Eternal Recurrence von Puppenspieler ================================================================================ One-Shot -------- Sie waren.   Beobachter.   Nie fähig, einzugreifen. Zu verändern. Formlos und körperlos, längst jeder Persönlichkeit und jedem individuellen Willen beraubt, waren sie ein Kollektiv, das mal um mal verfolgte, wie die Geschichte sich wiederholte. Die Welt sich veränderte. Stagnierte. Zerstörung nahte. Gefahr gebannt wurde. Ein Waisenjunge mit einer Flöte, der fremde Kräfte zu entfesseln vermochte, den Kometen zerschlug. Er gewährte der Welt Aufschub. Wachstum. Bis der nächste Komet kam, dem diese dunkle Kraft innewohnte, um erneut das Rad der Geschichte zurückzudrehen. All das sahen sie. Mal um Mal erhoben sich die Menschen, um zu kämpfen. Immer waren sie anders. Der nette Tankwart von der nächsten Tankstelle, der verwöhnte Wirtschaftsstudent, der kumpelhafte Automechaniker. Die verwöhnte Prinzessin. Das Mädchen aus dem Zauberdorf. Immer waren sie gleich.   Zeitzeugen.   Zeugen einer Zeit, die vergessen gehörte. Einer Welt, die so nicht mehr existierte, die verloren ging, damit eine neue Welt daraus erblühen konnte, schöner und kräftiger als die zuvor. Damit auch diese Welt unabdingbar ihrem Untergang entgegentreten konnte, um in letzter Sekunde errettet zu werden. Um zu sterben und Platz zu machen für eine neue Welt, schöner und kräftiger als die zuvor.   Mahnmal.   Formlos, ohne Körper. Wesen, die mehr Schall und Rauch waren als wahre Existenz, nicht gebunden an die Grenzen des Schicksals und der Lebensuhr. Das Resultat dessen, was geschah, wenn man dem Licht des Kometen zu nahe kam. Sie lebten nicht. Aber sie waren auch nicht tot. Sie existierten, existierten neben Zeit und Raum hinweg, waren gestern gewesen, waren heute, und würden morgen immer noch sein. Das war ihr Schicksal. Ewig zu sein, ohne teilhaben zu können. Niemals zu sterben, doch auch niemals leben zu können.   Hoffnung.   Sie konnten nicht eingreifen, nicht selbst handeln. Doch sie konnten helfen. Sie bargen eine Macht, die vielerorts unterschätzt ward: Wissen. Wissen, das sie weitergeben konnten, wenn es benötigt wurde. Wissen, das auf den rechten Pfad verhalf. Durch Ruinen führte, die längst verschwunden geglaubt, Schätze zu finden vermochte, von der die Geschichtsschreibung noch nie gehört hatte. Sie hatten oft geholfen, ohne etwas tun zu können. Hatten zugesehen, wie die Menschen ihrem Weisen folgten, gegen ihr Schicksal aufbegehrten, doch auch wenn sie halfen, fühlten sie keine Teilnahme. Sie fühlten nichts. Trotzdem existierten sie. Existierten, um Hoffnung zu bringen, wenn das Licht des Kometen die Sonne verdunkelte. Existierten, um Pfade aufzuzeigen, die immer wieder anders verschlungen, und doch immer wieder dieselben waren, so wie auch die Geschichte immer wieder anders, und doch immer wieder gleich blieb.   Stillstand.   Wo die Lebensuhr nicht tickte, gab es keine Veränderung. Sie kamen nicht voran. Kamen nicht zurück. Ihre Vergangenheit war ihre Zukunft, ein ewiger Kreislauf aus immer gleichen Geschehnissen, die sich nur in ihrer Präsentation rudimentär unterschieden. Für sie war es schon lange alles einerlei geworden. Für sie war es belanglos, was mit der Welt geschah. Ob der Komet erstrahlte oder zerfiel. Dennoch bewegten sie sich. Vorwärts, rückwärts, immer auf der Stelle. Um sie herum rauschte das Leben vorbei. Mensch um Komet um Welt wurde neu geboren und neu gestorben, und inmitten von all der Hektik standen sie. Standen sie, und egal, wie oft sie es versuchten. Wie oft die Außenwelt versuchte, sie mitzureißen. Sie blieben stehen. Still.   Unsterblich.   Einst hatten sie gelebt. Wirklich gelebt. Waren Menschen gewesen, mit Gefühlen, Träumen und Ängsten. Heute waren diese Gefühle nur noch leere Worte, die Erinnerung so fern, so fern, längst verblasst, verblichen, nur noch ein fahler Nachhall in dem heute kollektiven Denken, der keinerlei Wichtigkeit mehr hatte. Wer waren sie gewesen? Hatten sie Freunde gehabt? Familie? Geliebte? Was es war, es war verloren. Seit endlos langer Zeit, seit unzähligen Welten, die geboren und gestorben waren, unzähligen Kometen, in deren Licht am Ende nur die Dunkelheit hauste. Emotionen waren ihnen fremd geworden. Ihr Dasein gleichförmig, leer und kalt. Die Unsterblichkeit hatte einen Preis, und der war das Leben.   Sie waren.   Das Mondvolk. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)