Where The Heart Is von Arianrhod- (Aktuell: Lucy & Erza) ================================================================================ 2. Erlebnis, in dem Levy bereit ist für ein Abenteuer ----------------------------------------------------- Der lang ersehnte Tag war endlich gekommen! Endlich war es so weit, endlich konnte sie aufbrechen in die große, weite Welt, endlich würde sie ihre behütete Kindheit hinter sich lassen und endlich, endlich ging sie an die Universität! Levy war so aufgeregt, dass sie beinahe in ihren Schuhen vibrierte, und so glücklich, dass sie das Dauerlächeln nicht von ihrem Gesicht kriegen konnte. Ihre Tasche war so voll mit Büchern, Schreibzeug und allem anderen, von dem sie dachte, dass sie es heute brauchen könnte, so dass der Träger in ihre Schulter einschnitt. Es störte sie nicht einmal, von den anderen Leuten, die durch die langen, altehrwürdigen Gänge der Magnolia Universität eilten, herumgeschubst zu werden. Nicht sehr jedenfalls. Dazu war sie viel zu glücklich, hier zu sein! Mit großen Augen sah sie sich um, obwohl sie eigentlich alles schon kannte. Immerhin war sie in Magnolia aufgewachsen und selbst sie war nicht umhingekommen, immer wieder einen Grund zu haben, um herzukommen. Auch die ersten Besprechungen für ihre große Operation hatten an der Uni stattgefunden, wenn auch in einem anderen Gebäude. Aber es war doch etwas ganz anderes, die Universität als ein einfacher Gast zu betreten anstatt als echte Studentin, die die nächsten Jahre regelmäßig hier sein würde. An Seminaren und Vorlesungen teilnehmen, die Bibliothek aufsuchen und einfach nur mit Freunden abhängen – dem allen sah sie kaum beherrschter Freude entgegen. Sie befand sich im Hauptgebäude der quer über die Stadt verteilten Universität, dem Kardia Palace, die sich unweit der Kathedrale befand und wie diese unter Denkmalschutz stand. Es war ein altes, ehrwürdiges Gebäude mit einer gigantischen Freitreppe, großen Löwenstatuen links und rechts davon, langen Säulengängen und hohen Räumen. Die Fliesen bestanden noch aus dem Originalmarmor, den vor zweihundert Jahren der Stadtherr hatte einbauen lassen, als er das Gebäude in Auftrag gegeben hatte. Über die Wände zogen sich verschnörkelte Ornamente, kunstvoller Stuck und herrliche Mosaike. Natürlich sah man dem Gebäude die Gebrauchsspuren an, immerhin wurde es schon von vielen, vielen Generationen Studenten benutzt, die tagtäglich hier ein und ausgingen, sich durch die langen Gänge schoben und teilweise nicht sehr viel Rücksicht nahmen. Bänke und Heizkörper zogen sich an den Wänden entlang, an strategisch ausgewählten Plätzen waren Schwarze Bretter aufgehängt worden und überall waren Mülleimer verteilt, die leider nicht von jedem benutzt wurden. Levy fand ihren Weg in die Aula zielsicher, obwohl sie durch einen der Nebeneingänge hereingekommen war. Es war ein großartiger, herrschaftlicher Raum, dem man seinen ursprünglichen Nutzen als fürstlicher Theatersaal noch ansah. Viele der großen Hallen des Palastes waren extra umgebaut worden zu typischen Vorlesungssälen, doch hier war das nicht einmal nötig gewesen, da die schrägen Sitzreihen und die Bühne schon vorhanden waren. Sonne fiel durch die großen Fenster, die mit prächtigen Vorhängen bestückt waren, und das Wetter draußen spiegelte Levys Laune wieder, denn der Spätsommer zeigte sich von seiner besten Seite. Es wurde nur langsam kühl, aber Levy, die unter der Hitze des Sommers sowieso litt, störte das gar nicht. Die Logenplätze, die über das obere Stockwerk zu erreichen waren, waren für besondere Gäste vorbehalten, aber das störte Levy nicht. Auch wenn sie hier unten ziemlich herumgeschoben wurde, so war sie doch lieber hier, mitten im Gedränge. Das machte es irgendwie realer für sie, dass sie endlich an die Uni ging. Mit leuchtenden Augen blickte sie sich um und rückte ihre Tasche etwas zurecht. Es wimmelte im Raum schon von Leuten, größtenteils Studenten. Die meisten davon waren in ihrem Alter oder ein, zwei Jahre älter, frisch von der Schule ab und wie Levy selbst aufgeregt über diesen neuen Abschnitt in ihrem Leben. Dazwischen mischten sich einige offizieller wirkende Personen, die teilweise sogar Namensschilder trugen und bei Fragen weiterhalfen. Außerdem tummelten sich ein paar weitere Erwachsene in der Menge, bei denen Levy sich fragte, ob sie Spätstudierende waren, Gäste oder Eltern, die ihre Sprösslinge begleiteten (sie selbst hatte es glücklicherweise geschafft, ihre Eltern dazu zu überreden, nicht mitzukommen, wenn auch nur gerade so). Zuletzt gab es noch eine Handvoll Leute, die ein paar Jahre älter waren als die Allgemeinheit, aber trotzdem offensichtlich ebenso ihr Studium begannen, wie zum Beispiel der junge Mann mit dem verschlossenen Gesicht und der auffälligen Tätowierung um das rechte Augen herum. Irgendwie kam ihr dieses Motiv bekannt vor… „Blockier nicht den Weg!“, riss jemand hinter ihr sie harsch aus den Gedanken und schob sie grob aus der Tür. Levy zog die Schultern hoch und stolperte hastig beiseite. „So-sorry.“, stotterte sie. Aber die beiden Jungs beachteten sie nicht weiter und schoben sich schon an ihr vorbei in den Saal, um ein paar Freunde mit großem Hallo zu begrüßen. Levy atmete tief ein, um sich wieder zu beruhigen, und bedauerte es, nicht selbst einige Freunde oder zumindest Bekannte zu haben, mit denen sie diesen Moment teilen konnte. Sie kannte hier niemanden. Ja, ein paar ihrer ehemaligen Klassenkameraden kamen jetzt ebenfalls an die Mangolia Universität, aber es waren gar nicht so viele, wie sie vermutet hatte. Die meisten hatten sich dazu entschlossen, auswärts zu studieren. Noch hatte sie kein bekanntes Gesicht entdeckt und sowieso hatte sie nie viel mit ihnen zu tun gehabt. Die wollten sie jetzt eh nicht dabeihaben. Aber was soll’s!, machte sie sich Mut. Ich werde dieses Semester viele Freunde finden! Mit diesem Vorsatz machte sie sich auf den Weg weiter nach unten, um näher am Podium einen Platz zu finden. Sich nach einem freien Stuhl umsehend, der ihr gemütlich erschien, wanderte sie langsam die breiten Stufen nach unten, bis sie direkt in jemanden hineinlief. Erschrocken quietschte sie auf und ließ ihre Tasche fallen, die mit einem lauten Rums! auf dem Boden aufkam, gemeinsam mit einem Handy, einem Block und einem Regen von Stiften. „Da-das tut mir so leid!“ Erschrocken die Hände vor dem Mund zusammenschlagend blickte sie zu einer jungen Frau auf. Ihr Gegenüber hatte große braune Augen, langes blondes Haar und ein perfekt geschminktes, liebreizendes Gesicht, wie man es sonst nur auf einer Reklametafel fand. „Macht nichts, ist ja nichts passiert.“, antwortete die Blondine beruhigend und bückte sich, um ihr Handy aufzuheben, ehe es zertrampelt wurde. „Ich hätte ja auch ein wenig aufpassen können.“ Sie lächelte entschuldigend und begann, ihre Stifte wieder einzusammeln. Hastig ging Levy neben ihr in die Hocke und half ihr nervös. Ihr erster Tag und ihr geschah sofort so ein Missgeschick! Zum Glück schienen die einzigen, die sich daran zu stören schienen, die Leute zu sein, die um sie herumgingen. Unauffällig musterte sie die Blondine aus dem Augenwinkel. Sie musste ein paar Jahre älter sein als die Allgemeinheit im Saal, aber das Funkeln in ihren Augen spiegelte sich in Levys wieder und verriet, dass auch sie eine der Neuimmatrikulierten war – auch sie war aufgeregt und glücklich darüber, hier zu sein. Anders als Levy wirkte sie jedoch nicht wie eine Achtklässlerin, die sich verlaufen hatte. Ganz im Gegenteil, sie passte perfekt hier herein, von den Sohlen ihrer hochhakigen Stiefel, über die lockere, aber ungezwungen schicke Kleidung bis hin zu dem blonden Schopf, in dem nur einige Klammern in Sternenform steckten. Dabei hatte sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Handtasche mit etwas Größerem auszutauschen, so dass sie Schreibmaterial und Stifte in den Armen mit sich herumtragen musste! Darüber hinaus wirkte sie erwachsen und strahlte eine souveräne Ruhe aus, als wäre das Chaos um sie herum kaum der Rede wert. „Hier, bitte.“ Levy reichte ihr zögerlich die Stifte und fragte, ob sie sich vorstellen sollte. Aber vermutlich hatte diese junge Frau eh einen ganz anderen Studiengang als sie. „Danke.“ Die Blondine antwortete mit einem strahlenden Lächeln und warf einen kurzen Blick auf ihr Handy. „Man sieht sich.“ Damit schob sie sich schon an Levy vorbei, deren Chance auf eine erste Bekanntschaft sich damit in Luft auflöste. Was soll’s, dachte sie. Sie würde schon irgendwann den Mut finden, sich jemandem vorzustellen! Und von dieser Blondine trennten sie eh Welten. Mit einem enttäuschen Seufzen nahm sie ihre Tasche wieder hoch und fand auch bald einen Platz etwas unterhalb der Mitte. Wohl wissend, dass sie ein wenig zu früh dran war und die Veranstaltung sowieso erst um Viertel nach beginnen wurde, sah sie sich neugierig um. Inzwischen schien die Menge um sie herum nochmal um das Zweifache gewachsen zu sein und ihr kam es so vor, als sei sie die einzige, die völlig allein gekommen war. Alle schienen jemanden zu kennen, sprachen begeistert auf ihre Sitznachbarn ein oder standen und saßen in kleinen Grüppchen zusammen. Natürlich war das Blödsinn. Wenn sie genauer hinsah, erkannte sie noch weitere einsame Personen in all diesem aufgeregten Gewühl, aber sie gingen wie Levy einfach unter. Sie seufzte. Vielleicht hätte sie sich neben so jemanden setzen können, vielleicht hätte sie sich dann getraut, ein Gespräch anzufangen oder vielleicht hätte man sie angesprochen. Irgendwie hatte sie sich das mit dem Neue Freunde Finden doch einfacher vorgestellt, als es sich jetzt herausstellte. Aber sie hatte schon immer Probleme gehabt, frei auf Leute zuzugehen und ihre abgekapselte Kindheit hatte ihr da nichts geholfen. Betreten blickte sie auf ihre Finger hinunter. Vielleicht würde das leichter werden, wenn sie sich erst einmal in kleineren Gruppe befand? Einer Gruppe von Kommilitonen, die auch noch das Gleiche studierten wie sie und auf dem gleichen Stand starteten wie sie? „Ist hier noch Platz?“, erklang eine freundliche Stimme direkt neben ihr und sie zuckte überrascht zusammen und fuhr auf. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“ Das Mädchen neben ihr lächelte entschuldigend zu ihr herunter. Sie war etwa im gleichen Alter wie Levy, aber größer (was natürlich auch nicht sonderlich schwer war) und ihr kinnlanges, glattes Haar war schneeweiß. Ihr süßes Gesicht wurde von großen, blauen Augen dominiert und sie war schlank und sportlich, ihre Haut sonnengebräunt. Trotz der schon recht frischen Temperaturen trug sie nur dunkelgrüne Hotpants und ein blaues Top mit einer zwinkernden Katze darauf. Beinahe erleichtert bemerkte Levy, dass sie einen großen, vollgestopften Rucksack dabeihatte. Sie hatte schon fast gedacht, dass sie die einzige war und war sich schon ein wenig blöd vorgekommen mit ihrer vollgestopften Tasche. „Öh, ja, natürlich.“, antwortete sie ein bisschen verspätet und rutschte etwas zur Seite, auch wenn das überhaupt nicht nötig war. Ihre Tasche zog sie zwischen ihre Beine, wo sie niemanden störte. Das andere Mädchen warf einen kurzen Blick darauf und grinste, während sie sich auf den Stuhl fallen ließ und ihren Rucksack vor sich abstellte. „Ich wollte auf alles vorbereitet kommen.“, erklärte sie und grinste verschmitzt. „Meine Schwester sagte, das wäre alles unnötig, aber ich wollte nicht hören und jetzt muss ich all das Zeug mit mir herumschleppen.“ Sie verdrehte die Augen. „Besser zu viel als zu wenig.“, bekräftigte Levy ihren eigenen Gedankengang und die andere nickte. „Für alles vorbereitet!“ Sie ballte bekräftigend eine Hand zur Faust und lachte dann. Sie hatte ein herzliches ansteckendes Lachen, in das man unwillkürlich mit einfallen wollte. „Ich bin übrigens Lisanna.“, stellte sie sich dann vor, während sie einen Block und einen Kugelschreiber aus ihrem Rucksack kramte. „Eigentlich wollte ich nach Crocus an die Uni, aber meine Geschwister meinten, es wäre besser wenn ich erstmal in der Nähe bleibe. Die Umstellung wird auch so schwer genug, Lis. Später kannst du immer noch nach Crocus oder nach Dawn City, wenn du lustig bist.“, ahmte sie nach, aber der liebevolle Unterton in ihrer Stimme nahm dem Spott alle eventuelle Bösartigkeit Dann zuckte sie mit den Schultern. „Irgendwo haben sie ja recht, aber es wäre schon ein Abenteuer gewesen.“ Sie blickte verträumt zur großartig bemalten Decke hoch, auch wenn sie diese sicher nicht wahrnahm. Levy hörte mit großen Augen zu – sie hätte sich niemals getraut, allein nach Crocus zu gehen! Auch wenn ihr die Gluckenhaftigkeit ihrer Eltern manchmal auf die Nerven ging, es war ihr doch ganz recht, dass die beiden darauf bestanden hatte, dass sie in Magnolia blieb, zumal die Uni beinahe einen besseren Ruf hatte als die in Crocus. Aber Crocus war nun mal Crocus, die Hauptstadt, die großartige Metropole, reich an Geschichten, an Vielfältigkeit und Kultur, so dass viele Leute dorthin strebten. „Außerdem hat Magnolia das beste Literaturinstitut, also hat das am Ende den Ausschlag gegeben. Eigentlich ganz gut, sonst würde Mira nur jeden Abend anrufen. Manchmal benimmt sie sich wie eine Glucke.“ Sie warf einen Blick auf Levy und verstummte mit einem Mal. „Sorry, jetzt laber ich dich die ganze Zeit voll und das interessiert dich alles vermutlich gar nicht.“ Sie rieb sich verlegen lächelnd den Hinterkopf. „Ich halte jetzt meine Klappe.“ Damit legte sie ihren Block auf die kleine Schreibfläche vor ihr ab und blickte brav geradeaus. Levy öffnete den Mund, aber kein Ton drang über ihre Lippen. Sie war es nicht gewöhnt, dass völlig Fremde so vertraut mit ihr sprachen und entsprechend überwältigt. Jetzt sitz nicht so stumm herum, du Fisch!, schalt sie sich selbst. War das nicht die Gelegenheit für einen ersten Kontakt? Lisanna war zwar etwas gesprächig, aber sie wirkte freundlich und das kleine Lächeln war selbst jetzt nicht aus ihrem Gesicht verschwunden, so, als säße es permanent auf ihren Lippen. Sie strahlte eine natürliche Fröhlichkeit und Lebensfreude aus, die Menschen natürlich anzog und Levy beneidete sie darum. Vermutlich würde Lisanna nach Pergrande reisen können und innerhalb von zwei Stunden Freunde gefunden haben, die ihr das halbe Land zeigten. Levy dagegen… Levy rang selbst jetzt mit sich, nachdem ihr so eine Steilvorlage gegeben worden war. Sie gab sich einen Ruck. „I-ich bin Levy.“, stellte sie sich vor. „Ich studiere auch Literatur.“ Lisanna wandte sich ihr sofort zu und ihr Gesicht hellte sich weiter auf. „Ehrlich? So ein Zufall! Was denn genau, vielleicht teilen wir ja nachher ein paar Kurse? Ich mache Literatur- und Sprechwissenschaft und Fioristik. Mal schauen, wie das so wird.“ Sie beugte sich zu Levy und flüsterte: „Ich überlege, noch Alvaranisch dazuzunehmen, aber das könnte etwas viel werden. Außerdem muss ich mir ja noch was für später aufheben.“ Levy kicherte und antwortete: „Die zwei hab ich auch und dazu Linguistik.“ Sie fügte nicht hinzu, dass sie mit dem Gedanken spielte, noch eine dritte Fremdsprache zu lernen – so etwas machte ihr Spaß und ging ihr leicht von der Hand und hier hatte sie die optimalen Gelegenheiten dafür. Lisanna wirkte auch so beeindruckt. „Das soll ganz schön anstrengend sein.“ Levy hob die Schultern. „Hab ich auch gehört, aber ich konnte mich nicht entscheiden und ich war immer ganz gut damit, mit dem Stoff mitzuhalten. Mein Vater sagt, ich kann nachher immer noch ein Fach fallen lassen, wenn es doch zu viel wird.“ „Kluger Mann.“, nickte Lisanna gewichtig und lehnte sich zurück, um sich zu strecken. „Wohnst du auch auf dem Campus? Meine Schwester hat ihre Verbindungen spielen lassen und mir ein Zimmer im Studentenwohnheim besorgt. Damit ich mal lerne, wie es ist, einen Haushalt zu führen, sagt sie. Ich vermisse ihr Essen jetzt schon.“ Sie seufzte tief betrübt. Levy wurde rot. „Ich wohne noch bei meinen Eltern.“ „Auch eine gute Entscheidung, so muss man wenigstens nicht selbst die Wäsche waschen. Hey, was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend mal in den Kneipen umsehen? Oder morgen oder s? Ich meine, als alteingesessene Magnolianer kennen wir uns hier natürlich schon aus, aber so als Student fühlt man sich doch gleich ganz anders!“ Lisanna grinste über das ganze Gesicht, offensichtlich begeistert von ihrer Idee. Levy dagegen musste sich beherrschen, nicht erschrocken dreinzublicken. Eine Kneipentour? Vertraut? Lisanna vielleicht, aber Levy war noch niemals auf diese Weise ausgegangen. Sie behielt das wohlweislich für sich. (Ansonsten würde die andere sie vielleicht als langweilig abstempeln und das wollte sie vermeiden, jetzt da es gerade so gut lief.) Genauso handhabte sie es mit der Tatsache, dass ihre Eltern ihr vermutlich nicht erlauben würden, sich auf eine solche Unternehmung einzulassen. Viel zu gefährlich, würden sie sagen und denk an deine Gesundheit, Levy! Alkohol verträgt sich nicht mit deinen Medikamenten! Aber warum nicht? War es nicht genau das, was Levy gewollt hatte? Sie war achtzehn! Sie war jetzt Studentin! Da gehörte abends mal Ausgehen doch einfach dazu und theoretisch durfte sie sogar Alkohol trinken! (Praktisch nicht, wegen der Medikamente, aber sie wollte es ja auch gar nicht. Schmeckte ihr eh nicht und bei dem Geruch von Bier wurde ihr schlecht. Aber sie konnte ja auch einfach nur Lisanna begleiten!) „Hey, Mädels.“, mischte sich von hinten jemand ein und sie blickten auf zu einem weiteren Neustudenten. Er hatte ein schmales Gesicht, das er durch den Kinnbart etwas mehr Männlichkeit zu verleihen versuchte, sandbraunes, halblanges Haar und dunkle Augen. Neben ihm saß eine junge Frau mit einem delikaten, edlen Gesicht und einem Kopf voller grüner Locken. Sie trug einen kräftig pinken Lippenstift und kleine Spinnennetzohrringe und blickte ebenfalls erwartungsvoll-freundlich zu ihnen hinunter, während ein Lächeln ihre schmalen Lippen umspielte. „Araña hier und ich haben zufällig zugehört“ der Student grinste verlegen, aber nicht allzu schuldbewusst „und hättet ihr etwas dagegen, uns unwissende Nicht-Magolianer mitzunehmen und uns ein wenig die Stadt zu zeigen? Zumal wir offenbar alle im gleichen Studiengang hocken… Ich bin übrigens Max.“ Lisannas Grinsen wurde sofort breiter. „Klar, warum nicht? Je mehr, desto besser! Und umso besser, so können wir uns schon mal kennenlernen! Was sagst du, Levy?“ Die lächelte nur unsicher. Irgendwie wurde ihr das gerade etwas viel, aber gleichzeitig überlegte sie sich schon fieberhaft, was für eine Ausrede sie ihren Eltern auftischen konnte. Sie fühlte sich aufgekratzt und seltsam beschwingt und beschloss, sich einfach fallen zu lassen und sich von Lisannas Schwung mitreißen zu lassen. Sie kannte hier zwar niemanden, aber anscheinend ging es den anderen auch so, denn wie Araña gerade erzählte, hatte sie Max auch erst vor den Türen des Saals zum ersten Mal getroffen. Das war halt eine ganz neue Situation, ein ganz neuer Lebensabschnitt und ein ganz neues Abenteuer. „Gerne!“, entschlüpfte es ihr, ehe sie es sich noch einmal überlegen konnte, und zu ihrem eigenen Erstaunen klang sie begeisterter, als sie es für möglich gehalten hatte. Wo nahm sie nur diesen Mut her, sich einfach so auf etwas einzulassen, das ihr so völlig fremd und neu war, das ihr früher aus rein körperlichen Gründen nicht einmal möglich gewesen war? Was auch immer es war, es fühlte sich toll an! „Auch wenn ich mich nicht so wirklich mit der Clubszene auskenne…“, gab sie zu, was ihr glücklicherweise keine verurteilenden Blicke einbrachte. „Das können wir ändern!“, versicherte Lisanna ihr überzeugt, doch ehe jemand etwas hinzufügen konnte, ertönte ein lautes Räuspern, das durch die Lautsprecher verstärkt wurde und durch den Saal hallte. Einen Moment später begrüßte der Redner sie laut: „Willkommen an der Universität von Magnolia!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)