Erwachen von VZerochanV (Die Welt nach dem Ende) ================================================================================ Kapitel 7: Monster ------------------ Sie waren nun schon fünf Stunden unterwegs, ohne eine Pause gemacht zu haben. Schließlich meldeten sich Aarons Körperregionen vor Schmerz. Da er lange Zeit geschlafen hatte, war sein Körper solche Fußmärsche nicht mehr gewohnt und seine Kondition absolut ungeeignet. „Mina, können wir bitte anhalten?“, bat er sie schnaufend und hielt bereits an, noch bevor Mina ihm eine Antwort geben konnte. Sofort hatte Mina ihn verstanden und beendete ihre Bewegung. „Alles in Ordnung? Tut irgendwas weh?“ Irgendwas war untertrieben. Er spürte nur noch stechende Schmerzen in seinen Muskeln, sein Puls raste, als sei er auf der Flucht und sein Magen hatte ihm schon vor Stunden mitgeteilt, dass er nach Nahrung verlangte. „Ich fühle mich elend und habe Hunger. Aber ansonsten geht es mir ganz gut.“, fasste er zusammen und setzte sich auf den Boden. Endlich konnte er sich strecken und seinen Beinen die schwere Last nehmen. Er war sich sicher, dass er noch nie zuvor so viele Schmerzen auf einmal gespürt hatte. Umso schöner war das Gefühl, die heiß ersehnte Pause zu erhalten. „Gegen deine Schmerzen kann ich nichts machen, aber ich kann deinen Hunger besänftigen!“, verkündete Mina voller Stolz. Sie setzte sich zu Aaron und legte den gut gefüllten Beutel ab, den sie die gesamte Zeit auf ihrem Rücken transportiert hatte. Mina musste den Beutel nicht einmal öffnen, damit Aaron herausbekam, was sich darin befand. Der Geruch war so intensiv, dass er nichts anderem mehr Beachtung schenken konnte - Himmel und Hölle zugleich. Er konnte keine Minute länger warten, um die Köstlichkeiten sein Eigen zu nennen. Frisches Fleisch, Käse und Äpfel hießen ihn willkommen, nachdem die Tore ins Schlaraffenland entriegelt waren. Es dauerte nicht mal eine Sekunde, bis er zu den ersten Speisen griff und sie ohne Umschweife in sich aufnahm. „Dosch schmöckt würklich auschgezeichnet!“, lobte er das Essen, um seine Zufriedenheit auszudrücken. So zufrieden, dass er sich beinahe daran verschluckte und nur knapp dem Hustenanfall entkam. Erneut holte er mit seiner Hand nach dem Fleisch aus, doch dieses Mal sollte sie nicht das gewollte Ziel erreichen. Millisekunden vor ihrer Vereinigung wurde Aaron urplötzlich gerammt und fiel mit dem Kopf voran auf den Boden, dessen Geschmack er nun leider ebenfalls kannte. „Mina, was sol-“, beschwerte er sich beim Abstützen. Seine Wut hatte sich jedoch schnell wieder gelegt, als er Mina vor sich sah, wie sie mit ihrer Axt ein monströs großes Wildschwein abwehrte. Zumindest war das die Bezeichnung, die er der Bestie am ehesten zuordnen konnte. Er hatte zwar noch nie ein Wildschwein in der freien Natur gesehen, doch von einem drei Meter hohem Waldtier mit Eckzähnen, die ein Meter lang waren, hatte er in den Tierbüchern noch nicht gelesen. „Was ist das?!“, war folglich seine erste Frage. Mit beiden Händen umklammerte er sein Schwert, das ihm auf einmal viel schwerer als vor wenigen Minuten erschien. Jetzt könnte er es zum ersten Mal nutzen, nur blieben das Wo, Wie und Wann ungeklärt. Er hatte noch nie ein Schwert geführt, noch hatte er jemals ein Tier erlegt. Und nun stand er einem Wesen gegenüber, das ihn vermutlich mit nur einem Biss verschlucken konnte. Vielleicht hatte es nicht einmal eine Schwachstelle und ihre einzige Überlebenschance war ein Rückzug. Aus Angst, einen Fehler zu begehen, der ihm das Leben kosten könnte, rührte er sich keinen Zentimeter und verfolgte bloß von weitem, wie Mina versuchte dem wilden Tier standzuhalten. „Du bist ein echt hässliches Vieh, hat dir das schon mal jemand gesagt? Und dann greifst du uns auch noch aus dem Hinterhalt an! Da hast du wirklich Pech, denn ich mag keine Spanner!“, warf sie dem Wildschwein Beleidigungen an den Kopf. Der Zweck dahinter wollte Aaron nicht ganz einleuchten, denn selbst wenn es kein normales Wildschwein war, so weckte es nicht den Eindruck, die Menschensprache zu verstehen. Vermutlich war es mal wieder eine von Minas Eigenarten, die ihr Kraft gaben oder sie motivierten, so wie wenn Kampfsportler schrien. Noch eine ganze Weile verharrten Mina und das Wildschwein in ihren Positionen, in denen sie sich jeweils gegeneinander pressten und sich den Widerstand des Bodens zunutze machten, um nicht weggeschoben zu werden. Sowohl bei ihr als auch dem Tier war dadurch eine Vertiefung unter ihren Füßen entstanden. Währenddessen überlegte Aaron, ob er nicht lieber doch in Aktion treten sollte, denn es hatte nicht den Anschein, als würde sich einer der beiden bald rühren. //Wenn ich mich von hinten anschleiche, könnte ich vielleicht seine Beine angreifen, wodurch es den Halt verliert und Mina ihm den Todesstoß versetzen kann!//, malte er sich den Optimalfall aus. Dass dieser tatsächlich eintreten würden, hielt er allerdings für unwahrscheinlich. Es gab zu viele Wenns in seinem Plan. Was, wenn sein Angriff keinen Schaden machte? Und wenn doch, würde Mina es mit einem Schlag erledigen können? Er schüttelte den Kopf, um sich wieder zu beruhigen. Noch Stunden hätte er so weiter machen können, ohne zu einem Entschluss zu kommen. Niemand konnte zu 100% voraussagen, was geschehen würde; weder er als Jagd-Amateur, noch ein Veteran. Es gab immer Zufälle, die die jetzige Situation beeinträchtigen konnten. Und dieses Mal wäre es möglich, dass der Zufall auf ihrer Seite stand, genauso aber auch andersherum. //Zögern wird nichts ändern! Ich muss etwas unternehmen!// Der Griff um sein Schwer verstärkte sich und die Anspannung in seinem Gesicht stieg auf ihr Maximum an. Er hatte Angst; wahnsinnige. Das Adrenalin in seinem Körper half ihm, diese Angst weitestgehend zu unterdrücken und so kam es, dass er mit langsamen Schritten vorwärts ging und sich in einem großen Bogen auf das Tier zubewegte. Das Verhalten der Bestie hatte sich nicht geändert, daher ging er davon aus, dass es seine Bewegungen noch nicht wahrgenommen hatte. Nun musste er nur noch unentdeckt bleiben. Wenige Meter fehlten ihm, bis es in Reichweite war. Leise Schritt er voran und atmete kaum hörbar ein und aus. Gleich würde er es angreifen. Ein letztes Mal nahm er die Luft um sich auf und holte schließlich mit seinem Schwert aus, das er ohne Probleme ins rechte Hinterbein des Wildschweins stach. Sofort wich Aaron zurück ungeachtet des lauten Schreis, den es von sich gab. Mina hatte seinen Plan verstanden und konnte für einen kurzen Moment ihre Axt aus der Verankerung der Stoßzähne ziehen. Die wenigen Sekunden, die ihr zur Verfügung standen, nutzte sie unverzüglich und traf mit ihrer Axt den Kopf des Tieres, das daraufhin zusammensackte. Sie wiederholte die Aktion nochmals, wodurch das Wildschwein sich nicht mehr bewegte. Aus Minas entspanntem Gesichtsausdruck konnte Aaron herauslesen, dass die Gefahr vorbei war und sie das Tier erfolgreich erlegt hatten. Ein Stein fiel ihm bei dieser Erkenntnis vom Herzen. „Wow. Das war ganz schön gefährlich.“, sagte er erschöpft und erleichtert zugleich. „Findest du?“, fragte Mina wenig erschüttert, während sie mit einem Tuch das Blut von ihrer Axt entfernte. „Diese Dinger gibt es überall. Ganz schön nervig, weil sie so groß sind, aber auch ziemlich dumm.“ Einen Moment lang war Aaron fast der Meinung, dass Mina scherzte, dann fiel ihm aber wieder ein, dass sie ganz und gar nicht der Typ für solche Albernheiten war, was bedeutete, dass sie das vollkommen ernst meinte. Er schluckte kräftig. „Du redest ja so, als wäre das eben nichts Besonderes gewesen! Aber das war doch kein normales Tier! Das war ein Monster!“ „Ein Monster?“, wiederholte sie verwundert und ging auf Aaron zu. „Dann weißt du es gar nicht? Man führte Tierexperimente durch, um neue Waffen für den Krieg zu erschaffen. Unter anderem waren Mutationen ein häufiges Resultat. Und das war eines davon.“ Sie log nicht. Ihre Augen waren voller Klarheit. Aber er wollte nicht glauben, was er hörte. „Das... war ein Tier? Das haben sie ihnen angetan...?“ Er machte einen Schritt zurück, als hätte man ihm einen Schlag versetzt. Aber das, was er fühlte, war ganz anders. Hass, Abscheu, Vorwürfe. Seine Generation war an diesen Monstern Schuld. „Es war ihnen gelungen, Tiere zu erschaffen, die nicht nur größer waren als ihre normalen Vertreter, sondern auch aggressiver. Dein Vergleich mit einem Monster ist daher wohl gar nicht so falsch. Sie leben im Prinzip nur, um zu töten, ohne Sinn und Zweck. Ein grausamer Fluch... Diejenigen, die zu so etwas imstande waren-“ Plötzlich fasste Aaron Minas Handgelenk. „Lass es.“, bat er sie aufzuhören. Mehr konnte er nicht vertragen. „Gehen wir einfach weiter, okay? Wir haben noch einiges vor uns.“ Mina sagte nichts dazu. Stumm sammelte sie ihre Sachen zusammen und beobachtete bloß nachdenklich ihren Mitreisenden von weitem. Was sie auch dachte, es war Aaron egal. Er war dankbar, dass sie ihn nicht mit irgendwelchen Fragen löcherte und seine Bitte angenommen hatte. Als sie fertig war, zogen sie weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)