Die Konkurrenz schläft von Hotepneith (Der 29. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 10: Ein Geständnis und eine neue Aussage ------------------------------------------------ Sesshoumaru sah auf den regungslosen Beamten nieder, ein wenig erleichtert, dass er dessen Herzschlag noch wahrnehmen konnte. Es wäre vermutlich sehr unklug gewesen selbst für den nächsten Toten der Woche bei Vaters Lieblingsprojekt zu sorgen. So trat er einmal, wenngleich behutsam, gegen die Rippen des Bewusstlosen. Was war an dem Satz, dass auch Hitori tot sei, dermaßen ungewöhnlich gewesen? Was hatte dieser Masa nur? Er hatte ihn ja nicht beschuldigt. Oder, andersherum: was verbarg der Beamte, dass er so übertrieben reagierte? Hm. Immerhin war er der letzte Überlebende der drei Kandidaten für das Preisgeld – und damit natürlich der Hauptverdächtige. Womöglich war da wieder irgendetwas mit einer jämmerlichen Liebesgeschichte. Menschen. Unnütz, dumm und unbrauchbar. Nun ja. Der männliche Teil vor allem. „Masa!“ Der wohlgenährte Beamte erwachte langsam, mit dem Gefühl fast gestorben zu sein. Als er die Augen öffnete und in die eines Dämons blickte, wäre er jedoch lieber wieder ohnmächtig gewesen. Irgendwie gelang es ihm sich auf den Bauch zu drehen und hinzuknien. Was hatte dieser junge Herr gesagt? Auch Hitori ... Nur dem Dümmsten wäre nicht klar gewesen, dass er in der Patsche saß, in der schwärzesten Tinte, die sich ein Schreiber nur erdenken konnte. „Ich war es nicht ...“ brachte er irgendwie hervor. „Alternative?“ „Äh, was, Lord Sesshoumaru?“ Dann begriff er. „Ich … ich habe keine Ahnung ...“ „Das denke ich mir.“ „Ich schwöre es Euch, ich habe weder Hitori noch dem Bauern etwas getan. Ich habe doch hier Zimmerarrest.“ Ja, aber der Samurai stand erst seit gestern vor der Tür – nachdem die Morde geschehen waren. Kurz, als sein verehrter Vater hier aufgetaucht war und diese verworrene Sache mit dämonenhafter Vernunft in die eigenen Klauen genommen hatte. „Du hast niemanden, weder Hitori noch Akira noch Fürst Shinichi, noch sonst wen, der an dieser Erfindung irgendwie beteiligt ist, je zuvor gesehen.“ Der Hundeprinz merkte auf, als er den etwas zu lauten Atemzug hörte. „Wen?“ „Ich weiß es nicht, Lord Sesshoumaru, ehrlich. Ich weiß ja nicht einmal seinen Namen.“ Das war ein guter Grund, warum Personen dieser minderen Rasse als Zeugen ein Totalausfall waren. Sesshoumaru musste seinen Impuls, diesen törichten Menschen an der Kehle zu packen und die Wahrheit aus ihm herauszuwürgen, unterdrücken. „Wen?“ Masa wusste selbst, dass er nicht besonders intelligent wirkte, aber was sollte er schon anderes sagen. Da gab es solche Räume, wo Aussagen erzwungen wurden, und er hatte panische Furcht davor. „Ich habe keinen Mord begangen!“ Der erfahrene Ermittler stutzte. „Keinen Mord, aber ...?“ „Keinen Mord, nein, wirklich nicht!“ Masa atmete durch. „Glaubt mir, Euer Lordschaft, bitte.“ Besagte Lordschaft betrachtete ein wenig enerviert die Krallen seiner erhobenen Hand, schwieg jedoch. Wieso musste er ausgerechnet jetzt und bei diesem Narren auf Sakura verzichten? Der Beamte verstand das zurecht als Drohung. „Ich … ich weiß nichts, nicht viel … Und ich habe keinen Mord begangen. - Es .. .ich kenne seinen Namen nicht. Es war aber sicher nicht Hitori, er war älter. - Er war vor vielen Jahren bei meinem Fürsten. Wir … kamen ins Gespräch, bei so einem Glas Sake .... Und er erzählte mir von der Idee mit dem Gestell. Ich … Er war dann ja weg und als mein Herr erwähnte, dass das so teuer sei … Mir fiel das dann wieder ein und ich zeichnete es. Ja.“ Dieser Beamte hatte Nerven! Er hatte, anders war es nicht zu nennen, die Schöpfung von jemandem gestohlen – und kam dann her um sich zu beschweren, dass Hitori diese Erfindung verkaufte? Das erklärte aber die Aufregung. Und damit hatte Masa definitiv keinen Anspruch mehr auf irgendwelche Belohnungen. Hm, Moment. „Dir fiel nach Jahren eine Zeichnung wieder ein, die du nur einmal gesehen hast, und das auch noch betrunken?“ Masa drückte die Stirn auf den Boden. Oh ihr Götter, dachte er nur. Diese Stimme war so ruhig, aber das zeigte nur mehr denn je, dass es dem jungen Herrn völlig gleich war, ob er selbst lebte oder starb oder in diesen Keller gebracht wurde. Der Dämonenprinz würde seine Antwort bekommen. So stammelte er: „Ja, Lord Sesshoumaru, Ihr habt Recht, natürlich. Ich … ich hatte eine Zeichnung von diesem Mann. Wir waren … etwas angetrunken, er mehr, ich weniger ... und er zeichnete mir das ...“ „Du bist also ein Dieb.“ „Ich bin kein Mörder, Lord Sesshoumaru!“ „Ein Dieb“, wiederholte der junge Hundedämon eisig. Nicht den Keller! „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Davon werde ich den Daimyo in Kenntnis setzen.“ Und dieser dann seinen eigenen Herrn. Masa wusste, wie Diebe bestraft wurden. Nun ja, weniger grausam als Mörder, aber … Seine Karriere war beendet und er musste froh sein, wenn er am Leben blieb. Aber womöglich würde er Tage gefesselt in einem Baum hängen müssen. Oder ihm wurde die Hand abgeschlagen, oder ... „Hast du diesen Unbekannten je wieder gesehen?“ Ein panisches Kopfschütteln. „Nein, Lord Sesshoumaru.“ „Auch nicht dieser Diener Hitoris?“ „Nein, ein Diener! Das Andere war ja ein Ingenieur.“ Es war nicht so, dass sich Seine Lordschaft Dienstboten genauer ansah, aber das wäre ein schönes Motiv gewesen. Nein. Suche nie das Warum, suche das Wie, dachte er dann. Diese Vorgehensweise hatte sich stets bewährt. Dieser Schwachkopf mochte als Betrüger geschickt sein – schloss ihn das von einem Mord aus? Das Erwürgen Akiras war zuerst gescheitert, ein Amateurmörder, hatte der Heiler gemeint. Das mochte zu diesem Masa passen, aber jemand hatte ein Messer ein oder zwei Mal in Hitori gerammt. Warum hätte der Beamte den umbringen sollen? Und, vor allem, wie? Er war älter, rundlich, offenkundig leicht in Panik zu versetzen – der junge Ingenieur hätte sich doch wehren können. Für Verteidigung würde der erste, vergebliche, Einstich sprechen – aber Sakura und Yoshifumi hatten keinerlei Abwehrverletzungen feststellen können. Jedenfalls hatte dieses lästige Gespräch einige Informationen beinhaltet. „Bleib hier.“ „Ja, natürlich, Lord Sesshoumaru.“ Masa war nicht beglückt über den Ablauf des Dialogs und seine Zukunftsaussichten – aber es wäre nur töricht gewesen den Daimyo noch zusätzlich zu verärgern. Respektlosigkeit brachte einem leicht den Henker ein. Und er benötigte wirklich keine Straferhöhung. Er wagte erst seine Stirn abzuwischen, als der hochrangige Dämon sein Zimmer verlassen hatte.   Seine Eisigkeit dachte kurz nach, ehe er sich schweren Herzens auf den Weg zu Kleinfürst Shinichi machte. Sakura würde noch schlafen. Er hörte, dass draußen die Karawane der Braut aufbrach, gut, dann wären wenigstens Vater und der Daimyo bald wieder ansprechbar. Anscheinend war zumindest da die Geheimhaltung gelungen. Der Samurai vor der Tür öffnete diese nur wortlos vor dem hochrangigen Gast. Der Kleinfürst schrak aus dem Schlaf, raffte eilig sein beiges Baumwollyukata zusammen, das er nachts trug. Seine wertvollen, meist sündhaft teuer rot gefärbten und mehr als dekorativ verzierten, Kimono waren sorgfältig ausgebreitet. Viel mehr als diese besaß er nicht. Immerhin war jede Lage davon einen ganzen Bauernhof wert. „Ihr ...“ Er musste einen Moment nachdenken, ehe er den Kopf neigte. „Lord Sesshoumaru.“ Mehr war nicht nötig. Das war ein Dämon, aber nur ein Prinz – er ein Fürst. Der junge Hundedämon nahm das zur Kenntnis, wenngleich nicht sonderlich positiv. Für was hielt sich dieser jämmerliche Mensch eigentlich? Wenn es sich nicht um das Jahrhundertprojekt seines verehrten Vaters handeln würde ... „Ich ermittle im Auftrag des ehrenwerten Daimyo Takahashi in Bezug auf zwei Morde. Wann habt Ihr Akira das letzte Mal gesehen?“ „Akira?“ Shinichis Gedanken rasten sichtlich. „Er ... er ist tot? Ermordet?“ „Wenn ich eine Frage stelle, wünsche ich eine Antwort.“ Menschen! „Ich … ja, ich … Gestern Morgen, vorgestern … Wir haben ja schon wieder Morgen.“ Das konnte man aus dem Sonnenaufgang draußen schließen, ja. „Weiter.“ „Es gab nichts weiter, äh, Euer Name ist doch Lord Sesshoumaru? - Ich fragte ihn, ob er etwas benötige, er versicherte jedoch gut untergebracht zu sein.“ „Und Ihr habt seine rechtliche Vertretung in Bezug auf diese Erfindung übernommen.“ „Ja, natürlich. Er ist, war, nur ein einfacher Bauer. Nicht sonderlich redegewandt.“ „Aber er hat eine vernünftige Erfindung gemacht.“ „Ja. Äh, Lord Sesshoumaru, jemand, der immer mit etwas arbeitet, erfindet manchmal auch sehr Sinnvolles. Ich würde sogar sagen, besser als einer in der Hauptstadt, der nur Theorie kann.“ Er sollte diesen jungen Kerl mal etwas an die Wirklichkeit heranführen. Als ob er das nicht wüsste! Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Minuten fragte sich Sesshoumaru, für was ihn dieser Kleinfürst eigentlich hielt, und entspannte seine Finger. „Seit wann kennt Ihr diese Schraube?“ „In dieser Form seit zwei oder drei Jahren, aber ich hörte vor Ort, dass bereits Akiras Vater mit etwas Ähnlichem seine Brunnen setzte. Die Leute im Dorf schätzten das. - Wie starb er?“ „Er wurde erwürgt.“ Das entsprach nicht ganz korrekt den Tatsachen, sollte jedoch genügen. „Oh, ist Hitori so weit gegangen? Ich dachte mir schon, dass dieser Kerl aus der Hauptstadt neidisch ist, und auch irgendwie an die Erfindungen kam, aber ...“ „Ihr glaubt, Hitori habe Akira aus Eifersucht oder eher Neid getötet.“ „Ja, natürlich.“ Shinichi sah erstaunt auf. „Lord Sesshoumaru, wer hätte denn sonst ein Motiv?“ Motiv, ja. „Masa?“ warf Seine Lordschaft in den Raum, während er überlegte. Motiv, das Warum … Nein. Das hatte sich schon oft als der falsche Weg entpuppt. Motiv hätten immer einige Leute, Gelegenheit und Mittel waren deutlich schwerer zu finden, die auf eine einzige Person hinwiesen. „Masa? Der dicke Beamte? Oh, bitte, Genauso könntet Ihr mir den Mord an meinem Bauern unterstellen. Ich habe Geld verloren und Masa hätte sich besser gestellt, wäre er mit uns konform gegangen. Hitori ist Euer Bösewicht, sicher. Darf ich übrigens fragen, warum der mächtige Daimyo ausgerechnet Euch, einen so jungen Hund ... äh ...“ Nein, erkannte Shinichi lebenserhaltend beim Anblick zweier kalter, bernsteinfarbener Augen in einem regungslosen Gesicht. Er durfte nicht.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)