Und dann kam ... von Jaq (Schampus vs. Bitbeast) ================================================================================ Kapitel 1: Schampus vs. Bitbeast -------------------------------- Er saß seit achtundvierzig Minuten in seiner persönlichen Hölle fest und die Zeremonie hatte noch nicht einmal angefangen. Still stieß Kai den Atem aus seinen Lungen, ehe er das letzte bisschen Beherrschung zusammenkratzte und betont unauffällig die Arme vor der Brust verschränkte. Am Ende glaubte noch eins der in Taft gehüllten Weiber in den Sitzreihen vor ihm, dass er endlich aufgetaut wäre und ein Schwätzchen herbeisehnte. Von wegen, eher würde er einen neuen Rekord aufstellen, was seine Schweigsamkeit betraf. Verdrossen furchte Kai die Stirn, dann lehnte er sich gegen die stoffbezogene Lehne seines Stuhls und verfluchte aus Prinzip seinen steifen, schwarzen Anzug. Er wollte seine Baggy Pants tragen und seine wilden Streifen auf den Wangen. So, wie es sich gefälligst für einen der seltenen, freien Tage außerhalb seiner Firma "Hiwatari Enterprises" gehörte, während er dabei mit Dranzer über den Strand wanderte. Stattdessen das. Stur sah er an den Blumengestecken aus weißen Rosen vorbei und ignorierte die Schar abseits stehender Fotografen mit den Kameras und den lilagepunkteten Fliegen. Es gab nur eins, das ihn noch mehr als dieser verkorkste Nachmittag interessierte: Dort hinten war der Notausgang. Grünes Schild, glückliches Männchen. Er könnte das glückliche, grüne Männchen sein, und alles, was ihn davon trennte, war... Gottverdammt. Das war das vierte Mal, dass dieses unsägliche Klavier mithilfe des Streichquartetts "Endless Love" anstimmte. Hätten die Musikanten mit dem konzentrierten, dümmlichen Grinsen im Gesicht die Einladungskarten besser gelesen, wäre ihnen klar gewesen, dass sie etwas Beschwingtes, Witziges und Unvergessliches spielen sollten - und nicht so einen nervtötenden Unsinn! Trocken schnalzte Kai mit der Zunge, ehe er unzufrieden zurück zu dem Hochzeitsprogramm sah, das in seinem Schoß an Missachtung starb. Cremeweiße Borte, als ob das Blumendekor mit Silberstreifen und Goldpartikeln nicht schon widerlich genug wäre. Er konnte darauf wetten, dass es derselbe, hässliche Farbton war, den die Braut tragen würde und dass irgendeine ihrer Brautjungfern bereits den Witz vorbereitete, was für ein Zufall das doch sei, um doch noch mit ihm ins Gespräch zu kommen. Klar, er war Junggeselle, gutverdienend, dazu mit einem Ruf als ehemaliger Beyblader geschlagen, mit dem man sich schmücken konnte. Da fiel ihm nie etwas Besseres ein, als seine Visitenkarte herumzureichen und die Stimme zu senken, um finster und verzweifelt zu wirken. Und wer blieb bisher von seinem Pech verschont? Derjenige, der Schuld an dem ganzen Schlamassel trug: Tyson Granger. Der Kerl, der ihm hoch und heilig versprochen hatte, einmal im Leben pünktlich zu sein, wenn er ihn im Gegenzug nur einmal zu einer Hochzeit begleitete. Zwei Singles, ein Abend, da war doch nichts dabei! Selbstverständlich hatte er sich mit Händen und Füßen und einer Menge "Mmhs" gegen das Gebettel zur Wehr gesetzt, doch dann war der Schwur gekommen, dass Tyson ihn zwei Monate lang anschweigen und trotzdem die besten Steaks der Stadt servieren würde - und als er bei sechs Monaten landete, ging ihm das lärmende Gefeilsche seines Freundes bereits so sehr auf den Senkel, dass er ihm alternativ nur noch einen alten Schuh in den Rachen hätte stopfen können. Ehrlich, wie naiv war er gewesen? Tyson war natürlich nicht pünktlich und er hockte mutterseelenallein zwischen lauter verheirateten Paaren, verzweifelten Singles und einem Notausgang, den er nicht benutzen konnte, weil dazwischen der dumme-überflüssige Mittelgang und ein Haufen Paparazzi lag. Sogar die soeben wechselnde Musik blieb ihrem Versuch treu, ihn zu verhöhnen. Pachelbels D-Dur begann zu klimpern und das so langsam, dass es kaum auszuhalten war. Der Planer dieser Veranstaltung gehörte von Dranzer verkohlt und geröstet. Angeschmort wenigstens. Hätte er am Eingang statt des süffigen, alkoholfreien Kirschschaumweins wenigstens eine Flasche Rum ergaunern können: Halbleer, wenn es sein musste, er wollte nicht wählerisch sein. Die ruderten ohnehin, um die Gäste über die Verspätung hinwegzutrösten - aber bei ihm versagten sie auf voller Linie. Wahrscheinlich ging das alles sogar noch weiter und nachher servierten sie Blinis mit einem Hauch Petersilie und Kresse, statt einem rohen Stück Fleisch! Mürrisch löste Kai eine Hand aus der Verschränkung, um sich akribisch mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel zu massieren. Genug war genug. Er brauchte dringend einen Plan, um hier wegzukommen. Jetzt. Und der würde nicht daraus bestehen, sich mit einem Halsband zu erdrosseln oder im benachbarten Tempel zu der erstbesten Gottheit zu beten, die bereit war, etwas für ihn zu tun, statt ihn brüllend auszulachen. "Kai." Uh? Er hatte sich stets für einen intelligenten Blader gehalten, aber heute musste er feststellen, dass ihm doch mehr als zwei Tassen im Oberstübchen fehlten. Anders konnte er sich nicht erklären, wieso er sich erst zu dieser Veranstaltung überreden ließ und dann eine halbe Ewigkeit benötigte, um auf das rote Leuchten in seiner Hosentasche aufmerksam zu werden. Dranzer. Das war selten, sein Bitbeast hielt es abseits von gelegentlichen Kämpfen, in denen er Tyson und die anderen mit Niederlagen strafte, kaum noch für nötig, sich ihm mitzuteilen. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, den Bey überallhin mitzunehmen, dabei war er bald dreißig. Andere Geschäftsmänner packten Familienfotos in ihre Geldbörsen, und er einen Kreisel in die Tasche. Pff. Wenigstens hatte er dem letzten Dummkopf, der ihn nach einem roten Kinderspielzeug und einem Duell gefragt hatte, beigebracht, dass die neueste Generation mit noch schnelleren, aggressiveren Laufspuren einen Dreck gegen ihn nützte. Dranzer und er waren trotz allem ein Team, auch wenn sie sich nach einem Kampf nicht herzlich in den Armen lagen und der feuerrote Phönix schweigend verdampfte. "Kai?" "Mmh." Der junge Mann warf noch einen Blick nach links und rechts, ehe er den Bey aus der Tasche- Fast zeitgleich sprang ihm eine Flamme entgegen und er riss die Hand zurück, als habe er sich verbrannt - oder ein Problem mit Nähe. Lachhaft. Wenn er mit irgendetwas ein Problem hatte, dann war es der Anblick, den der verschwenderisch geschmückte Mittelgang darstellte: Dort landete gerade das erste Blütenblatt aus einem Körbchen, den ein zartes Lockenköpfchen schwenkte. Verflucht. Für einen Moment hatte er glatt vergessen, wo er war. Aber die Wirklichkeit kannte kein Erbarmen, denn sie trug Pink. "Was ist das hier?", erkundigte sich das Flämmchen, dessen Stimme wie ein Feuer klang, das über trockenem Holz knisterte. Obwohl Kai sich zu gut daran erinnerte, dass er Dranzer und Max oft genug erklärt hatte, dass nur Idioten Zeit schinden mussten, fühlte er sich erst wohler, als seine Arme wieder vor der Brust verschränkt waren. Er mochte es nicht, wenn Kameras ihn dabei ablichten konnten, wie er mit dem Bitbeast sprach. Auf die Schlagzeilen von dem Bleyder, der seiner Vergangenheit nachtrauerte und die Schönheit einer Ehe verleugnete, konnte er verzichten. "Das ist ein gehaltenes Versprechen", knurrte er halblaut. "Die Hochzeit?" "Mmh." "Das ist für die Ewigkeit", dachte Dranzer laut nach und musterte kopfüber eines der Blütengestecke am geschmückten Seitengang, ehe es zurück zur Borte des Programmplans in Kais Schoß sah. "Ist es nicht so wertvoll wie eine Freundschaft?" "Mmh." "Es bedeutet dir nichts?" Uh? Was sollte er dazu sagen? Eine Ehe war auch nur eine längerfristige Phase der Umnachtung, die einen erst Sachen dahersabbern ließ, für die man im Anschluss in die Tischkante beißen wollte, bevor man sie Jahre später doppelt bereute, weil man als zweiter Verlierer vom Platz ging. Hm. Ein Wunder, dass Tyson es noch nicht zu Wege gebracht hatte, damit zu glänzen, aber wahrscheinlich sollte er auf Holz klopfen. Am Ende kam der bloß auf die Idee, ihn dazu überreden zu wollen, um als Trauzeuge vorher ganz besonders viel zu quasseln. "Kai", zischte das Bitbeast forsch. "Es hat keine Zukunft", erwiderte er mürrisch, bevor das feuerrote Flämmchen erbost aufglühte. "Die Freundschaft?" Was? Verwirrt über den Tonfall kniff Kai die Brauen zusammen. Kurz darauf entstand in seiner Nase ein Geruch, als sei sein Haar verbrannt - was für ein Unsinn! Doch seit wann war Dranzer so schlecht darin geworden, in seinen Gedanken zu lesen und sich die nötigen Puzzleteile selbst zusammenzusuchen? "Nein, ich rede von dem hier", murmelte er genervt. Von allem! Der Kuppeldecke, den goldenen Kristallleuchtern mit Perlen und Edelsteinen, den Broschen und Haarnadeln und dem Schmachten, das wie ein Buschbrand um sich griff, als die Meerjungfrauensilhouette der Braut eintrat. In einem anderen Leben hätte er sich dafür die Haare gerauft, doch das stand kaum zur Debatte. Er verstand nicht, wie Tyson es fertig brachte, ihn an so einem Ort im Stich zu lassen. Und Kai verstand noch weniger die unscharfe Wut in seinem Bauch, weil er dafür sogar einen Termin verlegt hatte - obwohl er das natürlich mit keiner Silbe erwähnen würde. Es ging nur um Steak, und das konnte er sich auch allein leisten. "Mmmmmh", machte das Bitbeast zähneknirschend. "Wir sind dann beide allein, oder?" "Unsinn. Ich bin da." "Und ich?" Flackernd tanzte das rote Licht über die Stoffhose des jungen Mannes, dessen Augen sich weiteten. Einen Moment geschah nichts, dann löste er erneut die Hand und rieb sich über den Nacken. Kai strich einige widerspenstige, grau-schwarze Haarsträhnen glatt; streifte den Kragen des Hemdes, an dem er aufmüpfig und ziemlich sentimental eine winzige, bunte Nadel eingeklemmt hatte - so wie früher, da er immer Farbe in seinem Kleidungsstil und Leben geduldet hatte. "Du bist auch da", nuschelte er dann grätig. "Seit der Abtei schon." "Und?", wollte Dranzer wissen, während der Geist des Bitbeasts zu einer scharlachroten Phönixfeder verschwamm und mit dem Gedanken zu spielen schien, zur kompletten Größe anzuwachsen, sollte ihm die Antwort missfallen. "Es wird dich überraschen. Morgen ebenso, falls du nicht völlig darin versagst, Tyson für diese Idee bluten zu lassen." Kai glaubte, dass sich sein eigener Atemzug verräterisch in seinen Ohren anhörte, daher schickte er ein missmutiges Schnauben hinterher und lauschte dem frenetischen Jubel der anderen Gäste inmitten von Frohsinn, Eheversprechen und einer fünften Wiederholung von "Endless Love". "Schön... Das war der längste Satz, den du seit Jahren für mich ohne einen Kampf übrig hattest, Kai." "Mmh. Das war nur der Versuch, diese Veranstaltung etwas geistreicher wirken zu lassen, als sie ist." "Und?", hakte Dranzer erwartungsvoll ein. "Nichts. Gewöhn dich nicht dran: Zu schweigen ist eine Kunst, und Kunst kommt von Können." "Heißt es nicht auch", murmelte das Bitbeast, "dass man einen Freund und anderen Menschen ertragen können muss?" Kai zog die Luft zwischen den Zähnen ein, doch ehe er eine Antwort parat hatte, erklang in seinem Rücken ein lautes Scheppern und das Jappsen eines jungen Mannes, der gerade voller Schwung in die Schulter eines Fotografen gekracht war, ihn zu Boden gerissen hatte und damit einen Lärm veranstaltete, der alle Blicke auf sich zog. "Ein weiterer Ort, den wir in Zukunft meiden werden", sinnierte Dranzer. "Mmh." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)