuerst dachte er , sie schliefe , so friedlich und entspannt wirkten ihre schmalen , mädchenhaften Gesichtszüge. Dichtes , dunkles Haar umrahmte ihr bleiches Antlitz , dass durch das nun ungehindert einfallende Mondlicht noch unirdischer - und schöner wirkte. Sie war nicht im klassischen Sinne schön , nicht so wie Cho - er versuchte den Gedanken an sie so schnell wie möglich wieder zu verdrängen - trotzdem hatte sie etwas bemerkenswert anziehendes an sich , ja , so wie sie vor ihm lag erinnerte sie ihn beinahe an einen Engel oder eine verzauberte Fee. Da erst bemerkte er das dünne , rote Rinnsal , das aus ihrem rechten Mundwinkel über ihr Kinn lief und auf den Boden tropfte. Mit einem Mal überkam ihn eine furchtbare Gewissheit . Wer auch immer hier vor ihm lag - sie war tot. Er spürte Übelkeit in sich hochsteigen und wandte das Gesicht für einen Moment ab . Nur einmal in seinem Leben hatte er ähnlich empfunden , damals , während seines ersten Jahres in Hogwarts , als sie das tote Einhorn im verbotenen Wald gefunden hatten . Nur jemand , der in der Lage war , das reinste aller Geschöpfe zu dahinzuschlachten , war auch fähig , ein Mädchen wie dieses zu töten. Voldemort ... er konnte nicht weit sein . Aber warum die Stimme ? Warum diese Frau ? Dann sah er die Maske . Eine gesichtslose , weiße Fratze im weichen Moos , fluoreszierend im Mondlicht. Er hatte solche Masken schon zuvor gesehen , zum ersten Mal während der Quidditchweltmeisterschaft , zum letzten Mal im Department of Mysteries , die Botschaft , die mit ihnen einherging war jedoch immer die gleiche gewesen : Angst , Tod und Verderben. Aber konnte es wirklich sein , dass dieses Mädchen ... nein , er musste sich vergewissern , sonst würde er es nicht glauben können. Mit zitternden Fingern hob er die Maske auf und legte sie vorsichtig , als fürchte er , sie zu zerbrechen auf das Gesicht der jungen Frau . Sie passte. Er wusste nicht , wie viel Zeit verstrichen war , seit er das Esszimmer der Dursleys verlassen , hier auf dieser Lichtung gelandet und die Leiche des Mädchens entdeckt hatte , doch es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor. Noch immer kauerte er bewegungslos an der Seite der unbekannten Todesserin , unfähig sich zu bewegen oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Harry wusste nur eines : Dass er sich ihr merkwürdig verbunden fühlte , so , als sei eine Art Band zwischen ihnen geknüpft worden , dass ihn dazu zwang , bei ihr zu bleiben. Unter anderen Umständen hätte er sich vielleicht gefragt , wer sie war und warum man sie getötet hatte , so aber konnte er an nichts anderes als an ihr elfenbeinfarbenes Gesicht denken und daran , wie falsch es doch war , dass es von einer Maske wie dieser bedeckt wurde. Eine unsichtbare Macht trieb ihn dazu , seine Hand erneut auf das kühle Porzellan zu legen und es vom Antlitz der Unbekannten zu nehmen. Alles war wie wenige Minuten zuvor - alles , bis auf die Augen , die plötzlich weit offen standen und direkt in die seinen zu blicken schienen. "Harry ..." Da ! Kein Zweifel , ihre vom Blut unnatürlich geröteten Lippen hatten sich bewegt. Sie war es , die zu ihm gesprochen hatte , die ihn hierher gelockt hatte ! Bei Merlin ... Weit , weit entfernt konnte er jemand schreien hören. Es dauerte eine Weile , bis er seine eigene Stimme erkannte. Dann wurde alles um ihn herum schwarz. *************************************************************************** "Harry ..." "Nein , geh weg ..." "Harry Potter ! Nicht in diesem Ton !" Mit einem Mal war er hellwach . Die Stimme , die zu ihm sprach , gehörte nicht etwa der toten Frau sondern "Onkel Vernon !" In seinem ganzen Leben war Harry noch nie so erleichtert gewesen , einen der Dursleys zu sehen . " Die Party , Duddikins schöne Party ..." Als er Tante Petunia so über sich stehen sah , die Arme um die überbreiten Schulten seines Cousins gelegt , hätte er vor Freude am liebsten geweint. Man hatte ihn anscheinend auf den Fußboden gelegt und seine augenscheinliche Ohnmacht zum Höhepunkt der Party erklärt , denn sämtliche Gäste schienen sich um ihn herum gruppiert zu haben und schubsten sich nun gegenseitig zur Seite , um eine besser Sicht auf ihn zu erhaschen. " ...war schon immer ein kränklicher Bursche ..." " ... und ich sage euch , das kommt von den Drogen ..." " ... wollte nur die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenken ..." Einzelne Gesprächsfetzen drangen durch seinen noch immer verwirrten Geist , doch ihr Wortlaut störte ihn nur wenig. Nichts war im Moment wichtiger als die Tatsache , dass er entkommen war , dass er trotz aller Befürchtungen nur geträumt hatte und sich noch immer im Esszimmer der Dursleys befand. Seine Augen wanderten zu der großen , ebenso antiken wie geschmacklosen Wanduhr in der Ecke des Raumes. Sie zeigte eine Viertelstunde vor zehn an. Wenn er sich doch nur erinnern könnte , wann er das Bewusstsein verloren hatte ... "Vernon , Darling ..." "Petunia , du siehst doch , dass ich hier beschäftigt bin. Dieser unsagbare , abartige ..." "Bist du sicher , dass wir nicht einen ... ähem ... Arzt holen sollten ?" "Papperlapapp !" Harry konnte nicht verhindern , dass sich seine Mundwinkeln leicht nach oben kräuselten , als er Tante Marges Stimme erkannte ! "Ich sage euch , dem fehlt nichts außer eine gehörige Tracht Prügel ! Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte , dann würde ich sagen , dass Dudley als frischgebackener Boxchampion von Smeltings ..." "Äh ... vielen Dank , Marge , aber ich denke , das wird nicht nötig sein ..." Tante Petunias Stimme klang mit einem Mal sehr kleinlaut "Du weißt ja : Man tut diesen gewalttätigen Jugendlichen doch immer nur einen Gefallen , wenn man ihnen zu viel Aufmerksamkeit schenkt", fügte Vernon hinzu . Harry konnte deutlich heraushören wie beunruhigt sein Onkel ob der Worte seiner Schwester war und er wusste auch ganz genau , warum. Mad Eye Moody hatte ihn bei ihrer letzten Begegnung nicht wenig Respekt eingeflößt und Vernon Dursley war schon immer ein Mann gewesen , der all das fürchtete , was er in seiner kleinbürgerlichen Rationalität als abnormal oder gar übersinnlich ansah. So war die Angst , sich einen Haufen wütender Zauberer auf den Hals zu hetzen ohne Zweifel größer als der Wunsch , seinem Sohn dabei zuzusehen , wie er Harry an den Kragen ging. Hinzu kam , dass ihm Dudleys Ringelschwänzchen , die überlange Zunge und der Dementor noch so lebhaft in Erinnerung standen , dass er seinem Neffen (beinahe) jeden Wunsch erfüllt hätte , nur um sich eine weitere Begegnung mit "diesem Hokuspokus" zu ersparen. So begnügte er sich auch jetzt mit einem gebrummelten "Steh auf !" , zog Harry dabei auf die noch immer zitternden Beine und schickte ihn auf sein Zimmer , eine Aufforderung , der dieser mit Dankbarkeit nachkam. Alles war besser , als nach diesem "Ausflug" noch länger auf Dudleys Preisboxerparty bleiben zu müssen , insbesondere mit Tante Marges missbilligenden Blicken , die , wie er wusste während des ganzen Abends auf ihm ruhen würden , wenn er sich nicht so schnell wie möglich außer Reichweite begab. Kapitel 2: Familiensache ------------------------ Kapitel 2 - Familiensache Als Harry einige Minuten später auf seinem Bett in Dudleys ehemaligem Spielzimmer lag , ließ er seine Gedanken noch einmal zurück zu der Lichtung und der Leiche der jungen Frau schweifen. Obwohl er sich keinerlei Beweise hatte , war er fest davon überzeugt , dass Voldemort hinter all dem steckte. Der "Traum" , sofern dieses Erlebnis überhaupt als solcher bezeichnet werden konnte , war einwandfrei von einer fremden Macht hervorgerufen worden und nicht auf natürlichem Wege zustande gekommen. Wie sonst hätte er während des Essens so fest einschlafen können , dass er so real und lebendig träumte , wie es an diesem Abend der Fall gewesen war ? Ungewöhnlicherweise konnte er sich auch an jedes noch so kleine Detail erinnern - von den Blättern , die auf der Lichtung gelegen hatten bis hin zu den silbernen Ohrringen des Mädchens - was für einen Traum im Normalfall doch höchst ungewöhnlich gewesen wäre. Trotzdem konnte es nicht den Hauch eines Zweifels darüber geben , dass er die ganze Zeit über ohnmächtig auf dem Fußboden gelegen und sich zu keinem Zeitpunkt in dem Waldstück befunden hatte , in dem die vermeintliche Leiche lag . Natürlich hatte er schon vorher Dinge im Traum gesehen , die sich dann als wirklich herausgestellt hatten , allerdings hatte er weder die Attacke auf Mr. Weasley noch die Bestrafung Averys durch seine eigenen Augen , jedoch stets durch die Voldemorts gesehen. Außerdem hatte die Stimme mit ihm , Harry , gesprochen , die Botschaft , worin sie auch immer bestanden haben mochte , war also einwandfrei an ihn gerichtet gewesen . Aber war sie auch tatsächlich von der toten Frau ausgegangen ? Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte , war sie zweifellos tot gewesen , doch konnte es niemand anderer als sie gewesen sein , die zu ihm gesprochen hatte . Er hatte es mit eigenen Augen gesehen , in dem Moment , in dem er ihr die Maske abgenommen hatte , war sie auf wundersame Weise wieder zum Leben erwacht. Die Maske ... Sie war also eine Todesserin gewesen . Zwar wusste er nicht , wie viele Mitglieder Voldemorts Armee zählte , er hatte jedoch bisher ganz selbstverständlich angenommen , dass keine Frauen außer Bellatrix Lestrange ... Harry spürte eine kaum zu kontrollierende Wut in sich aufsteigen . Bellatrix war die Hexe gewesen , die Sirius getötet hatte , die er hatte im Gegenzug töten wollen , es aber nicht geschafft hatte. Es gab keine Person , die er mit der gleichen Leidenschaft hasste und verachtete , nicht einmal Voldemort . Sie war es gewesen , die ihm den Menschen genommen hatte , den er in Momenten wie diesem am meisten brauchte. Er erinnerte sich noch gut an das letzte Mal , als er in den Sommerferien von Visionen heimgesucht worden war. Damals hatte er an Sirius geschrieben , damals , als seine Narbe geschmerzt hatte und er Voldemort zum ersten Mal ins entstellte Antlitz geblickt hatte. Aber wenn Voldemort auch diesmal hinter all dem steckte - warum blieb seine Narbe dann ruhig ? Er fasste sich an die Stirn . Kein Brennen , kein Schmerz , kein Garnichts. Seltsam . Er wollte gerade aufstehen und im Spiegel nach etwaigen Veränderungen an seiner blitzförmigen Narbe suchen , als die Tür geöffnet wurde und jemand vorsichtig ins dunkle Zimmer trat. "Harry ..." Harry blieb beinahe das Herz stehen , als er eine Stimme seinen Namen flüstern hörte. Es war doch alles nur ein Traum gewesen - oder ? "Harry , bist du noch wach ?" Zum zweiten Mal an diesem Abend fiel ihm ein Stein vom Herzen , als er Tante Petunia im Türrahmen stehen sah. "Was ist los ?" Er versuchte seine Stimme so gleichgültig und genervt wie immer klingen zu lassen , wenn er mit einem der Dursleys sprach. "Wir müssen reden ..." Sie schloss vorsichtig die Tür hinter sich , gerade so , als fürchte sie sich davor , in seinem Zimmer entdeckt zu werden . "Vorhin , als du ... als du beim Essen umgekippt bist , da hast du doch nicht ... ich meine , dass war doch nicht dieser Du - ... Du -wei ..." "Voldemort ?" Harry fiel beinahe die Kinnlade herunter. Wollte seine Tante tatsächlich mit ihm über Voldemort sprechen ? "Ja , ich glaube , das war sein Name ." "Und ?" "Hast du ... ich meine , war er es , den du ..." Harry erwog ernsthaft , ihr eine ehrliche Antwort zu geben. Die Dursleys hatten sich noch niemals für seine Probleme interessiert , schon gar nicht für die , die mit der Zauberwelt zusammenhingen. Umso mehr wunderte ihn nun der Besuch seiner Tante , die sonst einen weiten Bogen um alles in ihren Augen "Abnormale" machte. "Ich weiß es nicht genau ..." Da ging ihm zum ersten Mal auf , dass er es wirklich nicht wusste. Allerdings kannte er niemanden sonst , der sich seines Geistes auf diese Art hätte bemächtigen können. "Wenn er es war ... glaubst du ... glaubst du..." Es fiel ihr offensichtlich schwer , über ein Thema zu reden , dass ihr so verhasst war , wie die Zauberei. " glaubst du , er könnte hier auftauchen ?" Harry hätte beinahe laut aufgelacht. Daher wehte also der Wind ! Er konnte dem Drang nicht wiederstehen , sich einen Moment der Vorstellung hinzugeben , wie Voldemort persönlich an der Haustür der Dursleys klingelte , während sämtliche Nachbarn die Köpfe aus den Fenstern steckten und miteinander tuschelten . Wie hatte er auch nur für eine Sekunde annehmen können , dass sich seine verhassten Verwandten tatsächlich Sorgen um ihn machen könnten ? "Keine Angst , wenn er kommt wird ohnehin nichts übrigbleiben , über das die Nachbarn noch reden könnten. Leichen stören sich im Normalfall nicht mehr an dem , was über sie gesagt wird." "Harry Potter ! Sprich nicht in diesem Ton mit mir !" Ah , nun war sie also wieder in ihrem Element ! Gut so , er hatte schon befürchtet , sie wäre krank geworden. "Was ist ? Habe ich deine Frage nicht zufriedenstellend beantwortet ?" Petunia seufzte. "Es ist einfach hoffnungslos mit dir ! Du bist genau wie ... wie er !" "Wag es nicht , so über meinen Vater zu sprechen !" schrie Harry , den die Bemerkung seiner Tante völlig aus der Fassung gebracht hatte - nicht , weil sie schlecht über seinen Vater gesprochen hatte , wie er nun vorgab , sondern weil er tief in seinem Inneren befürchtete , dass sie recht haben könnte. Seit er jenen unheilvollen Ausflug in Snapes Erinnerungen unternommen hatte , war jeglicher Vergleich mit seinem Vater für ihn wie ein Stich ins Herz . Ganz gleich , was Remus - und Sirius - gesagt hatten , ganz gleich , wie James Potter sich verändert hatte , dass , was er gesehen hatte , würde er ihm nie , niemals verzeihen können "Du weißt nichts über ihn !" zischte Petunia , sichtlich bemüht , nicht einfach loszuschreien . " Man hat dir nichts erzählt , überhaupt nichts , nicht wahr ? Gut , dann werde ich das eben übernehmen müssen - vielleicht wird dir deine Arroganz und Überheblichkeit dann ein für alle Mal vergehen. Dein Vater -" sie zeigte mit einem langen , knochigen Finger auf Harry , "Dein Vater hat deine Mutter umgebracht !" "Das ist nicht wahr !" "Oh doch ! Wenn du nur wüsstest , mit welchem Gesindel sie sich rumtrieb , nachdem sie sich einmal mit diesem ...diesem - ich finde keine Worte für ihn - eingelassen hatte ! Glaub nur nicht , ich wüsste von gar nichts , nur weil ich keine von den Abnormalitäten meiner Schwester in mir trage ! Diese Todesser - das ist doch der Name dieser Wahnsinnigen , nicht wahr ? - sie haben sich mit ihnen eingelassen ! Würde mich nicht wundern , wenn sie selbst zu ihnen gehört hätten !" "Meine Eltern haben immer gegen Voldemort gekämpft ! Sie hätten sich niemals , hörst du , NIEMALS mit ihm verbündet !" Gleich würde er das ganze Haus aufgeweckt haben , doch es war ihm egal . Keiner in seiner Familie war jemals auch nur ansatzweise in die Dunklen Künste verwickelt gewesen. Sirius hatte es selbst gesagt . Sirius ... "Ach ja ! Dann will ich dir etwas erzählen . Es war in dem Jahr , bevor du geboren wurdest , da kam sie für einige Tage nach Hause , um unsere Eltern zu sehen. Glücklicherweise hatte ER gerade zu tun und so machte ich mir berechtigte Hoffnungen , dass es diesmal nichts als ein normaler Besuch werden würde . Aber wie sollte irgendetwas normal ablaufen , wenn eure Sorte beteiligt war ! Eines Abends , ich kam gerade von einem Spaziergang mit Vernon zurück , klingelte es an der Tür. Nichtsahnend wie ich war machte ich auf - und stand diesem Wahnsinnigen gegenüber. Oh , du hättest ihn sehen sollen ! Seine Kleider hingen ihm in Fetzen vom Körper und das Blut tropfte geradezu von seinen Händen . Er hatte sein Gesicht verhüllt , doch ich konnte seine Augen sehen - die Augen ! Ich sage dir , ich habe niemals wieder solche Augen gesehen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte , ich hätte ihn für den Teufel gehalten ! Natürlich wollte er mit deiner Mutter sprechen , doch ich weigerte mich , ihn einzulassen. Wir wären ihn wohl auch wieder losgeworden , wenn deine Mutter nicht hinter mir aufgetaucht hätte . Ich sehe sie noch vor mir , wie sie die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug - ich schätze , einer wie der war sogar für eure abnormalen Verhältnisse zuviel. Trotzdem wollte sie unbedingt mit ihm reden - dann ist sie mit diesem .. diesem Monster in ihrem Zimmer verschwunden !" Harrys Augen wurden immer größer . Er wollte etwas erwidern , aber ihm fiel nichts ein , so überrascht war er über die Dinge , die seine Tante da erzählte. Sämtliche Versuche , einen Sinn in all die seltsamen Geschehnisse zu bringen , die sich anscheinend im Hause Evans zugetragen hatten , schlugen fehl. Wer hatte seiner Mutter in diesem Zustand einen Besuch abgestattet und warum hatte sie eingewilligt mit ihm zu sprechen ? "Jetzt hat es dir die Sprache verschlagen , nicht wahr ? Aber es geht noch weiter ! Ich weiß nicht , über was deine Mutter mit diesem Kriminellen zu besprechen hatte , ich weiß nur , dass er nicht durch die Tür verschwand , wie ein normaler Mensch es getan hätte. Dafür erschien nur wenige Minuten später dieser furchtbare Potter und sie schloss sich mit ihm im Wohnzimmer ein. Ich bin keiner von der Sorte , die andere belauscht , aber bei dem Geschrei , dass deine Eltern gemacht haben konnte ich gar nicht anders , als die Hälfte von dem mit anzuhören , was gesprochen wurde. Wie sich herausstellte , hatte deine Mutter tatsächlich Besuch von einem aus dieser Mörderbande erhalten - und er hatte gerade jemanden umgebracht ! Ich habe es selbst gehört , wie dein Vater schrie , der Mann , sein Name war überaus seltsam und ich konnte ihn mir natürlich nicht merken , hätte seine Schwester umgebracht. Daraufhin schrie deine Mutter zurück , dass es alles seine eigene Schuld wäre. Sie stritten sich für eine ganze Weile und immer ging es um diese Todesser und diesen ... diesen Vol - ... Voldemort ! Du kannst mir erzählen was du willst , aber dein Vater steckte da knietief mit drin - und er hat Lily reingerissen !" "M ... mein Vater hatte eine Schwester ?" Eigentlich hatte er etwas völlig anderes sagen wollen , doch die Frage war ausgesprochen , noch ehe er hatte darüber nachdenken können. "Was weiß ich ? Eine Schande , dass sie augenscheinlich tot ist , sonst wärst du jetzt vielleicht nicht hier und wir könnten ein normales Leben führen !" Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und rauschte aus Harrys Zimmer , der völlig verdutzt und mit offenem Mund auf seinem Bett liegen blieb. Auf einmal war alles unwichtig geworden , die Ergebnisse einer O.W.L.s , die noch immer auf sich warten ließen ebenso wie Voldemort , die Leiche auf der Lichtung und Tante Petunias höchst seltsames Verhalten. Er hatte eine Tante gehabt ! Warum hatte er eigentlich immer angenommen , James Potter sei ein Einzelkind gewesen ? Wenn er darüber nachdachte , hatte er sich nie besonders für die Familie seines Vaters interessiert . Er wusste im Grunde nichts über sie , auch nicht über seine Großeltern . Im Grunde war das bisher auch nicht wichtig gewesen , trotzdem fragte er sich mit einem mal , warum man ihm nie von dieser ominösen Schwester erzählt hatte. Remus und Moody redeten doch sonst so viel über seine Eltern - warum sprachen sie dann nie über seine Tante ? Wut stieg in ihm hoch . Seit nunmehr 5 Jahren , also seit er zum ersten Mal erfahren hatte , dass er ein Zauberer war , hatte man ein riesiges Geheimnis aus allem gemacht , was seine Vergangenheit betraf. Selbst die Prophezeiung , die doch so lebenswichtig und entscheidend war für alles , was bisher geschehen war und noch immer geschah , die Prophezeiung , die besagte , dass er dazu ausersehen war , Voldemort zu besiegen - von dieser Prophezeiung hatte ihm Dumbledore erst am Ende des vergangenen Schuljahres erzählt. Warum konnten sie ihm nicht einfach die Wahrheit sagen ? Glaubten sie , er könnte es nicht verkraften zu wissen , dass er eine Tante gehabt hatte , die von den Todessern getötet worden war , nachdem er doch beide Eltern und seinen Paten auf dem gleichen Weg verloren hatte ? Aber diesmal würde er nicht warten , bis man ihn freiwillig aufklärte ! Kurzentschlossen stand er auf , ging zu seinem Schreibtisch und zog eine Rolle Pergament und den Federkiel samt Tintenfass heraus. Er musste nicht lange überlegen , an wen er den Brief adressieren sollte : Lieber Remus , Ich weiß nicht , wie ich Dir erklären soll , was heute vorgefallen ist. Es geht um eine Sache , die mir wirklich sehr wichtig ist und in der Du mir , glaube Ich , weiterhelfen kannst. Während einer Diskussion erwähnte meinte Tante , dass mein Vater eine Schwester gehabt hätte und nun möchte ich gerne wissen , ob das wahr ist und warum man mir bisher nichts von ihr erzählt hat. Ich bitte Dich , diesen Brief vorerst niemanden zu zeigen , bis wir Gelegenheit hatten , persönlich miteinander zu sprechen. Harry Potter Er las den Brief noch einmal durch , rollte das Pergament sorgfältig zusammen und sah sich nach seiner Eule Hedwig um , die um diese Zeit wie gewöhnlich auf der Jagd war und noch nicht zurückgekehrt zu sein schien. Harry öffnete das Fenster noch ein wenig weiter , lehnte sich ein Stück hinaus und pfiff einmal kräftig durch zwei Finger in der Hoffnung , dass sie sich irgendwo in der näheren Umgebung aufhielt. Es dauerte auch gar nicht lange , da näherte sich auch schon ein Vogel seinem Fenster. Zunächst dachte Harry , dass es sich tatsächlich um Hedwig handelte , schnell stellte er jedoch fest , dass das Tier wesentlich kleiner war als seine eigene Schneeeule. Wie unschwer an dem bald einsetzenden , deutlichen Fiepen zu erkennen war , handelte es sich um Rons Eule Pigwidgeon , genannt Pig , die sich vor Begeisterung über einen weiteren , fehlerlos ausgeführten Auftrag kaum mehr fassen konnte. Obwohl er noch immer angestrengt nach Hedwig Ausschau hielt , löste Harry vorsichtig den Brief vom Bein des hektisch umherhüpfenden Vogels und nahm sich die Zeit , ihm eine kleine Schale mit Wasser hinzustellen , die er Hedwigs Käfig entnahm. Falls er geglaubt haben sollte , dass ihn an diesem Abend nichts mehr beeindrucken könnte , so hatte er sich weit getäuscht. Rons Brief bildete , wenn man so wollte , den krönenden Abschluss des Ganzen. Kapitel 3: Neues vom Grimmauld Place ------------------------------------ Kapitel 3 - Neues vom Grimmauld Place Hey , Harry ! Ich wette , du errätst nie , was heute hier los war ! Voldemort hat Snape halb zerstückelt ! Ich habe zwar nur kurz einen Blick auf ihn werfen können , aber Mann , ich kann dir sagen ! Also ich hätte ihn nicht mehr erkannt mit all dem Blut und so. Dad hat gesagt , dass es ein Wunder ist , dass er mit seinen Verletzungen überhaupt noch bis zum Grimmauld Place apparieren konnte. Im Moment versuchen Mum und Poppy ihn wieder zusammenzusetzen , sieht aber nicht besonders gut aus , wenn du mich fragst . Ich wollte dich eigentlich anrufen , aber Tonks hat gesagt , die Muggel mögen es nicht , wenn man so spät noch stört. Oh , Hermione schreit gerade. Anscheinend gibt's was Neues ! Ich ruf dich morgen so früh an , wie es geht. Ron Für einen Moment wusste Harry nicht , wie ihm geschah. Snape , Severus Snape , einer der Menschen , die er am meisten hasste , nicht zuletzt weil er in seinen Augen mitverantwortlich für Sirius Tod war. Er hatte es nicht besser verdient ! Harry wusste , dass er über sich selbst hätte erschrecken sollen , doch er tat es nicht. Dumbledore konnte Snape mit seinem Leben vertrauen , konnte ihn aus allem herausreden , ihn verteidigen und in Schutz nehmen - Harry wusste es besser . Er hasste seinen Zaubertränkelehrer mit der gleichen Inbrunst , mit der dieser dieses Gefühl zweifellos erwiderte. Snape hatte ihn vom ersten Tag an gehasst , noch bevor er überhaupt in seinem Unterricht aufgetaucht war . Sollte er die Hoffnung gehegt haben , dass sich ihr Verhältnis über die Jahre hinweg bessern würde , so hatte er sich getäuscht : Mit den Occlumency Stunden im letzten Jahr hatte ihr persönlicher Kleinkrieg seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht - was dann schließlich zu Sirius Tod geführt hatte , zumindest mit dafür verantwortlich gewesen war. Im Grunde war es nur recht und billig , dass Snape nun das gleiche Schicksal ereilen sollte , in das er Sirius mit seinen ständigen Sticheleien und seinem offen zur Schau gestellten Hass getrieben hatte. Grimmig knüllte er Rons Brief zusammen und lehnte sich erneut aus dem Fenster , um nach Hedwig Ausschau zu halten. Als auch nach wiederholtem Pfeifen keine Spur einer weißen Schwinge zu sehen war , beschloss er , sich schlicht und einfach Pig auszuleihen. Da sich Ron ohnehin am Grimmauld Place befand , würde der kleine Vogel nicht einmal einen Umweg zu machen brauchen , um den Brief bei Remus abzuliefern - natürlich nur , wenn sich sein ehemaliger Professor auch wirklich in Sirius' ehemaligem Zuhause aufhielt , wovon er beinahe ausging. Immerhin schienen sich , wenn man Rons und Hermione glauben konnte , im Moment so ziemlich alle Ordensmitglieder mindestens einmal am Tag im Hauptquartier zusammenzufinden , um die neuesten Entwicklungen zu diskutieren , denn obwohl das Ministerium inzwischen Voldemorts Rückkehr als offiziell geltend gemacht hatte , waren kaum Maßnahmen ergriffen worden , um den Anschlägen und Morden vorzubeugen , mit denen unweigerlich zu rechnen war , auch wenn sie im Moment noch immer auf sich warten ließen. Als Pig zusammen mit dem Brief seine Fensterbank verlassen hatte , legte sich Harry so , wie er war auf sein Bett und schloss die Augen . Mit einem Mal fühlte er sich sehr müde und ausgelaugt . Die Ereignisse dieses Abends wären ausreichend für einen ganzen Monat gewesen und selbst dann hätte er wohl ziemlich daran zu kauen gehabt , sie entsprechend zu verarbeiten , so aber war er selbst zu müde , noch ins Bad zu gehen oder sich auch nur auszuziehen. Er dachte gerade noch daran , seine Brille abzunehmen und das Licht zu löschen , dann war er auch schon eingeschlafen . Am nächsten Morgen wurde er von einem lauten Klopfen an seiner Tür aus einem tiefen , traumlosen Schlaf gerissen . Noch ehe er wusste , wie ihm geschah , hatte Onkel Vernon das Zimmer betreten und sich an seinem Bett aufgebaut ! "Hier !" Er hielt einen Telefonhörer auf Armeslänge von sich gestreckt , als handle es sich um ein besonders übelriechendes Objekt . "Deine abnormalen , kleinen Freunde !" Damit drückte er dem sich noch immer im Halbschlaf befindenden Harry den Hörer in die Hand , verließ stampfenden Schrittes den Raum und knallte die Tür hinter sich zu. "Harry ? Harry , ich bin's , Hermione !" "Äh ... Hallo ..." "Habe ich dich aufgeweckt ?" "Nein ... , nein schon okay ." Im Grunde war er froh , ihre Stimme zu hören . Er erinnerte sich daran , dass er sie hatte fragen wollen , ob sie eine Ahnung hatte , woran es lag , dass sie ihre O.W.L. Ergebnisse noch immer nicht bekommen hatten , obwohl es bereits Mitte August war. "Oh Harry", schluchzte Hermione plötzlich ins Telefon. "Es war einfach schrecklich , so schrecklich ..." "Was ?" Für einen Moment war er völlig verdutzt , dann fiel ihm mit einem Mal alles wieder ein. Es war also tatsächlich kein Traum gewesen. "Aber ich dachte , Ron hat dir gestern Abend noch ..." "Ja , ja das hat er. Tut mir leid , Hermione. Wie geht es Snape ?" Nicht , dass ihn das wirklich interessiert hätte. Mehr die Tatsache , ob er überhaupt noch lebte ... Es dauerte eine Weile , bis sie antwortete , offensichtlich war sie völlig aufgelöst. "Poppy ... sie hat gesagt , dass er es nicht schaffen wird. Dabei haben wir doch die ganze Nacht ... sogar ... sogar Tonks hat versucht , obwohl sie doch ... Blut , er hatte schon viel zu viel Blut verloren , als er überhaupt hier ... und dann hat Moody uns verboten , ihn nach St. Mungo's zu bringen , weil ihn sonst das Ministerium ... er hat ja das dunkle Mal und wir wussten nicht ... Dumbledore ... ich hab ihn noch nie so gesehen ... und ... und ..." Dann verfiel sie in haltloses Schluchzen , das es für Harry unmöglich machte , noch irgendetwas von ihrem unzusammenhängenden Gebrabbel zu verstehen. Insgeheim war Harry froh , dass sich Hermione am anderen Ende der Telefonleitung und nicht direkt neben ihm befand. Zum einen hätte er ohnehin wieder einmal kläglich versagt bei dem Versuch , sie irgendwie zu trösten , zum anderen hätte sie mit Sicherheit schnell durchschaut , dass er ihre Gefühle gegenüber Snape nicht ganz teilen konnte. So wartete er einfach ab , unschlüssig , was genau er nun tun oder sagen sollte. Die Entscheidung wurde ihm glücklicherweise abgenommen , denn nach mehrmaligem Rascheln in der Leitung meldete sich plötzlich Remus Lupins Stimme , der , wenn auch etwas abgespannt , um einiges gefasster als Hermione zu sein schien. "Harry , kannst du mich hören ?" "Ja , ich kann dich sehr gut hören , Remus !" Im Gegensatz zu Hermione , deren Eltern ja Muggel waren , schien Remus Lupin nicht wirklich vertraut mit der Benutzung eines Telefons zu sein. "Was ist denn mit Hermione los ?" "Molly kümmert sich um sie. Ich schätze , wir alle stehe heute ein wenig neben uns , nach dem , was gestern Abend passiert ist. Und Hermione war wirklich großartig , das kannst du mir glauben . Poppy sagte , sie hätte selten eine bessere Assistentin gehabt ... bleibt nur zu hoffen , dass nicht alles umsonst war." "Er lebt also..." , sagte Harry mit düsterer Stimme. Es war einfach nicht fair ! Warum durfte Snape leben , wenn Sirius doch hatte sterben müssen ? Remus schien seine Gedanken erraten zu haben , denn er sagte : "Ich weiß , was du jetzt fühlst. Denke nicht , dass es leichter für mich ist , nach allem , was im letzten Jahr passiert ist. Aber bitte vergiss nicht , dass es nicht allein Severus Schuld war. Er hat ..." "...ihm den Tod gewünscht !" vollendete Harry den Satz für ihn. "Vielleicht ..." , auf einmal klang seine Stimme viel leiser als zuvor , "vielleicht ist der Tod besser , als das , was Du-weißt-schon-wer Severus angetan hat ..." Harry schwieg. Er wusste nicht , was er auf Remus Worte hätte erwidern sollen , so unverständlich war für ihn die Reaktion des letzten wahren Marauders. Sirius war sein Freund gewesen , Severus hatte ihn zeitlebens gehasst und ihn vor mehr als zwei Jahren um seinen Job als Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste gebracht. Wie konnte er Mitleid mit jemandem empfinden , er so offensichtlich schlecht und hasserfüllt wie Snape war ? "Nun ..." Remus räusperte sich. "Was deinen Brief angeht ... ich habe bisher niemandem davon erzählt , aber ich möchte gerne mit Professor Dumbledore darüber reden , wenn du einverstanden bist. Da gibt es Dinge , die ..." "Nein !" Harry war selbst überrascht , wie scharf seine Stimme mit einem Mal klang. Er wollte nicht , dass der Direktor sich wieder einmischte und die Informationen zuerst einer eingehenden Zensur unterliefen , bis sie schließlich an ihn weitergegeben wurden. Diesmal , nur dieses eine Mal , wollte er die Wahrheit wissen , unbeschönigt und mit allem , was es zu sagen gab , ganz gleich , ob es ihm nun gefallen würde oder nicht. "Ich möchte zuerst wissen , was du weißt." "Aber Harry , ich denke nicht ..." "Dann werde ich wohl selbst Nachforschungen anstellen müssen ..." "Also gut ...hör zu , ich denke nicht , dass es gut wäre , wenn wir das jetzt am Telefon besprechen würden. Es gibt ohnehin noch einiges , dass erledigt werden müsste . Wahrscheinlich ist es am Besten , wenn ich dich heute Abend abhole und nach London bringe. Natürlich nur , wenn du einverstanden bist ... und wenn Professor Dumbledore keine Probleme sieht. Wie du ja weißt , sind Ron und Hermione auch hier , du hättest also Gesellschaft ..." Harry schwieg für einen Augenblick. Im Grunde wollte er nicht ins Haus seines Paten zurückkehren , zumindest jetzt noch nicht. Er wusste nicht , ob er mit all den Erinnerungen würde fertig werden können . Außerdem war da ja auch noch Snape ... der von allen sicher gebührend bemitleidet wurde. In dieser Hinsicht würde man ihn wohl eher als störend empfinden und nach Gesellschaft war ihm im Moment ohnehin nicht zumute. Andererseits wünschte er sich nichts sehnlicher , als Ron und Hermione wiederzusehen . Die beiden schrieben ihm zwar so oft wie nur irgend möglich und sogar Ron hatte schon mehrere Telefongespräche gemeistert , trotzdem war es einfach nicht dasselbe , wenn er hier im Ligusterweg hockte und für jede auch noch so kleine Neuigkeit aus der Zauberwelt auf andere angewiesen war und auch dann war es nicht sicher , dass man ihm auch wirklich ALLES erzählte. Ja , vielleicht war es wirklich das beste , wenn er die verbleibenden drei Wochen der Sommerferien in London verbrachte. Nicht zuletzt , weil ihn noch immer die Frage quälte , was denn nun aus seinen O.W.L.s geworden war. "Also gut ..." "Sehr schön. Lass mich überlegen ... ja , so müsste es gehen ! Wenn du bis heute Abend um halb neun nicht wieder von mir hörst , werden ich oder ein anderes Ordensmitglied dich um diese Zeit bei deinen Verwandten abholen . Okay ?" "Okay ." "Dann pack deine Sachen zusammen und mache dir nicht zu viele Gedanken über ..." "Ja ?" "Über Flo . Glaub mir , es tut mir wirklich leid , dass du auf diese Weise von ihr erfahren musstest." Harry wollte noch etwas erwidern , da sagte ihm der langgezogene Piepton an seinem Ohr auch schon , dass Remus bereits aufgelegt hatte. ******************************************************************************** So , das wars fürs erste. Ich hoffe , es hat euch gefallen und ihr lasst euch dazu erweichen , mir das eine oder andere Review zu hinterlassen . Ich würde mich wirklich wahnsinnig über jeden Kommi freuen , und sei er auch noch so klein ... Kapitel 4: Hilfe , die Weasleys kommen -------------------------------------- *************************************************************************** Hilfe , die Weasleys kommen *************************************************************************** Der Rest des Tages zog sich hin wie Kaugummi , zumindest für Harry , der inbrünstig hoffte , dass er keine weiteren Anrufe oder Eulen aus der Zauberwelt erhalten würde , in denen man ihm mitteilte , dass er bis zum Ferienende bei den Dursleys bleiben musste. Weder sein Onkel noch seine Tante waren im Moment besonders gut auf ihn zu sprechen , wenn auch aus verschiedenen Gründen und so hatte er heute weder Frühstück noch Mittagessen zu sehen bekommen . Das wiederum bedeutete aber auch , dass er eine weitere Begegnung mit Dudley und Tante Marge vermied , die noch immer zu Besuch im Hause der Dursleys weilte , eine Tatsache , die ihn nicht eben unglücklich machte , da sein Cousin vermutlich immer noch auf eine Gelegenheit wartete , seine Boxqualitäten im Beisein seiner Tante zur Schau zu stellen. Als er sich schließlich doch nach unten gewagt hatte , um Tante Petunia von seiner Abreise zu informieren , hatte man ihn schlichtweg ignoriert , er nahm jedoch an , dass man im Ligusterweg Nr. 4 gar nicht schnell genug von seiner Anwesenheit befreit werden konnte und somit nichts einem Umzug zum Grimmauld Place im Wege stand. Die verbleibende Zeit verbrachte Harry damit , seine wenigen Habseligkeiten in einer Truhe zu verstauen , was letztendlich nicht allzu lange dauerte und er bald dazu gezwungen war , mit sehnsüchtig auf seine Armbanduhr gerichteten Blick die verabredete Zeit abzuwarten. So wurde es acht , halb neun , neun - und noch immer keine Spur von Remus oder einem anderen bekannten Gesicht aus der Zauberwelt. War am Ende etwas dazwischen gekommen und man hatte ihn nicht mehr rechtzeitig benachrichtigen können ? Auch als er zum wiederholten Male zum Fenster ging um nach draußen zu sehen konnte er nichts Bemerkenswertes finden außer einem klapprigen VW undefinierbarer Farbe , der die Straße entlang schlingerte und wohl bei jedem halbwegs vernünftigen TÜV-Beamten ein berechtigtes Stirnrunzeln hervorgerufen hätte. Enttäuscht und mittlerweile beinahe ärgerlich setzte er sich wieder auf sein Bett und warf Hedwig , die seelenruhig schlafend in ihrem Käfig hockte einen neidvollen Blick zu . Sobald es dunkel war , würde sie allerdings hinausgelassen und auf Mäusejagd gehen wollen und Harry hoffte inständig , dass man ihn bis dahin zumindest eine Nachricht hatte zukommen lassen. Gerade wollte er erneut zum Fenster gehen , da hörte er , wie unten die Türglocke betätigt wurde. Sein Herz machte einen Sprung , die Freude wurde jedoch gedämpft , als seine Vernunft einzusetzen begann. Kein Zauberer hätte an der Haustür geklingelt , schon gar nicht bei den Dursleys . Kein Zauberer , es sei denn ... Da sprang auch schon die Zimmertür auf und noch ehe er recht wusste , wie ihm geschah , fand er sich auch schon an den breiten Busen von Mrs. Weasley gepresst wieder. "Oh Harry , du ahnst ja gar nicht , wie schön es ist , dich wohlauf zu sehen !" Er hätte gerne erwidert , dass die Freude auf Gegenseitigkeit beruhte , doch seine derzeitige Position ermöglichte es ihm weder Luft zu holen noch sich in sonst einer Weise verständlich zu machen. So musste er warten , bis die Mutter seines besten Freundes Ron ihn aus ihrer Umarmung entließ , an den Schultern packte und auf Armeslänge von sich hielt. "Dünn siehst du aus ... und ein wenig mehr Schlaf könntest du auch vertragen. Aber das ist ja auch kein Wunder , nach allem was passiert ist , als ..." "Molly !" Erst jetzt bemerkte Harry Arthur Weasley , der im Türrahmen stand und seiner Frau einen warnenden Blick zuwarf. "Tut mir leid ... ich bin heute einfach nicht ganz ich selbst . Ich ..." "Du bräuchtest vor allem selbst ein paar Stunden Schlaf. Weißt du", fügte er an Harry gewandt hinzu , "Sie hat seit beinahe zwei Tagen kein Auge mehr zugetan !" Harry fühlte ein Gefühl der Zuneigung für die Eltern seines besten Freundes in sich aufsteigen. Mrs. Weasley war sicher die ganze Nacht wach gewesen und hatte zusammen mit Poppy Pomfrey , der Krankenschwester von Hogwarts versucht , das Leben der nach Harrys Meinung unwürdigsten Person in der gesamten Zauberwelt zu retten , trotzdem hatte sie ihren Mann lieber hierher nach Surrey begeleitet , anstatt ein paar Stunden wohlverdienten Schlafes nachzuholen. Gerade wollte er etwas erwidern , als Onkeln Vernons Stimme aus dem Treppenhaus nach oben hallte : "Was ist denn jetzt ? Seid ihr bald fertig oder wollt ihr in MEINEM Haus Wurzeln schlagen ?" "Alles , nur das nicht !" murmelte Mr. Weasley mit einem Seitenblick auf seine Frau. "Kommt , lasst uns gehen !" Während der nächsten Stunden bekam Harry Gelegenheit dazu , nähere Bekanntschaft mit jener Karikatur eines Autos zu machen , die er schon vorher vom Fenster aus beobachtet hatte. Der alte VW war , wie sich herausstellte , die neueste Errungenschaft des Phoenixordens , angeblich zu dem Zweck , sich unauffälliger in der Welt der Muggel bewegen zu können - sofern man ein klappriges Ungetüm mit röhrendem Motor und nur noch bedingt funktionierenden Bremsen als unauffällig bezeichnen konnte. Bisher hatte sich auch nur Arthur Weasley , begeisterter Sammler von Muggelartifakten aller Art für das ungewöhnliche Fortbewegungsmittel begeistern können , sehr zur Missbilligung seiner Frau , die nur heute und extra für Harry eine Ausnahme gemacht und ihren Fuß "in diese Höllenmaschine" gesetzt hatte. "Es tut uns wirklich leid , dass wir so spät dran sind", sagte Mr. Weasley schließlich , als sie sich auf dem Motorway in Richtung London befanden , "aber wir wurden im Krankenhaus etwas länger aufgehalten als erwartet.! "Krankenhaus ? Aber Hermione sagte doch , dass Snape nicht nach St. Mungo's ..." "PROFESSOR Snape , Harry ! Und nein , leider konnten wir ihn wirklich nicht nach St. Mungo's bringen , so gerne wir das auch getan hätten. Fudge würde ihn sofort nach Askaban stecken ... Seit bekannt wurde , dass Du-weißt-schon-wer zurück ist , schreien die Leute geradezu nach Erfolgen und Severus trägt das Dunkle Mal ...Nein , Arthur ..." Sie warf ihrem Nebensitzer einen vernichtenden Blick zu , "wollte unbedingt in eines dieser furchtbaren Muggel - Krankenhäuser , um ..." "Harry", unterbrach Mr. Weasley sie freundlich aber bestimmt , " du erinnerst dich doch sicher noch an den jungen Arzt , der mich vor ein paar Monaten in St. Mungo's behandelt hat. Du weißt schon ..." " ... dieser Muggelliebhaber , der meinte , er könne dich mit Nadel und Faden wieder zusammenflicken !" "Aber Molly , du musst zugeben , dass es funktioniert , das hast du doch heute gesehen ! Die Muggel tun es die ganze Zeit und wenn es richtig gemacht wird , dann hält es auch !" "Na da habe ich aber noch so meine Zweifel ! Wer sagt dir denn , dass die Wunde nicht nach ein paar Stunden wieder aufplatzt , wie es bei dir der Fall war ?" "Mrs. Weasley ..." meldete sich Harry zögerlich vom Rücksitz zu Wort. Er wusste zwar nicht , auf was diese Diskussion hinauslaufen sollte , allerdings hatte er irgendwie das Bedürfnis , Arthur Weasley zu unterstützen. "Ich bin auch einmal genäht worden. Damals war ich noch sehr klein , vielleicht fünf oder sechs . Ich erinnere mich noch , dass ich vom Fahrrad gefallen bin und mich am Ellenbogen verletzt habe . Die Wunde musste genäht werden und es dauerte auch eine ganze Weile , bis sie wieder verheilt war , aber heute sieht man es nur noch , wenn man sehr genau hinsieht." Zum Beweis streckte er seinen Arm nach vorne , den die noch immer zweifelnde Molly Weasley auch gleich eingehend in Augenschein nahm. "Ich gebe zu ... das sieht gar nicht mal so schlecht aus . Trotzdem würde ich UNSERE Methoden dieser ekelhaften Flickerei vorziehen !" "Und was , wenn UNSERE Methoden nicht mehr ausreichen ?" Mr. Weasleys Stimme klang eher besorgt als provokant. "Immerhin hat Poppy mit ihren Sprüchen , Zaubern , Tränken , Beschwörungen und was weiß ich noch alles heute Nacht kaum etwas bewirkt ..." Da dämmerte es Harry , dass es sich in dem Gespräch um Snape drehte - und dass man anscheinend einen Abstecher in ein Muggelkrankenhaus gemacht hatte , um deren Behandlungsmethoden zu studieren. Wenn man sich gezwungen sah , zu solchen Mitteln zu greifen , dann musste es wirklich schlimm um Snape stehen ... für einen Moment spürte er Mitleid in sich aufkeimen , kämpfte aber erfolgreich dagegen an . Der bloße Gedanke an Sirius Gesicht , als ihn Bellatrix Lestranges Fluch getroffen hatte genügte , um jedes auch nur annäherungsweise positive Gefühl gegenüber Snape zu verscheuchen. "Arthur , selbst wenn die Muggel ihm helfen könnten - wir könnten ihn nicht in eines ihrer Krankenhäuser bringen," sagte Molly , die nun um einiges versöhnlicher , jedoch nicht weniger resigniert als ihr Ehemann klang . " Erstens würde es mit Sicherheit Schwierigkeiten geben , was seine Identität angeht und zweitens haben deine Muggeldoktoren ganz sicher noch nie jemanden gesehen , der an den Spätfolgen des Cruciatus und was weiß ich was für Flüchen leidet. Wahrscheinlich würde er dort sogar noch schneller sterben als am Grimmauld Place ..." "Du hast ja recht ...trotzdem wiederstrebt mir der Gedanke , ihn einfach so ..." Er brach ab und für einen Moment herrschte eine bedrückende Stille im Wagen . Harry sah hinaus in die Dunkelheit und versuchte die Lichter zu zählen , die an ihnen vorüberflogen und zu einem einzigen , leuchtend gelben Streifen verschwammen. Plötzlich tauchte das Gesicht des toten Mädchens wieder vor seinem inneren Auge auf , es war geradeso , als würde sie ihn durch die Nacht und die Finsternis zu sich rufen. "Harry ..." Nein ! Diesmal würde er sich dagegen wehren , sie würde ihn nicht noch einmal zu sich locken können. Er presste die Augen zusammen und atmete so tief durch , wie er konnte. Aller er sie wieder öffnete , war er erleichtert , festzustellen , dass er sich noch immer im Fond des alten VW befand. "Was genau ist denn eigentlich passiert ? Ich meine mit Sn ... äh ... Professor Snape ?" Er fragte zum einen , weil es ihn wirklich interessierte , zum anderen , weil er sich mit aller Macht dazu zwingen wollte , wach zu bleiben und somit nicht in Gefahr zu laufen , erneut von unheimlichen Visionen wie der gestrigen heimgesucht zu werden. "Tja , wenn wir das wüssten ..." seufzte Mrs. Weasley , "Wir nehmen an , dass seine Tarnung aufgeflogen ist , aber ganz sicher sind wir uns nicht. Jedenfalls sieht es ganz so aus , als ob Du-weißt-schon-wer ihn gefoltert hat und wahrscheinlich töten wollte , dabei aber gestört wurde. Wie es wirklich abgelaufen ist , das könnte uns wohl nur Severus selbst erzählen ... und ehrlich gesagt sieht es nicht so aus , als ob er je wieder dazu in der Lage sein wird." "Aber wenn er so schwer verletzt wurde - wie konnte er dann noch bis zum Grimmauld Place apparieren ?" "Das haben wir uns auch schon gefragt , aber es muss wohl eine beinahe übermenschliche Leistung gewesen sein. Moody hat ihn gefunden und ich bin ehrlich gesagt froh , dass es keines von den Kindern war . Wir anderen saßen noch in der Küche , es war noch gar nicht so spät , vielleicht eine Viertelstunde vor zehn , als Alastor glaubte , ein Geräusch gehört zu haben. Nun ist das ja nichts Ungewöhnliches bei ihm , er hört ständig irgendwelche Geräusche , deshalb ließen wir ihn auch nachsehen , ohne uns wirklich etwas dabei zu denken. Umso erstaunter waren wir natürlich , als er zurück in die Küche kam , kreidebleich im Gesicht und sagte , wir sollten sofort die Kinder ins Bett schicken und nach draußen kommen." "Das mit den Kindern hätte er lieber nicht sagen sollen ..." Kapitel 5: Dunkle Kammern ------------------------- ******************************************************************************* Dunkle Kammern *************************************************************************** "Ginny war die erste von uns, die ihn gesehen hat... ich konnte leider nur einen kurzen Blick auf ihn werfen, weil Mum uns weggezerrt hat." "Was sollte sie machen? Sie konnte ihn schlecht liegen lassen, bis ihr ihn eingehend betrachtet hattet!!" "DICH hat ja keiner ins Bett geschickt!!" "Mensch, Ron! Nun reg dich wieder ab! Wenn du ihn dir ansehen willst, dann geh doch rauf! ER hat bestimmt nichts dagegen." "ER nicht, aber Poppy! Du weißt genau, dass sie da oben hockt, wie ein riesiger Bullterrier und jeden anfällt, der sich überhaupt nur in seine Nähe wagt!" "Wenn du krank wärst, würdest du auch nicht wollen, dass du von allen Seiten begafft wirst wie eine ägyptische Mumie im britischen Museum!" Harry saß auf Rons Bett, den Kopf an die Wand gelehnt und lächelte still vor sich hin. Er war eindeutig zu müde, um sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen, trotzdem fühlte er sich glücklich und zufrieden wie schon lange nicht mehr. Zwar gingen ihm Ron und Hermiones Streitereien in Hogwarts regelmäßig auf die Nerven, jetzt jedoch erschien ihm die Vertrautheit ihrer altbekannten Wortgefechte eher tröstlich als störend. Obwohl sie aufgrund der diversen Macken des alten VWs erst nach Mitternacht am Grimmauld Place angekommen waren, hatte er seine beiden beste Freunde sowie Remus Lupin und Nymphadora Tonks in beinahe noch hellwachem Zustand angetroffen. Die Wiedersehensfreude war auf beiden Seiten groß gewesen, nicht zuletzt, weil man im Hauptquartier über jede Ablenkung von den traumatischen Ereignissen des Vortages dankbar zu sein schien. Allen stand die Erschöpfung und Anspannung ins Gesicht geschrieben, trotzdem bemühte man sich, Harry so unbefangen und fröhlich wie möglich zu empfangen. Das bedeutete natürlich auch, dass man so wenig wie möglich über Snape und seinen gegenwärtigen Zustand sprach, allerdings nicht, weil man sich Harrys Hass gegenüber seinem Lehrer in ausreichendem Ausmaße bewusst gewesen wäre, sondern weil man annahm, dass ihn die erneute Konfrontation mit Folter, Leiden und Tod allzu sehr an den noch nicht lange zurückliegenden Verlust seines Paten erinnern würde. Natürlich durchschaute Harry ihre Absichten sofort, war aber trotzdem froh, nicht in den allgemeinen Mitleidsstrudel mithineingerissen zu werden. Insgeheim hatte er zwar gehofft, dass Remus noch mit ihm über das Thema sprechen würde, wegen dem er eigentlich hierher gekommen war, als sein ehemaliger Professor jedoch keine Anstalten machte, sich allein mit ihm unterhalten zu wollen, war er Ron und Hermione schließlich in Rons Zimmer gefolgt, das er für die nächsten Wochen mit ihm teilen würde. Hier hatte es sich natürlich nicht vermeiden lassen, dass das Gespräch auf Severus Snape gelenkt wurde, was Harry allerdings lange nicht so unangenehm war, wie es ihm im Kreise der Erwachsenen gewesen wäre. Er war sich beinahe sicher, dass sein bester Freund ähnlich empfand wie er, auch wenn Hermione beständig versuchte, ihn von der moralischen Verwerflichkeit seiner Einstellung zu überzeugen. Als sie schließlich in ihr Zimmer gegangen war, das sie, wie im vergangenen Jahr auch, mit Ginny teilte und die beiden Jungen in ihren Betten lagen, erwog Harry für einen Augenblick, Ron von dem Traum und Tante Petunias seltsamer Geschichte erzählen, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. Es war nicht so, dass er Ron nicht vertraute, jedenfalls redete er sich das ein, es war nur so, dass er zuerst mit Remus reden wollte, zumindest, was die Schwester seines Vaters betraf. Die seltsamen Visionen würde er vorerst für sich behalten, wenigstens so lange, wie sie sich nicht wiederholten oder in irgendeiner Weise als Werk Voldemorts herausstellten. In dieser Nacht lag er noch lange wach und als er gegen Morgen dann doch endlich einschlief, träumte er von einem lachenden Mädchen, an dessen Gesicht er sich nach dem Aufwachen nicht mehr erinnern konnte. Als er sich fertig angezogen hatte und zum Frühstück hinunter ging, war es bereits später Vormittag. Ron musste lange vor ihm aufgestanden sein, denn während Harry noch seinen Kakao schlürfte, den Mrs. Weasley für ihn warm gehalten hatte, waren er, Hermione und Ginny bereits vollauf damit beschäftigt, einen Stapel Flugblätter so zu verhexen, dass die Aufschrift erst beim Antippen mit einem Zauberstab sichtbar wurde. Im Gegensatz zum letzten Jahr hatte man die Jugendlichen mit wesentlich mehr Arbeit betraut, zu den Ordenssitzungen ließ man sie jedoch noch immer nicht zu. Glücklicherweise hatten Fred und George, die im Moment zu beschäftigt mit dem Aufbau ihres Scherzartikel-Geschäfts in der Winkelgasse waren, um allzu oft vorbeikommen zu können, einige ihrer verlängerten Ohren zurückgelassen, so dass zumindest Gespräche, die inoffiziell in der Küche stattfanden zum Teil mitgehört werden konnten. "Soll ich euch helfen?" erbot sich Harry, der gerade sein Geschirr in der Spüle abgestellt hatte und nun auf keinen Fall einfach herumsitzen wollte, während alle anderen beschäftigt waren. "Wäre super! Dann können wir gleich ein bisschen über meinen Trainingsplan quatschen, den ich den Sommer über ausgearbeitet habe..." "Ron! Wir sollen diese Flugblätter hier verhexen und nicht deine neuerworbenen Quidditchfähigkeiten diskutieren! Außerdem hat Harry jetzt ohnehin keine Zeit!" "Stimmt ja!" Ron schlug sich an die Stirn. "Harry, ausnahmsweise hat Hermione einmal recht!" "Ausnahmsweise?!" Ginny zog eine Augenbraue hoch und warf ihrem Bruder einen Blick zu, der so ziemlich alles bedeuten konnte. "Wie auch immer", beendete Hermione das Thema. "Remus will unbedingt mit dir sprechen. Ich habe keine Ahnung, worum es geht, aber er sagte, du sollst ihn im Büro treffen." "Büro?" Harry konnte sich nicht erinnern, dass es im Hauptquartier einen Raum gab, den man tatsächlich hätte als "Büro" bezeichnen können, allerdings schien sich überhaupt so einiges verändert zu haben, seit Sirius... seit dem letzten Mal, als er hier gewesen war. "Ist neu! Erster Stock, zweite Tür links... sag mal, weißt du, was er von dir will?" Mit einem Mal bereute Harry, dass er Ron am Abend zuvor nichts von dem Gespräch mit Tante Petunia erzählt hatte. Jetzt war es natürlich zu spät die Wahrheit zu sagen, eine glaubhafte Lüge fiel ihm auch nicht ein und so antwortete er einfach: "Keinen blassen Schimmer..." und machte, dass er aus der Küche kam, bevor er rot wurde. Er war gerade dabei, die Treppe hinaufzugehen, als er eine Stimme hinter sich hörte, die ihm ungewöhnlich bekannt vorkam. "Mr. Harry Potter, Sir!" Harry drehte sich etwas zu schwungvoll um und wäre sicherlich die Treppen hinuntergefallen, wenn er sich nicht im letzten Moment am Geländer hätte festhalten können. "Dobby! Was machst denn du hier?" In Wahrheit interessierte ihn das nicht im Geringsten, zumindest nicht so lange, wie er nicht mit Remus gesprochen hatte, doch das konnte er den Hauselfen natürlich nicht merken lassen. Die harten Worte, die Dumbledore über Sirius' Verhalten gegenüber Kreacher, Dobbys verräterischem Vorgänger am Grimmauld Place verloren hatte, lagen ihm noch immer schwer im Magen und obwohl er es sich niemals eingestanden hätte, wusste er doch inzwischen, dass der Schulleiter recht gehabt hatte. "Dobby arbeitet jetzt im Hauptquartier, Mr. Harry Potter, Sir! Zusammen mit Winky. Oh Sir ahnen gar nicht, wie viel besser es Winky geht!" Der kleine Hauself strahlte über das ganze Gesicht und Harry kam nicht umhin, sich wenigstens ein bisschen mit dem gutherzigen Wesen zu freuen. Mit ihm würde es am Grimmauld Place sicher um einiges fröhlicher zugehen, als mit dem permanent säuerlich dreinblickenden Kreacher. "Das freut mich, Dobby! Ich würde ja gerne noch ein wenig mit dir plaudern, aber ich habe jetzt wirklich keine Zeit..." "Dobby versteht das, Mr. Harry Potter, Sir. Dobby muss selbst noch viele Dinge erledigen." "Dann bis später, Dobby." Damit hastete er die Treppe hinauf, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Oben angekommen versuchte er sich zu erinnern, welche Tür er nun nehmen sollte. War es die zweite links gewesen? Oder doch rechts? Für einen Moment war er ratlos, dann beschloss er, aufs Geradewohl eine der beiden Türen zu öffnen. Offensichtlich war es die Falsche gewesen, denn er fand sich in einem abgedunkelten Raum wieder, der auf den ersten Blick völlig leer zu sein schien. Anscheinend handelte es sich um eines der vielen Zimmer in dem Haus, das einst die alte und ehrwürdige Familie Black bewohnt hatte, die nicht mehr benutzt wurden und nun einfach leer standen. Eben wollte er die Tür wieder schließen, als ihn das seltsame Gefühl überkam, nicht allein zu sein. Er ging einen Schritt in den Raum hinein, mehr um sich davon zu überzeugen, dass er sich irrte, als dass er wirklich glaubte, dass sich dort jemand befand. Nachdem sich seine Augen etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er sehen, dass das Zimmer nicht völlig leer war. In einer Ecke standen ein Bett, daneben ein Stuhl und ein kleiner Tisch. Noch bevor er die schwachen, unregelmäßigen Atemzüge hörte, wusste Harry, wo er sich befand. Das hier musste Snapes Krankenzimmer sein. Aber hatte Ron nicht gesagt, Poppy wäre die ganze Zeit dort und würde niemanden zu ihm lassen? Eigentlich sagte er sich, dass ihm Snape so egal wie nur irgendetwas war und er genauso gut gleich wieder verschwinden konnte, dann aber siegte die Neugier und er entschloss sich, wenigstens einen kleinen Blick auf das zu werfen, was von seinem verhassten Zaubertränkelehrer übrig geblieben war. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich und ging auf Zehenspitzen zu Snapes Bett hinüber. Im Grunde war es ihm gleich, ob er ihn nun störte oder nicht, viel eher wollte er vermeiden, dass man ihn entdeckte, denn nach dem zu urteilen, was Ron und Hermione ihm gestern Abend erzählt hatten, wäre wohl weder Madam Pomfrey noch Molly Weasley besonders davon angetan, ihn hier zu finden. Zuerst verstand er nicht, warum man so ein Aufhebens darum machte, wie Voldemort Snape zugerichtet hatte und wie beängstigend es doch wirkte, ihn so daliegen zu sehen. Im Gegensatz zu Schwerkranken und Unfallopfern, die er aus dem Fernsehen kannte, gab es weder Infusionsschläuche noch Beatmungsmaschinen oder Monitore, die Herzströme und Gehirntätigkeit aufzeichneten. Stattdessen standen auf dem kleinen Tisch mehrere Flaschen unbekannten Inhalts, außerdem etwas, das Harry an einen herkömmlichen Verbandskasten erinnerte, der jedoch ein etwas ungewöhnliches Innenleben hatte. Es raschelte und zischte und für eine Weile war er so gefesselt von dem auf dem Tisch hin und herrutschenden Koffer, dass er Snape beinahe völlig vergessen hätte, wenn dieser nicht begonnen hätte, auf eine schleppende und röchelnde Art und Weise zu atmen, die sogar auf Harry hochgradig ungesund wirkte. Erst jetzt, bei näherem Hinsehen fiel ihm auf, dass der Mann, der vor ihm lag, nicht mehr viel mit dem Lehrer zu tun hatte, der sie während ihres ersten Schuljahres in Hogwarts allesamt in Angst und Schrecken versetzt hatte. Vielleicht waren es auch nur die schwarzen Roben gewesen, die ihn hatten so imposant erscheinen lassen, jetzt jedoch sah er einfach nur krank und sehr, sehr dünn aus. Er war Harry schon immer als eher hager erschienen, aber erst jetzt, als er seine nackten Arme und den beinahe komplett bandagierten Oberkörper unter der Decke hervorlugen sah, wurde ihm klar, dass Snape nicht erst seit den kaum zwei Tage zurückliegenden Folterungen Voldemorts, sondern wohl schon seit Längerem aus nichts als Haut und Knochen bestand. Die Bettdecke war mit Flecken übersät, die von den Verbänden im Brust- und Schulterbereich zu stammen schienen und unangenehm an Blut erinnerten. Harry zögerte für einen Moment, bevor er einen Blick auf Snapes Gesicht warf, sah dann aber doch hin - und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Das Einzige, was noch entfernt an den Severus Snape erinnerte, den er einmal gekannt zu haben glaubte, war die überlange Hakennase. Alles andere war eine krude Mischung aus vergeblich angelegten, von Blut durchtränkten Binden, Blutergüssen, blauen und grünen Flecken sowie golfballgroßen Schwellungen, die sich dort befanden, wo er die Augen vermutete. Er spürte Übelkeit in sich aufsteigen, die schließlich so stark wurde, dass er glaubte, ohnmächtig zu werden. Seine gesamte Umgebung verschwamm zu einem rötlich-grauen Schleier, der sich zu seiner großen Erleichterung jedoch nach wenigen Sekunden wieder lichtete. Ohne genau zu wissen, was er eigentlich tat, wandte Harry sich mit einer ruckartigen Bewegung ab und stürmte von Panik ergriffen davon. Er kam ungefähr bis zur Mitte des Raumes, als seine Beine ihm mit einem Mal den Dienst versagten und er wie angewurzelt stehen blieb. "Harry..." Nein, dachte er, nicht schon wieder. "Harry, du musst kommen... musst zuhören..." Er wehrte sich, stemmte sich mit aller Kraft dagegen - und verlor am Ende doch. Obwohl er eine Angst in sich verspürte, die ihm fast die Luft zum Atmen nahm, drehte er sich langsam um. Das Augenpaar, dass ihn durch die Dunkelheit hindurch anstarrte, gehörte ganz sicher nicht Snape oder irgendeinem anderen lebenden Wesen, dessen war Harry sich sicher. Er hätte diesen Blick aus dem unirdisch weißen Gesicht mit den blutroten Lippen unter Tausenden erkannt, so tief hatte sich jene erste Begegnung auf der Lichtung in sein Gedächtnis eingegraben. Das Mädchen sah noch immer genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte, trotzdem war diesmal alles anders. Auf Dudleys Party waren trotz aller Schrecken die Grenzen zwischen Traum und Realität klar erkennbar gewesen, hier jedoch verschwammen tatsächliche Umgebung und Vision zu einem grotesken, schauderhaften Ganzen, das Harry an seinem Verstand zweifeln ließ. "Harry... bitte... ich kann nicht länger..." Er wollte sie nicht hören, wollte ihr flehende Stimme aus seinem Kopf verbannen, die wie aus weiter Ferne zu ihm zu sprechen schien, doch er war zu schwach, um gegen sie anzukämpfen. Aber welche Chance hätte er auch gehabt, wenn er es nicht einmal fertig brachte, seine Augen zu schließen oder seine Beine dazu zu bringen, ihm wieder zu gehorchen? "Harry Potter!" Oh nein! Nun hörte er nicht nur eine einzige Stimme, sondern gleich mehrere, die von verschiedenen Seiten auf ihn eindrangen. "Was haben Sie hier drin verloren?!?! Habe ich nicht AUSDRÜCKLICH gesagt, dass Professor Snape auf keinen Fall gestört werden darf!" Harry fühlte, wie sich der Raum um ihn herum zu drehen begann und erst damit aufhörte, als ihn jemand an den Schultern packte und schüttelte. "Hey, was ist mit Ihnen? Glauben Sie nur nicht, mit dieser Masche kommen Sie bei mir durch! Das hier ist nicht Hogwarts, wo Sie ja eine gewisse Narrenfreiheit zu genießen scheinen, sondern ein Krankenzimmer!" Völlig verwirrt stellte Harry fest dass er sich in Gegenwart von Madam Pomfrey, der Krankenschwester von Hogwarts befand, die man zum Grimmauld Place beordert hatte, um sich dort vorerst um Snape zu kümmern und die ihn nun mit einem äußerst beunruhigenden Gesichtsausdruck bedachte. Wahrscheinlich hätte er noch einer ganze Weile ihre Schimpftiraden über sich ergehen lassen müssen, wenn ihm Remus Lupin nicht zur Hilfe gekommen wäre. "Madam Pomfrey, Harry! Ich habe dich bereits gesucht!" "So so. Mister Lupin, ich denke, Potter und ich haben hier noch einiges zu besprechen, bevor..." "Nun einmal langsam und der Reihe nach. Was ist hier eigentlich los?", fragte Lupin der als einziger Herr der Situation zu sein schien, mit ruhiger Stimme. "Das kann ich Ihnen sagen: Mister Potter konnte seine Neugierde wieder einmal nicht im Zaum halten und so habe ich ihn gerade eben dabei erwischt, wie er in Professor Snapes Krankenzimmer herumgeistert!" "Ist das wahr?" "Nein...", würgte Harry hervor, der noch immer nicht wieder in Besitz seiner sieben Sinne war. " Nein, das... das war keine Absicht. Ich habe das Büro gesucht und bin dabei wohl in das falsche Zimmer geraten..." "Und das soll ich Ihnen glauben?!" Poppy schien nahe daran zu sein, die Beherrschung zu verlieren. "Aber Madam Pomfrey! Harry ist noch nicht einmal seit vierundzwanzig Stunden im Haus. Wie soll er denn jetzt schon mit den neuen Gegebenheiten vertraut sein, ganz zu Schweigen von den räumlichen Veränderungen? Soweit ich mich erinnere, ist das Büro bei seinem letzten Besuch noch nicht hier gewesen..." Er wies zur gegenüberliegenden Tür, "... man kann es ihm also nicht übel nehmen, dass er sich bei dieser Menge an Zimmern hier mal verlaufen hat. Das passiert uns doch allen ständig, nicht wahr?" Während Lupin das sagte, lächelte er Poppy auf eine derart entwaffnende Art und Weise an, dass sie wohl gar nicht anders konnte, als sich wieder zu beruhigen und ihm zumindest für den Augenblick Recht zu geben. "Wenn Sie das sagen... trotzdem leben wir hier im Moment in einer Art, nun ja, Ausnahmezustand, was auch ein Harry Potter zu respektieren hat!" "Sicherlich. Aber Harry und ich haben etwas sehr Wichtiges zu besprechen und da ich heute noch weg muss, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ihn vorerst entschuldigen könnten." Die Krankenschwester blickte zwar nach wie vor skeptisch drein, nickte aber schließlich, wenn auch nicht ohne Harry vorher noch einen warnenden Blick zuzuwerfen. "In Ordnung. Aber wir sprechen uns noch! Mir scheint, Sie müssen noch über gewisse Grundregeln in diesem Haus aufgeklärt werden. Guten Tag!" Kapitel 6: Verschollen ---------------------- "So ..." Remus schloss die Tür hinter sich und bot Harry einen Platz vor dem schweren Eichenholzschreibtisch an, der beinahe das ganze Büro einnahm. Er selbst ließ sich ihm gegenüber nieder und für einen Moment hatte Harry beinahe das Gefühl, er säße in einem seiner Gespräche mit Dumbledore - nur dass der Gesprächspartner ein völlig anderer war. Remus Lupin hatte nichts von Albus Dumbledores ruhiger Autorität und seiner fröhlichen Gelassenheit, die er im letzten Schuljahr zum ersten Mal erschüttert gesehen hatte . Stattdessen strahlte der Freund seines Vaters eine stille Traurigkeit aus. Für einen Mann, der noch nicht einmal vierzig Jahre erlebt hatte, sah er fraglos viel zu alt aus: Sein ehemals hellbraunes Haar war inzwischen bis auf wenige Strähnen schlohweiß geworden und Schicksalsschläge sowie persönliche Verluste hatten tiefe Sorgenfalten in sein schmales, ausgezehrtes Gesicht eingegraben. Als er Harry nun ansah, lächelte er matt und zog einen Schokoladenriegel aus einer der Schubladen, den er ihm auffordernd hinhielt. "Hier... ich denke, die kannst du jetzt gut gebrauchen." "Danke." Er hatte beinahe vergessen, dass Remus Schokolade als Allheilmittel anzusehen pflegte. Ganz Unrecht konnte er damit aber schlussendlich nicht haben, zumindest glaubte Harry, sich um einiges besser zu fühlen, nachdem er den Riegel hinuntergewürgt hatte. "Besser?" Harry nickte, den Mund noch immer voller Schokolade. Sie schwiegen für eine Weile, dann fragte Lupin mit unverhohlener Bitterkeit in der Stimme: "Verstehst du jetzt, was ich gestern am Telefon meinte? Als ich sagte, dass es Dinge gäbe, schlimmer als der Tod?" Harry dachte an Snapes blutiges Gesicht, den eingedrückten Brustkorb und die durchgeweichten Binden und war beinahe gewillt, seinem Gegenüber Recht zu geben. Trotzdem war er sich noch immer nicht sicher, ob Snape nicht genau dieses Schicksal auch verdient hatte. War er nicht ein Todesser gewesen und ging nicht auch Sirius' Tod, wenn schon nicht ganz dann doch zumindest zum Teil auf sein Konto? Nein, er konnte kein Mitleid empfinden - vielleicht Entsetzen über die Grausamkeit, mit der Menschen einander behandelten, aber kein Mitleid. Nicht mit diesem Mann... Harry starrte auf die Tischplatte , er hätte Remus in diesem Moment nicht ins Gesicht sehen können. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war ein Streit mit dem Zauberer, der seine einzige Verbindung mit der Vergangenheit und damit auch zu seinen Eltern und Sirius darstellte. So schwieg er und wartete darauf, dass Lupin von selbst den Anfang machte. "Ich habe es so gehalten, wie du es von mir verlangt hast und nicht mit Professor Dumbledore gesprochen... aber um ehrlich zu sein... Also mir ist nicht ganz wohl dabei, Harry..." Lupin presste seine gefalteten Hände so fest zusammen, dass die Knöchel weiß hervortraten. "Dumbledore braucht nicht zu wissen, dass dieses Gespräch jemals stattgefunden hat." Harry versuchte seinen inneren Aufruhr hinter falscher Selbstsicherheit zu verstecken. Langsam, aber sicher, begann er ungeduldig zu werden, nicht zuletzt deshalb, weil er nicht verstand, wo genau eigentlich die Brisanz dieses Themas lag und warum man ihm diese Tante über die Jahre hinweg verschwiegen hatte. "Das setzt voraus, dass du die Dinge, die ich dir sagen könnte, so hinnehmen wirst, wie sie sind - das heißt keine weiteren Nachforschungen anstellst. Nimm es mir nicht übel, aber ich habe da so meine Bedenken." "Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, was du meinst." "Was hat dir deine Tante Petunia erzählt?" Harry gab das Gespräch mit Petunia Dursley so gut wieder, wie er konnte, bemüht, auch nur ja kein Detail auszulassen. Als er geendet hatte, stellte er überrascht fest, dass Lupin die Verblüffung ins Gesicht geschrieben stand. "Bist du dir ganz sicher, dass es sich bei der Frau in dem Gespräch um die Schwester deines Vaters handelt?" "Wenn Petunia die Tatsachen nicht verdreht hat..." Was sie leider nur zu oft tat, dachte Harry im Stillen. "Ehrlich gesagt sind mir diese Informationen völlig neu. Ich weiß nichts von einem Mord oder einem rätselhaften Todesser. Nein, so weit mir diese Geschichte bekannt ist, verschwand deine Tante Florence in Venezuela, nicht lange, bevor du geboren wurdest." "Venezuela?" "Nun gut...", seufzte Remus, "... ich habe ohnehin schon zuviel gesagt, dann kannst du auch gleich den Rest von dem erfahren, was ich weiß - auch wenn das nicht eben viel ist, wie du schnell bemerken wirst. Ich habe Florence nicht besonders gut gekannt - aber das hat wohl keiner von uns, nicht einmal James. In Hogwarts war sie im Jahrgang unter uns, eine Ravenclaw, sehr intelligent und eine hervorragende Quidditchspielerin. Hier enden die Gemeinsamkeiten mit deinem Vater auch schon, denn Harry, was immer du auch in Severus' Denkarium gesehen hast, James war ein lebenslustiger Mensch und ganz sicher der beste Freund, den man sich wünschen konnte." Harry war, als würde eine alte Wunde in ihm wieder aufgerissen werden, doch er zwang sich nichts zu erwidern und stattdessen weiter zuzuhören. "Flo hingegen war... schwierig. Sie ließ niemanden an sich ran, weder in Hogwarts noch zuhause und ich glaube, sie legte auch keinen besonderen Wert auf Gesellschaft. Sirius hat zwar... nun ja, jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass sie jemals enge Freunde gehabt hätte, es sei denn..." Lupin zögerte für einen Augenblick. "...es sei denn, sie hatte welche, von denen wir keine Ahnung hatten, was ich mir nun aber ehrlich gesagt, nicht vorstellen kann." Für Harrys Begriffe hatte er das viel zu schnell gesagt, so, als wolle er etwas vor ihm verbergen. Harry hätte gerne weiter nachgebohrt, doch sein Instinkt sagte ihm, dass er seine Bedenken besser für sich behielt, wenn er wollte, dass Remus mit seiner Erzählung fortfuhr. "Sie schloss als Beste ihres Jahrgangs ab, soweit ich mich noch erinnern kann, allerdings ohne jemals Vertrauensschülerin oder gar Schulsprecherin gewesen zu sein. Dein Großvater hätte sie damals gerne im Ministerium gesehen, doch sie ließ sich nichts sagen und fing beim Tagespropheten als Reporterin an. Es gab wohl einen riesigen Streit zuhause, auf jeden Fall konnte auch James sie nicht daran hindern, von Godric's Hollow nach London zu ziehen. Dort lebte sie gut zwei Jahre, während der ich sie nur einmal zu Gesicht bekam - und das durch Zufall, weil ich sie beim Einkaufen in der Winkelgasse traf. Den Kontakt zu den Potters hatte sie völlig abgebrochen - sie sahen und hörten nichts mehr von ihr, bis sie eine Eule vom Tagespropheten erhielten, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass Florence bei Recherchearbeiten in Venezuela verschollen sei ..." "Aber wie passt das zu dem, was meine Tante gesagt hat? Dass sie umgebracht worden ist..." Lupin überlegte für einen Augenblick, bevor er schließlich antwortete. "Nun, natürlich ist anzunehmen, dass sie tot ist. Menschen verschwinden nicht so einfach und Venezuela ist sicher kein ungefährliches Land. Allerdings, und das gebe ich auch unumwunden zu, hat James zumindest mir gegenüber nie etwas von einem Mord oder Todessern erwähnt, die in die Sache verwickelt gewesen sein könnten." "Das verstehe ich nicht. Wo liegt der Zusammenhang zwischen Tante Petunias Geschichte und dem, was wirklich passiert ist?" "Vielleicht gibt es ja gar keinen! Ich bitte dich, Harry, vergiss das Ganze einfach. Seit all dem sind mehr als sechzehn Jahre vergangen und du könntest die Dinge wahrscheinlich ohnehin nicht mehr ändern. - selbst wenn ans Licht käme, was damals tatsächlich passiert ist!" Harry verstand sehr wohl, dass Remus das Thema als für beendet betrachtete, er selbst jedoch wollte so schnell nicht locker lassen. "Hat man denn nie nach ihr... nach Florence gesucht?" "Nun ja, deine Großeltern waren damals beide schon sehr krank, es war also völlig ausgeschlossen, dass sie selbst nach Venezuela reisten. Was deinen Vater angeht... genaugenommen weiß ich nicht, ob er etwas unternommen hat. Er und Florence standen sich nie besonders nahe, außerdem warst du gerade unterwegs..." "Aber sie war doch seine Schwester! Wie konnte er ihr gegenüber nur so... so gleichgültig sein?!?" Was war sein Vater nur für ein Mensch gewesen, dass er sich nicht einmal seiner eigenen Schwester gegenüber verpflichtet gefühlt hatte? Es hatte ihn bereits schwer mitgenommen, als er ihm im letzten Jahr dabei hatte zusehen müssen, wie er Snape ohne Grund auf dem Schulgelände angriff, das hier jedoch, diese offensichtliche Gefühllosigkeit traf ihn noch um einiges härter. "Ich weiß, was du jetzt denkst, aber so war es sicher nicht. James und Florence..." "Ihr wisst immer alles, nicht wahr?", brüllte Harry in einem plötzlichen Ausbruch von Frust und Ärger, der sich während des gesamten Gespräches in ihm aufgestaut hatte. "Nur weil ihr damals meinen Vater angebetet habt, könnt ihr nicht von mir verlangen, dass ich das Gleiche tue. Eure fadenscheinigen Entschuldigungen sind genug, hörst du: Genug!" Er sprang so heftig auf, dass er dabei den Stuhl umwarf, auf dem er zuvor gesessen hatte. Schwer atmend stützte er sich mit beiden Armen auf dem Schreibtisch auf, vergeblich bemüht, sein Temperament unter Kontrolle zu halten. Warum konnte Remus nicht ebenfalls aufstehen und ihn anbrüllen? Wem glaubte er jetzt noch zu helfen, wenn er einfach nur regungslos dasaß und Harry mit mitleidsvoller Miene anblickte? James... Sirius? Harry schlug mit der Faust auf den Tisch und presste die Augen zusammen. Während all der Wochen, die seit dem Tod seines Paten vergangen waren, hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich weinen zu können, doch er hatte keine Tränen gehabt - bis zu diesem Moment. Teils erschrocken von seiner ungewöhnlich heftigen Reaktion, teils, weil er sich plötzlich nichts sehnlicher wünschte, als allein zu sein, wandte er sich ab und stürmte aus dem Büro, ohne dabei auf Lupins Versuche zu achten, ihn zurück zu halten. Kapitel 7: Versprochen ist versprochen -------------------------------------- "Harry, bist du da drin?" Keine Antwort. "Harry, ist alles okay mit dir?" Für einen Moment überlegte er, ob sie wieder gehen würde, wenn er sie einfach ignorierte. Leider bewies er sich damit nur ein weiteres Mal, wie schlecht er doch Hermione Granger kannte, denn nachdem er auch auf wiederholtes Klopfen und Rufen nicht reagierte, kam sie schlicht und ergreifend ins Zimmer und setzte sich zu ihm auf den Bettrand. Obwohl er wusste, dass er sich in seinem Weltschmerz benahm wie ein trotziges Kleinkind, tat er weiterhin so, als sei sie nicht da und blieb regungslos auf dem Bauch liegen, das Gesicht zwischen den Armen vergraben. "Remus hat uns erzählt, was passiert ist", sagte Hermione ruhig. Als er immer noch nicht reagierte, fügte sie hinzu: "Es tut uns allen wirklich leid. Das mit deiner Tante, meine ich. Und das mit deinem Vater." Harry hätte sie am liebsten angeschrieen, sie solle aufhören und ihn endlich in Ruhe lassen, doch die Genugtuung, sie merken zu lassen, dass er ihr überhaupt zuhörte, wollt er ihr auch nicht gönnen und so schwieg er einfach weiter. "Harry, Ron und ich wissen, dass wir dir in dieser Sache nicht weiterhelfen können. Damit musst du alleine fertig werden. Falls du jedoch die Wahrheit herausfinden willst... falls du wissen willst, wie die Dinge damals wirklich lagen, dann kannst du darauf zählen, dass wir dich unterstützen werden, so gut wir können... Tja, mehr wollte ich eigentlich gar nicht sagen. Ich lasse dich dann besser wieder alleine. Wir sind unten in der Küche - falls du uns suchen solltest." Damit stand sie auf und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. "Hermione, bitte warte!" Es hatte ihn einige Überwindung gekostet, doch nach allem, was sie gesagt hatte, konnte er sie nicht einfach wieder gehen lassen. Mühsam setzte er sich auf und rieb sich die noch immer verklebten Augen. Er war sich völlig im Klaren darüber, dass er furchtbar aussehen musste, mit seinem vom Weinen verquollenen Gesicht und den noch wirrer als sonst vom Kopf abstehenden Haaren, doch es war ihm egal - wenigstens sagte er sich, dass es das sein sollte. Doch warum dachte er dann überhaupt erst darüber nach? "Was ist?" "Danke." "Wofür?" "Dass du raufgekommen bist... und gesagt hast, dass ihr mich unterstützen würdet, wenn... falls ich..." Er konnte nur schwer in Worte fassen, was ihm Hermiones Versprechen, ihm zu helfen bedeutete. Sie, die doch immer die Vernünftigste von ihnen gewesen war, hatte ihm versprochen dabei zu helfen, Nachforschungen über Florence Potter anzustellen, auch wenn ihr Remus mit ziemlicher Sicherheit von seinen Befürchtungen erzählt hatte, dass jemand, insbesondere Harry, die Geschichte noch einmal aufrollen könnte. "Schon in Ordnung... das würde doch jeder tun... für seine Freunde..." Zu Harrys Erstaunen wurde sie rot wie eine reife Tomate. Hatte er vor nun mehr zwei Jahren beim Ball anlässlich des Trimagischen Turniers festgestellt, dass sie sich über die Jahre zu einer, wenn schon nicht besonders hübschen, dann doch recht ansehnlichen jungen Frau entwickelt hatte, so entdeckte er jetzt, dass sie geradezu unglaublich interessant aussah, wenn sie einmal ihre sonst so unerschütterliche Selbstsicherheit verlor. Die folgenden Tage verliefen recht ereignislos, wenn man einmal von der Standpauke absah, die Madam Pomfrey Harry ob seines Besuches in Snapes Krankenzimmer hielt. Es dauerte eine ganze Weile, sie davon zu überzeugen, dass sein Verhalten ganz sicher keine Absicht und er lediglich auf der Suche nach dem Büro gewesen war, allerdings zeigte sich die resolute, jedoch ansonsten sehr gutherzige Krankenschwester versöhnlich und nahm Harrys Entschuldigung mit einem Lächeln an. Von der Vision des toten Mädchens hatte er noch immer niemandem erzählt, nicht einmal Ron und Hermione, mit denen zusammen er einen Großteil seiner Zeit verbrachte und welchen er sich so nah fühlte, wie schon lange nicht mehr. Wenn sie nicht gerade dabei waren, irgendwelche Arbeiten für den Orden zu verrichten, saßen sie meistens im Zimmer der Jungen und diskutierten wieder und wieder über all die Ungereimtheiten, was Florence Potters mysteriöses Verschwinden und die Beziehung zu ihrer Familie betraf. Dabei kamen sie aber genau wie Harry zuvor zu dem Schluss, dass entweder Petunias Geschichte zumindest teilweise falsch war, oder dass es Dinge gab, von denen sie bisher noch nichts wussten und die letztendlich den Schlüssel zum Geschehen darstellten. Da ein weiteres Gespräch mit Remus Lupin ohnehin sinnlos gewesen wäre, beschlossen sie, Rons Eltern bei Gelegenheit einmal nach Florence zu fragen, auch wenn es unwahrscheinlich war, dass sie ihnen wesentlich mehr würden sagen können. Insgesamt stellte es sich als recht schwierig heraus, einen Ansatzpunkt für ihre Spurensuche zu finden, besonders weil sie mit dem, was sie unternahmen nicht allzu viel Aufsehen erregen wollten. In einer kurzen Unterhaltung mit Lupin hatte Harry nämlich, wenn schon nicht versprochen, dann doch zumindest durchscheinen lassen, dass Florence Schicksal ihn nicht besonders interessierte und er sich lieber auf das nächste Schuljahr vorbereiten würde, als sich weiterhin mit einer Sache zu befassen, an der er ohnehin nichts mehr ändern konnte. Natürlich hatte er nicht wirklich vor, den Rest der Ferien mit Lernen zu verbringen, allerdings verschenkte er mehr als einen Gedanken an die Ergebnisse seiner O.W.L. - Prüfungen. Mehrmals hatte er versucht, das Gespräch auf dieses Thema zu lenken, jedoch ohne erkennbaren Erfolg. Weder Ron noch Hermione schienen den ebenso begehrten wie gefürchteten Umschlag mit den erreichten Noten bereits erhalten zu haben, seltsamerweise kümmerten sie sich aber auch nicht sonderlich darum. Nicht einmal Hermione, die gewöhnlich unter Strom stand, wenn es um schulische Belange ging, machte diese für Hogwarts ungewöhnliche Verzögerung unruhig, ganz abgesehen von Ron, der geradezu überglücklich zu sein schien, nicht mit den unerfreulichen Aspekten seiner Schulzeit in Hogwarts belastet zu werden. Zwar träumte auch er, ebenso wie Harry, von einer Karriere als Auror, im Gegensatz zu diesem sah er die Sache jedoch um einiges gelassener. Seit Neuestem erwog er außerdem, sehr zum Missfallen seiner Mutter ins Scherzartikelgeschäft seiner beiden Brüder, den Zwillingen Fred und George einzusteigen, die zur Verwirklichung ihres Traumes im letzten Jahr die Schule geschmissen hatten. Harry schätzte sich alles in allem nicht einmal schlecht ein, die nötigen Ergebnisse in Verwandlung und in Verteidigung gegen die Dunklen Künste würde er auf jeden Fall erreichen, lediglich Zaubertränke bereitete ihm einige Sorgen. Zwar war die Prüfung nicht wirklich schiefgelaufen, allerdings hatte er von McGonagall erfahren, dass Snape nur Schüler mit einem "O" weiter unterrichtete, ein "E" also schon das Ende seines Berufswunsches bedeutet hätte - ein N.E.W.T. in Zaubertränke war für eine Ausbildung als Auror nahezu unerlässlich. Natürlich hatte sich die Sachlage etwas geändert, da Snape, die Quelle allen Übels, noch immer schwerverletzt im Koma lag, doch selbst wenn er im neuen Schuljahr nicht als Lehrer nach Hogwarts zurückkehrte bestand noch immer die Möglichkeit, dass sein Nachfolger die Vorgaben übernahm und sich damit nichts an Harrys Situation änderte. Mit diesen düsteren Zukunftsaussichten im Hinterkopf war er für jedes auch noch so kleine bisschen Ablenkung dankbar, selbst wenn es sich um die undankbare Aufgabe handelte, Mrs. Weasley beim Herstellen größerer Mengen eines Trankes zu helfen, der im Winter gegen das Hinterlassen von Fußspuren im Schnee helfen sollte. Er war gerade dabei, eine höchst übelriechende Brennnesselart in kleine Stücke zu hacken, als Ron in die Küche gestürmt kam. "Mum, Harry! Professor Dumbledore und Professor McGonagall sind hier!" "Danke für die Ankündigung, Mr. Weasley, aber ich denke, der Direktor und ich können uns ganz gut von selbst bemerkbar machen." Obwohl die Worte keinesfalls scharf ausgesprochen wurden und ganz sicher als Scherz gemeint waren, sah Harry seinen besten Freund erröten, als Minerva McGonagall, dicht gefolgt von Albus Dumbledore die Küche betrat. Beide trugen schwere, weite Reiseumhänge und sahen ausgesprochen müde aus. "Guten Abend, Molly, schön dich zu sehen, Harry!" Harrys Herz setzte für einen Sprung aus. Er hatte dem Schulleiter nicht mehr persönlich gegenübergestanden , seit er nach Sirius Tod mit gemischten Gefühlen sein Büro verlassen hatte und obwohl er vieles, was er damals gesagt hatte, noch immer als gut und richtig erachtete, so bereute er doch zutiefst, dass er Dumbledore angeschrieen und nicht das geringste bisschen Verständnis für seine Situation gezeigt hatte. Nie hatte der Direktor so alt und traurig ausgesehen, wie in dem Moment, als er Harry gestanden hatte, dass er ihn nur aus Sorge und Zuneigung nicht zum Vertrauensschüler ernannt hatte. Nun, als er dem Zauberer, dem er so viel verdankte wie kaum einem anderen, erneut gegenüberstand, wusste er weder, was er sagen, noch wie er reagieren sollte. "Guten Abend, Professor Dumbledore, guten Abend, Professor McGonagall." Mehr brachte er nicht heraus, doch glücklicherweise schien man auch nicht mehr von ihm zu erwarten, denn Molly Weasley hatte sich inzwischen ihre verklebten Hände gewaschen und streckte sie nun ihren beiden Gästen zur Begrüßung hin. Harry konnte sehen, wie der Direktor ihm noch einmal hinter seinen halbmondförmigen Brillengläsern zuzwinkerte, bevor er sich Mrs. Weasley zuwandte. "Wie geht es ihm?" Seine Stimme klang unzweifelhaft besorgt. "Unverändert - bis auf das Fieber, das letzte Nacht dazugekommen ist. Aber Madam Pomfrey wird Ihnen da sicher mehr sagen können. Ich nehme doch an, dass Sie..." "Ich werde gleich raufgehen und mit ihr reden." "Ich komme nach, Albus. Nachdem ich eine kleine Unterhaltung mit Mr. Potter hier hatte." "Ach ja, natürlich." Ein Lächeln huschte über das von Sorgen verschleierte Gesicht Dumbledores und Harry fragte sich unwillkürlich, was ihm seine Hauslehrerin zu sagen haben könnte, das seine der Situation unangemessene Heiterkeit rechtfertigte. Es sollte nicht lange dauern, bis er die Antwort auf diese Frage erfuhr, denn genau wie vorher Remus Lupin bat ihn Professor McGonagall ins Büro, um eine "wichtige Angelegenheit" mit ihm zu besprechen. Auf dem Weg dorthin begegneten sie erneut dem Schulleiter, diesmal in Begleitung Poppy Pomfreys, die ihn anscheinend aus Snapes Zimmer heraus auf den Gang komplimentiert hatte, um ihn mit einem resignierten Schulterzucken den Stand der Dinge beizubringen. Harry schnappte einige Satzfetzen auf, die sinngemäß besagten, dass die Wunden entweder aufgrund eines Fluches oder aber des schlechten Allgemeinzustandes des Patienten gar nicht oder nur sehr langsam heilten, dann wurde er von seiner Lehrerin sanft, aber bestimmt in Richtung Büro weitergeschoben. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie den Stock, auf den sie sich nach ihrem Aufenthalt in St. Mungo's hatte stützen müssen, nicht mehr zu brauchen schien. "Ich nehme an", begann sie schließlich, als beide Platz genommen hatten, "dass Sie sich bereits gefragt haben, wo Ihre Prüfungsergebnisse abgeblieben sind." "Nun ja, da Ron und Hermione auch noch keine..." " Ich bin Mr. Weasley und Miss Granger zu großem Dank verpflichtet. Zunächst einmal dafür, dass sie geschwiegen haben." Harry fühlte Enttäuschung in sich aufsteigen. Sie hatten ihn also wieder getäuscht und angelogen - wie im Jahr zuvor. "Und dann natürlich dafür, dass sie geradezu darauf bestanden haben, ihre eigenen Ergebnisse nicht vor den Ihren zu erhalten." McGonagall lächelte, als habe sie seine Gedanken genau erraten und Harry konnte gar nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. Seine Freunde hatten über einen ganzen Monat unseligen Wartens auf sich genommen, nur um ihn nicht hintergehen und enttäuschen zu müssen. "Ja, Mr. Potter, Sie können sich wirklich glücklich schätzen, solche Freunde zu haben. Wie Sie sich sicher denken können, lagen uns die Prüfungsergebnisse, wie immer, bereits im Juli vor und wurden auch direkt an die Schüler weitergesandt. Bei Ihnen allerdings gab es da ein kleines Problem - nun, Mr. Potter, werden Sie doch nicht gleich so bleich! Ihre Leistungen waren zwar in vieler Hinsicht noch verbesserungswürdig, als besonders schlecht würde ich sie jedoch nicht bezeichnen. In Bezug auf Ihren im letzten Jahr mir gegenüber geäußerten Berufswunsch zumindest müssen Sie sich in keinem Fach Sorgen machen - bis auf eine Ausnahme." "Zaubertränke", murmelte Harry zerknirscht. "Richtig. Obwohl Sie sich, wie ich sicher weiß, sehr angestrengt haben, reichte Ihre Leistung über ein "E" leider nicht heraus. Wir alle kennen..." Sie zögerte für eine Sekunde, bevor sie weitersprach, " Professor Snapes Gewohnheiten, was seine weiterführenden Klassen betrifft. Trotzdem wollte ich nichts unversucht lassen, um ihn umzustimmen, denn wie Sie sich vielleicht erinnern können, habe ich Ihnen einmal versprochen, alles in meiner Macht stehende zu tun, um Ihnen die Aurorenausbildung zu ermöglichen. Harry stutzte. So sehr ihn die Worte seiner Hauslehrerin damals in Umbridges Gegenwart auch ermutigt hatten, er hatte niemals anzunehmen gewagt, dass es ihr damit tatsächlich Ernst gewesen war. Auf einmal fühlte er das starke Bedürfnis, ihr zu danken, doch als er den Mund öffnete, hob Professor McGonagall die Hand und gebot ihm zu schweigen. "So arrangierte ich also mehrere Treffen mit Sev... äh... Professor Snape, die jedoch allesamt ohne Ergebnis blieben. Leider muss ich Ihnen gestehen, dass wir zuletzt im Streit auseinander gingen." Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. "Ich war bereits gewillt, Sie mit der Enttäuschung zu konfrontieren und Ihnen die Ergebnisse ohne die Zusicherung zu senden, dass Sie Ihre Ausbildung im Fach Zaubertränke trotzdem fortsetzen dürfen, als sich dieser überaus tragische Zwischenfall ereignete, dessen Ergebnis Sie im Nebenzimmer sehen können." Mit einiger Verwunderung bemerkte Harry, dass sie mit den Tränen zu kämpfen schien. Er selbst hatte immer angenommen , dass sich die Rivalität zwischen Gryffindor und Slytherin auf die Hauslehrer übertragen ließ, allerdings musste er zugeben , dass es sich bei Snape und McGonagall um zwei erwachsene Menschen handelte, die, wenn schon kein kollegiales, dann doch zumindest ein auf gegenseitigem Respekt beruhendes Arbeitsverhältnis verband. "So wartete ich also trotz allem noch ab, bis ein Nachfolger für Professor Snape gefunden war... denn wie Sie ja unschwer einsehen werden, wird er wohl nicht in der Lage sein, im nächsten Jahr zu unterrichten. Wie, nun ja, sagen wir meistens, bewies Professor Dumbledore auch in diesem Fall eine ausgesprochen glückliche Hand bei der Auswahl einer Lehrkraft. Professor Nefertari, die Sie zukünftig in Zaubertränke unterrichten wird ist eine, wie ich selbst die Gelegenheit hatte mich zu überzeugen, äußerst fähige Frau auf ihrem Gebiet und wir wurden uns schnell einig, was die Aufnahmebedingungen für Sechstklässler angeht. So darf ich Ihnen trotz der traurigen Umstände gratulieren, Mr. Potter. Insgesamt eine recht zufriedenstellende Leistung." Damit reichte sie Harry einen versiegelten Umschlag und wartete mit auf dem Tisch gefalteten Händen, bis er ihn geöffnet und seine Ergebnisse eingehend betrachtet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)