Sternentränen von Platan (Bande der Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 3: Willkommen in der Einheit ------------------------------------ Ehrlich gesagt hatte Tara sich den Tag, an dem sie von einem Jungen flachgelegt werden würde, irgendwie völlig anders vorgestellt. Außerdem hätte sie sich auch niemals zu träumen gewagt, dass es noch dazu gleich zwei Typen auf einmal wären, die dabei auf sie flogen. Das ... ist nicht witzig, machte sie sich sofort selbst in Gedanken darauf aufmerksam. Mein Kopf muss bei dem Sturz etwas abbekommen haben. Eigentlich hatte sie sich mit einem derart entscheidenden Lebensabschnitt nämlich noch so lange wie möglich Zeit lassen wollen, bis sie alt genug dafür war und überhaupt das nötige Interesse für Jungs bekäme. Höchstens um Leander, der garantiert niemals eine feste Freundin fand, damit ärgern zu können, einen hübschen Mann an ihrer Seite zu haben, wäre eine Beziehung für sie reizvoll – irgendwann. So hatte sie es sich das aber jedenfalls nicht vorgestellt, nein. Eins steht fest, dieses Spiel zwischen Frau und Mann ist gar nicht so toll, wie manche Erwachsenen immer meinen, dachte Tara weiter. Was soll man daran toll finden, umgerannt zu werden? Und was sollten diese albernen Gedanken? Da hatten zwei Jungs einfach nur ihre Augen nicht richtig aufmachen und einen Menschen nicht von einem Glühwürmchen unterscheiden können, was auch natürlich nur schwer zu unterscheiden war. Nachdem die beiden dann so freundlich gewesen waren, endlich von ihr runterzugehen, brauchte sie selbst noch einen Moment, um erst mal wieder durchzuatmen und vor allem richtig klar im Kopf zu werden. Der unvorhergesehen harte Zusammenstoß hatte nämlich deutliche Spuren hinterlassen, angefangen bei leichtem Schwindel bis hin zu Schmerzen, die sich durch ihren Körper zogen. Normalerweise war sie durch häufige Auseinandersetzungen mit Leander geistig sowie körperlich einiges gewohnt, doch so etwas passierte ihr zum ersten – und hoffentlich letztem – Mal. Wären die zwei nicht quasi aus dem Nichts aufgetaucht, hätte sie bestimmt noch rechtzeitig reagieren und ausweichen können. Da kann ich ja froh sein, dass mir das nicht mit Leander passiert ist, wirklich. Zu allem Überfluss fingen die Verantwortlichen für den entsetzlichen Schmerz in ihrer Beckengegend obendrein auch noch damit an, sie mit lauter Fragen zu löchern, was ihr Kopfschmerzen bereitete. Seit wann konnten Jungs so viel reden und solches Interesse an einer fremden Person zeigen? „Ah, seid doch ruhig!“ Überfordert rieb Tara sich die Stirn. „Bei euch hört man ja seine eigenen Gedanken nicht mehr.“ Sie war kaum ein paar Minuten unterwegs gewesen und schon hatte sich ihr das erste Hindernis in den Weg gestellt. Der Schöpfer meinte es wohl zurzeit nicht gut mit ihr. „Das hören wir öfter“, meinte einer der beiden auf ihre Worte gelassen. „Suchst du auch nach Sternentränen?“, wollte der andere am Ende der Fragenflut schließlich wissen, was dazu führte, dass sie mehr als hellhörig wurde. „Wie bitte?“ Tara richtete sich auf und empfand es als sehr positiv, dass die beiden ihr sogleich etwas mehr Freiraum ließen und sich nebeneinander vor ihr hinhockten. Dafür war eine andere Sache wiederum negativ, nämlich die Art, wie sie von ihnen angestarrt wurde, jedoch versuchte sie sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es sie störte. In solchen Situationen sollte man Haltung bewahren, besonders als Mädchen. „Ster-nen-trä-nen“, wiederholte der Junge das Wort geduldig. „Sagt bloß, ihr sucht auch danach?“, antwortete sie höchst misstrauisch, ohne auf diese überflüssige Wiederholung einzugehen. „Ich dachte nicht, dass tatsächlich noch jemand außer mir danach sucht. Dann auch noch zufällig in der gleichen Gegend wie ich.“ „Das war bestimmt kein Zufall! Tante Asti würde sagen, es war Schicksal“, beteuerte der Junge mit den schwarzen, zerzausten Haaren und den unzähligen Pflastern am Körper. Sein Freund, der mit den braunen Haaren und den grünen Augen, wirkte dagegen genauso verunsichert, wie sie es war. „Schicksal? Meinst du? Und was, wenn sie doch ein Geist ist und uns nur angelockt hat, damit sie unsere Seelen verschlingen kann? Sie macht auf mich nicht den Eindruck, als würde sie mit uns Freundschaft schließen wollen.“ Was redete er da? Ein Geist? In diesem Wald sollte ein Geist spuken, der Seelen verschlang? Wie in einem ... Märchen? Ihrer Faszination förmlich ausgeliefert, beugte sie sich interessiert näher zu ihnen und sprach unbewusst in einem Flüsterton weiter. „Hier gibt es einen Geist, im Ernst? Ist das wirklich wahr?“ „Das weiß leider niemand so genau, aber früher soll es hier einmal einen gegeben haben, der, äh, Xeldrite hieß“, begann der Schwarzhaarige ebenfalls zu flüstern, der sich von ihrer Faszination mitreißen ließ. „Angeblich soll er die letzte Ruhe gefunden haben, aber ist es nicht so, dass Geister immer etwas an dem Ort zurücklassen, an dem sie vorher gebunden waren?“ „Ja, genau~“, stimmte Tara begeistert zu. „Fragmente ihres Bewusstseins bleiben den Erzählungen nach erhalten und machen sich durch einen harmlosen Spuk bemerkbar, also Lichter flackern und so was.“ Wie aufregend. Schon ewig träumte sie davon, mal einem Geist zu begegnen. Es wäre ein wahrlich schöner Bonus zum Abschluss ihres eigenen Märchens. Weniger fasziniert von den Mythen über Geister, unterbrach der andere ihre Unterhaltung nachdenklich. „Fragmente?“ Wie auf Stichwort hob sein Freund den Zeigefinger in die Luft, wobei er versuchte, wie ein Gelehrter zu klingen. „Bruchstücke eines Ganzen. Etwas Unvollendetes.“ „Ach so“, nickte der Braunhaarige verstehend und kam gleich zum nächsten Punkt in seiner Liste. „Sollten wir uns nicht erst mal gegenseitig vorstellen, bevor ihr euer Gespräch über Geister fortsetzt?“ Erstaunt weitete Tara die Augen, weil sie selten einen Jungen mit solch gutem Benehmen getroffen hatte. Die meisten Jungs, denen sie bis jetzt über den Weg gelaufen war, Leander eingeschlossen, waren Idioten gewesen. Nur zu gern hätte sie seine Mutter kennengelernt, um herauszufinden, ob diese eher zur Sparte streng und unausstehlich oder hübsch und liebenswert zählte. „Gute Idee, Lan.“ Sichtlich erfreut über dieses Lob, fing derjenige, von dem dieser Vorschlag kam, mit der Vorstellung an. „Also, mein Name ist Landis.“ „Und ich heiße Nolan~. Wir zwei sind Helden in Ausbildung aus Cherrygrove.“ Innerlich rollte sie angesichts des letzten Teils mit den Augen. Die zwei waren also doch nichts weiter als Kinder, wie hatte sie sich nur Hoffnungen machen können, auf Gleichgesinnte gestoßen zu sein? Nein, eigentlich ... Innerlich erschrocken senkte sie den Kopf, als ihr etwas bewusst wurde. Selbstverständlich konnte sie nicht leugnen, dass sie eine ähnlich verträumte Lebensweise führte. Deshalb mochte sie die Aussage an sich, aber was, wenn die beiden auch nur wie alle anderen waren und unbedingt erwachsen und mutig wirken wollten? Wenn sie sich über Märchen in Wahrheit nur lustig machten? Unmöglich, das Gespräch über Geister vorhin wäre sonst niemals so lebhaft abgelaufen. Trotzdem konnte sie das nicht riskieren. Sie durfte nicht vergessen, was sie sich vorgenommen hatte, andernfalls wäre alles bisher umsonst gewesen. „Hey“, hörte sie Landis vorsichtig sagen, der sie damit aus den Gedanken riss. „Geht es dir nicht gut? Du sagst gar nichts mehr.“ Nolan sog geschockt die Luft ein und blickte sie mitfühlend an. „Hast du etwa keinen Namen?“ „Doch, doch“, versicherte sie rasch und versuchte, sich zu konzentrieren. „Mich nennt man Tara. Ist es bei euch üblich alles flachzulegen, was ein Glühwürmchen sein könnte?“ „Flachlegen?“ Bis Landis verstand, was genau sie damit meinte, verging ungefähr eine halbe Minute. „Nein, ist es nicht. Tut uns Leid, dass wir dich umgerannt haben.“ Derweil wirkte Nolan so, als müsste er über etwas höchst angestrengt nachdenken, bis er anfing unverständlich zu murmeln: „Ta? Ra? Oder doch Ara?“ „Heißen so nicht diese bunten Vögel, die Ken uns mal in einem Buch gezeigt hat?“, murmelte Landis nun ebenso undeutlich, dass sie kaum ein Wort verstehen konnte. „Oh, stimmt. Nein, passt nicht. Zu dumm.“ „Stimmt irgendetwas nicht?“, hakte Tara ein wenig genervt nach, da sie es nicht leiden konnte, wenn sie nicht wusste, worum es ging – oft handelte es sich um Lästereien. Hoffend sah Nolan sie daraufhin an. „Magst du zufällig bunte Vögel?“ Irritiert warf Tara den Blick zwischen den beiden hin und her, die sie wohl vorerst in die Kategorie seltsame Vögel einordnen könnte, auch wenn einer von ihnen gut erzogen war. Wenigstens war es ihr durch diese Unterbrechung gelungen, sich von der Faszination über Geister zu lösen und ihre alte Haltung zurückzuerlangen. Zwar wirkten diese Jungs so verträumt wie sie, aber sie sollten das ursprüngliche Thema wieder aufnehmen, bevor sie nur enttäuscht wurde oder auf weitere, dumme Gedanken kam. „Kehren wir lieber zu den Sternentränen zurück, okay? Ihr sucht also auch danach? Warum?“ Sich gegenseitig undefinierbare Blicke zuwerfend, schätzten sie vermutlich gerade ab, wie viel Tara bereits über dieses Thema wusste und ob es klug wäre, gleich mit ihrem ganzen Wissen auszupacken. Jedenfalls konnte sie sich gut vorstellen, dass die beiden darüber nachdachten, ob sie ihr trauen konnten oder wollten. Verständlich, ihr ging es nicht anders. Misstrauen war wichtig oder man geriet zu leicht an die falschen Leute. Hinzu kam: Welcher normale Mensch auf der Welt teilte heutzutage noch gerne? Obendrein etwas so wertvolles wie eine Sternenträne? Stimmt, was mache ich eigentlich noch hier?!, tadelte sie sich selbst. Es ist meine Mission, ich muss sie alleine bestehen. Da ich jetzt Konkurrenz habe, sollte ich mich besser beeilen und vor ihnen die Sternenträne finden. Zum einen waren diese Sternentränen sicherlich ohnehin schon eine Seltenheit, zum anderen konnte sie sich nicht sicher sein, dass es hier in der Gegend überhaupt eine gab. Zu diesen Tatsachen kam dann leider noch etwas erschwerend hinzu, nämlich dass sie bislang auch gar nicht wusste, wie so eine Sternenträne aussah. Sicher, Tara hatte ihre Vorstellungen, aber so etwas Magisches könnte alle möglichen Gestalten annehmen. Wie sollte man unter solchen Umständen eine finden? Nicht gleich den Mut verlieren. Ich hab doch noch gar nicht richtig mit der Suche angefangen. Ich brauche nur etwas Glück, dann wird es schon werden. Zuversichtlich nickte sie sich selbst zu und als sie aus ihrer Gedankenwelt zurück zur Realität kam, musste sie feststellen, dass die Jungs sich nach wie vor anstarrten, ohne ein Wort zu sagen. Ein schlechter Zeitpunkt für ein spontanes Blickduell, wie sie fand. Gerade wollte Tara sich von ihnen verabschieden und klarstellen, dass sie den Kampf um die Sternenträne auf jeden Fall gewinnen wollte, als die zwei ihr Blickduell unerwartet beendeten. Aufgeregt wandte Nolan sich ihr zu. „Also, wir haben eine Entscheidung getroffen.“ Abermals blickte sie irritiert zwischen den beiden hin und her. Sie hatten eine Entscheidung getroffen, ohne ein einziges Wort miteinander gewechselt zu haben? War so etwas möglich oder wollten sie Tara nur dumm dastehen lassen? Sie täte eindeutig gut daran, nicht so einfach auf ihre nette Art hereinzufallen. „Was für eine Entscheidung?“ „Möchtest du dich unserer Mission Sternenjäger anschließen?“, fragte Landis erwartungsvoll. „Bitte?“ „Wie gesagt, unser Zusammentreffen muss Schicksal gewesen sein!“ Ebenso erwartungsvoll wie sein Freund, wippte Nolan in seiner hockenden Position ein wenig herum. „Wir können uns gegenseitig unterstützen und zu dritt haben wir auch noch mehr Spaß.“ Spaß. Leider hatte er mit seinem letzten Wort eine sehr empfindliche Stelle getroffen, die Tara dazu veranlasste, sich auf keinen Fall mit ihnen zusammen zu tun. Ablehnend verzog sie das Gesicht. „Spaß? Mir geht es aber nicht um Spaß! Ich brauche diese Sternenträne viel dringender als ihr, damit ihr es wisst! Also kommt mir nicht in die Quere, hört ihr?!“ Mittlerweile war ihr nicht mehr schwindelig, daher stand sie auf, sammelte die fallen gelassene Laterne wieder ein und wollte ihnen somit den Rücken zukehren, doch Nolan gelang es mit der folgenden Frage, sie noch eine Weile festzunageln. „Heißt das jetzt Nein?“ „Ja!“, entgegnete sie verstimmt. „Also doch Ja? Toll!“ „Nein!“ „Nein? Was denn nun? Kannst du dich nicht mal entscheiden?“ „Ja bedeutet, dass ich mich euch nicht anschließe!“ „Hä? Aber Ja bedeutet doch, dass du unser Angebot annimmst.“ „Dieses Ja ist auf deine Frage vorhin bezogen, nicht auf euer Angebot, du Idiot!“ „Oh, ach so ...“ Enttäuscht stieß Nolan einen Seufzer aus. „Schade. Es hätte so lustig werden können. Überleg es dir doch nochmal!“ Großartig, nun war sie zwar das Schwindelgefühl los, dafür hatten sich jedoch die Kopfschmerzen verstärkt. Wie hielten es die Leute in Cherrygrove nur auf Dauer mit den beiden aus? Schon nach einigen Minuten hatte sie mehr als genug von ihnen, nicht zuletzt weil sie die unangenehme Angst nicht loswurde, von den beiden sowieso nicht ernst genommen zu werden. „Ich wiederhole mich ungern, aber es geht mir nicht um Spaß.“ Ohne sich weiter aufhalten zu lassen, wandte sie sich von ihnen ab und schritt in die Richtung, die sie zuvor eingeschlagen hatte, an die beiden geraten war. „Davon abgesehen zweifle ich daran, dass ihr mir bei der Suche eine Hilfe wärt. Es sei denn, ihr wüsstet aus einem mir unempfindlichen Grund, wie man Sternentränen erkennen kann.“ „Wissen wir“, kam es wieder mal synchron von ihnen, genau wie sie sich gleichzeitig aus ihrer Hocke erhoben hatten. Tara erstarrte in ihrer Bewegung. Wissen wir, sagten sie? Woher im Namen des Schöpfers wussten denn zwei Kinder, die nichts weiter als Spaß im Sinn zu haben schienen und aus einer kleinen Ortschaft im Nirgendwo kamen, woran man Sternentränen erkannte? Hatte sie sich etwa geirrt und man meinte es doch gut mit ihr? Vielleicht war es ja doch eine Fügung des Schicksals. An sich hatte sie keine Lust, sich ihrer Mission anzuschließen. Aus Erfahrung wusste sie, dass die meisten Kinder in ihrem Alter nichts ernst genug nehmen konnten und Ignoranten waren, was ja bei ihnen offenbar auch der Fall war. Wahrscheinlich wollten sie sich nur irgendeinen Kinderkram wünschen und das wäre doch Verschwendung. Und doch musste sie irgendwie an diese äußerst wertvolle Information gelangen, sofern es sie gab. Deshalb beschloss sie, doch noch einmal umzudrehen und ahnte, dass es nicht so leicht werden würde, ihnen diese Information zu entlocken. „Und wie erkennt man sie?“ „Diese Information geben wir nur Mitgliedern unserer Einheit Sternenjäger“, klärte Landis sie auf, was sein Freund mit einem Nicken bestätigte. „Wäre ja sonst dumm von uns, wenn wir es jedem einfach so verraten würden.“ Leider hatte Tara genau darauf gehofft. Nun musste sie sich etwas einfallen lassen. Ob sie sich vorübergehend den beiden anschließen sollte, bis sie herausgefunden hatte, was sie wissen wollte? Was, wenn sie von ihnen nur an der Nase herumgeführt wurde, damit sie auf das Angebot einging? Wollten die beiden sie wirklich nur im Team haben, damit die Suche lustiger wurde oder weil sie darauf hofften, durch sie schneller ans Ziel zu kommen, weil sie in Wahrheit keine Ahnung hatten? Und was, wenn sie wirklich etwas wissen? Sie müsste entweder ein Risiko eingehen oder eine mögliche, große Chance aufgeben. Besser ausgerüstet war Tara schon mal auf alle Fälle, denn wer lief schon freiwillig nachts ohne jegliche Lichtquelle durch die Dunkelheit? Dann wäre da auch noch ... „Jetzt schließe dich ihnen schon an“, hauchte eine glockenartige Stimme. Es war wie ein sanfter Windzug, der sie kurz streifte und schnell wieder nachließ. Verwirrt huschte ihr Blick durch den Wald. War das Einbildung gewesen? Gab es hier etwa tatsächlich einen Geist oder dachte sie nur zu viel nach? Müde griff sie sich an die Stirn. Erneut war es Landis, der sich Sorgen zu machen schien. „Hast du dich bei dem Sturz etwa verletzt? Tut dir etwas weh?“ „Nein, es geht mir gut.“ Tara atmete einmal tief durch und gab sich einen Ruck, obwohl es ihr ziemlich schwerfiel. „Gut, meinetwegen. Ich nehme euer Angebot an und trete eurer Einheit bei.“ Die Augen der beiden leuchteten förmlich vor Begeisterung und sie hatte etwas Angst, jeden Moment ein zweites Mal von ihnen umgestoßen zu werden, weshalb sie vorsichtshalber einen Schritt zurückwich und die Hände hob. „Ich bin also nun Teil eurer sogenannten Einheit, jetzt könnt ihr mir doch wohl verraten, wie man Sternentränen erkennt, oder?“ „So leicht ist das nicht“, zerstörte Nolan ihre Hoffnung. „Du musst dich zuerst hocharbeiten, dann können wir es dir verraten. Jeder fängt klein an.“ Wieso hatte sie so etwas nicht kommen sehen? Egal. Möglicherweise hatte der Schöpfer ihr hiermit eine Goldquelle geschickt, in Form zweier Jungs. Statt alles so negativ zu betrachten, sollte sie zur Abwechslung versuchen, sich über diese unerwartete Hilfe zu freuen. Wie oft kam es schon vor, dass jemand freiwillig nach einem Mythos suchte? Ich streiche sie in meinem Märchen einfach raus. Muss ja niemand wissen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihre neuen Kameraden, was sie zuvor nur flüchtig getan hatte. Jeder von ihnen hatte einen Rucksack bei sich, der gut gefüllt war, also hatten sie diese Mission wohl doch vorbereitet angetreten. Auch sie trug einen Rucksack bei sich, den sie allerdings eher hastig und nicht geplant gefüllt hatte. „Na schön, darf ich denn wenigstens den Plan erfahren? Oder habt ihr keinen?“ „Klar, wir haben einen Plan“, versicherte Nolan ihr stolz, was sie vermuten ließ, dass er diesen Plan aufgestellt hatte. „Zunächst müssen wir dafür auf den höchsten Berg in der Gegend steigen.“ Kritisierend hob sie eine Augenbraue. „Aha. Was sucht ihr dann in einem Wald?“ Darauf mischte sich Landis räuspernd ein. „Es führen bekanntlich viele Wege zum Ziel.“ Zufrieden klopfte sein Freund ihm auf die Schulter, so als hätte er soeben eine gute Leistung gebracht. Klingt eher verdächtig danach, als hätten sie sich verlaufen. Wer in der Nacht ohne Lichtquelle auf so eine wichtige Mission ging, der brauchte sich nicht zu wundern, wenn er vom richtigen Weg abkam. Nachts sah meistens alles anders aus, als am Tag, selbst wenn es sich um eine vertraute Gegend handelte. „Und dann?“, verlangte sie nach weiteren Details. Nolan winkte ab. „Alles der Reihe nach, sonst überfordern wir uns nur. Erst einmal oben auf dem höchsten Berg ankommen, dann sehen wir weiter.“ „Kann es sein, dass euer Plan nur daraus besteht, auf einen Berg zu klettern?“ Auf ihre Frage hin folgte nichts als Schweigen, wodurch ihre Befürchtung bestätigt wurde, dass es keine gute Idee gewesen war, sich ihnen anzuschließen, nur hatte sie selbst keinen besseren Plan. Im Grunde hatte sie gar keinen Plan, also waren die Jungs ihr sogar einige Schritte voraus, was blieb ihr da anderes übrig? „Erst einmal geben wir dir jetzt deinen Mitgliedsausweis“, summte Nolan fröhlich vor sich hin und kramte ungeduldig in seinen Hosentaschen herum. Währenddessen bemerkte sie erst jetzt die selbst gebastelten, bunt angemalten Sterne, von denen jeder einen offen an seinem Oberteil befestigt trug und sie musste sich eingestehen, dass so viel Leidenschaft sie beeindruckte, auch wenn es kindisch wirkte. „So, hier!“ Er reichte ihr einen dieser gebastelten Sterne, an denen mit viel Klebstoff eine Art Anstecknadel befestigt worden war, die sehr wertvoll aussah. Woher diese Anstecknadeln wohl stammten? „Willkommen in der Einheit, Sternenjäger!“ „Sei vorsichtig mit der Anstecknadel, die sind nur ... geliehen“, bat Landis sie in einem nervösen Tonfall. *** So kam es, dass sie sich zwar nur widerwillig der Mission Sternenjäger anschloss, aber insgeheim hoffte, damit genau das Richtige getan zu haben. Hiermit fing ihre Suche nach dem Ende ihres Märchens erst richtig an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)