Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 78: Ein letztes Mal --------------------------- Harry atmete noch einmal durch, ehe er vorsichtig die Hand ausstreckte. Wie er erwartet hatte, ließ die Barriere, die Professor McGonagall am Fuß des Astronomieturmes errichtet hatte, ihn durch. Es hieß, sie solle die Schüler davon abhalten, aus reiner Neugierde an den Ort zu gehen, wo Dumbledore ermordet worden war, aber ganz offensichtlich fand McGonagall es in Ordnung, wenn Harry dort hinaufging. Mit einem mulmigen Gefühl stieg Harry die Stufen hoch, wurde immer langsamer je weiter er kam und als er die letzte Stufe getan hatte, fühlte sich seine Brust zugeschnürt an. Langsam trat er zur Mauer, über die Dumbledore gestürzt war, und versuchte seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Wenn er nur vorsichtiger gewesen wäre. Wenn er nur schneller reagiert hätte. Wenn er nur... Dumbledore gerettet hätte. Warum hatte Dumbledore ihm nur den Körperklammerfluch auferlegt? Hätten sie sich gemeinsam Malfoy gestellt, wäre doch alles glatt gelaufen. Sie hätten vielleicht sogar genug Zeit gehabt, um den Turm zu verlassen und wären niemals alleine auf gleich vier Todesser gestoßen. Wie gerne hätte Harry jetzt einen Zeitumkehrer gehabt, um all diese schrecklichen Ereignisse der letzten Nacht ungeschehen zu machen. „Du bist also tatsächlich hier“, wurde Harry aus seinen Gedanken gerissen, der kurz zusammenzuckte. Severus trat langsam auf ihn zu und stellte sich neben Harry an die Mauer, während er hinaus in die warme, stille Nacht blickte. Harry spürte, wie seine Hände zittrig wurden und er mied den Blick des anderen. 'Beruhige dich, du weißt, was du zu tun hast.', redete Harry auf sich selbst ein. „Genauso wie du“, murmelte er leise. „Ich wusste nicht, ob du tatsächlich noch herkommen würdest.“ „Das gleiche dachte ich von dir“, erwiderte Severus ruhig und versuchte Harrys Blick zu erhaschen, doch der konnte einfach nicht aufsehen. Zu groß waren seine Schuldgefühle, als dass er jetzt einfach in Severus' Augen sehen könnte. Der Gryffindor holte noch einmal tief Luft, um sich für seine nächsten Worte zu wappnen. „Severus, ich...“, stammelte er, obwohl er seinen Text schon tausendmal im Kopf durchgegangen war. „Ich wollte... w-was ich getan habe...“ „Es war unverantwortlich von dir“, half Severus aus und Harry schloss kurz die Augen bei dem Stich in seinem Herzen. „Ja. Das war es“, hauchte er schwach, da er nicht zu mehr Kraft in der Stimme imstande war. „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein, verstanden?“, knurrte Severus fast und Harry sah ihn verwirrt an. „Dich einfach dazwischen zu werfen... was hast du dir nur dabei gedacht?!“ Harry keuchte auf. Er sprach vom Avada. Er sprach tatsächlich nur vom Avada. Ruhig antwortete Harry: „Um ehrlich zu sein, habe ich in dem Moment gar nicht gedacht. Ich musste gar nicht darüber nachdenken, um zu wissen, was ich tun muss.“ „Das ist mal wieder typisch du, erst Handeln dann Denken!“, sah Severus den anderen mit giftigem Blick an. „Hast du eine Ahnung, was es für ein Schock war, dich vor meinen Augen sterben zu sehen?“ Auf Harrys Lippen schlich sich ein schwaches Lächeln, ehe er erwiderte: „Ein ähnlicher, wie für mich dein Tod war, schätze ich. Nur habe ich wesentlich weniger Blut auf deiner Kleidung verteilt.“ Severus öffnete protestierend den Mund, stockte dann aber, während Harry ihn weiterhin ruhig ansah. „Ich würde ja fast sagen, wir wären quitt, aber... ich weiß nicht, ob das so ganz fair wäre“, ergänzte Harry locker, was Severus umso mehr plättete. In Harrys Augen erkannte er, dass dieser Mantikor-Vorfall wesentlich tiefere Narben hinterlassen hatte, als Harry gerade vorspielte, was der Grund war, warum Severus den Mund schloss, ohne irgendeinen seiner Proteste ausgesprochen zu haben. Grimmig sah er Richtung Wald und haderte mit sich. Schließlich leierte er: „Wenn ich dich die Auseinandersetzung mit der Strichliste gewinnen lasse, akzeptierst du dann, dass wir quitt sind?“ Erstaunt runzelte Harry die Stirn. „Du meinst die Strichliste, ob du den Zauberstab öfter fallen gelassen hast, als dass mir Grundwissen fehlte?“ „Ja oder nein?“, knurrte Severus zwischen den Zähnen hindurch, was Harry zum Schmunzeln brachte. „Wenn du noch zusätzlich gestehst, dass ich dir den Arsch öfter gerettet hab, als du mir, könnte ich darüber nachdenken.“ „Vergiss es.“ „Aber es ist so.“ „Plus minus Null, Potter“, knurrte Severus und sah Harry wieder an, der nur herausfordernd zurücksah. Kurz hielt Harrys Schmunzeln noch an, ehe er wieder mit den Gedanken beim Hier und Jetzt ankam. Seine Mimik gefror und kam ins Wanken, ehe er nicht einmal mehr Severus' Blick standhielt. Dem Slytherin war Harrys Stimmungswechsel natürlich nicht entgangen und auch er beschloss, die Stichelei sein zu lassen. Was war nur los mit ihnen, dass sie über so etwas banales diskutierten? Es gab viel wichtigeres zu besprechen. Anscheinend hatten sie beide Angst vor diesem Gespräch und griffen nach jedem Strohhalm, um diesem zu entgehen. „Wusstest du, dass der Fluch dich nicht umbringen würde?“, fragte Severus schließlich und Harry seufzte. „Nein. Wie gesagt, ich habe nicht darüber nachgedacht.“ Nach einer kurzen Pause wagte Harry zu fragen: „Du... weißt nicht zufällig... warum ich überlebt hab?“ „Nein“, gestand der Slytherin ernst. „Die einzige Erklärung, die Syndia und mir einfiel war, dass es an Lilys Schutz liegen musste.“ „Aber Voldemort hat bei seiner Auferstehung mein Blut genommen“, erwiderte Harry. „Ich dachte, das hätte den Schutz zerstört.“ „Der Schutz kann nicht zerstört werden. Allerdings dachte ich, der Dunkle Lord könne ihn durch dein Blut umgehen.“ „Hm“, sagte Harry zögerlich. „Offenbar nicht.“ Stille trat ein und Harry wusste nicht ganz, was er tun sollte. Er war hierher gekommen, um sich bei Severus für die Folterflüche zu entschuldigen und klarzustellen, dass das nichts mit seinen Gefühlen zum anderen zu tun gehabt hatte... Dieses Gespräch hier hatte er gar nicht erwartet. „Sev, ich...“, überwand Harry sich schließlich, doch sofort verließ ihn wieder der Mut. Er zwang sich den Blick zu heben und sah dem Slytherin traurig entgegen, der ihn nur abwartend ansah. Er musste es endlich sagen, sonst würde es ihm keine Ruhe lassen. „Es tut mir Leid“, sagte Harry endlich. „Ich wollte nicht... ich hätte... Als Voldemort in meinen Körper schlüpfte, hätte ich ihn stoppen müssen. Ich hätte die Kontrolle behalten müssen...“ „Das hättest du in der Tat“, fiel Severus ihm ruhig ins Wort. „Schließlich haben wir genau wegen solcher Fälle den Okklumentikunterricht weitergeführt. Aber ich weiß, dass es dir schwer gefallen sein muss, gegen ihn anzukämpfen.“ „Du verstehst das völlig falsch“, warf Harry sofort ein. „Wenn du tatsächlich glaubst, dass ich es genossen hätte...“ „Es gibt nur eines, was mich daran interessiert“, unterbrach Severus ihn erneut und sah den Gryffindor forschend an, wobei sich noch etwas anderes hineinmischte. „Wie viel Wahrheit in seinen Worten gesteckt hat.“ „Gar keine!“, rief Harry sofort aus. „Nicht ein Wort von ihm war wahr! Er konnte mich nicht wegen meinen Gefühlen so einfach steuern, sondern weil ich meine ganze Konzentration brauchte, um ihn von meinen Erinnerungen an dich und Dumbledores Unterricht fernzuhalten.“ Überlegend musterte Severus ihn einen Moment und es war ihm anzusehen, dass er nicht wusste, ob er Harry glauben konnte. Er versuchte es zu verbergen, aber Harry sah den unterschwelligen Schmerz in seinen Augen. Schon fast flehend ergänzte Harry: „Du musst mir das glauben. Alles was er gesagt hat, war gelogen. Das einzige, was ich wirklich ehrlich gemeint hatte, war danach, dass ich di-...“ Unwillkürlich stockte Harry mitten im Satz. Er war nicht in der Lage weiterzusprechen, die Überwindung war trotz allem zu groß. Trotzdem schien Severus zu verstehen, dass Harry ihm beinahe zum zweiten Mal ein Liebesgeständnis gemacht hätte. Der Slytherin sah ihn intensiv an, ehe er den Blick senkte und schluckte. Leise hauchte er: „Und es war auch das einzige, was ich nicht nachvollziehen kann.“ In Harrys verzweifelten Blick trat noch etwas fragendes, als er versuchte aus Severus' Gesichtsausdruck schlau zu werden. Ihm wurde bewusst, was Syndia ihm alles erzählt hatte und begriff jetzt auch, warum Syndia Severus' Angst und Zweifel nicht zu interpretieren wusste. Sie kannte ihn einfach nicht so gut wie Harry. Vor einer gefühlten Ewigkeit hätte er den anderen auch nicht lesen können, hätte nicht verstanden, was in dem anderen vorging und woher auf einmal diese Angst kam, aber inzwischen kannte er Severus so gut, dass er für ihn wie ein offenes Buch war. „Du bist wirklich gut darin, dein geringes Selbstbewusstsein vor der Welt zu verstecken, Severus Snape“, flüsterte Harry, was den anderen dazu veranlasste, ihn wieder anzusehen. Noch nie hatten sie sich so offen und intensiv angesehen, wie in diesem Moment. Noch nie war so deutlich hervorgetreten, dass sie seit Necrandolas eine Verbundenheit zueinander aufgebaut hatten, die nicht tiefer hätte sein können. In die Stille hinein hauchte Harry: „Hältst du es wirklich für so abwegig, dass du jemandem so viel bedeuten könntest?“ Severus' Blick war Antwort genug. Er hatte schon vor vielen Jahren den Gedanken abgetan, von jemandem geliebt werden zu können. All die Jahre hatte er eine Mauer um sich gezogen, um sich vor jedem zu schützen, der ihn vielleicht ausnutzen und verletzen könnte. Seinem Vater hatte er zu verdanken, dass er sich beschmutzt fühlte und schon früh die Überzeugung entwickelte, dass niemand ernsthaftes Interesse an einem so schändlich benutzten Wesen wie ihm zeigen könnte. Das war das entscheidende Detail, das Syndia gefehlt hatte. Langsam ging Harry auf den anderen zu, löste den Abstand zwischen ihnen auf, ohne seinen intensiven Blick von Severus' Augen abzuwenden. Behutsam hob er seine Hand und legte sie sanft auf Severus' Wange. Dann überbrückte er auch noch den letzten Abstand und legte hauchzart seine Lippen auf die bebenden des Slytherins. Dieses Zittern übertrug sich auf Severus' Atem und bei den heftigen Gefühlen, die ihn gerade überrannten, schloss er die Augen. Vollkommen überwältigt hätte er es fast nicht geschafft, den Kuss zu erwidern und seine Hand wanderte zu Harrys Schulter, wo sie sich in seinem Mantel verkrallte. Harry war durchaus bewusst, was er gerade in dem anderen auslöste, wusste, dass er mit dieser Konfrontation Severus' kompletten Selbstschutz einriss und intensivierte den Kuss. Er legte alles an Liebe und Zuversicht in diesen Kuss und versuchte so dem anderen zu vermitteln, was Severus ihm in Worten ohnehin nicht geglaubt hätte, wofür ihn seine Angst blind gemacht hatte. Severus schnappte zittrig nach Luft und griff nun auch mit der anderen Hand nach dem Gryffindor, klammerte sich an ihn, als würde er sonst den Halt verlieren. Sanft beendete Harry den Kuss und lehnte seine Stirn an die von Severus, der ihm einen Arm um die Taille gelegt und ihn an sich gezogen hatte. Zitternd atmete Severus durch, hielt die Augen weiterhin geschlossen und versuchte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Harry ließ ihm Zeit sich wieder zu fangen, ließ die Botschaft, die er ihm mit dem Kuss hatte geben wollen, auf den anderen wirken. Er wusste, dass Severus endlich verstanden hatte, dass er hoffentlich nie wieder versuchen würde sich einzureden, dass Harry ihn nur als Spielzeug oder Opfer für seine pubertären Gelüste betrachtete. Es war neu für den Slytherin, seine Mauer derart niederreißen zu lassen und trotzdem nicht verletzt zu werden. Mehr noch: Es war für ihn schwer zu begreifen, dass es tatsächlich jemanden geben sollte, der mehr in ihm sah. Der ihm tatsächlich echte Gefühle entgegenbrachte. Ausgerechnet ihm, und ausgerechnet von Harry, wo der doch praktisch jeden haben konnte. Stille entstand, in der ein leises, kaum hörbares Pochen zu vernehmen war und verwundert zog Harry die Augenbrauen zusammen. Dann wurde ihm klar, was das für ein Geräusch war und er konnte es kaum fassen. Behutsam legte er seine Hand auf Severus' Brust und als er das kräftige, schnelle Klopfen unter den Fingern spürte, sah er sich in seiner Vermutung bestätigt. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, hauchte der Gryffindor: „Ich höre es.“ Zuerst antwortete der Slytherin nicht, ehe er erneut schluckte und sich endlich fing. „Deines höre ich ständig, wenn du so dicht vor mir stehst.“ „Ich weiß“, verzog Harry gespielt mürrisch den Mund, konnte sein Lächeln aber nicht verschwinden lassen. Obwohl Severus sich hätte fragen müssen, woher Harry das wusste, schluckte er erneut und entgegnete mit einem leichten Murren: „Deines schlägt viel schneller, also laber nicht.“ Bei dieser Wortwahl musste Harry lachen. Das solche Worte mal über Severus' Lippen kommen würden... Amüsiert schüttelte Harry leicht den Kopf und vergaß vollkommen, sich wegen des Inhalts der Worte ertappt zu fühlen. Dafür überschütteten ihn gerade ohnehin viel zu viele Glückshormone, denn wenn Severus schon fast das Herz aus der Brust sprang, konnte Syndia ja nur Recht gehabt haben. Er liebte ihn tatsächlich und das Gefühl, das diese Erkenntnis in Harry auslöste, war unbeschreiblich. Endlich öffnete Severus die Augen und sah fasziniert in diese glücklich strahlenden, grünen Tiefen des anderen. Bei diesem Blick atmete Harry tief durch und milderte sein Lächeln ab. Dem Slytherin lag noch etwas auf dem Herzen und das wollte Harry ernst nehmen. Langsam löste Severus seine Arme, ohne den Blick von Harrys Augen abzuwenden. Einen Augenblick sah er ihn einfach nur an und versuchte eine logische Erklärung für das alles zu finden. Leicht den Kopf schüttelnd, hauchte Severus mit gewissem Schmerz in den Augen: „Du hättest allen Grund mich zu hassen und tust es trotzdem nicht. Ich habe so viel Mist gebaut in meinem Leben, es hätte mich nicht gewundert, wenn jedes Wort des Dunklen Lords wahr gewesen wäre.“ Harry seufzte auf. „Aber das war es nicht“, sagte Harry so ehrlich, wie er nur konnte. „Zugegeben, ich war gestern Abend sauer... ja gut, sehr sauer“, ergänzte er bei Severus' skeptischem Blick, „aber ich hatte darüber nochmal mit Dumbledore geredet und... er hat mir klar gemacht, dass... du Mum niemals freiwillig verraten hättest und dass du... sicherlich schon genug dafür gebüßt hast.“ Einen Augenblick lang sah Severus ihn einfach nur gequält an, ehe er leise sagte: „Ich werde nie genug dafür gebüßt haben.“ „Das kann ich doch eher entscheiden als du, meinst du nicht?“, fragte Harry ruhig. „Ich kenne dich wohl inzwischen gut genug, um sagen zu können, dass du genug gelitten hast. Es ist okay, vergessen wir diese Sache einfach.“ Severus war gefesselt von diesen grünen Augen. Lilys Augen, die ihn so ehrlich ansahen und ihm gerade den größten Fehler seines Lebens verziehen. Er presste die Lippen zusammen und sah schließlich weg. Dieser Blick war gerade unerträglich für ihn. Harry hingegen beobachtete den anderen ruhig, sah das Leid, was der andere gerade zu ertragen hatte. Noch nie hatte er jemanden gesehen, der so viel Reue in seiner Mimik gezeigt hatte. Um die Stille irgendwie aufzulösen, murmelte Harry leise: „Wir sind beide ziemlich gut darin, uns gegenseitig weh zu tun, was? Man könnte meinen, das sei unsere Lebensaufgabe.“ Severus rang noch immer um Fassung und konnte nichts erwidern. All die Jahre über hatte er Harry als seine persönliche Strafe dafür angesehen, was er Lily angetan hatte. Und jetzt kam er zu ihm und vergab ihm einfach so? Ein Abend lang voller Schmerz und alles war vorbei? Das sollte das Finale gewesen sein? Er erklärte seine Strafe für beendet? Harry konnte nicht wissen, was im anderen vorging. Alles was er sah, war, dass Severus gerade ziemlich aufgewühlt war und das es irgendwie mit ihrem Gesprächsthema zu tun haben musste. Dementsprechende Schlüsse zog der Gryffindor daraus. „Severus, ich schwöre dir, dass ich dir nie wieder wehtun werde. Ich... was im Flur des Kerkers passiert ist... hat mich selbst schockiert und... die Flüche... ich kann verstehen, wenn du mir das nicht verzeihen kannst. Ich will nur, dass du weißt... dass mir das alles furchtbar Leid tut.“ Mit brüchiger Stimme erwiderte Severus sofort: „Wenn die Flüche tatsächlich nicht von dir kamen, dann gibt es da auch nichts zu verzeihen.“ Augenverdrehend sagte Harry: „Wirklich? Sieh mir in die Augen und sage mir, dass du die Flüche nicht mehr mit mir in Verbindung bringst.“ Tatsächlich sah Severus wieder zum anderen und schaffte es, seinen Blick neutral zu halten. Einen Augenblick sahen sie sich an, ehe Severus nicht mehr standhielt. „Zugegeben“, begann er und Harry spürte bereits einen Knoten in seiner Brust, „es ist schon... prägend, dass du den Cruciatus auf mich gerichtet hast und ich habe ihn als Strafe dafür verstanden, dass ich Lily verraten habe, aber... ich weiß ja jetzt, dass das nicht der Hintergrund war.“ Harry schluckte und fragte zweifelnd: „Und das reicht dir?“ Severus sah wieder auf, direkt in Harrys Augen. „Ja. Vielleicht noch nicht komplett, aber... mit ein wenig Zeit auf jeden Fall.“ Harry atmete zittrig aus und ließ die Schultern fallen, von denen eine große Last abzufallen schien. War das zu fassen? Severus vergab ihm. Er vergab ihm tatsächlich diese Folter und meinte sogar, sie irgendwann nicht einmal mehr mit Harry in Verbindung zu bringen. Solch einen Ausgang hätte Harry sich nicht erträumen lassen. Auch Severus fühlte sich seltsam frei. Ohne sich überhaupt darüber bewusst zu sein, hatte Harry ihn von den Ketten befreit, die ihn jahrelang an seine Schuld gefesselt hatten. Es war, als würde der Slytherin nach langer Zeit endlich wieder frei atmen können. Ja, er war frei. Und das brachte noch etwas anderes mit sich. Severus warf Harry einen Blick zu, der unruhig über die Ländereien sah. Ohne diese Ketten würde er nun Harry auch nicht mehr ständig mit seiner Schuld verbinden müssen. Er war nicht mehr seine Strafe. Er würde ihn endlich unabhängig davon betrachten können. „Danke“, hauchte Severus leise und Harry sah ihn wieder an. „Ich danke wohl eher dir“, erwiderte Harry ehrlich. „Jetzt müsste mir nur noch... Dumbledore vergeben.“ Harrys Kehle schnürte sich zum Ende des Satzes hin zu und er sah abwesend zu den Sternen, als würde er glauben, dort irgendwo Dumbledore sehen zu können. „Dumbledore würde dir nicht die Schuld geben“, erklärte Severus entschieden. „Definitiv nicht.“ „Hm“, erwiderte Harry als halbherzige Zustimmung und nickte abwesend, ohne Severus anzusehen. Seufzend wandte auch der Slytherin sich wieder den Ländereien zu. Einen Moment lang herrschte Stille, ehe Harry leise erzählte: „Wir waren in einer Höhle, die Voldemort als Kind immer aufgesucht hatte. Als ob Dumbledore es geahnt hätte, konnte man die Aufgabe dort nur zu zweit lösen. In dieser Höhle lag ein unterirdischer See... voller Inferi.“ Mit weit aufgerissenen Augen schnellte Severus' Blick zu Harry, der nur weiterhin nach vorne sah. Monoton und mit stumpfem Blick erzählte er weiter: „Ich hab Panik gekriegt. Obwohl Dumbledore geschwächt und auf meine Hilfe angewiesen war, konnte ich nichts tun. Ich wusste, was zu tun ist... aber ich konnte es nicht...“, langsam wurde Harrys Stimme immer zittriger, „Ich war nicht in der Lage uns zu beschützen. Da brauchte ausnahmsweise mal Dumbledore meine Hilfe und ich... ich hab ihm stattdessen nur noch mehr Probleme gemacht. Wegen mir musste er sich noch weiter verausgaben, wegen mir war er so schwach und... w-wenn ich hier auf dem Turm schneller reagiert hätte... wenn ich Draco entwaffnet hätte...“ Sanft legte sich ein Arm auf Harrys und eine warme Hand umschloss seine zitternde Faust. Schwer schluckend und mit Tränen in den Augen, sah Harry auf und blickte in die beruhigenden, schwarzen Tiefen des anderen. „Dass du in Panik verfallen bist, ist völlig normal. Das wäre mir mit Sicherheit auch passiert.“ „Aber es hätte nicht passieren dürfen“, erwiderte Harry mit kratziger Stimme und unterdrückte ein trockenes Schluchzen. „Wir waren in Lebensgefahr und ich hatte nichts besseres zu tun, als... was ist, wenn mir sowas jetzt bei jedem Kampf passiert? Ich riskiere damit das Leben von allen, die an meiner Seite kämpfen.“ „Ich glaube kaum, dass in den Kämpfen gegen die Todesser auch nur eine Situation auftreten wird, die denen in Necrandolas ähneln und dann wirst du auch keine Panikattacke kriegen“, erklärte Severus energisch. „Dass ihr Inferi in einem unterirdischen See begegnet seid, war ein unwahrscheinlicher Zufall, der sich garantiert nicht wiederholen wird.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher“, schüttelte Harry schon fast verzweifelt den Kopf. „Ich muss das zu Ende bringen, was Dumbledore begonnen hat und da ist das mit der Höhle sicher kein Einzelfall. Dumbledore hätte das gekonnt, er hätte... ach verdammt, ich weiß einfach nicht, wie ich das ohne seine Anweisungen schaffen soll! Er hat einem immer den Weg vor einem aufgezeigt. Er wusste immer, was zu tun ist... aber jetzt kann er mir das nicht mehr sagen...“ Harry fiel es mit jedem Wort schwerer, die Fassung zu wahren. Erst jetzt kam die Nachricht von Dumbledores Tod richtig bei ihm an. Er war fort, für immer. Inzwischen zitterte Harry am ganzen Körper, klang immer verzweifelter und die ersten Tränen liefen ihm übers Gesicht, sodass Severus sich das nicht mehr mit ansehen konnte und Harry an den Schultern packte. „Aus genau dem Grund hat Dumbledore dir doch den Unterricht gegeben. Er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte und hat dir alles erzählt, was du wissen musst. Er war überzeugt davon, dass du deinen Weg finden würdest. Und das wirst du auch.“ Zweifelnd sah Harry zu Severus auf. In seinen verweinten Augen lag so viel Schmerz und Trauer, dass Severus tief aufseufzen musste. Sanft strich er dem Gryffindor durchs Haar und fragte schon fast liebevoll: „Außerdem, wann hast du dich denn jemals an Anweisungen gehalten? Du bist schon immer deinem eigenen Weg gefolgt und lebst immernoch.“ Spöttisch eine Augenbraue hebend, ergänzte der Slytherin: „Und glaube mir, ich war der letzte, der geglaubt hat, dass das funktionieren würde.“ Auf Harrys Lippen schlich sich ein kleines Lächeln, ehe er sich schniefend die Tränen mit dem Ärmel wegwischte. „Trotzdem. Es ist... hart, dass Dumbledore nun nicht mehr da ist. Ich... kann einfach nicht fassen, dass... er nie wieder Ratschläge geben wird... nie wieder eine seiner ulkigen Reden in der Großen Halle hält... nie wieder...“ Harry konnte nicht verhindern, dass ihm erneut Tränen über die Wangen liefen, doch nun war es ihm auch egal. Er wollte und konnte sich nicht mehr zusammenreißen, wollte einfach nur noch um den Direktor trauern dürfen. „Ich weiß“, hauchte Severus kratzig als Antwort, sodass Harry erneut aufsah. Nun war auch in den Augen des Slytherins Trauer zu erkennen. Natürlich, Dumbledore muss ihm auch etwas bedeutet haben. Severus litt genauso wie Harry selbst und diese Verbundenheit in ihrer Trauer war es, die Harrys Widerstand einriss. Er ließ sich in Severus' Arme fallen und schluchzte sogleich laut auf. Auch der Slytherin klammerte sich sofort an ihn und so gaben sie sich gegenseitig Halt, trauerten gemeinsam um diesen großartigen Mann, der einen Platz in ihren Herzen ergattert hatte. Harry entkam ein weiterer Schluchzer und er ließ sich weiter in die Umarmung sinken, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen. Severus schloss gequält die Augen und verstärkte die Umarmung, sodass man eigentlich denken müsste, er würde Harry die Rippen brechen, doch dieser war so in seiner Trauer vertieft, dass er für diesen Halt dankbar war. Er verkrallte sich in Severus' Umhang, legte seine bebenden Lippen auf seiner Schulter ab und versuchte sich zu beruhigen. Mehrere Minuten standen sie so da und lockerten schließlich die Umarmung ein wenig, als sie sich langsam beruhigten. Irgendwann lagen Severus' Arme nur noch locker um Harrys Hüfte, während dieser seinen Kopf an Severus' Schlüsselbein anlehnte und an ihm vorbei auf die Ländereien sah. Die Tränen trockneten und das Schniefen wurde weniger. Stumm standen sie da, betrachteten abwesend die Sterne und nahmen diesen ruhigen Moment wie Balsam für ihre Seele auf. Harry konnte Severus' Herzschlag hören, was auf ihn beruhigender wirkte als alles andere. Außerdem strahlte Severus diese angenehme Wärme aus, die ihm so viel Sicherheit gab, wie noch nie etwas zuvor und mit jedem ruhigen Atemzug genoss Harry den Duft des anderen. Irgendwann fragte Harry leise in die Stille hinein: „Wie geht es jetzt weiter?“ Severus atmete tief durch, ehe er antwortete: „Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Alles steht bereit für den Fall, dass ich untertauchen muss und Syndias Mann ist inzwischen fit genug, sodass er und Luca das Land verlassen können.“ „Syndia geht nicht mit?“, fragte Harry und löste sich aus der Umarmung, um Severus in die Augen sehen zu können. „Nein, sie...“, stockte Severus kurz und überlegte, wie er es formulieren sollte. „Sie hat sich entschieden den Orden zu unterstützen. Ihre Kontakte sowohl direkt in Amerika als auch in der amerikanischen Botschaft könnten hilfreich im Krieg sein.“ Erstaunt zog Harry die Augenbrauen hoch, doch bevor er weiter nachfragen konnte, sprach Severus schon weiter. „Und du versprichst mir, dass du bei deinen Verwandten bleibst und die Füße still hältst, bis dich jemand vom Orden holen kommt.“ Die schwarzen Augen akzeptierten keine Widerrede, doch die hatte Harry ohnehin nicht vor zu geben. „Jaa, keine Sorge“, erwiderte Harry ruhig. „Ich weiß, dass Dumbledore das gewollt hätte, also... Ich werde das schon überleben. Ein letztes Mal.“ „Und du verlässt auch nicht das Gelände“, legte Severus weiter fest. „Du bleibst im Schutz von Dumbledores Bann, egal was passiert.“ „Jaa“, verdrehte Harry die Augen und erwiderte den strengen Blick des anderen nur gelassen. „Keine Panik, ich benehme mich.“ „Das will ich doch hoffen“, knurrte Severus nur noch und stützte sich dann auf der Mauer ab. Nach einer kurzen Pause sagte Harry: „Du weißt aber schon, dass ich mich nicht ewig verstecken kann. Dumbledore hatte einen Plan für mich und um den auszuführen, kann ich nicht immer an sicheren Orten bleiben.“ Severus' Blick wanderte ruhig zu Harry. Dennoch konnte man ihm ansehen, dass ihm nicht gefiel, was er da hörte. Deshalb redete Harry weiter auf ihn ein: „Voldemort muss vernichtet werden und genau das habe ich vor zu tun. Ich bin mein Leben lang weggelaufen, das kann ich irgendwann nicht mehr. Ich will es auch nicht mehr. Ich muss gehen und kämpfen.“ Wieder entstand eine Pause, in der Severus seinen Blick nicht veränderte und Harry sah nur stur und entschlossen zurück. Egal was Severus sagen würde, Harry wollte kämpfen und nichts würde ihn davon abbringen. Für den Slytherin war klar, dass, wenn Harry sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ihn nichts abhalten würde. Aber das durfte er in diesem Fall ohnehin nicht versuchen... denn er wusste selbst, dass es notwendig war. Er konnte Harry nicht ewig beschützen. „Ja“, flüsterte Severus schließlich schwach als Antwort. „Ich weiß.“ Harry hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Severus ihm Recht gab. Er wurde nicht wütend, versuchte nicht verbissen, ihm seine dummen Pläne auszuschlagen. Nein, er akzeptierte seine Entscheidung einfach, obwohl man aus seiner Stimme und seinem Blick erkennen konnte, dass er Harry nur ungern gehen ließ. Seine Stimme war sogar trauriger, als Harry gedacht hätte. Er konnte nicht wissen, dass Severus mehr als nur seinen Willen zu kämpfen akzeptieren musste, wenn er wollte, dass Voldemort besiegt wurde. Leise und ruhig ergänzte Severus: „Ich weiß von den Horkruxen, Harry. Ebenso wie Syndia. Wir wissen, was Dumbledore dir aufgetragen hat.“ Überrascht sah Harry zurück und schluckte kurz. Er hatte zwar gedacht, dass Dumbledore nur ihn eingeweiht hatte, aber gut, so musste er wenigstens keine Geheimnisse vor Severus haben. Vielleicht konnte er ihm sogar helfen. Zögerlich holte er das falsche Medaillon heraus und betrachtete es nachdenklich. Dann öffnete er es und gab Severus die darin enthaltene Notiz. Eine Augenbraue hochziehend, nahm Severus das Stück Pergament entgegen und las sich die Nachricht durch. Leise fragte Harry: „Er spricht ihn mit 'Dunklem Lord' an, also war er ein Todesser. Irgendeine Idee, wer das sein könnte?“ Eine Weile betrachtete Severus nachdenklich die Initialen, ehe er langsam den Kopf schüttelte. „Ich fürchte nein. Auch wenn mir mein Gefühl sagt, dass ich es wissen müsste.“ „Allzu viele aufsässige Todesser kann es doch nicht gegeben haben, oder?“, hakte Harry weiter nach und nahm den Zettel zurück. „Es ist unmöglich alle Todesser zu kennen“, knurrte Severus verteidigend. „Du hast vermutlich immer nur die ranghöchsten im Kopf. Aber es gibt noch unzählige, von denen nicht einmal der Dunkle Lord die Namen kennt. Dafür sind sie es aber auch nicht 'wert' das Dunkle Mal zu erhalten.“ „Ohja, das muss wirklich eine große Ehre sein“, murmelte Harry sarkastisch, ohne von seiner Tätigkeit, die Notiz im Medaillon zu verstauen, aufzusehen. „Frag Igor Karkaroff“, erwiderte Severus nur trocken, was Harry zum Schnauben brachte. Vom Thema ablenkend, sagte Severus: „Ich hoffe Granger und Weasley helfen dir bei deiner Aufgabe.“ Harry verzog murrend den Mund und zeigte damit deutlich seine Meinung. „Sie haben darauf bestanden mich zu begleiten. Ich habe ihnen gesagt, dass das zu gefährlich ist, aber sie wollen nicht hören.“ „Gut so“, erwiderte Severus nur und Harry warf ihm einen fiesen Blick zu. „Schau mich nicht so an, du weißt genauso gut wie ich, dass du ihre Hilfe brauchen wirst. Außerdem ist mir wohler dabei, wenn du zwei treue Freunde an deiner Seite hast.“ Amüsiert zog Harry die Augenbrauen hoch. „Seit wann sprichst du in so hohen Tönen von meinen Freunden?“ „Sie mögen einige Charakterfehler haben, aber ich weiß, dass sie dich niemals im Stich lassen würden“, erwiderte Severus grimmig. „Ich weiß, dass dein Leben in ihren Händen gut aufgehoben ist. Naja, zumindest in Grangers Händen.“ „Hey, jetzt tu nicht ständig so, als könne ich nicht auf mich selbst aufpassen“, beschwerte sich der Gryffindor gespielt beleidigt. „Wenn du dich nicht ständig von einer gefährlichen Situation in die nächste werfen würdest, müsste ich mir nicht solche Sorgen machen“, argumentierte Severus stur weiter. „Das tu ich gar nicht“, jammerte Harry lauthals. „Die Probleme finden mich, nicht andersrum.“ „Und warum bist du nach Dumbledores Tod sofort zum Dunklen Lord gerannt?“, zischte Severus sofort und seine Augen blitzten Harry vorwurfsvoll an. „Du hättest im Schloss bleiben sollen, aber nein, du rennst gleich zur nächsten gefährlichen Situation.“ „Ich bin zu euch gestoßen, um dich zu retten“, giftete Harry zurück. „Ich hab gesehen, dass du alleine mit Voldemort am kämpfen warst und ich konnte nicht zulassen, dass dir was passiert...“ „Aber genau das ist das Problem!“, unterbrach Severus ihn sofort. „Das musst du in Zukunft sein lassen, wenn du diesen Krieg überstehen willst. Der Dunkle Lord hat gesehen, wie du für mich in den Avada gesprungen bist. Das war außerordentlich dumm!“ „Hätte ich dich etwa sterben lassen sollen?!“ „JA verdammt!“, rief Severus aus und Harry starrte ihn nur vorwurfsvoll an. „Begreifst du es denn nicht?! Wenn der Dunkle Lord auf die Idee kommen sollte, dass ich dir mehr bedeute als irgendjemand sonst, dann wird er mich benutzen, um an DICH heranzukommen. Das kann ich nicht zulassen!“ Harry antwortete zuerst nicht, sondern funkelte Severus nur dunkel an, der endlich genug gebrüllt hatte und nur stur zurücksah. Schließlich antwortete Harry wieder deutlich ruhiger und mit festem Blick: „Denkst du etwa, darüber hätte ich mir noch keine Gedanken gemacht? Denkst du, ich würde mir nach gestern nicht Sorgen darum machen, dass ich dich unnötig in Gefahr bringe? Ich weiß es sehr wohl!“ Seufzend wandte Harry den Blick ab und trommelte mit den Fingern auf der Mauer. Ruhig sprach er weiter: „Ich sehe jetzt ein, dass du die ganze Zeit über Recht hattest. Das mit uns... ist so gefährlich. Es darf niemand auch nur Verdacht schöpfen. Es ist schon schlimm genug, dass Syndia, Luca, Ron und Hermine Bescheid wissen. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir wegen mir irgendwas zustoßen würde.“ Severus sah beinahe ausdruckslos zum Gryffindor. „Es ist ohnehin fraglich... wann oder ob wir uns wiedersehen.“ Sofort schnellte Harrys Blick wieder zurück zum anderen. „Hey, du passt gefälligst auch auf dich auf. Komm mir ja nicht auf die Idee dich töten zu lassen, ja?“ Ein trauriges Schmunzeln huschte kurz auf Severus' Lippen. „Auf der Abschussliste des Dunklen Lords nehme ich höchst wahrscheinlich Platz drei ein. Wie hoch schätzt du dann wohl meine Überlebenschancen ein?“ Harry schluckte hart und ballte seine Hände zu Fäusten, ehe er grimmig antwortete: „Als derjenige, der auf Platz eins steht, sage ich dir: Sehr hoch!“ Eine kurze Pause entstand, ehe Harrys Blick fragend wurde. „Und wer soll auf Platz zwei sein?“ Severus setzte seinen Ist-Das-Dein-Ernst-Potter-Blick auf und Harry begann scharf nachzudenken. Schließlich fragte er zögerlich: „Der Zaubereiminister?“ „Scrimgeour, ja“, nickte Severus bestätigend brummend. „Jetzt, wo Dumbledore tot ist, wird er sich darauf konzentrieren das Ministerium zu stürzen. Erst dann hat er überhaupt eine Chance an dich heranzukommen.“ „Hm“, nickte Harry und fiel ins Grübeln. Es war nicht zu leugnen, dass sie harte Zeiten vor sich hatten. Düstere Zeiten. „Also...“, begann Harry zögerlich, „ist das hier unser Abschied?“ Severus begegnete dem traurigen Blick des Gryffindors und ihm wurde allein schon dadurch beklommen zumute. „Sieht so aus“, sagte er leise. Stille trat ein, in der sich die beiden einfach nur ansahen. Im Blick des jeweils anderen konnten sie so viel Trauer und Sehnsucht erkennen, dass es ihnen beinahe körperliche Schmerzen bereitete. „Pass trotzdem auf dich auf“, sagte Harry ruhig, ohne dabei diesen Moment zu zerstören. „Ja. Du auch auf dich.“ Das sollte es jetzt also gewesen sein? Sie gingen jetzt einfach so auseinander? Harrys Kehle begann sich zuzuschnüren und das Bedürfnis, den anderen zu berühren wurde beinahe übermächtig. Dass das hier ihre letzte Begegnung sein sollte, zerriss ihm regelrecht das Herz. Er wollte nicht gehen, er wollte sich nicht verabschieden, er wollte einfach nur... bei Severus bleiben. Er konnte die gleiche Sehnsucht in Severus' Augen sehen, was Harry nur noch viel mehr quälte. Diesen Blick aus diesen schwarzen Augen hatte er schon einmal gesehen, und zwar als sie nach Necrandolas aus dem Krankenflügel entlassen worden waren und sofort fragte Harry sich, wie er nur so lange an den Gefühlen des anderen hatte zweifeln können. Wie hatte er ernsthaft glauben können, dass Severus nichts für ihn empfinden würde? Damals hatten sie sich auch gegenübergestanden und mussten sich verabschieden. Und damals hatte Harry Severus gehen lassen, ohne das gesagt zu haben, was er ihm so gerne hatte sagen wollen, ohne das zu tun, was er hatte tun wollen. Aber nicht heute, nicht nochmal. Er konnte Severus nicht einfach so verlassen. Er trat einen winzigen Schritt auf den anderen zu und hauchte voller Sehnsucht in der Stimme: „Sev...“ Bevor er weitersprechen konnte, war Severus schon bei ihm. Er hatte einen großen Schritt nach vorne gemacht, griff in Harrys Nacken und zog sein Gesicht so dicht an seines, dass sich ihre Stirn und Nasen fast berührten. Harrys Herz klopfte ihm bis zum Hals und er schloss die Augen. Severus' Atem streifte noch kurz sein Gesicht, ehe er seine Lippen auf Harrys legte. Genussvoll ließ Harry sich in den Kuss fallen und zog Severus näher an sich heran, der den Kuss sogleich intensivierte, ließ Harry spüren, dass er genauso ausgehungert war wie Harry selbst. In Harrys Bauch kribbelte und flatterte es und er spürte, wie Severus der Atem wegblieb. Der Gryffindor klammerte sich regelrecht an den anderen, ließ immer mehr Verzweiflung in den Kuss einfließen. Er wollte nicht gehen, wollte Severus nicht gehen lassen, er wollte verdammt nochmal, dass diese dunklen Zeiten endlich ein Ende nahmen, damit er sich nie wieder vom anderen trennen musste. Mit der Zeit wurden Severus' Küsse ruhiger, büßten aber nichts von ihrer Intensität ein. Im Gegenteil, sie wurden sogar liebevoller, womit Severus Harrys aufgewühltes Herz zu beruhigen versuchte. Seine Küsse hatten etwas so tröstliches angenommen, dass Harry gar nicht anders konnte, als dieses kalte Gefühl zu verdrängen und der Wärme in seinem Herzen Platz zu machen. Schließlich ließ Severus den Kuss ausklingen und ohne Abstand zu Harry zu nehmen, öffnete er die Augen, um in strahlend grüne zu blicken. So wie Severus ihn gerade ansah, hatte er Harry noch nie angesehen und der Gryffindor konnte gar nicht anders, als traurig zu lächeln, während seine Augen noch immer den Rest Verzweiflung widerspiegelten. Er konnte dem Blick nicht mehr standhalten, denn so schön er auch war, er zerriss ihn gleichzeitig. Sanft küsste Harry den Slytherin erneut, rettete sich einfach in dieses wunderschöne Gefühl hinein und wollte am liebsten auch nie wieder vom anderen ablassen, wollte nie wieder die Augen öffnen und somit vor der Realität fliehen. Es war so einfach und so verlockend die restliche Welt einfach auszusperren. Der Kuss wurde nur zu gerne erwidert und Severus schloss die Arme noch weiter um Harry, der daraufhin in den Kuss seufzte. Sie ließen sich alle Zeit der Welt, genossen diesen Moment in vollen Zügen, denn sie wussten, dass dies ihr letzter Kuss sein würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)