Greenhorn von Anemia (In guten Händen) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Im Vergleich zu der Luxusbude gleich nebenan wirkte das Haus, welches Yohio ansteuerte, regelrecht mickrig. Doch das wusste ihn nicht zu erschüttern. Selbst in einer alten Baracke hätte er heute freiwillig Unterschlupf gesucht, wenn er in ihr nur eine halbwegs gemütliche Schlafgelegenheit gefunden hätte. Schlafen. Etwas, das bei Yohio seit einiger Zeit auf der Prioritätenliste ganz weit unten stand. Die dunklen Ringe unter seinen Augen ließen sich überschminken, aber seine Leistungsfähigkeit konnte ihm weder ein starker Kaffee noch ein Energydrink zurückbringen. Er bewegte sich quasi am Limit, und er verdrängte mit aller Macht, dass er im Grunde keine Kraft mehr besaß, um seinen stressigen Alltag zu bewältigen. Er musste funktionieren. Insbesondere ab dem heutigen Tag musste er es. Denn nun begann die wahrscheinlich wichtigste Zeit seines Lebens. Wenn er das hier versemmelte, würde es sich als sehr schwer gestalten, in Japan überhaupt noch Erfolge feiern zu können. Dabei war dies stets sein Ziel gewesen. Das, wovon er träumte, seit er zwölf war. Einfach nur Musiker zu sein reichte ihm nicht. Er wollte mehr sein als nur der bunte Vogel, welcher er für seine Landsleute hauptsächlich war. Nur in Japan würde er sein Talent entfalten können, weil man lediglich hier Typen wie ihn ernst nehmen würde, zumindest in gewissen Kreisen. Mit einem tiefen, erschöpften Aufseufzen zog er seinen Rollkoffer weiter über die Pflastersteine und versuchte, seine Müdigkeit zu verdrängen. Aber das war leichter gesagt als getan. Nun saß ihm auch noch der verdammte Jetlag in den Knochen, der dafür sorgte, dass er sich wie von einer Grippe heimgesucht fühlte. Doch ein Zurück gab es nun nicht mehr. Er musste sich irgendwie durchkämpfen, denn das Abenteuer hatte längst begonnen, nun, wo er vor der Tür des schlichten, aber doch wohnlich aussehenden Appartements stand und die Klingel betätigte. Er konnte von Glück reden, dass er während seines Japanaufenthaltes nicht in einem winzigen Hotelzimmer wohnen musste. Für ein paar Wochen wäre solch eine beengte Unterkunft natürlich in Ordnung gewesen, aber er würde wahrscheinlich ein halbes Jahr in Japan bleiben, um seine Karriere voranzutreiben. So etwas nahm viel Zeit in Anspruch, und er brauchte ein ordentliches Zuhause, wenn er sich einigermaßen wohlfühlen wollte. Es hatte sich also als wahrer Glücksgriff erwiesen, dass er auf die Internetseite mit den Appartementvermietungen gestoßen war. In Nullkommanichts hatte er Herrn Kawashima kontaktiert, welcher ihm eine prompte Zusage erteilt hatte. Als kleines Plus stimmte auch der Mietpreis, er würde also noch genügend Geld übrig haben, um sich zu verpflegen und sich vielleicht sogar ein wenig Luxus in Form von CDs oder Klamotten zu gönnen. Obwohl er fest entschlossen war, sich nicht allzu viel Freizeit zu gönnen. Er kannte sich schließlich, wusste, wie gierig sich sein innerer Schweinehund auf alles stürzte, was nichts mit Arbeit, sondern mit reinem Vergnügen zu tun hatte. Nein, Yohio würde hart zu sich selbst sein. Er wäre so gern ein Japaner, und wenn er schon nicht als ein solcher geboren worden war, so musste er wenigstens typisch japanische Eigenschaften sein eigen nennen. Disziplin zum Beispiel. Nur dumme Schweden faulenzten. Das hatte er schon früh mitbekommen.   Er wartete eine Weile vor der Haustür darauf, eingelassen zu werden. Zunächst schien alles im Haus sehr still zu sein, und er begann sich zu fragen, ob Herr Kawashima etwa vergessen hatte, dass er heute ankommen würde, aber dann öffnete sich die Tür doch und ein Mann mittleren Alters beäugte ihn äußerst verdutzt. Nanu? Hatte er ihn also tatsächlich vergessen? Okay, das machte auch nichts. Nächste japanische Eigenschaft, die Yohio sich sein eigen machen wollte: Höfliche Nachsicht, egal, was das Gegenüber verbockte. "Guten Tag, Herr Kawashima." Er deutete eine Verbeugung an, und als er wieder aufrecht stand, musste er mit einem unguten Gefühl im Bauch feststellen, dass der Mann ihn noch immer vollkommen unbeweglich musterte. Als wäre er ein Alien, das gerade in seinem Vorgarten gelandet war. Aber das konnte er ihm noch nicht einmal verübeln. Schließlich traf man in Japan nicht jeden Tag auf blonde Westeuropäer. "Was willst du?" Oh, mit solch schroffen Worten hätte Yohio nicht gerechnet. Kein Wunder, dass er im ersten Moment vor Schreck nichts mehr zu sagen in der Lage war. Er hätte mit einer zumindest ansatzweise herzlicheren Begrüßung gerechnet. "Ähm", setzte er nun eingeschüchtert an und wagte es kaum mehr, den Fremden anzusehen. Sein Selbstbewusstsein ließ leider noch immer zu wünschen übrig, insbesondere in Situationen, in denen er zu spüren bekam, dass man ihm nicht unbedingt wohlgesonnen war. "Sie haben Ihr Appartment an mich vermietet für die Zeit, in der Sie auf Geschäftsreise sind. Ein halbes Jahr. Er-erinnern Sie sich daran?" Die Frage war im Grunde vollkommen überflüssig, denn Yohio hatte nur kurz in das Gesicht des Mannes zu sehen brauchen, um feststellen zu können, dass er keinen blassen Schimmer hatte, wer er war. Wenn das mal nicht Probleme mit sich brachte... Wieder begutachtete der Kerl ihn, fuhr sich mit der Hand über sein kurzes, schwarzes Haar, ehe er nun einen gar angewiderten Blick für Yohio übrig hatte. "Ich habe mein Appartement nicht vermietet", behauptete er barsch und hatte die eine Hand schon wieder an der Türklinke, war also drauf und dran, das Brett Yohio vor der Nase zuzuknallen. "Und schon gar nicht an so eine...Kreatur wie dich." Er wollte die Tür tatsächlich voller Entschlossenheit schließen, doch trotz seiner eben noch dominierenden Schüchternheit schaltete Yohio schnell genug, um den Fuß zwischen Tür und Angel zu stellen und das Vorhaben Herrn Kawashimas zu stoppen. Wofür er sich einen wütenderen Blick denn je einfing, der aber noch nicht so schlimm war wie der Schmerz in seinem Fuß, der ihm die Tränen in die Augen trieb. "Aber-", protestierte er mit bebender Stimme, war er doch nicht gewillt, sich kampflos geschlagen zu geben. "Sie haben einen Vertrag unterschrieben! Sie können mich nicht einfach so abservieren!" "Gar nichts habe ich unterschrieben", knurrte der Mann und versuchte die Tür mit Nachdruck zuzupressen, ungeachtet der Tatsache, dass Yohios Fuß dabei in arge Mitleidenschaft gezogen wurde. "Und nun verschwinde!" "Au!", schrie Yohio nun wesentlich ungehaltener auf. "Sie tun mir weh, Mann!" "Dann nimm deinen verdammten Fuß endlich von meiner Schwelle und verlasse auf der Stelle mein Grundstück!" Zumindest ersteres tat Yohio nun, denn es hatte ohnehin keinen Zweck mehr, für sein Recht zu kämpfen. Der Mann würde einen Teufel tun und ihn in seine vier Wände lassen. Schon gar nicht nach diesem aufgebrachten Streitgespräch. Aber noch viel ausschlaggebender für die Abfuhr war wohl die Tatsache, dass er sicherlich nicht in das Weltbild dieses kleinlichen Mannes passte. Pah. Was vermietete er dann erst sein Haus, wenn er solch eine Angst vor Europäern besaß? Man wurde aus den Menschen einfach nicht schlau. Aber das spielte nun auch keine Rolle mehr. Fakt war, dass Yohio nun offiziell obdachlos war und keinen blassen Schimmer hatte, wohin er gehen sollte. Was für ein toller Start. Wenn das so weiterging, konnte er es knicken, in Japan voll durchzustarten. Aber noch schlimmer als das war der Fakt, dass sein Vater dann wieder einmal recht gehabt hatte und er tatsächlich noch nicht so weit war, um seine musikalischen Angelegenheiten ganz allein regeln zu können. Dabei hatte er ihm doch um jeden Preis beweisen wollen, dass er alt genug war, um das gebacken zu bekommen. So eine Scheiße. Betrübt schlurfte Yohio aus dem Vorgarten des unfreundlichen Herrn und dachte darüber nach, was er nun tun wollte. Gleich seinen Vater anrufen? Kam gar nicht in die Tüte. So schnell gab er sich nicht geschlagen. Rückschläge gehörten zum Leben, das hatte er doch bereits sehr früh lernen müssen während der Anfänge seiner musikalischen Karriere. Er würde sich nun einfach nach einem preiswerten Hotelzimmer umschauen, auch wenn er es zu bezweifeln wagte, dass er auf die Schnelle etwas Entsprechendes finden würde. Um diese Jahreszeit - es war Frühling - zog es viele Touristen nach Japan, die scharf darauf waren, die Kirschbäume blühen zu sehen. Er hatte also schlechte Karten. Auf der ganzen Linie hatte er versagt. Weil er eben doch nichts weiter war als ein kleiner, dummer Junge, der nichts weiter konnte als vor tausenden kreischenden Teenies mit dem Arsch zu wackeln. Wie sehr er sich dafür hasste, nichts weiter als ein Püppchen zu sein, das nur dank Papis Hilfe und dank Papis Geld auf irgendwelchen Bühnen seine Gesangskünste unter Beweis stellen durfte. Er hatte es so unglaublich satt. Niemand würde ihn auf diese Tour jemals ernst nehmen. Die ganze Welt würde ihn belächeln. Und daran würde sich auch sicherlich nie etwas ändern, wenn er doch wirklich nicht das Geringste auf die Reihe bekam. Dank seiner Müdigkeit, die ihn stets so sensibel machte, wuchs ihm nun ein dicker Kloß im Hals. Tränen ließen seine Sicht verschwimmen, als er über den Fußweg stolperte und sorgten dafür, dass er den Mann nur schemenhaft erkennen konnte, der sich ihm in den Weg gestellt hatte. Er hob gar nicht erst den Kopf, wollte er sich doch im Moment mit niemandem abgeben müssen, schließlich befand er sich psychisch längst auf dem Boden. Unbeirrt lief er weiter, kollidierte mit dem menschlichen Hindernis und versuchte sich wie ein Stier mit aller Macht seinen Durchgang zu erkämpfen. Doch er konnte noch so stur geradeaus zu laufen versuchen, als er bei den Schultern festgehalten wurde. Keinen Schritt kam er mehr vorwärts, was eine helle Wut in ihm aufsteigen ließ, doch schon im nächsten Moment wich dieser erneut der Verzweiflung. Noch immer blind vor Tränen hob er nun doch seinen Blick, was zur Folge hatte, dass er in ein ihm ziemlich bekannt vorkommendes Gesicht schaute. Er blinzelte die Tränen weg, aber noch immer blieb der Mann verschwommen, der im Gegensatz zu Herrn Kawashima allerdings immerhin ein Lächeln für ihn übrig hatte. Und einen ungemein besorgten Blick. "Alles in Ordnung mit dir?", fragte er ihn mit ruhiger, tiefer Stimme. "Ich habe mitbekommen, dass du eine Auseinandersetzung mit meinem werten Herrn Nachbarn gehabt hast. Herr Kawashima kann ziemlich eklig sein. Auf mich ist er ebenfalls nicht sehr gut zu sprechen, aus ganz bestimmten Gründen..." Nach ein paar weiteren, hektischen Blinzlern erkannte Yohio schließlich, mit wem er es zu tun bekommen hatte. Und fiel fast in Ohnmacht. Das musste eine Halluzination sein, hervorgerufen durch seine quälende Müdigkeit. Ein Trugbild, erschaffen von seiner angeschlagenen Psyche, denn von diesem Mann versprach sie sich Hilfe und Sicherheit. "Das...ist nicht wahr", stammelte Yohio, nachdem er voll Ehrfurcht einen Schritt zurückgewichen war und den Mann vor ihm aus großen Augen anstarrte, so bewundernd wie ein Kind, das gerade vor den Weihnachtsbaum geführt worden war. "Gackt? Ich glaub, ich träume..." Ein belustigtes Glucksen entkam dem Mann mit den rötlich gefärbten Haaren und dem makellosen Gesicht, welches keinerlei Rückschlüsse auf sein wahres Alter ziehen ließ. Natürlich war hier und da auf kosmetische Art und Weise nachgeholfen worden, aber das war Yohio in diesem Moment vollkommen gleich. "Ich muss dich enttäuschen, du träumst nicht", schmunzelte Gackt, der innerlich den Kopf schüttelte aufgrund des anhimmelnden Blickes des Jungen mit den vom Weinen jedoch nach wie vor geröteten Augen. Er kannte Gesichtsausdrücke wie diese nur zu gut, denn für viele japanische Mädchen, aber auch Jungs war er ein absoluter Superstar, ja gar ein Gott. Dumme Kiddies waren das, obwohl Gackt schon verstehen konnte, was sie an ihm bewunderten, schließlich kam sein Erfolg nicht von ungefähr. "Ich bin echt. Du kannst mich sogar anfassen." Das selbstverständlich tat Yohio nicht. Solch eine Respektlosigkeit konnte er sich gegenüber einem seiner Idole nicht erlauben. Viel mehr stand er noch immer in etwas Abstand zu ihm und senkte nun ehrerbietend das Haupt. Als Gackt ihm daraufhin allerdings die Hand auf die Schulter legte, schlug ihm das Herz fast bis zum Hals, so aufgeregt war er. "Was wolltest du eigentlich ausgerechnet bei Herrn Kawashima, mh?", erfragte der Ältere, und da kehrte Yohios alte Hilflosigkeit und Resignation jäh zurück. Beinahe hätte er über der Begeisterung für seine zufällige Begegnung vergessen, weiterhin Trübsal zu blasen. "Ich habe sein Appartement über das Internet gebucht", erklärte Yohio bedrückt und starrte zu Boden, wie immer, wenn er sich klein, dumm und nutzlos fühlte. "Er hat sogar ein Formular unterschrieben, in dem steht, dass ich in der Zeit seiner Geschäftsreise in seinem Haus leben darf, aber", er seufzte schwer, "als ich nun vor seiner Tür stand, wollte er davon nichts mehr wissen." "Typisch Kawashima", brummte Gackt mit einem Kopfschütteln. "Es wundert mich wirklich, dass so einer wie er überhaupt sein Haus an Westler vermietet, so, wie er immer über Ausländer schimpft..." "Da hab ich ja mal wieder voll ins Klo gegriffen", beklagte Yohio, der immer geknickter wirkte und förmlich in sich zusammensank. "Hätte ich lieber gleich ein Hotelzimmer gebucht, dann müsste ich nun nicht für ein halbes Jahr auf der Straße leben..." In Anbetracht seiner trüben Zukunftsaussichten brachen seine Gefühle nun einfach aus ihm heraus, auch wenn er sich in Grund und Boden dafür schämte, dass er nun wie ein Kleinkind vor seinem Idol heulte. Doch den elenden Schluchzern vermochte er keinerlei Einhalt mehr zu gebieten, als sie schließlich aus seiner Kehle drangen. "Sorry", stammelte er lediglich und hielt die Hände vor sein Gesicht, damit Gackt zumindest nicht seine vor innerem Schmerz verzerrte Visage sehen musste. "T-tut mir leiheiheiheid..." Eine Weile lang betrachtete Gackt den offensichtlich tief verzweifelnden Jungen schweigend. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, war er doch kein Mensch, der seine Gefühle jedem offen zeigte, so regte sich Mitleid mit dem Kleinen in ihm. Sein herzzerreißendes Weinen ließ ihn ganz und gar nicht unberührt, zumal der Junge fast noch ein Kind war, und ein Kind sollte unter keinen Umständen so unglücklich sein müssen. "Herrn Kawashima sollte es leid tun", beschied Gackt ihm nun und legte ihm sanft die Hände auf die Schultern, da er den Jungen nicht auch noch mit einer Umarmung überfordern wollte, wo er doch selbst so viele Gefühle in dem Kleinen weckte. "Wie kann man einen so sensiblen Jungen einfach wegschicken? Dieser Mann hat einfach kein Herz. Aber zum Glück habe ich eines." Yohio, der inzwischen nur mehr leise vor sich hin weinte, hielt nun inne und schaute hoffnungsvoll zu Gackt auf, der ihn um fast einen ganzen Kopf überragte. Sicherlich sah er schrecklich verheult aus, was absolut schändlich war, hatte er sich doch immer gewünscht, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, wenn er irgendwann einmal auf Gackt treffen würde. Aber nun ließ sich das wohl nicht mehr ändern. Immerhin ließ sich auf diese Weise das Mitgefühl des Japaners wecken, wenn er schon die Chance verspielt hatte, ihm zu gefallen. "W-weißt du etwa, wo ich für ein halbes Jahr unterkommen könnte?", äußerste Yohio voll des neuen Mutes und sorgte bei Gackt für ein feines Lächeln. "Das weiß ich in der Tat", bestätigte er ihm und deutete mit dem Kinn auf das prächtige Haus, welches sich in Yohios Rücken befand. "Du kannst bei mir wohnen. Ich habe massig Platz, den ich gern teilen würde." Yohio hatte das Weinen mittlerweile vollkommen vergessen. Mit einem Ausdruck der Fassungslosigkeit im Gesicht drehte er sich herum und beäugte das Haus, welches ihm vorhin schon als äußerst schmuck und beeindruckend vorgekommen war. Der Garten wirkte riesig, aber das war noch nichts gegen die drei Etagen und den Whirlpool auf dem Dach. Wenn die Inneneinrichtung ähnlich beschaffen war, bedeutete dies Luxus pur, und das für ein ganzes halbes Jahr. Sollte er tatsächlich so viel Glück im Unglück haben? Er konnte es kaum fassen. Wahrscheinlich saß er noch im Flugzeug und träumte das alles nur. Anders konnte er sich die Situation nicht erklären. "I-ich soll bei-bei dir wohnen?" Sein Mund stand noch immer ungläubig offen, als er sich wieder zu dem zufrieden schmunzelnden Gackt umdrehte, der auf seine Frage hin wie selbstverständlich nickte. "Aber...aber...du wirst mich bestimmt nicht sehr lange ertragen können. Schon gar kein halbes Jahr. Ich kann nämlich sehr unordentlich sein, und außerdem bin ich wie ein Elefant im Porzellanladen. Ich hoffe, du hast keine allzu teuren Vasen, die ich schrotten könnte..." Gackt war ganz hingerissen aufgrund der Sorgen, die den Jungen quälten. Er war sich immer sicherer, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Die süße Unschuld, die der Kleine ausstrahlte, würde ihm sicherlich gut tun und ihn ebenfalls jung halten. Wenn man sich wie er fast ausschließlich mit Männern seines Alters umgab, kam man überhaupt nicht in den Genuss eines frischen Windes. "Wir werden uns schon miteinander arrangieren", versprach Gackt Yohio und strich ihm nun doch fürsorglich über das seidige, blonde Haar, was dem Kleinen wieder seine kugelrunden, anhimmelnden Augen bescherte. "Du bist bei mir jedenfalls in guten Händen." Das wagte Yohio auch für keinen einzigen Moment zu bezweifeln. Gackt war der Typ Mann, der einen beschützen konnte, wenn es hart auf hart kam, auch wenn Yohio auf keinen Fall irgendjemandem am Schürzenzipfel hängen wollte. Er hatte sich vorgenommen, seine Angelegenheiten zum ersten Mal allein zu regeln und sich auch selbstständig aus jedweder Scheiße herauszuboxen. Schließlich war er fast erwachsen, auch wenn er sich in manchen Augenblicken noch wie ein schutzloses Kind fühlte, das den Herausforderungen seines stressigen Lebens nicht gewachsen war. Doch mit einem vernünftigen Dach über dem Kopf würde er die Schwierigkeiten, die eventuell noch auf ihn zukamen, ebenfalls meistern können. Gackt hatte ihm wieder ein wenig Zuversicht geschenkt, wofür er ihm unendlich dankbar war. Denn beinahe hätte er schon am ersten Tag alles hingeschmissen. Seinen Traum einfach in die Tonne getreten. Nein, jetzt würde er nicht mehr so schnell aufgebeben. Es gab schließlich Licht in der Dunkelheit.   Kapitel 1: 1. Kapitel --------------------- So etwas hatte noch nie jemand für ihn getan, wenn er es sich recht überlegte. Nicht einmal seine Freunde hätten wohl so selbstlos jemanden in ihrer Wohnung einquartiert. Ausgerechnet ein quasi Wildfremder hatte ihm nun Asyl gewährt, ohne mit der Wimper zu zucken, was wieder einmal bewies, was für ein toller Mann Gackt doch war. Yohio bewunderte ihn also ganz zu Recht, wie er mit einem Lächeln auf den Lippen dachte, als er seine Kleidungsstücke in den Schrank in seinem zukünftigen Zimmer räumte. Bei einigen Neidern war er als arroganter Schnösel verschrien, was aber wohl nur daher rührte, dass er sich irgendwann dazu entschlossen hatte, seine alte Band zu verlassen und auf Solopfaden zu wandeln. So etwas wurde unter den Fans nicht gern gesehen. Aber Yohio konnte diese Entscheidung verstehen. Als Solokünstler konnte man über alles allein entscheiden, was Differenzen vermied und kreative Einschränkungen. Dies hatte Yohio schließlich auch dazu bewogen, Seremedy zu verlassen und etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Dass er aufgrund seiner weiblichen Rolle in dieser Band bereits sehr viele Fans anhäufen konnte, war ihm dabei zugutegekommen. Die Mädchen waren ganz verrückt nach ihm, und das, obwohl er selbst wie eines aussah, wenn er in einem Kleid auf die Bühne trat. Hoffentlich würden auch die Japanerinnen Gefallen an ihm finden. Doch sein erster Auftritt in diesem Land lag noch in ungreifbar weiter Ferne. Er erlaubte sich, heute nicht mehr über seine Zukunft nachzudenken und einfach nur sein Glück zu genießen, dass Gackt ihm beschienen hatte. Ausgerechnet Gackt. Wie Yohio erwartet hatte, besaß er eine wahre Luxusbude, deren gesamte Einrichtung stolz verriet, wie kostbar sie war. Teure Möbel, die Yohio kaum zu berühren wagte, fanden sich in jedem Zimmer, auch in dem seinen, auch wenn Gackt offenbar darauf bedacht gewesen war, nicht zu viel unnötigen Pomp anzuhäufen. Er versuchte nicht, seinen Reichtum zu leugnen, aber schmückte sich auch nicht unnütz mit ihm. Schlichte Formen waren ihm offenbar die Liebsten. In dieser Beziehung schien er genau wie Yohio zu ticken. Eine Sache mehr, die dafür sorgen würde, dass der Schwede sich hier wohlfühlen konnte. Gerade, als Yohio voll des Staunens einen Blick aus seinem Dachfenster warf und feststellen durfte, dass er von hier aus sogar die Berge am Horizont zu sehen vermochte, klopfte es an seine Tür. Anstatt, dass er Gackt nur ein 'Herein' zurief, begab er sich selbst zur Tür, auch wenn es ihm nicht leicht gefallen war, sich von der herrlichen Aussicht zu lösen. Er glaubte abermals, zu träumen, als sein Idol vor ihm stand, kam ihm dies doch so ungemein unwirklich vor. Sicherlich hatte er nun wieder diesen schmachtenden Blick drauf, den er sich endlich abgewöhnen sollte, wenn er Gackts Mitbewohner sein wollte. Niemand wollte einen kleinen, für einen schwärmenden Teenager in seinen vier Wänden hocken haben, der einen für Gott hielt. Aber Yohio vermochte seine Empfindungen nicht einfach per Knopfdruck abzustellen. Gackt bedeutete ihm eben viel. Mit zwölf Jahren hatte er zum ersten Mal von ihm gehört und ihn stets bewundert für das, was er in seinem Leben geschafft hatte. Dass er immer ganz rote Ohren bekam, wenn er ein Oben-Ohne-Bild von ihm im Internet sah, spielte jedoch ebenfalls in seine Bewunderung für ihn mit hinein.   "Ich wollte dich fragen, was du essen möchtest." Lässig lehnte Gackt im Türrahmen und selbst sein bloßer Blick auf Yohio hinab sorgte nun dafür, dass dieser ein warmes Gesicht bekam. Er war wirklich sehr durcheinander... "Es ist bald Abendbrotzeit, und ich dachte, dass wir uns etwas liefern lassen, anstatt irgendwo hinzugehen." Ein warmes Schmunzeln umspielte seine Lippen. "Du bist doch bestimmt zu müde nach dem langen Flug, um auszugehen." Ausgehen. Mit Gackt. Das hätte Yohio ohnehin nicht überlebt. "Ähem", setzte er wenig intelligent an und kratzte sich den Nacken. Seine Nervosität war eine wahre Schande. "Stimmt, ich bin ziemlich müde. Und deswegen würde ich vielleicht lieber gleich ins Bett gehen. Hunger habe ich ohnehin keinen..." Hoffentlich beleidigte er Gackt damit nicht, wie er befürchtete, doch das missbilligende Gesicht seines Gastgebers hatte andere Ursachen. "Aber Yohio", widersprach er ihm mit um sein Wohlergehen besorgt klingender Stimme. "Du solltest unbedingt etwas essen." Er beäugte den Jungen ganz genau, von oben bis unten, was Yohio sich wünschen ließ, im Erdboden zu versinken. "Du bist viel zu schlank, fast schon zerbrechlich. Regelmäßige Mahlzeiten sind deshalb für dich unerlässlich." Yohio reagierte etwas perplex auf diese bestimmten Worte, wagte es allerdings nicht, zu widersprechen. Wie auch? Was Gackt sagte, musste schließlich stimmen. So albern es auch klingen mochte, aber in Yohios vergötternden Augen war er schlichtweg unfehlbar, was er allerdings auch gefühlte hundert Mal unter Beweis gestellt hatte. "Na schön", gab Yohio sich also geschlagen, auch wenn er befürchtete, keinen Bissen herunter zu bekommen. Immerhin schenkte Gackt ihm für seine Einwilligung ein zufriedenes Lächeln. Dafür lohnte es sich doch, über seinen Schatten zu springen.     *     Yohio hatte sich im Grunde fest vorgenommen, nicht mehr mit Schmetterlingen im Bauch zu reagieren, wenn er sich Gackt gegenüberwähnte. Aber als er dann in die Küche kam und ihn romantisches Kerzenlicht begrüßte, war sein guter Vorsatz prompt passé. Sicherlich machte er schon wieder ein reichlich dummes Gesicht, so wie er vollkommen verdattert im Türrahmen verharrt war und auf den Tisch starrte, der bereits für zwei Personen gedeckt war, denn als Gackt sich zu ihm herumdrehte, huschte ein wissendes Lächeln über dessen Gesicht. Allerdings schien es sich nicht auf Yohios schreckliches Verhalten ihm gegenüber zu beziehen. "Du kommst gerade richtig", verkündete er, während er gerade verschiedene Speisen auspackte, die in einer Alufolie steckten und verführerisch dufteten, wie selbst der nicht sonderlich gefräßige Yohio zugeben musste. "Setz dich schon mal hin, ich bin gleich soweit und tafle auf." Auftafeln. Klasse. Das klang nach einem Fünf-Gänge-Menü, was bei Yohios Magen nicht gerade auf Begeisterung stieß, genau wie das Candle-Light-Dinner insgesamt. Aber wer konnte ihm das schon verübeln? Ob Gackt wusste, wie es war, ein Fan von jemandem zu sein und in dessen Nähe beinahe abzudrehen? Yohio vermochte sich um ehrlich zu sein nicht vorzustellen, dass es jemanden gab, den sein Idol anhimmelte. Schließlich hatte er selbst alles erreicht und brauchte niemanden mehr zu bewundern. Es gab Sushi, aber auch ein Gericht mit Udon-Nudeln und Hähnchenfleisch, von dem heißer Dampf aufstieg, als Gackt es ihm vorsetzte. Trotz der etwas seltsamen Situation und der Tatsache, dass Yohio vor Müdigkeit inzwischen kaum mehr die Augen aufhalten konnte, meldete sich nun der gnadenlose Hunger in ihm und ließ ihn zu den Stäbchen greifen. Kaum, dass Gackt sich ihm gegenübergesetzt und ihm mit bedingt durch das Kerzenlicht funkelnden Augen einen guten Appetit gewünscht hatte, schaufelte er die meterlangen Nudeln in sich hinein. "Schmeckts dir?", hakte Gackt hörbar amüsiert nach, welcher wesentlich zivilisiert aß als der junge Schwede. Dieser wusste genau, dass er sich abermals zum Vollidioten vor dem Menschen machte, den er ursprünglich zu beeindrucken gedacht hatte, aber der Hunger spielte nun einmal mit eigenen Regeln und scherte sich nicht um Tischmanieren. "Wunderbar", brachte er mit noch halb vollem Mund hervor und schloss genüsslich die Augen, während er den Rest der dicken Nudel einsaugte. Zum Glück für ihn waren Schlürfgeräusche in Japan ein Zeichen dafür, dass die Speise einem mundete. "Ich könnte fünf Schüsseln davon verdrücken." Dann belächelte Gackt ihn eben. Das war ihm in diesem Moment auch egal. Außerdem stand dem Älteren sein wohlwollendes, etwas belustigtes Lächeln. Es sorgte gewissermaßen dafür, dass die Last des Alltags von Yohio abfiel. So selbstzufrieden und gefestigt wäre er auch gern gewesen. Aber sein zweiter Vorname lautete leider Gottes nach wie vor Zweifel. Vielleicht würde sich das ja ändern, wenn er in Japan voll durchstartete. Wenn er eines seiner größten Ziele endlich erreicht hatte. "So viele habe ich leider nicht bestellt", informierte ihn Gackt, der ihn schon beinahe entzückt bei seiner gierigen Fressorgie beobachtete und feststellen musste, dass die Brühe der Suppe sogar schon von Yohios Kinn tropfte. "Du wirst dich wohl mit einer Schüssel begnügen müssen. Dafür kannst du meine Reisportion bekommen." "Echt?", hakte Yohio mit großen Augen nach. "Aber dann hast du ja gar nichts mehr...ich will dir auf keinen Fall die Haare vom Kopf fressen." Gackt aber winkte ab. "Ich mag keinen Reis, deswegen." Nun ließ Yohio die Stäbchen sinken und blinzelte sein Gegenüber, dem das Kerzenlicht Schatten auf das ebenmäßige Gesicht zeichnete, perplex an. "Wie, du magst keinen Reis? Aber du bist doch-" "-Japaner, danke für die Erinnerung." Entspannt lehnte der Ältere sich zurück und tupfte sich den Mund äußerst manierlich mit einer Serviette trocken. Anschließend beäugte er Yohio mit schiefgelegtem Kopf. "Und du bist doch aus Schweden, wenn ich es vorhin richtig mitbekommen habe?" Yohio nickte. "Ja." "Also liebst du stinkende Fischkonserven." Augenblicklich verzog der Jüngere das Gesicht. "Igitt!" Diese Reaktion hatte Gackt hervorrufen wollen. Zufrieden verschränkte er die Arme vor der Brust. "Siehst du. Auch du magst nicht alles, was typisch für dein Herkunftsland ist." Das stimmte, wie Yohio erkennen musste. Und trotzdem empfand er es noch immer als ziemlich bizarr, dass Gackt keinen Reiß aß. Schließlich reichte man ihn in Japan zu den meisten Gerichten, was seinen Speiseplan doch wohl ziemlich einschränkte und überall für Fragen sorgte. Aber sicherlich stand er da drüber. Von solchen Banalitäten ließ sich ein selbstsicherer Mann wie Gackt nicht verunsichern. Ganz im Gegensatz zu Yohio, der sich immer noch über jeden Scheiß den Kopf zerbrach... "Und im Übrigen mag ich auch keine grellen Lichter, deswegen die Kerzen", fügte Gackt hinzu und grinste fast schon ein wenig schelmisch. "Vielleicht hätte ich das vorhin schon erwähnen sollen, nicht, dass du noch befürchtet hast, ich würde romantische Stimmung aufkommen lassen wollen und irgendwelche schmutzigen Absichten hegen..." In dem Moment begrüßte Yohio es eindeutig, dass ihn kein Lampenlicht beleuchtete, denn so bestand die Chance, dass Gackt nicht sehen konnte, dass er selbst glühte wie eine Rotlichtlampe. Mal wieder. So langsam nahm sein Zustand pathologische Formen an, glaubte er. Wie sollte er es ein ganzes Jahr mit einem derart stark durchbluteten Kopf aushalten? Platzten da nicht irgendwann Äderchen und führten zu einem Infarkt...? "Ist schon in Ordnung", brachte Yohio mit einem gequälten Lächeln hervor, auch wenn er etwas ganz anderes dachte. "Ich würde wohl nicht bei dir wohnen, wenn ich Angst hätte, dass du es auf mich abgesehen hast." Ihm gefiel das Thema überhaupt nicht, in welches das Gespräch sich verrannte, weshalb er froh war, dass er dank des köstlichen Sushis einen neuen Faden zu spinnen vermochte. "Original japanisches Essen schmeckt um Welten besser als das Zeug, was man bei uns in Schweden verkauft", eröffnete er seinem Gegenüber und gab sich derweil Mühe, dass er nun etwas gesitteter aß. Der große Hunger war ohnehin gestillt dank der guten Suppe, weshalb er sich nun dem Genießen widmen konnte. "Das ist alles total lecker..." "Dann iss dich ruhig satt", erlaubte Gackt ihm, der seine Mahlzeit längst beendet hatte, wahrscheinlich, weil er auf seine Linie achten musste, obwohl er dies laut Yohio überhaupt nicht nötig hatte. Diesen perfekten Körper wusste ein zusätzliches Sushiröllchen ganz sicher nicht zu entstellen. "Du scheinst mir nicht nur sehr erschöpft, sondern auch sehr ausgehungert zu sein. Bist du in letzter Zeit sehr großem Stress ausgesetzt gewesen?" "Oh, und wie." Yohio schob sich ein Sushiröllchen im Ganzen in den Rachen und kaute dann eine Weile darauf herum, bis sein Mund frei genug war, um weiter sprechen zu können. "Es ist halt nicht einfach, sein eigener Boss zu sein und seine komplette musikalische Karriere allein zu organisieren." In Gackts Gesicht zeichnete sich daraufhin so etwas wie Bestürzung ab. "Du managst das alles selbst?", hakte er nach, so, als könnte er nicht recht glauben, was Yohio ihm da erzählte, doch der Junge nickte. "Ja", erklärte dieser ihm. "Ich hatte keine Lust mehr, mich auf den Lorbeeren auszuruhen, die Papi mir in den Arsch geblasen hat." Er hielt inne, um verhalten aufzustoßen. "Es ist doch ein viel besseres Gefühl, wenn man sich seinen Erfolg selbst verdient. Durch seine eigene Mühe und nicht durch die eines anderen. Du bist doch auch so ein Selfmade-Man." "Schon." Noch immer schwang Sorge in Gackts Stimme und sein Blick wirkte nachdenklich. "Aber ich bin doppelt so alt wie du. Du hingegen bist erst siebzehn. In dem Alter sollte man sich unbedingt noch unter die Arme greifen lassen, sonst ist man schneller am Boden, als einem lieb ist." Yohio hatte ein wenig gehofft, dass Gackt ihn verstehen und vielleicht sogar ermutigen würde, seinen Weg unbeirrt und ohne Hilfe von außen weiterzugehen, weshalb ihm dessen Meinung nicht so recht in den Kram passte. Dies animierte ihn dazu, schon wesentlich lustloser in seiner Reisschüssel zu stochern. "Ich pack das schon", murmelte er, auch wenn man ihm deutlich anhörte, dass er davon selbst nicht recht überzeugt war. Er machte Zweifel, seinem zweiten Vornamen, mal wieder alle Ehre. "Du scheinst mir aber jetzt schon überfordert mit allem zu sein." Gackt musterte ihn stirnrunzelnd. "Dein Teint ist ganz fahl, und deine Augenringe lassen sich bestimmt schon bald nicht mehr überschminken, so dunkel sind sie. Dazu kommt noch, dass du so dünn bist. Zu dünn." Hätte nicht ausgerechnet Gackt ihm gegenübergesessen und ihm Vorhaltungen gemacht, als wäre er sein Vater, er wäre wahrscheinlich längst empört aufgesprungen und hätte sich in sein Zimmer verzogen. Aber wenn Gackt all diese Dinge sagte, nahm Yohio sie sich zu Herzen. Denn es zeigte ihm, dass er sich Gedanken um ihn machte. Und das, obwohl sie sich seit gerade Mal ein paar Stunden kannten. "Wenn alles gut klappt mit den Konzerten hier und der ganzen Promo habe ich hier und da bestimmt wieder ein wenig mehr Freizeit", versicherte er Gackt, in dem Versuch, ihn zu beschwichtigen, aber der andere schüttelte bestimmt den Kopf. "Ich finde, du solltest sofort ausspannen", beschied er dem Schweden. "Andernfalls setzt du deine Gesundheit aufs Spiel. Nutz die Zeit in Japan doch erst einmal für eine Art kleinen Urlaub." Dieser Vorschlag gefiel Yohio überhaupt nicht. "Aber-", setzte er zum Protest an, da er den Gedanken nicht ertragen konnte, bezüglich seiner musikalischen Karriere auf einer Stelle zu treten, aber Gackt machte ihn mit einer unerwartet barschen Handbewegung mundtot. "Keine Widerrede", bestimmte der Japaner, was Yohio augenblicklich die Klappe halten ließ. Anstelle beäugte er ihn wie ein Hündchen, welches man beim Schabernack machen erwischt hatte. "Du wirst die nächsten Wochen so verbringen, wie es sich für einen Jungen deines Alters gehört. Und ich werde dich dabei unterstützten, in Ordnung?" Gackt hatte seine Entscheidung längst getroffen und rechnete sicher nicht mehr mit irgendwelchen gegenteiligen Worten seitens Yohio. Dieser war zwar noch immer nicht überzeugt von dem Plan seines Gastgebers, aber ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als einzuwilligen. "Na schööön", brummte er reichlich genervt, um Gackt zu zeigen, was er von seiner Idee hielt, aber dieser war frohen Mutes und schmiedete auch prompt Pläne für den nächsten Tag. "Morgen zeige ich dir die Stadt", versprach er. "Insofern du dann schon bereit bist für das pulsierende tokyoter Leben." Natürlich würde Yohio dies sein. Es war seit Jahren sein Traum, nach Japan zu reisen und das Land kennenzulernen, weshalb er sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen würde. Insgeheim nämlich freute er sich auf die Aussichten, die Seele in Zukunft ein wenig baumeln zu lassen und nicht ständig darüber nachzudenken, wie er seine Termine allesamt unter einen Hut bekam. Die nächste Zeit würde nur ihm und Gackt gehören. Und das war fast zu schön, um wahr zu sein.   Kapitel 2: 2. Kapitel --------------------- Yohio fragte sich ernsthaft, wie Gackt es anstellte, dass ihn von all den Passanten kein einziger erkannte. Vielleicht aber taten sie das doch, nur ließen sie sich es nicht anmerken und unterdrückten ihre Wünsche nach Autogrammen und Fotos, weil sie fürchteten, an der kühlen Aura des japanischen Superstars abzuprallen. Gackt wirkte nicht wie jemand, der sich um irgendjemandes Zuneigung bemüht hätte, weshalb Yohio umso glücklicher war, dass der andere ihn quasi unter seine Fittiche genommen hatte. Sein Schwur, nie mehr an irgendjemandes Rockzipfel zu hängen, war längst überholt, denn es tat Yohio einfach viel zu gut, sich nicht allein durch die große, weite Welt zu kämpfen. Wahrscheinlich hatte Gackt Recht und er war noch nicht so weit, um alles allein zu regeln, noch nicht erwachsen genug. Gern gestand er sich dies nicht ein, doch er versuchte, es nicht ständig zu hinterfragen und sich zu entspannen. Insofern dies möglich war, wenn man gerade an der Seite eines Stars durch die Straßen der tokyoter Innenstadt schlenderte. Oder durch sie fuhr, in Gackts im Gegensatz zu seiner häuslichen Inneneinrichtung sehr protzigem, nachtschwarzem Cabrio. Das Ganze wusste ihn wahrscheinlich mehr zu beeindrucken als die Leute, denen sie begegneten. Auch Yohio führte nicht gerade ein ärmliches Leben, aber von diesen Ausmaßen an Luxus war er dann doch meilenweit entfernt. Besonders Feuer und Flamme war Yohio natürlich für das Szeneviertel am Bahnhof Harajuku. Er wollte unbedingt den Yoyogi Park sehen und sich unter die stylisch-verrückt gekleideten Gestalten mischen, die darauf warteten, von einer Kamera abgelichtet zu werden. Ganz sicher verstand Gackt diesen Wunsch nicht, war er doch längst aus dem Alter raus, in welchem man so billig um Aufmerksamkeit buhlte, aber er sträubte sich dennoch nicht dagegen, Yohio den Ort zu zeigen, welchen er bislang nur in seinen Träumen hatte besuchen können. Selbst in all die coolen Shops mit den wundervollen Designerklamotten, die die Visual-Szene zu bieten hatte, begleitete er ihn und wartete geduldig, bis er sich sattgesehen hatte. Und immer wieder fragte er Yohio auch, ob ihm etwas von den Kleidungsstücken gefiel. "Ich könnte mich da nie für etwas entscheiden", erklärte der euphorische Junge ihm, der in seinem Glückstaumel regelrecht weiterhetzte, von einem Laden zum nächsten, bis er schließlich vor dem Schaufenster einer Lolita-Boutique stehen blieb und sich staunend die Nase an deren Scheibe plattdrückte. Gackt brauchte nicht lange zu rätseln, um herauszufinden, was Yohio in derartig faszinierte Begeisterung versetzt hatte. So wie er sich zu dem Jungen gesellte, sah er es: Dieses äußert mädchenhafte Lolitakleid, ganz in Weiß gehalten, als wäre es für eine Fee geschneidert, mit rosa Spitze verziert und einer großen Schleife auf der Brust. Im ersten Moment versetzte den Älteren die Tatsache in Erstaunen, dass Yohio sich offenbar für Kleider interessierte, hatte er zwar geahnt, dass er einen androgynen Stil zu tragen pflegte, passte dieser doch wohl sehr gut zu seiner Statur und seinen zarten Gesichtszügen, aber dass er gar wagte, richtiges Crossdressing zu betreiben, empfand Gackt als sehr beeindruckend. Auch wenn es in einem Land wie Japan ab und zu so wirkte, so wurden Männer in Frauenkleidern doch längst nicht als Selbstverständlichkeit angesehen. Vom Großteil der Menschen wurde man seltsam beäugt und womöglich sogar wie ein Aussätziger behandelt - nur in der Visual-Szene war man vor Anfeindungen gefeit. In dieser war es Gang und Gäbe, dass Männer sich feminin kleideten und von einer 'echten' Frau kaum mehr zu unterscheiden waren. Mana, Gackts ehemaliger Bandkollege, war einer der Vorreiter dieser mädchenhaften Stilrichtung gewesen, auch wenn die Ursprünge dieser Besonderheit noch viel weiter in die japanische Vergangenheit zurückreichten.   "Gefällt es dir?", wollte Gackt nun von dem Jungen wissen, der nach wie vor an der Scheibe klebte und sich offenbar gar nicht mehr von dieser lösen konnte. Erst jetzt, um ehrfürchtig zu nicken, wich er ein Stück weit von ihr zurück, auch wenn er nach wie vor nur Augen für das wunderschöne Kleid hatte. "Es ist ein Traum", gestand Yohio ihm, auch wenn er sich damit als Crossdresser vor seinem Idol outete, aber gewissermaßen besaß er bei Gackt das Gefühl, als würde er ganz er selbst in seiner Gegenwart sein können. Ganz egal, was er auch für Macken besaß, der Ältere verurteilte ihn für nichts. "Dann geh rein, es anprobieren", forderte Gackt ihn auf und legte ihm zugleich bestärkend die Hand auf den Rücken, aber Yohio reagierte mit einem entrüstetem Blick direkt in sein Gesicht. "Es kostet 50,000 Yen!", echauffierte er sich und schüttelte hastig den Kopf, bis sich seine Betrübnis in dieser Geste zeigte. "Das ist viel zu viel. Ich verdiene ja nicht wirklich was, und Geld von meinem Vater möchte ich für so etwas ganz bestimmt nicht annehmen." "Trotzdem kannst du es ja mal anziehen", ließ Gackt nicht locker und schob den noch reichlich widerwilligen Yohio bereits in Richtung Ladentür, ohne, dass dieser etwas hätte dagegen tun können. Gackt war ihm physisch, aber auch psychisch einfach überlegen. Gegenüber anderen Personen dieser Couleur hätte er sich wahrscheinlich schrecklich macht- und hilflos gefühlt und diesen Zustand verabscheut, doch Gackt weckte derartige Gefühle überhaupt nicht in ihm, ganz im Gegenteil. Er empfand es als ungemein angenehm, Befehle von ihm erteilt zu bekommen und sich nicht selbst den Kopf zerbrechen zu müssen. Das hatte er in den letzten Wochen und Monaten zur Genüge getan. Nun war es an der Zeit, sich einfach fallen zu lassen. Und das Leben zu genießen, so wie es war. Zudem Gackt einem dies wirklich einfach machte.   Trotzdem brachte er es beinahe nicht über sich, die Verkäuferin zu bitten, der Puppe das Kleid auszuziehen, damit er es probieren konnte. Schließlich bereitete er ihr diese Mühe, obwohl er von vornherein wusste, dass er es nicht kaufen würde. Ein Preis wie dieser war einfach unerschwinglich für ihn. Aber letzten Endes verzog er sich doch mitsamt dem Kleid in die Umkleidekabine, hatte Gackt ihn doch immer wieder mit einem herzlichen Lächeln dazu ermuntert. So falsch konnte das Vorhaben also nicht sein, wenn Gackt es auch für richtig hielt. Allerdings hatte er wohl nicht eingeplant, dass Yohio absolute Skrupel bezüglich der Tatsache besitzen würde, sich vor ihm in Frauenkleidung zu zeigen. Wahrscheinlich fand er nichts dabei, und objektiv betrachtet war es auch tatsächlich überhaupt nicht schlimm, schließlich verwandelte Yohio sich seit Jahren in ein Mädchen, wenn ein Gig anstand und präsentierte sich somit tausenden Leuten. Aber sich einem Menschen, auf den man so große Stück hielt und dessen Meinung einem so wichtig war, wichtiger als die von so ziemlich jedem anderen, zum ersten Mal so zu zeigen und dabei von Selbstzweifeln zerfressen zu werden, war ein ganz anderes Kaliber. Natürlich wusste Yohio, dass ihm ein femininer Look sehr gut stand, gefiel ihm doch sein eigenes Spiegelbild jedes Mal aufs Neue und so auch jetzt, wo er sich kritisch vor diesem drehte und wendete, aber vielleicht entsprachen Jungs in Mädchenklamotten einfach nicht Gackts persönlichem Geschmack. Der Ältere hätte ganz gewiss nicht gezögert und ihm dies offen mitgeteilt. Und dieser Schmach wollte Yohio sich im Grunde nicht unterziehen. Aber er konnte das Kleid auch nicht einfach wieder ausziehen und darauf verzichten, Gackts Meinung einzuholen, denn der Ältere klopfte inzwischen schon erwartungsvoll gegen das Holz der Umkleidekabine. "Keine Schüchternheit vorschützen", verlangte er. "Ich bin mir nämlich sicher, dass diese vollkommen unbegründet ist." Na schön. Man lebte zum Glück nur einmal und in achtzig Jahren würde sich niemand mehr einen Dreck darum scheren, ob ein gewisser Yohio sich vor Ewigkeiten einmal total zum Affen vor dem Mann gemacht hatte, den er bewunderte. Selbst an die roten Wangen würde sich niemand mehr erinnern, die wesentlich dunkler leuchteten als die rosa Spitzensäume. Ein kurzer Augenblick lang nur würde so schrecklich sein, dass er am liebsten prompt gestorben wäre. Unsicheren Schrittes, da er heute Morgen in seinem Tran auch noch zu den bunten Pokemonsocken gegriffen hatte, trat er aus der Kabine und lächelte scheu dem Boden zu, die Hände hinter dem Rücken haltend. Er konnte Gackt unmöglich in die Augen sehen, so entblößt, wie er sich gewissermaßen fühlte, obwohl er vollkommen bekleidet war. Deshalb entging ihm auch der höchst angetane Ausdruck auf dem Gesicht des Älteren, der zwar geahnt hatte, dass Yohio hinreißend aussehen würde, wenn er sich wie ein Mädchen kleidete, aber nicht im Ansatz hatte einschätzen können, dass Kleider ihm derart gut standen. "Darf ich sagen, dass es wirklich ausgesprochen 'kawaii' aussieht?", hakte Gackt nach, da er nicht wusste, ob Yohio es mochte, als süß bezeichnet zu werden. Nicht, dass er mit seinem Kompliment noch danebenlag und seine männliche Ehre untergrub. Doch anstelle etwas Gegenteiliges zu erwidern, wurde Yohios Teint prompt noch ein wenig dunkler, was Gackt ungemein zu amüsieren wusste. Der Junge besaß ein ausgesprochen ausgeprägtes Schamgefühl, aber das war ganz normal für einen Teenager. Diese genierten sich für so ziemlich alles, selbst für Nichtigkeiten. "Würdest du das Kleid gern auf der Bühne tragen?" Gackt stellte sich nun direkt vor Yohio und richtete ihm die Schleife, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, obwohl es das für Yohio ganz und gar nicht war. Der Junge glühte nach wie vor, wagte es nun aber, schüchtern den Blick zu heben und sacht zu nicken. "Ich besitze bereits ein ähnliches, aber das ist lange nicht so filigran gearbeitet", erklärte er seinem Idol leise und fuhr mit den manikürten Fingern gedankenverloren den pinken Rocksaum entlang. "Das hier ist wirklich etwas ganz Besonderes." "Und nicht zuletzt ist es wie für dich gemacht", pflichtete Gackt ihm bei, der bereits in seine Hosentasche griff und zu Yohios Entsetzen seine Brieftasche herausholte. "Rosa ist ohne Zweifel deine Farbe, weil sie deine Niedlichkeit und deine Unschuld so richtig zu unterstreichen weiß." Er blätterte durch die zahlreichen Scheine, die sich in dem Leder fanden, was Yohio dazu animierte, ihm empört die Hand auf den Unterarm zu legen und ihn zum verdutzten Innehalten zu bewegen. "Das kannst du unmöglich bringen!", zischte der Junge so bestimmt, wie er es in Gackts Gegenwart bislang selten getan hatte. "Ich will nicht, dass du so viel Geld für mich ausgibst. Das würde mir auf ewig peinlich sein." Gackt aber ließ sich von seinem Einwand nicht im Geringsten beirren. "Ich bin nicht der Meinung, dass es zu teuer ist", beharrte er auf seinem Vorhaben. "In Anbetracht dessen, dass du aussiehst wie ein Zuckerwatteengel, ist es sein Geld wirklich wert." Mit diesen deutlichen Worten hatte er es einmal mehr geschafft, Yohio schachmatt zu setzen. Der gepeinigte Junge konnte nichts weiter mehr tun, als ihm verdattert dabei zuzusehen, wie er dieses sündhaft teure Kleid ohne mit der Wimper zu zucken bezahlte. Yohio hoffte, dass er sich nicht zu deutlich hatte anmerken lassen, wie gern er das Kleid besessen hätte. Nicht, dass Gackt sich aufgrund seines treuherzigen Hundeblicks dazu verpflichtet gefühlt hatte, sich in derartige Unkosten zu stürzen. Das hätte er sich selbst niemals verzeihen können. Aber nun war es ohnehin zu spät. Das Kleid gehörte ihm, und Gackt würde sich sicherlich nicht dazu hinreißen lassen, es wieder zurückzugeben. Yohio traute ihm zu, dass er jemand war, der zu seinen Entscheidungen stand und nichts bereute. Weshalb er sich vielleicht auch nicht so viele Gedanken über die Sache machen sollte. Zumal Gackt ihn, nachdem er sich wieder in seine normalen Sachen geworfen hatte, mit einem wohlwollenden Blick beim Arm nahm und ihm sogar wie ein Gentleman einer Dame die Tür aufhielt. Das alles musste doch wirklich nicht sein. Es war Yohio schrecklich unangenehm. Er vermochte sich einfach nicht zu erlauben, Gefallen an dieser Art und Weise, mit der Gackt ihn behandelte, zu finden. "Wenn du in Zukunft irgendwelche Wünsche hast, zögere nicht, sie zu äußern", verlangte Gackt, als sie das Geschäft verlassen hatten und Yohio noch etwas unschlüssig auf die bedruckte Tüte in seiner Hand schaute. So wie Gackt jedoch seine Äußerung machte und ihn dabei freundlich anlächelte, starrte Yohio ihn wahrscheinlich abermals auf diese unverhohlen vergötternde Manier an. Er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass dieser Mann auf diese Weise mit ihm sprach, ja noch nicht einmal daran, dass er sich überhaupt mit ihm abgab. Schließlich musste er in seinen Augen doch nur ein kleiner, dummer Junge sein. "Ähm, mach ich", nuschelte Yohio, auch wenn er bezweifelte, dass er es wagen würde, jemals etwas von Gackt zu verlangen. Natürlich hatte dieser wahrscheinlich Geld wie Heu, aber Yohio hatte sich immerhin vorgenommen, auf eigenen Beinen zu stehen und niemandem - schon gar nicht seinem Idol - auf der Tasche zu liegen. "D-darf ich dich mal was fragen?" Er dackelte betreten neben Gackt her, welcher ihm wie selbstverständlich auffordernd zunickte. "Natürlich." Yohio presste die Lippen aufeinander. Die Frage war nicht gerade einfach zu formulieren für ihn. "Wieso machst du das eigentlich alles für mich?" Es erstaunte den jungen Schweden, dass Gackt über die Antwort noch nicht einmal lange nachzudenken brauchte. "Weil ich der Meinung bin, dass du es wert bist", erwiderte er leichthin und sorgte dafür, dass Yohio verschämt den Kopf senkte. Wie um alles in der Welt konnte er es verdient haben, von einem Mann wie Gackt förmlich auf Rosen gebettet zu werden, wo er doch nicht mehr als ein kleiner Idiot mit einem viel zu groß geratenen Traum war? Trotzdem seine Wangen noch immer glühten, so, wie sie es in letzter Zeit fast ständig taten, warf er Gackt einen unschlüssigen Blick zu, mit welchem er versuchte, aus seinem Gesicht zu lesen, was er nur an ihm fand. Aber abermals schlug ihm nur diese beinahe zärtliche Zuneigung entgegen, die auch seinen ersten Eindruck von Gackt geprägt hatte. Er war ihm bereits mit diesem Blick begegnet, und Yohio vermutete, dass er mit seinem Heulkrampf vor Herrn Kawashimas Haus vielleicht seinen Beschützerinstinkt geweckt hatte. Ob ihm dies gefiel, konnte er nicht entscheiden, da sich Verstand und Bauch ohnehin einen erbitterten Kampf lieferten, seit er es mit Gackt zu tun bekommen und dieser seine ganze Welt so ziemlich auf den Kopf gestellt hatte, ohne es zu ahnen.   "Wie wäre es, wenn wir nochmal zusammen essen würden?", wollte Gackt irgendwann ohne jeden Zusammenhang von ihm wissen, als sie längst wieder im Auto saßen und Yohio sich an der Seite des anderen Mannes fast schon wie dessen keiner Lover fühlte, der sich von zur Schau gestelltem Reichtum beeindrucken ließ. Ob die Leute sie beide auch für ein Paar hielten? Wohl eher nicht. Der Altersunterschied zwischen ihnen war dann doch ein wenig zu groß. "Okay", entgegnete Yohio wenig enthusiastisch, obwohl er wahrlich angetan war von Gackts Idee. "Aber dieses Mal auswärts." Gackt warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. "Ich wette mit dir, dass dir das Essen in einem Restaurant noch viel besser schmecken wird als das von einem Lieferdienst." Das Gespräch sorgte für ein Magengrummeln bei Yohio, welches er zu vertuschen versuchte, indem er auf seinem Sitz hin und her rutschte, aber Gackt kommentierte seine unfreiwilligen Lautäußerungen bereits mit einem amüsierten Lachen. "Oh, nun hab ich deinem Magen wohl den Mund wässrig gemacht?", hakte er nach und klang schon im nächsten Moment tröstend. "Tut mir Leid, das hätte ich nicht tun sollen. Denn heute Abend habe ich leider keine Zeit, um dich auszuführen." "Weil du schon jemand anderen ausführst", vermutete Yohio ziemlich forsch für seine Verhältnisse, aber er wusste, dass er sich nicht zu scheuen brauchte, vor Gackt einfach frei Schnauze zu sprechen und sich nicht jedes Wort dreimal überlegen musste, was äußerst befreiend anmutete. Gackts Lachen wurde daraufhin noch lauter. "Nein, ich trete heute bei einer Fernsehshow auf", erklärte er ihm, als er sich wieder ein wenig beruhigt hatte. "Und morgen Abend bin ich zu Hydes Party eingeladen, zu der du aber gern mitkommen kannst, als meine Begleitung." Er seufzte gespielt geschafft. "Straffer Terminplan, aber es ist ja mein selbstgewähltes Schicksal." Das nahm ja immer unfassbarere Züge an. Nach wie vor fragte Yohio sich, womit er all diese Privilegien verdient hatte, aber offenbar hatte Gackt seine Gründe, auch wenn diese sich für den Schweden kaum nachvollziehen ließen. Er bezweifelte arg, dass er heute Nacht ein Auge zu bekommen würde, wenn er sich ausmalte, dass er morgen quasi auf eine Promi-Party gehen würde, und das auch noch als Gackts kleines Anhängsel. Wenn er es geschickt anstellte, würde dieser Mann ihm womöglich noch als Schlüssel zu seinem Erfolg in Japan dienen, denn wo ließ es sich besser wichtige Kontakte knüpfen als auf solch einer Feier? Freilich hätte er Gackt lieber abgesagt, um sein Gewissen zu beruhigen, aber andererseits hätte er ihn wahrscheinlich gekränkt, wenn er ihm seinen Wunsch abgeschlagen hätte. Schließlich hatte es sich so angehört, als würde der Ältere sich darüber freuen, wenn er ihm bei diesem Termin Gesellschaft leistete. Weil er ihn aus irgendeinem unerfindlichen Grund gern um sich wusste. Yohio konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, sich jemals so wertvoll gefühlt zu haben, musste er feststellen, während der Fahrtwind ihm um die Ohren blies und ihm die weißblonden Haare aus dem Gesicht wehte. Selbst sein Vater hatte ihm dies nie derart zu vermitteln vermocht. Manchmal kam er sich vor, als wäre er für ihn nur ein Püppchen, mit dessen Talent sich viel Geld verdienen ließ. Aber Gackt waren all diese Dinge vollkommen gleichgültig. Er brauchte keinerlei Erwartungen ihm gegenüber zu erfüllen, sondern konnte einfach der sein, der er war: Ein Siebzehnjähriger mit kleinen und großen Macken und ganz normalen Bedürfnissen, wie sie jeder besaß.   Kapitel 3: 3. Kapitel --------------------- Er hätte sich einsam, ja regelrecht verloren gefühlt in dieser riesigen Villa ohne Gackt, der ihm Gesellschaft leistete, wenn er nicht wenigstens den riesigen Fernseher in der Wohnstube angeschaltet hätte, welcher ihn nun mit seinem japanischen Programm bedudelte. Im ersten Moment wirkten die Sendungen, die man in Schweden allesamt nicht empfangen konnte, erfrischend anders und dadurch auch interessant, aber allmählich wussten sie Yohio, der es sich auf der Couch mit einer Decke gemütlich gemacht hatte, doch zu ermüden. Doch dies lag vielleicht daran, dass er noch immer Nachholbedarf besaß, was Schlaf anging. Wahrscheinlich würde er längst ins Land der Träume gedriftet sein, wenn Gackt zurück nach Hause kam. So lange konnte er unmöglich die Augen offen halten, zumal der andere ihm keine verbindliche Info zu geben vermocht hatte, wie lange dieser Fernsehtermin dauern würde. Allerdings hatte er ihm erzählt, auf welchem Kanal er auf Sendung sein würde und um welche Uhrzeit die Show begann. Wahrscheinlich, weil er das ehrliche Interesse diesbezüglich aus Yohios blauen Augen hatte lesen können. Schließlich gab es für Yohio nichts, was ihn an seinem Idol kalt gelassen hätte. Er saugte alle Informationen auf, die er finden konnte, und ließ sich keine Gelegenheit entgehen, ihn anzuschmachten, sei es in Echt oder eben durch eine Mattscheibe hindurch. An jemanden wie Gackt vermochte man sich einfach nicht sattzusehen oder auch nur zu hören. Dieser Mann besaß eine ungemein einnehmende Aura und die Fähigkeit, andere mit seinen Worten derart zu fesseln, dass diese nur noch gebannt an seinen Lippen hingen. Und so war es keine Überraschung, dass sich das bei der heutigen Fernsehsendung, der er beiwohnte, aufs Neue bewies. Yohio rieb sich hektisch die Augen, in der Hoffnung, seine Müdigkeit zu vertreiben und die Show im wachen Zustand erleben zu können. Der Name der Sendung entging ihm deshalb, aber wahrscheinlich wäre dieser ohnehin nicht sonderlich aufschlussreich ausgefallen. So ließ Yohio sich einfach überraschen, reagierte aber mit ein wenig Enttäuschung, als das schlichte, kleine Studio eingeblendet wurden, in welchem mehrere Männer saßen, von welchen er nur Gackt wiedererkannte. Als offensichtlicher Ehrengast hatte man ihm einen Platz auf einem ledernen Sessel zugedacht, in welchem er wenig beeindruckt lümmelte, mit Sonnenbrille auf der Nase und über alles erhaben wirkend, so, wie Yohio ihn kennengelernt hatte. Dass dieser Mann derart nett und auf seine Weise liebevoll sein konnte, würde man in Anbetracht der kühlen Ausstrahlung, die er in dieser Show an den Tag legte, niemals vermuten. Aber Yohio wusste es inzwischen besser, und irgendwie gefiel es ihm, dass er nicht jedem mit der Herzlichkeit begegnete, die Yohio kennengelernt hatte.   Es dauerte gar nicht lange, bis selbst Yohio, der hin und wieder etwas schwer von Begriff war, herausfand, dass es sich bei der Show um eine Art Ratgeber handelte. Die Redaktion hatten Briefe mit Fragen zu Liebe, Beziehungen und sogar Sex erreicht, was erklärte, wieso die Show so spät abends ausgestrahlt wurde. Wirklich jugendfrei mutete dies nämlich nicht an, was Yohio aber erst recht an den Fernseher fesselte. Das Format ähnelte diversen Rubriken in schwedischen Teenagerzeitschriften, aber die Antworten, die die Jungs und Mädchen in diesen erhielten, waren oftmals recht kurz gehalten und wenig brauchbar. Die Männer in dieser Sendung allerdings gingen sehr genau auf jedes Anliegen ein. Allen voran natürlich Gackt, was Yohio schon bald ganz große, erstaunte Augen bescherte. Das Los entschied, dass er einem Mädchen Tipps geben sollte, welches keine Zungenküsse mochte. Und dies tat er mit solch einer Selbstverständlichkeit und einem Fachwissen, dass Yohio gebannt auf seiner Lippe herumzukauen begann. Der Junge konnte kaum fassen, was Gackt alles wusste. Ihm war zwar klar gewesen, dass der Japaner äußerst intelligent war, aber das hieß schließlich noch lange nicht, dass man auch in Liebesdingen über einen derart großen Wissensschatz verfügte. Yohio war verblüfft. Aber nicht nur das - als Gackt schließlich einen der anderen Männer, die der Show beiwohnten, zu sich beorderte und mittels seinem Zeigefinger und ohne jede Berührungsangst demonstrierte, welche Stelle am Gaumen besonders empfindlich war und stimuliert werden sollte, schlug Yohio sich geschockt die Hand vor den Mund. Gackt entlockte dem Kerl ein ungehaltenes Stöhnen, was das gesamte Studio zu Gelächter bewegte, bei Yohio aber nur für knallrote Ohren sorgte. Oh Mann, Gackt kannte sich ja unglaublich gut mit G-Punkten aus und musste einfach ein fantastischer Liebhaber sein. Selten erlaubte Yohio sich Gedanken wie diese, aber hin und wieder hatte Gackt sich bereits in seine feuchten Teenagerträume geschlichen und Dinge mit ihm angestellt, die er ganz bestimmt niemals in der Realität mit ihm zu tun gedachte. Allerdings scherte sich das Unterbewusstsein des jungen Schweden nun erst recht nicht mehr darum, wo es doch durch Gackts offensichtliche Zuneigung regelrecht bestärkt in seinen heimlichen Wünschen worden war. Dass Gackt im späteren Verlauf der Sendung auch noch offen zugab, gern Jungs zu küssen, sorgte für einen kleinen Jauchzer der Euphorie bei Yohio. Er kannte die Gerüchte, die sich um Gackts angebliche Bisexualität drehten, bereits, aber diese so ungeniert bestätigt zu bekommen versetzte ihn in einen förmlichen Glücksrausch. Als hätten sich seine Chancen, bei Gackt landen zu können, damit noch weiter vergrößert. Nur sein Verstand holte ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. Gackt mochte zwar gern Jungs küssen, aber ganz bestimmt keine kleinen Bubis, wie er leider einer war. Garantiert sah Gackt in ihm nur einen kleinen Bruder oder gar einen Sohn, welchen er wie ein Miezekätzchen adoptiert hatte. Aber niemals zog er sicherlich in Erwägung, ihn anzufassen oder gar zu küssen. Und das konnte Yohio ihm noch nicht einmal verübeln. Es mochte sein, dass Gackt ihn wirklich niedlich fand, aber eben eher so wie ein junges Tier und nicht wie einen Sexualpartner. Sexualpartner. Dieses Wort verbannte Yohio verschämt aus seinen Gedanken. Nein, er wollte überhaupt keinen Sex mit seinem Idol haben, auch wenn die Vorstellung davon auch jetzt wieder warm in ihm prickelte. Schließlich konnte er Gackt im Bett überhaupt nichts bieten, hätte eine blanke Enttäuschung für ihn dargestellt. Mit ihm hätte er sich eher gelangweilt als amüsiert, das stand fest. Und auch, wenn dieses Wissen Yohio ein wenig traurig stimmte, schlief er schon bald tatsächlich ein, entspannt durch den Klang von Gackts ruhiger, tiefer Stimme, die aus dem Fernseher drang und sich fast so anhörte, als säße er nun wirklich hier bei ihm und würde über seine Träume wachen.     *     Yohio hatte aufgrund seiner Schüchternheit nicht anders gekonnt, als zu lügen. Gackt nämlich war interessiert an seiner Meinung bezüglich der Sendung gewesen, und Yohio hatte behauptet, schon vorher eingeschlafen zu sein und die Show verpasst zu haben. Nie im Leben hätte er seinem Idol unbeschadet gestehen können, dass er es unheimlich faszinierend und schon fast erregend fand, dass er quasi der Sexperte schlechthin war und dass kleine Jungs im ganzen Land nun sicherlich davon träumten, von ihm aufgeklärt zu werden, in Worten und Taten. Gackt bedauerte dies freilich und war der Ansicht, dass Yohio sicherlich auch den ein oder anderen Tipp der Sendung hätte entnehmen können, sprach das Format doch vornehmlich junge Zuschauer wie ihn an, welche im Leben noch nicht so erfahren waren. Yohio hoffte, dass seine warmen Wangen ihn nicht der Lüge überführten, ahnte er doch, dass er aufpassen musste, was er in Gackts Gegenwart sagte oder machte, wo dieser doch sehr kundig war in zwischenmenschlichen Angelegenheiten und aus ihm bestimmt lesen konnte wie aus einem offenen Buch. Aber zum Glück bohrte er nicht weiter nach und ließ die Sache auf sich beruhen, vielleicht auch, weil er merkte, dass die Angelegenheit Yohio wie so viele Unbehagen bescherte. Verglichen damit begann die Party am Abend wesentlich angenehmer. Hyde und auch die anderen, denen Yohio vorgestellt wurde, waren wirklich sehr nett und fühlten sich durch Yohios bewundernden Blick, der all den Männern, die er bislang nur von Bildern und Videos gekannt hatte, zuteilwurde, offenbar nicht belästigt. Gottseidank, denn der Schwede vermochte sein unverhohlenes Staunen einfach nicht im Zaum zu halten. Selbst, als Gackt ihm ein Sektglas in die Hand drückte und er begierig daran schlürfte, wanderten seine großen Augen noch durch Hydes Wohnung, die der Gackts in Luxusfragen in nichts nachstand und musterten interessiert alle anwesenden und teilweise von ihm auch angehimmelten Gäste. Er fühlte sich wie in eine andere Welt gebeamt, und im Grunde war es so auch. Auf einmal hatte er Zutritt zu Räumlichkeiten, die sonst nur den großen, japanischen Rockstars vorbehalten waren, denn mit Gackt als Schlüssel konnte man wahrlich überall hingelangen. Da er sich trotzdem reichlich unsicher fühlte in Gegenwart all dieser Größen klebte er die ganze Zeit an seinem Begleiter, dem dies jedoch offenbar nichts auszumachen schien. Er schien es beinahe zu genießen, sich mit Yohio zu schmücken, dieser kleinen, nordeuropäischen Schönheit, und so verbrachten sie fast die ganze Zeit auf der großen Couch im Wohnzimmer. Sicherlich sorgte ihr Verhältnis bereits für einigen Gesprächsstoff, und vielleicht würden morgen in der Presse bereits die ersten Gerüchte lautwerden, aber dem begegnete Gackt mit einigem an Gleichgültigkeit. Yohio hingegen wusste nicht, ob es einen guten Karrierestart für ihn bedeuten würde, wenn ihm angedichtet wurde, dass er sich hochschlief, um in Japan Fuß fassen zu können. Mit jenen Gedanken jedoch musste er sich wohl oder übel befassen, als Gackt ihm dank einer kurzen Abwesenheit allein zurückließ. Zumal die Gelegenheit jemand ergriff und sich zu ihm gesellte, um ihm ein paar verfängliche Fragen zu stellen. "Wie um alles in der Welt hast du Gackt rumgekriegt?", wollte seine Gesellschaft wissen, die sich zu seinem großen Erstaunen als Mia von Mejibray entpuppte, welcher in Natur noch um einiges besser aussah als auf retouchierten Fotos. Jünger vor allen Dingen ohne das ganze Make Up. Er hätte der nette Junge von nebenan sein können, hätte er sich solch eine unangenehme, aufdringliche Frage gestellt. "Ich habe ihn überhaupt nicht rumgekriegt", verteidigte er sich etwas unwirsch und gab sich Mühe, den eigentlich sehr attraktiven Kerl nicht allzu böse anzufunkeln. "Wir sind uns nur zufällig begegnet, und Gackt hat mir einen Schlafplatz gegeben, weil ich sonst auf der Straße gelandet wäre..." Mia entwich ein amüsiertes Schnauben. "Und das macht er einfach so, ohne Gegenleistung?" Seine linke, gezupfte Augenbraue zuckte in die Höhe. "Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Gackt ist schließlich dafür bekannt, sich hier und da einen kleinen Bettwärmer anzulachen." Noch ehe Yohio sich der Verletzung gewahr werden konnte, die diese Worte und die Gewissheit, womöglich nicht der einzige zu sein, den Gackt so behandelte wie ihn, auslösten, beugte Mia sich vertraulich zu ihm vor und sah ihn neugierig an. "Und? Wie ist er so in der Kiste? Lohnt es sich, sich bei ihm einzuschleimen und ihm schöne Augen zu machen, abgesehen davon, dass man mit ihm auch den Luxus bekommt?" "Nochmal", setzte Yohio seufzend an und staunte selbst, wie ruhig er bleiben konnte. Wahrscheinlich besaß der Alkohol diese Wirkung auf ihn. "Ich schlafe nicht mit ihm. Und überhaupt, ich will gar nichts von ihm. Er ist mir doch viel zu alt." Hastig blickte er sich um, um sicherzugehen, dass ihn niemand diese Dinge sagen gehört hatte. Aber er hatte keine andere Möglichkeit gesehen, um Mia davon zu überzeugen, dass zwischen Gackt und ihm nichts lief. Und offenbar glaubte ihm Mia nun sogar. "Umso besser", beschied er ihm mit einem gefälligen Schmunzeln und warf ihm einen etwas lüsternen Blick zu. "Weise von dir, dich nur auf Jungs deines Alters einzulassen. Bin ich dir mit meinen sechsundzwanzig Jährchen denn auch schon zu alt?" Yohio wollte dies grimmig bejahen, aber er musste sich eingestehen, dass Mia ihm gewissermaßen gefiel, und dass er seine freche, forsche Art im Grunde ziemlich reizvoll fand, auch wenn sie ihn andererseits auf die Palme brachte. "Das geht schon noch", brummelte er deshalb in seinen nicht vorhandenen Bart, hoffend, dass Mia diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstand. Und das tat er. Zufriedenheit blitzte in seinen schmalen Mandelaugen auf, und sein Mund verzog sich zu einem gewieften Lächeln. "Gut", hauchte er, als er sich Yohio weiter genähert hatte und ihre Gesichter nur noch ein paar Zentimeter trennten. "Ich bin zwar nicht so reicht wie Gackt, aber in anderen Dingen kann ich ihm bestimmt das Wasser reichen..." Seine gewitzten Finger strichen verspielt eine Haarsträhne aus Yohios Gesicht und glitten dann seine Wange hinab, wanderten zart über seinen Hals, was Yohio einen Schauer über den Rücken sandte. Er hatte plötzlich das Gefühl, als wäre er nicht mehr Herr über die Situation, als würde sie ihm entgleiten. Denn auch, wenn er Mia gewissermaßen mochte und attraktiv fand, so fühlte er sich gewissermaßen überfordert von diesen zweideutigen Berührungen. Natürlich hatte er schon manchmal mit jemandem herumgeknutscht, aber sein Gefühl sagte ihm, dass dies Mia nicht genügen würde. Wenn er anfing, auf Mias Anbaggerungsversuche einzugehen, würde er sich wohl so leicht nicht mehr aus seinen Fängen winden können. "T-tut mir leid", verkündete er deshalb und gab dem verdutzt dreinblickenden Mia entschlossen seine Hand zurück. "Das geht mir dann doch ein bisschen zu weit." Damit sorgte er dafür, dass der Mejibray-Gitarrist genervt mit den Augen rollte und sofort auf Distanz ging. "Boah, also vögelst du doch mit Gackt", behauptete er und brummte unwirsch. "Aber willst es nicht zugegeben, weil es dir peinlich ist, einem alten Mann als billiges Flittchen zu dienen, richtig?" "Das ist überhaupt nicht wahr!" Empört war Yohio aufgesprungen, konnte er doch auf Mias Gesellschaft und dessen Unterstellungen gut und gerne verzichten. Er war beinahe schon heilfroh, dass er prompt Gackt in die Arme lief, der sich gerade angeregt mit Hyde und Kaz unterhielt, weshalb er sich auch für seine Verhältnisse überraschend wenig genierte, ihr Gespräch mittels eines aufmerksamkeitsheischenden Zupfen an Gackts Jacke zu unterbrechen. "Wäre es vielleicht okay, wenn wir nach Hause fahren?", piepste Yohio zum Amüsement der anderen Männer, die wissenden Blickes die Köpfe zusammenstecken und sich garantiert irgendwelche schmutzigen Dinge zuflüsterten. "Mir ist irgendwie schlecht." Gackt schaute ihn daraufhin mit erhobenen Augenbrauen an. "Auf einmal? Bestimmt hast du mal wieder zu wenig gegessen, mh?" In anderen Situationen mochte Yohio es insgeheim sehr, wenn Gackt ihm in seiner Fürsorge durch das Haar strich, aber als er es nun tat, vor allen Leuten, wäre er am liebsten im Erdboden versunken. "K-kann sein", gab er gepresst zurück und versuchte, nicht allzu vertraut mit dem Japaner zu wirken, um den ohnehin schon munkelnden Musikern zumindest ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen. "Ich würde mich wirklich gerne hinlegen." Gackt drückte Hyde sein Sektglas in die Hand und lächelte ihm entschuldigend zu. "Tut mir leid, dass der Abend für mich schon vorbei ist, aber ihr versteht sicher, dass Yohios Wohlbefinden vorgeht", erklärte er den anderen Männern, deren breites Grinsen Yohio regelrecht grimmig stimmte. Am liebsten hätte er sich in die Mitte des Raumes gestellt und lautstark offenbart, dass zwischen ihm und Gackt überhaupt gar nichts lief, ganz egal, was sie sich einbildeten und dass man sich auch mögen konnte, ohne miteinander ins Bett zu gehen, aber zu solch einem Auftritt wäre er erstens nicht fähig gewesen und zweitens hätte er damit wohl alles nur noch verschlimmert. Wieso hatte er sich nicht einfach auf Mia eingelassen? Dann hätte er sich die fiesen Gerüchte wahrscheinlich gleich von Backe gemacht, zumindest größtenteils. Aber er war eben ein zu großer Angsthase. In allen möglichen Belangen.     *     "Gehts dir wieder besser?" Yohio kam partout nicht umhin, sich wie ein kleiner Prinz zu fühlen. Gackt tat aber auch alles dafür, dass er den Eindruck gewann, etwas Besonderes zu sein, ganz egal, wie vehement er sich auch dagegen wehrte. Die Tatsache, dass er ohne Widerrede mit ihm nach Hause gefahren war und ihn mit Litchipudding fütterte, seitdem sie es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten, hinterließ schlichtweg Spuren bei Yohio. Zwar war es ihm wahrlich unangenehm, derart in den Himmel gehoben zu werden, war er doch nach wie vor ein stinknormaler Teenager, der eben zufällig Japanisch sowie das Gitarrenspiel im Selbststudium gelernt hatte. Doch es zeigte sich immer deutlicher, dass er sich an diese Sonderbehandlung würde gewöhnen müssen, wenn er bei Gackt zu Gast war. Dieser nämlich bestand darauf, dass der Schwede sich rundum wohl fühlte. "Geht schon", entgegnete Yohio knapp und schob sich noch einen Löffel Pudding in den Mund, obwohl ihn von Anfang an kein sonderlich großer Hunger gequält hatte. Seine Übelkeit hatte - entgegen Gackts Vermutung - andere Ursachen als einen knurrenden Magen. Aber da der Pudding sehr gut schmeckte, brachte er ihn trotzdem mit einer Leichtigkeit herunter. Yohio wusste nicht, ob der andere sich mit dieser Antwort zufriedengeben würde. Zunächst erweckte er den Anschein, denn er sagte nichts und sah genau wie der Junge auch dem Spiel der flackernden Kerzen zu, die den Couchtisch schmückten. Allerdings rief Yohio sich ins Gedächtnis, dass man Gackts Menschenkenntnis um keinen Preis unterschätzen durfte. Er hatte ihn ja während dieser Fernsehsendung erlebt. Dieser Mann musste ein Genie sein, was soziale Belange anging. Ganz im Gegensatz zu Yohio, der hin und wieder in ein Fettnäpfchen trat... "Dich bedrückt doch noch irgendwas", kam schließlich jener Satz über Gackts Lippen, auf den der Jüngere förmlich gewartet hatte. Dennoch hatte er gehofft, dass er nicht fallen würde. Natürlich vergebens. "Magst du mir davon erzählen?" Als Yohio es wagte, dem anderen ins Gesicht zu sehen, sah er das deutliche Interesse, dass Gackt ihm entgegenbrachte. Die Dinge, die Gackt sagte, waren stets mehr als bloße Floskeln der Höflichkeit. Er hätte nie nachgehakt, wenn ihm schlichtweg am Arsch vorbeigegangen wäre, was Yohio auf diese Frage erwidern würde. So recht wusste der Junge nicht, ob er ihm tatsächlich sein Herz ausschütten sollte, weshalb er noch etwas unschlüssig den Löffel ableckte und angestrengt das Für und Wider abwog. Da Gackt ihn aber Sekunden später noch immer mit dieser Engelsgeduld musterte, entschied er sich schließlich dafür. Zumindest einen Teil dessen, was ihn bewegte, würde er ihm anvertrauen. Denn im Grunde seines Herzens wusste er ganz genau, dass Gackt der richtige Ansprechpartner für diese Art von Problem war. "Vorhin auf der Party hat mich ein Typ angesprochen, Mia", verriet Yohio, während er nachdenklich in seinem Puddingrest herumstocherte. "Besser gesagt, er hat mich ziemlich offensiv angegraben, wenn du weißt, was ich meine." "Und ob ich das weiß", antwortete Gackt reichlich erheitert klingend. "Mia ist schon eine Marke für sich. Und nur Gast auf solchen Parties, weil er es versteht, älteren, wohlhabenden Männern schöne Augen zu machen. Man kann ihm auch wirklich schlecht widerstehen, wenn man gewisse Neigungen sein eigen nennt. Er ist hübsch, nicht wahr?" "Schon." Yohio fragte sich unwillkürlich, ob Gackt Mia genauso verwöhnt hätte wie ihn, hätte er ihn für sich gewonnen, brach den Gedanken jedoch ab, da er ihm Bauchschmerzen bereitete. "Eigentlich fand ich es ja auch gar nicht so übel, dass er sich für mich interessiert hat, aber..." Er hielt inne und schluckte, denn nun kam der schwierige Part, der einiges an Überwindung kostete. "Ich hatte das Gefühl, als würde er gleich mehr wollen, wenn ich mich auf einen Kuss einlasse." "Und das hat dir Angst gemacht?" Gackt schlussfolgerte ganz richtig, und Yohio nickte betreten. Einmal mehr fühlte er sich ziemlich nackt vor dem anderen, was auch kein Wunder darstellte, war er doch drauf und dran, eine Art Seelenstriptease vor dem anderen Mann hinzulegen. "Na ja...", versuchte Yohio sich zu verteidigen, da er nicht als totales Weichei dastehen wollte, doch da streckte Gackt bereits tröstend die Hand aus und kraulte ihm behutsam den Nacken. "Dafür musst du dich nicht rechtfertigen", versuchte er den Jungen zu beruhigen, der aufgrund der Streicheleinheit wie ein schockgefrostetes Eichhörnchen dasaß, nur, dass seine glühenden Wangen wohl jede Eisschicht zu schmelzen gewusst hätten. "Es ist sehr wichtig, in solchen Situationen auf sein Bauchgefühl zu hören und sich nicht anderen zuliebe zu irgendetwas überreden zu lassen, dem man sich nicht gewachsen fühlt." Wenig zufrieden mit dieser Antwort lehnte Yohio sich gegen Gackts Schulter und genoss weiterhin seine sanft über seine Nackenhärchen fahrenden Fingerspitzen, die ihn erkennen ließ, wie sehr er sich nach derartigem Körperkontakt gesehnt hatte. Das Gefühl ließ ihn realisieren, was ihm gefehlt hatte, und er kam nicht umhin, die Augen zu schließen und sich zu bemühen, nicht vollkommen durchzudrehen vor Glück. Gackt war so ein toller Mann. Fast schon waren ihm seine Ratschläge über seiner Streicheleinheit gleichgültig geworden, aber dennoch hörte er ihm zu, als er mit seiner wohklingenden Stimme weitersprach. "Wenn du in der Liebe noch unerfahren bist, ist es außerdem besser, wenn du dich mit unverbindlichen Abenteuern zurückhältst", erklärte Gackt ihm, der sicherlich längst bemerkt hatte, wie gut Yohio die Zärtlichkeiten taten, die er ihm schenkte. Der Junge stellte sich vor, wie er ihm nun mit einem Schmunzeln ins Gesicht sah, denn genau eine solche Reaktion hätte zu diesem Moment gepasst. Aber er wagte es nicht, die Augen zu öffnen und nachzuschauen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag. "Für das erste Mal solltest du dir jemanden aussuchen, den du kennst und dem du vertraust und der idealerweise bereits über einiges an Erfahrung in Liebesdingen verfügt." So jemanden wie dich, schoss es Yohio durch den Kopf, woraufhin er sich selbst strafend die Augenbrauen zusammenkniff. Gackt jedoch missinterpretierte diese Reaktion und lachte leise, wie sein hüpfender Brustkorb verriet, auf dem inzwischen Yohios Wange ruhte. "Ja, ich weiß, so jemand ist sehr schwer zu finden", musste er zugeben und strich dem Jungen mit dem Daumen eine verirrte Strähne aus seinem Gesicht. "Aber es lohnt sich, zumindest nach so jemandem zu suchen. Denk daran, dass dich niemand hetzt und du alle Zeit der Welt hast. Es ist auch nicht schlimm, schon zwanzig zu sein, wenn man sein erstes Mal hat. Wenn dich irgendjemand deswegen verspottet, ist er sowieso nicht der Richtige." "Du bist so schlau", brummelte Yohio mit nach wie vor halbgeschlossenen Augen, hob aber nun träge den Blick, um Gackt ins Gesicht zu sehen. "Woher weißt du das eigentlich alles?" "Das Leben ist der beste Lehrer", behauptete er und lächelte Yohio zu. "Mit den Jahren kommt auch die Erfahrung. Und außerdem habe ich einfach Interesse an Menschen und wie mit ihnen umzugehen ist." "Woah." Yohio staunte wahrlich Bauklötzer, auch wenn er aufgrund seiner Müdigkeit, die er in Gackts Armen gefunden hatte, nicht sonderlich beeindruckt klang. "Ich find das voll cool." "Wenn du irgendwelche Fragen haben solltest, kannst du immer zu mir kommen", versprach er Yohio, während das Kerzenlicht geheimnisvoll flackernde Schatten in seine dunklen Augen zeichnete. "Ich bin jederzeit bereit, mein Wissen an Interessierte weiterzugeben. Und insbesondere an dich, wo ich doch nicht möchte, dass irgendjemand dein gutes Herz ausnutzt." Wo nahm Gackt eigentlich immer diese wunderschönen Worte her? Sie schienen das Krönchen zu sein, welches Yohio endgültig zu einem Prinzen machte. Hatte er sich an einem anderen Ort und in anderen Armen jemals so ruhig und beschützt gefühlt? Yohio vermochte diese Frage mit einem Nein zu beantworten. Hier bei Gackt, an seine Brust geschmiegt und mit seinem beruhigenden Herzschlag am Ohr, war der schönste Ort auf Erden. Am liebsten hätte er für immer an ihm verweilt, schien die Zeit doch für den Moment stillzustehen und die Welt sich ohne in weiterzudrehen. Seine Sorgen und Probleme drifteten langsam von ihm weg, als er in einen friedlichen Schlaf fiel, gespickt von Träumen, in welchen er ebenfalls auf den Mann traf, dem er so viel zu verdanken hatte und der sich innerhalb weniger Tage einen festen Platz in seinem Herzen errungen hatte.   Kapitel 4: 4. Kapitel --------------------- Seitdem Gackt mit dem Tablett an den Frühstückstisch getreten war, hatte sich Yohios ganze Aufmerksamkeit auf einen gewissen Gegenstand fixiert. Für die einen mochte er nur eine Banane sein, für ihn und sein irres Teenagerhirn war er jedoch das perfekte Instrument, um sein Wissen, was gewisse Sexualpraktiken anging, ein wenig zu erweitern. Yohio hatte nachgedacht, nachdem er aus seinem tiefen Schlaf aufgewacht war, und dies merkwürdigerweise nicht auf der Couch, sondern in seinem Bett. Er hatte sich Gackts Worte von gestern Abend noch einmal durch den Kopf gehen lassen und war zu dem Entschluss gekommen, dass ihm doch jemand im Nacken saß, der ihn bezüglich seines ersten Males antrieb. Nämlich er selbst. Seine eigene Libido und damit einhergehend sein verdammter Penis. Unter der Dusche hatte er es letzten Endes nicht mehr ausgehalten und sich wie im Rausch selbst angefasst, natürlich zu durchaus schändlichen Bildern im Kopf. Woher seine plötzliche Notgeilheit rührte, vermochte er selbst nicht einzuschätzen, war er doch noch zuhause in Schweden nicht von solchen triebhaften Anwandlungen heimgesucht worden. Vielleicht aber reagierte sein Körper einfach nur auf den Stressabbau. Das Adrenalin hatte die Bahnen frei gemacht für das Testosteron. So konnte es doch sein. Und eventuell hatte auch Gackt einen winzig kleinen Teil zu seinem Zustand beizutragen. Denn Yohio konnte nun nicht mehr vor sich selbst leugnen, dass er sich zu ihm hingezogen fühlte. Seit gestern Abend war es so klar wie Kloßbrühe. Streicheleinheiten und liebe Worte hinterließen eben ihre Spuren im Herzen des sonst so disziplinierten und strebsamen Teenagers, für den es wochenlang nur die Arbeit an seiner Musik gegeben hatte. Aber dass er schon seit geschlagenen zwei Minuten auf die ungeschälte Banane starrte, ohne auch nur zu blinzeln, war dann wohl doch reichlich albern. Irgendwann weckte ihn Gackt mit einer hektischen Handbewegung direkt vor seiner Nase aus seinen reichlich perfiden Überlegungen, woraufhin Yohio ihn erschrocken ins lachende Gesicht starrte. "Du scheinst mir heute Morgen ein wenig durcheinander zu sein", erkannte er und schaute den Jungen forschend an. "Hast du nicht gut geschlafen?" "Doch, doch", beeilte Yohio sich zu sagen, um die Aufmerksamkeit von der Banane abzulenken. "Es ist eben...na ja, das mit Mia setzt mir immer noch zu." "Mach dir doch nicht immer so viele Gedanken, mh?" Genau wie am Abend strich Gackt ihm mit dem Daumen eine Haarsträhne nach hinten, aber heute streichelte er ihm mit den Fingerknöcheln dann zusätzlich hauchzart über die Wange. "Mia wird die Abfuhr schon überleben. Du musst nicht jedem gefallen, denk daran. Dein Wohl ist wichtiger als das der anderen. In der Beziehung darf man ruhig auch mal egoistisch sein." Mit diesen Worten erhob er sich und hielt auf das Badezimmer zu, wodurch Yohio wohl für eine Weile allein sein würde. Kaum, dass die Tür geschlossen wurde, fiel sein Blick wieder auf die gelbe Frucht auf dem Tablett, an welche sich bislang keiner der beiden herangewagt hatte. Nun aber, nach einem raschen, sich versichernden Blick, dass Gackt auch wirklich nicht gleich wieder auftauchte, nahm Yohio sich der Banane an und beäugte sie von allen Richtungen. Ein wenig sah sie ja schon aus wie ein männliches Glied, wenn er es sich recht überlegte, und wenn er wirklich auf Männer stand, wie Yohio annahm, dann würde er es früher oder später wohl mit einem solchen zu tun bekommen. Und dann musste er wissen, wie man damit umging. Da half ihm auch kein Warten auf den Richtigen. Auch wenn er sich reichlich blöd dabei vorkam, begann er die Banane kurzerhand zu schälen und schob sich das weiche Fruchtfleisch anschließend in den Mund, allerdings ohne davon abzubeißen. Er lachte sich beinahe selbst aus, weil er sich vorstellen musste, wie er wohl gerade aussah, mit der Banane zwischen den Lippen. Noch alberner aber war es, als er begann, die längliche Frucht vor- und zurückzuschieben, mit dem Ergebnis, dass er sie sich viel zu weit in den Rachen bugsierte und zu würgen und zu husten begann, als sie seinen empfindlichen Gaumen streifte. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, wiederholte er das Spielchen allerdings noch einmal. Banane in den Mund, was seine Geschmacksknospen heftig provozierte und seinen Speichelfluss derart anregte, dass er sich fast besabberte. Ob man bei einem echten Blowjob denn auch mit seiner Spucke derart zu kämpfen hatte? Wenn ja, veranstaltete man doch eine riesige Sauerei. Andererseits war ein Schwanz doch nie und nimmer so lecker wie eine Banane... Vor Schreck biss er in die süße Frucht, als Gackt gänzlich unerwartet im Raum stand und ihn mit amüsiert zuckenden Mundwinkeln und vor der Brust verschränkten Armen bei seinem Tun beobachtete. Zu suppentassengroßen, blauen Augen gesellte sich Yohios ungesunde Gesichtsfarbe, die weniger mit einer Banane als mit einer Tomate gemein hatte. "Spielst du schön?", neckte Gackt ihn und stieß sich lässig vom Türrahmen ab, um sich ihm zu nähern. Grinsend musterte er das abgebrochene Bananenstück, das auf die Tischplatte gefallen war aufgrund Yohios beherzten Zubeißens. Dann schenkte er Yohio einen gespielt mahnenden Blick. "Missbrauchst du etwa arme, unschuldige Bananen?" "Ich esse nur", murmelte Yohio betreten mit vollem Mund, musste er sein Objekt der Begierde doch nun verspeisen, war es doch unbrauchbar geworden und außerdem bereits an seinem Bestimmungsort angelangt. "Eben noch hast du der Banane ganz hingebungsvoll einen geblasen." Yohio hielt kurz genervt inne in seinem Kauen, als er bemerkte, wie Gackt sich zurück auf seinen Stuhl setzte und ihm seinem wissenden Blick aussetzte. Mann, er hätte viel dafür gegeben, wenigstens jetzt, in dieser Situation, einfach in Ruhe gelassen zu werden. Selbst, wenn es sich dabei um Gackt handelte, konnte er sich gerade mit niemandem auseinandersetzen. Zu sehr schämte er sich für das, was er getan hatte. Was für dumme Ideen einem in den Sinn kamen, wenn man ein hormongesteuerter Teenager war. Wirklich eine sehr erwachsene Tat, schalt Yohio sich selbst, der Gackt partout nicht mehr in die Augen sehen konnte. "Du musst solche Dinge nicht auf diese Weise üben", erklärte ihm Gackt nun, ohne ihm jedoch irgendwelche Vorwürfe zu machen oder ihn zu belächeln für seinen beknackten Plan. "Es geht bei Sex nicht nur darum, die richtigen Techniken draufzuhaben. Es geht dabei vor allen Dingen um Gefühle. Und Intuition. Sex ist nur dann schlecht, wenn beide Partner nicht zusammenspielen oder jemand Abneigungen empfindet. Natürlich ist es schön, gekonnt zu verwöhnen und verwöhnt zu werden, aber-" "Ich will doch einfach nur jetzt jemanden, mit dem ich schlafen kann!", funkte Yohio ihm ungehalten dazwischen, was Gackt sofort den Mund schließen und dem Jungen geduldig zuhören ließ. "Und ich will dabei kein Versager sein. Ist doch logisch, oder?" Verzweifelt pfriemelte er an der Bananenschale herum und stieß dann einen schweren Seufzer aus. "Du hast gesagt, dass mich niemand hetzt, aber das stimmt nicht. Ich habe Bedürfnisse, die gestillt werden wollen. Jetzt, wo der Stress ein wenig abgeflaut ist, hat mein Körper Kapazitäten für solche Wünsche." Er ließ die Schale sinken und sah Gackt entschlossen in die Augen. "Ich hab Bock drauf. Und gleichzeitig hab ich Schiss. Es ist zum Verrücktwerden..." "Ach, Yohio-chan." Gackt seufzte nun ebenfalls und wuschelte Yohio über den Kopf, nachdem er wieder aufgestanden war. "Du bist viel zu ungeduldig mit dir selbst. Aber ich war als Teenager auch nicht anders. Alle Teenager sind so." Davon konnte sich Yohio allerdings auch nichts kaufen. Das vertrieb sein plötzliches Verlangen nach Sex kein Bisschen. Entsprechend entmutigt hockte er am Tisch und hypnotisierte dessen Oberfläche. "Weißt du was?", hörte er Gackt sagen, als dieser schon fast zur Tür heraus war. "Komm rauf aufs Dach, wenn du mit dem Frühstück fertig bist. Ich will dir etwas zeigen." Womöglich die schöne Aussicht, grummelte Yohio in Gedanken, erklärte sich aber dazu bereit, dem Vorschlag, der mehr schon ein sanfter Befehl war, Folge zu leisten. Ein fauler Tag erwartete ihn, und wenn er sich nicht ablenkte, lief er Gefahr, sich aus Ermangelung sinnvoller Beschäftigung Filme zu fahren und sich auf diese einen herunterzuholen. Deshalb war ein Genuss der Aussicht von ganz Oben vielleicht keine so schlechte Idee, die ihn hoffentlich auf andere Gedanken brachte.   Da Gackt sich seit seinem Hereinplatzen in Yohios peinliches Bananenexperiment nicht mehr hatte blicken lassen, räumte der Schwede schließlich selbstständig das Geschirr und die Essensreste weg, da er in Gackts elegantem Haus unmöglich die Schlampe heraushängen lassen konnte. Anschließend wagte er den Aufstieg auf das Dach. Das Wetter war als schier herrlich zu bezeichnen, und er konnte bereits von der letzten Stufe der Treppe aus erkennen, dass Gackt den Sonnenschirm aufgespannt hatte, der dafür sorgte, dass man im Whirlpool sitzen konnte, ohne von dem grellen Licht der Sonne geblendet zu werden. Von Gackt allerdings schien im ersten Augenblick jede Spur zu fehlen. Yohio schaute sich verwirrt um, als er die Dachterrasse schließlich betreten hatte, bis sein Blick schließlich an seinem Gastgeber hängen blieb, welcher es sich offenbar nicht hatte nehmen lassen, bereits ein wenig in dem erfrischenden Nass zu relaxen. Als ihre Blicke sich endlich trafen, winkte er Yohio zu sich heran, welcher mit einem etwas unguten Gefühl im Bauch näher kam. Schließlich musste man kein Genie sein, um erahnen zu können, dass Gackt wahrscheinlich nicht sehr viel anhatte, wenn er badete. Was natürlich prompt für nervöses Herzrasen bei Yohio sorgte, so wie dieser gegen die Sonne blinzelte und den wohltrainierten Oberkörper seines Gastgebers zum ersten Mal in Echt zu Gesicht bekam. Er sah wirklich ganz genauso gut aus wie auf den Fotos, die er aus dem Internet gegraben hatte, wenn nicht sogar noch ein wenig besser. Alles an diesem Mann schien pure Perfektion zu sein, zumindest in Yohios Augen, die sich schon lange kein objektives Urteil mehr über den Japaner zu bilden vermochten. "Gesell dich doch zu mir", schlug er lässig vor und legte abwartend den Kopf schief, während Yohio noch immer unentschlossen dastand und ihm die Aufregung förmlich die Luft zum Atmen raubte. Sein Blick klebte an Gackts Sixpack sowie seinen breiten Schultern und den gut trainierten Armen, genau wie an seiner glatten, nicht zu blassen, aber auch nicht zu stark gebräunten Haut. Er schämte sich dafür, dass er ihn förmlich angeiferte und noch nicht einmal versuchte, sich zurückzuhalten, aber wenigstens hatte er einen Vorwand, nicht zu diesem attraktiven Mann ins Wasser steigen zu müssen. "Ich habe keine Badehose dabei", erklärte er kopfschüttelnd und kaute hektisch auf seinem Daumennagel herum, doch Gackt schenkte ihm ein sanftes Lächeln. "Du brauchst auch keine Badehose." Wie? Yohio hielt entsetzt in seiner Nagelkauerei inne und starrte Gackt an. "Aber...aber..." "Du brauchst dich vor mir nicht zu schämen", entgegnete Gackt in der Seelenruhe, für die Yohio ihn kannte und schätzte. Jedoch versetzten ihn seine Worte in hellen Aufruhr, auch wenn er das Gefühl hatte, als würde er sich tatsächlich nicht seines Körpers vor Gackt schämen müssen. Der andere Mann nahm ihn schließlich so, wie er war, diesen Eindruck hatte er ihn in den letzten Tagen oft genug nur zu deutlich vermittelt. Er mochte sich noch unsicher fühlen, aber gleichzeitig wusste er auch, dass Gackt nichts von ihm verlangt hätte, was nicht sein durfte. So sicher er sich gestern in seinen Armen gefühlt hatte, so sicher konnte er sich auch jetzt in seiner Gegenwart fühlen. Und irgendwie reizte es ihn auch sehr, etwas für seine Begriffe ziemlich Verdorbenes zu tun. Oft schon hatte er in seinen heißen Fantasien mit Gackt gesündigt, und dies nun vielleicht im Ansatz in Echt zu erleben, rief ein aufregendes Kribbeln in seinem Bauch wach, welches schon bald in seinen Lenden zu ziehen begann. Gackt hatte schon recht: Er durfte nicht immer so viel nachdenken und sich den Kopf über alles zerbrechen. Einfach fallen lassen hieß die Devise. Und deswegen machte er sich nun mit bebenden Fingern daran, sich vor den studierenden Blicken des tollsten Mann auf der Welt auszuziehen. "Du bist wunderschön, genau so, wie ich es mir dachte", urteilte Gackt schließlich, so wie Yohios Klamotten nutzlos geworden auf dem Boden neben dem Becken lagen und er nicht mehr einen Fetzen Stoff mehr am Körper trug. Seine Haut kam ihm verglichen mit der Gackts so blass vor, und sein Körper so schrecklich schlaksig, aber er wusste genau, dass er Gackt ehrlich gefiel und er diese Worte nicht nur sagte, um ihm Selbstbewusstsein zu lehren. "So zart und zerbrechlich wie es auch deine Seele ist." Yohio presste noch mit seinem letzten Rest Unsicherheit die Schenkel etwas zusammen, so wie er mitbekam, dass in Gackts Augen ein gewisses Funkeln lag. Seine Knie waren weich geworden, weil sein Kopf wieder einmal verrücktspielte und er sich auch um keinen Preis beruhigen ließ. Gackt sah ihn an, als wäre er der schönste Junge auf der ganzen Welt, wie Yohio mit Fassungslosigkeit feststellen durfte. Und als er schließlich auffordernd die Hand nach ihm ausstreckte, kam er ohne weitere große Zweifel auf ihn zu und ließ sich bereitwillig und so unendlich neugierig auf das alles in das Becken ziehen, direkt auf Gackts Schoß. Er japste nach Luft, welche dieser Mann ihn mit seinem Tun längst geraubt hatte und versuchte, zumindest ansatzweise die Contenance zu wahren, aber in Anbetracht der Tatsache, dass er und der Mann seiner Träume sich gerade nackt beziehungsweise halbnackt aneinanderschmiegten, konnte er einfach nicht anders, als seiner Erregung freien Lauf zu lassen. Auch jetzt glühte sein Kopf wieder, allerdings nicht aus Scham, sondern vor heißem Verlangen. "Ich werde dir alles zeigen, was du wissen musst", versprach Gackt ihm mit gleichfalls reichlich betörter Stimme, während er beinahe ehrfürchtig über die zierlichen Oberarme Yohios strich. "Und ich werde ganz behutsam sein." Das war Gackt tatsächlich. Selbst, als er Yohio zum ersten Mal küsste, ließ er dem Jungen Zeit, sich an ihn und die Situation zu gewöhnen und erlaubte ihm, das Tempo zu bestimmen. Hin und wieder bremste er ihn auch ein wenig in seinem Ungestüm und eignete sich dann wieder die Oberhand an, was Yohio ganz besonders genoss, wie er feststellen musste. Er fühlte sich auch jetzt wieder wie ein kleiner, verwöhnter Prinz, denn Gackt liebte ihn wahrlich fantastisch und zugleich mit einer Leidenschaft, die Yohio vollkommen mit sich riss und ihn schon bald unkontrolliert zucken und beben ließ in den Armen des Mannes, den er so gern mochte und zugleich aus tiefstem Herzen begehrte. Noch nie in seinem Leben hatte er solch ein warmes Glück in seinem Bauch schwelen spüren und schon gar nicht solch eine alles verschlingende Lust, die umso stärker wurde, desto bereitwilliger er sich fallen ließ in die wundervollen Liebkosungen, mit denen Gackt ihn besah. Es schien keine Stelle an seinem Körper mehr zu geben, an der seine Lippen nicht verweilt hatten, keine Stelle, die seine Finger nicht erkundet hatten, und jede einzelne hatte so empfindlich auf ihn reagiert, bis er es schließlich nicht mehr ausgehalten und es ihn förmlich aus den Angeln gehoben hatte, mit Gackts Kopf zwischen seinen Schenkeln, ohne, dass er etwas dagegen zu tun in der Lage gewesen wäre.   Noch reichlich benommen hockte er nach seinem Höhepunkt auf dem Wannenrand und schaute in die Ferne, auf die Berge am Horizont, ohne sie jedoch überhaupt richtig wahrzunehmen. Noch immer ging sein Atem schwer, während er sich so leicht fühlte wie noch nie zuvor, als wäre das Leben ein Tanz und er nur eine kleine Fee mit einer unwichtigen Rolle, auf die sich getrost verzichten ließ. Erst ein Kuss auf die Innenseite seines Oberschenkels weckte ihn aus seiner seligen Ruhe, die ihn erfüllte, allerdings ohne ihm etwas von seinen Glücksgefühlen zu nehmen. Wie sollte er auch, wenn er daraufhin doch in das ihn anlächelnde Gesicht des Mannes sah, zu welchem er sich hingezogener fühlte als jemals zuvor? "Ich liebe es, das hier mit dir zu tun", gestand er Yohio offen und zog ihn wieder zu sich ins Wasser, um ihn besser in seinen beschützenden Armen halten zu können. "Es macht mich sehr glücklich, dass du es auch mit mir tun möchtest. So recht hätte ich es nämlich anfangs nicht für möglich gehalten, dass du es willst." Und das trotz der knallroten Wangen? Der verschämten Blicke? Yohio hatte doch so verliebt gewirkt, oder nicht? Wahrscheinlich aber war Gackt es gewohnt, derart von Menschen angesehen zu werden. Doch die meisten taten dies wohl nur, weil sie in ihm einen Superstar sahen, zu dem sich gut aufblicken ließ. Yohio allerdings wusste schon längst nicht mehr, was Gackt wirklich für ihn war. Wie viel davon einer harmlosen Teenagerschwärmerei gleichkam und wie viel wirkliche Liebe in seinem Herzen schwelte. Deswegen war ihm auch die Antwort auf die Frage so wichtig, die er Gackt nun stellte, während er ihn bei sich spüren konnte, ganz nah an seinem Körper. Haut an Haut. "Würdest du das eigentlich mit jedem unerfahrenen Jungen machen, der möchte, dass es endlich passiert?" Als Gackt ihm einen langen Kuss auf die Stirn drückte, wusste er bereits, wie die Antwort lauten würde. "Nein", hauchte er und strich ihm durch das Haar, ganz sacht, ehe er Yohios Kinn leicht anhob, damit dieser ihm in die Augen sah. "Das hier mache ich nur mit dir. Weil du etwas ganz Besonderes für mich bist." In seinem Blick meinte Yohio sich daraufhin die ganze Welt spiegeln zu sehen, in Form von sich selbst, war doch alles, was sich in seinen dunklen, funkelnden Iriden zeigte, sein eigenes, verzücktes Antlitz. Und nichts sonst.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)