Legend of Pirates von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 1: Jeder kann ein Held werden -------------------------------------     Mythen und Sagen gab es unzählige, die sich die Seeleute auf ihren Fahrten durch die rauen Gewässer der Neuen Welt erzählten. Niemand konnte sagen, welche von ihnen der Wahrheit entsprachen und welche der reinen Fiktion entstammten.   Meist gab es keine Überlebende, die ihre Geschichte weitergeben konnten. Die Unglücklichen unter ihnen, welche es an einem Stück aus ihrem persönlichen Albtraum schafften, verblieben zumeist schweigend über die Geschehnisse. Das erlebte Trauma begleitete sie ihr Leben lang.   Wer auf Glück und Reichtum hoffte, sollte bitter enttäuscht werden. Eine geschenkte Gabe, ohne gebrachtes Opfer hatte die erbarmungslose See für niemanden vorhergesehen.   Von den Prüfungen der launischen Mutter Natur blieb kein Lebewesen verschont, welches auf ihrer Erde wandelte. Jeden sah sie als Sünder an, da niemand von ihnen frei von Fehlern war.   Vielleicht war auch dies lediglich purer Aberglaube, welcher sich in dem Kopf eines leichtgläubigen Seefahrers festgesetzt hatte. Ein jeder brauchte einen Glauben, der ihn antrieb und seinen Willen stärkte, in welche Richtung die eigene Illusion auch immer gehen vermochte.   Nur derjenige, welcher das Schicksal am eigenen Leib erfuhr, konnte von ihm erzählen. Die Personen, welche von diesem ausgesucht wurden, durften für sich selbst entscheiden, wie sie letzten Endes mit diesem umgehen wollten.   Die Frage, ob ein Einzelner das Unheil abwenden, und damit seine Zukunft in die eigenen Hände nehmen konnte, sollte niemals beantwortet werden. So musste jeder für sich eine Antwort finden, jedoch scheiterten viele bereits bei dem kläglichen Versuch.     Diese Legende handelte von drei unscheinbaren Piraten, die in den schicksalhaften Strudel von Unheil und Verderben gezogen wurden und von dessen Abenteuer, welches dem Trio noch bevorstand.   Ihr Weg war lang, von vielen Steinen gepflastert und der Ausgang ihrer Geschichte ungewiss. Keiner von ihnen war vorbereitet auf das, was auf sie zukommen sollte.   Fünf Prüfungen waren für das ungewöhnliche Trio vorhergesehen, mit welchem Mutter Natur sie auf die Probe stellen wollte. Jede von ihnen schien schwieriger, als die andere zu sein.   Und so begann die Reise von Shachi, Heat und Wire, die auserwählten Schachfiguren auf dem verfluchten Spielbrett des Schicksals, welches tief in seine Trickkiste griff, um ihnen ihr Leben so schwer, wie nur möglich, zu machen.   Was wird die Zukunft für sie bereit halten? Werden sie den Gefahren trotzen? Oder wird das Ende der Geschichte, welche in das Buch ihres Lebens niedergeschrieben wird, zeitgleich auch ihr letztes Kapitel sein?   Diese Antwort ist eine derer, die erst gefunden werden müssen...       ~*~       Das stetige Rauschen der schlagenden Wellen erfüllte die düstere und nebelige Landschaft mit ihrem beruhigenden Klang. Sah man jedoch etwas genauer hin, so konnte man hinter den vereinzelten Nebelschleiern eine Figur erkennen, die vor wenigen Augenblicken an den Strand gespült worden war.   Regungslos und bewusstlos lag der Junge in der sandigen Erde, während ein einzelner, gepunkteter Krebs kreisend um ihn herumschlich. Seine Sonnenbrille, sowie seine hellgrüne Ballonmütze mit dem rötlichen Schirm, welche er zuvor verloren hatte, befanden sich einige Meter neben ihm auf dem Boden.   Was dem Krebstier nur gelegen kam, da dieses die Kopfbedeckung als neuen Unterschlupf ansah, welchen es mit zu seinem Versteck im Meer nehmen konnte. Schnell schlüpfte der Krebs unter den Stoff der Mütze und verschwand unter diesem, sodass sich der Hut im nächsten Augenblick vom Sand abhob.   Ebenso eilig steuerte das Tier dann auf die ruhigen Wellen zu, flitzte über den Strand und freute sich breit grinsend über seinen Fund. Nur solange, bis es gegen etwas stieß, was sich ihm zeitgleich in den Weg stellte.   Mit einem Auge linste der Krebs hinter dem Stoff der Mütze hervor. Sein Blick wirkte verdutzt und neugierig. Doch wandelte sich dieser im nächsten Moment in einen geschockten Ausdruck, als er seinen Störenfried entdeckte, sodass das Tier seinen Kopf augenblicklich wieder zurückzog.     Eine kleine Strohpuppe stand vor ihm im Sand, seine Arme hatte es vor seiner strohigen Brust verschränkt und seine kurzen Beine stampften ungeduldig auf den Boden.   Daraufhin stellte die kleine Gestalt einen seiner strohigen Füße auf den rötlichen Schirm der Mütze, welche soeben das Weite suchen wollte, und hielt sie so davon ab. Der verschreckte Krebs stellte sein eigenes Leben, um das er zu diesem Zeitpunkt sehr besorgt war, da ihm sein Gegenüber nicht geheuer war, über seine neue Behausung und entschied sich dann dazu, ohne seinen Fund zu flüchten. Eilig flitzte das Krustentier los, in die entgegengesetzte Richtung, und ward nie wieder gesehen.   Nun war es die gesichtslose Puppe, die unter die Kopfbedeckung kroch. Anschließend hob es die Mütze, mit beiden seiner kleinen Arme hoch und schleppte sie dann mühselig in Richtung des orangehaarigen Jungen.   Shachi lag noch immer bewegungslos dort und verharrte in seiner auf dem Bauch liegenden Position. Sein Kopf war seitlich gedreht, sodass seine friedlich wirkenden Gesichtszüge deutlich zu erkennen waren.   Langsam setzte die strohige Gestalt die Mütze auf den Kopf ihres Besitzers... Bevor sie kräftig gegen den Hinterkopf des Heart-Piraten trat.   `Wach auf, Dummkopf!´, dachte die stumme Puppe aufgebracht, ihre Worte nachdrücklich und bestimmend, sodass sie zu Shachis nebligem Verstand durchdrangen und sein Unterbewusstsein erreichten.   Weswegen der Junge seine geschlossenen Augenlider im nächsten Moment müde blinzelnd öffnete. Noch in der selbigen Sekunde sprang der aufgedrehte Heart-Pirat mit einem schwungvollen Satz auf, als die Energie wieder in seine schlafenden Glieder kehrte. Im Anschluss daran streckte er sich einmal ausgiebig, während er laut gähnte und sah sich dann um.   Für einen Moment ließ Shachi seinen verwunderten Blick durch seine Umgebung schweifen. Woraufhin seine Augen die Voodoo-Puppe erblickten, welche nun leblos vor seinen Füßen im Sand lag. Anschließend hob er die selbige auf und betrachtete sie sich nachdenklich.   "Hmm.. Ich dachte, ich hätte Pengs Stimme gehört...", murmelte er, seine Augen angestrengt zusammenziehend, bevor er locker mit seinen Schultern zuckte.   Shachi verstaute die Puppe wieder in der Hosentasche seines weißen Heart-Piraten-Anzugs, sprintete dann auf seine verdunkelte Brille zu und nahm sie schließlich an sich.   "Wo bin ich hier überhaupt?", fragte er sich letztlich vor sich hin redend und ließ seinen Blick über die Ansammlungen von Palmen, Lianenbäumen und Sträuchern gleiten, welche sich vor ihm erstreckten. "Und wo sind Heat und Wire hin?"   Weit und breit konnte er nichts, außer dem wild wuchernden Gewächs entdecken, welches bis zu dem kleinen Strand-Abschnitt wuchs. Weswegen er sich einen Moment später auf den Weg in den dichten Dschungel machte, auf der Suche nach seinen vermissten Kameraden.   Shachi trug ein breites Lächeln auf seinen Lippen, während er immer weiter auf den schmalen Trampelpfad zuging, der zwischen den dichten Bäumen zu erkennen war. Die Abenteuerlust und die Vorfreude packten den enthusiastischen Jungen und beschleunigten seinen Herzschlag, sowie seine Beine, welche sich nun rennend fortbewegten.     Als der junge Heart-Pirat schließlich zwischen den großen Palmengewächsen und Fruchtbäumen verschwunden war, erschien eine schemenhafte Gestalt am Rande des Strandes, welche ihm traurig hinterherschaute.   "Es tut mir so leid, Junge.", flüsterte die geisterhafte, alte Dame immer und immer wieder, bis ihr Flüstern einen gar Sirenen-ähnlichen Gesang annahm. Die Reue war deutlich aus ihrer kratzigen und schwachen Stimme hörbar.   ..Bevor ihre nebelige Figur sich langsam auflöste und sie letztlich vom Wind in ihre eigene Welt zurückgetragen wurde.       ~*~       Unser zweiter Held wachte vollkommen hüllenlos auf einer Wiese auf. Weswegen sich ein leichter Rotschimmer auf seine gräulichen Wangen legte, als er an seinem entblößten Körper herunterblickte.   Heat befand sich mitten auf einer kleinen Lichtung, welche ebenfalls von Lianenbäumen und Palmen umringt wurde. Was ihn zeitgleich auf eine helfende Idee für sein Problem brachte.   Schnell lief er zu einer der Palmen, kletterte an dieser herauf und sammelte einige der Palmwedel, um sich daraus eine provisorische Hose zu basteln.   Der Kid-Pirat konnte geschickt mit Nadel und Faden umgehen, sein Körper war zudem übersäht von Nähten und einem großen Dornenranken-Tattoo, welches er für seine Zwecke nutzen konnte.   Wie dunkelrote Schlangen, schlängelten sich die dornigen Ranken im nächsten Augenblick seinen Arm entlang, bis er die Stacheldraht-ähnlichen Fäden in seiner Hand hielt. Im Anschluss daran trennte er ein Stück des eigenartigen Materials mit einer kleinen Flamme ab, die den festen Stoff durchtrennen, und den selbigen beliebig formen konnte. Keine Sekunde später zierte die Ranken-Tätowierung wieder Heats Hals und seine Arme.   Niemand wusste, warum der Kid-Pirat diese Fähigkeit besaß, nicht einmal er selbst wusste es. Er hatte diese bereits in jungen Jahren entdeckt und hinterfragte sie nicht weiter. Doch sollte das Geheimnis, welches Heat umgab, auf dieser Reise aufgedeckt werden.     Nachdem der Kid-Pirat das blättrige Kleidungsstück angezogen hatte, begab auch er sich auf die Suche nach seinen beiden Begleitern, um welche er sich große Sorgen machte. Von Natur aus ging Heat stets vom Schlimmsten aus.   Die huskyblauen Augen des ausdruckslosen Zombies füllten sich mit Besorgnis und Unruhe, während er seine Beine in Bewegung setzte und anschließend durch die Beerensträucher hechtete, von welchen er sich zeitgleich ab und an bediente.   "WIRE? *Mampf* SHACHI?", rief er aufgeregt in Richtung der Bäume, an denen er vorbeirannte und steckte sich zwischenzeitlich eine Hand voller Beeren zwischen seine mit Nähten übersähten Lippen. Sein sorgenvoller Blick schweifte dabei wild umher.     Genau in dem Augenblick, als Heat das kleine, flackernde Licht zwischen einigen Bäumen am Horizont entdeckte, stolperte er unglücklicherweise über eine der Baumwurzeln. Woraufhin er mit einem "Nich' schon wieda!", welches ihm fluchend über seine Lippen kam, stolpernd in Richtung des Bodens segelte.   In Begleitung eines `Boff´-Geräusches landete der Rastaträger anschließend in der staubigen Erde und blieb dort kurzzeitig liegen, dabei atmete er frustriert und unzufrieden aus.   Noch im selben Moment sprangen einige kindergroße Gestalten aus ihren Verstecken in den Büschen. Ihre Gesichter wurden von einer Tiki-Maske verdeckt und in den Händen hielten sie einen selbst geschnitzten Speer.   "Eindringling!", grölten sie allesamt gleichzeitig, ließen dabei ihren johlenden Kriegsschrei ertönen und rannten dann zu zehnt auf den Rastaträger zu.   Heat war einen kurzen Augenblick unachtsam, was ihm zum Verhängnis werden sollte.   Binnen Sekunden hatten ihn die Inselbewohner mit Lianen umwickelt, um ihn mit den Pflanzen zu fesseln, sodass er nun einer Art zappelnden Sushi-Rolle ähnelte. Sein Kopf und seine Füße waren das Einzige, was aus den grünen Schlingpflanzen herausragte.   "Lasst's mich 'runter, ihr elendigen Drecksdeppen!", beschwerte Heat sich lautstark und wandte sich zwischen seinen Fesseln. Doch brachte es ihm nichts, da diese sich felsenfest um seinen Körper geschlungen hatten.   Im nächsten Augenblick schoben die kleinen Bewohner einen Holzspeer durch die Schlingen der Lianen und hoben den Kid-Piraten dann, wie ein Spanferkel hoch, um ihn daraufhin zu ihrem Stamm zu bringen.   Sie ignorierten die dauerhaften Flüche ihrer neuen Mahlzeit und steckten Heat stattdessen einen Apfel in den Mund. Diesen aß er jedoch sofort auf, weswegen zwei der Inselbewohner nun dazu verdonnert wurden, genug Nahrung sammeln zu gehen, um ihren Gefangenen zum Schweigen zu bringen.   So konnten sie den futtervernarrten Piraten kurzzeitig ruhig stellen, denn bei den vielen Fruchtbäumen, die auf der Insel wuchsen, hatten sie genug Schweigemittel zur Hand und konnten ihren Ohren das laute Gejammer des Rastaträgers ersparen.   Schließlich machten sich die Stammesmitglieder auf den Weg zu ihrem Dorf, damit sie dort ihre neue Mahlzeit zubereiten konnten, die trotzig und schmollend das Nahrungsvorkommen der Insel reduzierte.     ~*~       Shachi war derweil damit beschäftigt, die verschiedensten Kräuter, Beeren und anderes Grünzeug im Dschungel zu sammeln. Wenige Minuten zuvor hatte er sich einen Blumenkranz gebastelt, welchen er nun auf seinem Kopf trug, seine Mütze verblieb deswegen in seiner Anzugtasche.   Natürlich dachte er dabei an seine beiden Freunde und fertigte ihnen ebenso einen Schmuck aus bunten Pflanzen an, den er mit einem breiten Lächeln in seinem kleinen Beutel verstaute. Diesen hatte er wenige Augenblicke zuvor, aus seinem Hosenbein und einer Liane, sowie vielen angebrachten Blumen kreiert.   Daraufhin griff er nach einem handgroßen Stein und verrieb einige der roten Beeren auf einem der Felsen, um sich die breiige Masse dann mit zwei seiner Finger nacheinander über seine beiden Wange zu streichen.   "Mein Superhelden-Name ist `Orang Utan Klaus´! Shachi ist bloß mein langweiliger Deckname.", rief er freudig in Richtung der Krone eines breiten Lianenbaumes, unter dem er selbst momentan stand. Und entdeckte dort dann zufällig ein kleines Baumhaus, welches im selben Moment seine vollste Aufmerksamkeit lockte.   `Wie cool~!´, dachte der Heart-Pirat sich zeitgleich, mit einem faszinierten Funkeln in seinen tigeraugefarbenen Augen. Keine Sekunde später kletterte er in Windeseile den Baum hinauf, damit er seine neue Entdeckung auskundschaften konnte.   Als er oben ankam, riss er, ohne anzuklopfen, hastig die kleine Holztür des würfelförmigen Bauwerks auf und betrat dann die kleine Hütte, mit einem schwungvollen Sprung durch die aufgestoßene Tür.     Was Shachi nicht ahnte war, dass in dem Baumhaus sehr wohl jemand wohnte und der Bewohner von diesem nicht gerade erfreut über seinen ungebetenen Besucher zu sein schien.   Das alte, zittrige Männchen, dessen langer, weißer Bart in seiner Suppenschüssel hing, saß zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden, vor einem kleinen, runden Holztisch, auf dem seine Mahlzeit stand. Er wollte doch nur in Ruhe sein Mittagessen zu sich nehmen.   Vor Schreck, als seine Haustür mit einem lauten Krachen aufgestoßen wurde, ließ der Stammesgroßvater den Holzlöffel, den er zwischen seinen wackeligen Fingern hielt, in die Suppenschale fallen. Gleichzeitig drehte er seinen Kopf langsam in Richtung seiner Tür und riss seine Augen panisch auf, die nun zu seinem neuen Gast schweiften. Dieser winkte ihm im nächsten Augenblick freudig zu.   "Huhu~!", begrüßte Shachi breit lächelnd den kleinen Mann und sah sich dabei eindringlich in der fremden Wohnung um, sodass seinem aufmerksamen Blick kein Detail verborgen blieb.   "Hier muss aber mal wieder Staub gewischt werden...", murmelte der Heart-Pirat dann nachdenklich, seinen Zeigefinger an seine grübelnd-verzogenen Lippen haltend, und erblickte zeitgleich einen alten Putzlappen, der neben einer kleinen Kochstelle lag. Diesen nahm er dann kurzerhand an sich und hielt ihn wedelnd in die Luft. "Sagen Sie nichts! Orang Utan Klaus ist zur Stelle und wird Sie aus Ihrer Notlage befreien!"   Dem allein lebenden, buckeligen Großvater hatte es schlichtweg die Sprache verschlagen, während seine sehschwachen Augen den herum wuselnden Jungen verfolgten, der anschließend eifrig seine Wohnung putzte.   Letztlich tat der Stammesgroßvater das makabere Szenario als pure Einbildung seiner grauen Zellen ab, nahm sich dann die hölzerne Schale mit seiner Pilzsuppe, um diese daraufhin an seinen spröden Lippen anzusetzen, und ignorierte Shachi daraufhin vollends.   Dass der Heart-Pirat dann auch noch begann, während dem Reinigen des Baumhauses in den schiefsten Tönen vor sich hin zu trällern, bekam der Opa, dank seines schlechten Gehörs, glücklicherweise nicht mit.       ~*~       In der Nähe des Dorfes der Inselbewohner, das viele nebeneinander stehende Bambushütten zierte, konnte man aus der Ferne bereits ein jammerndes Grummeln hören, welches durch die Wildnis hallte und dabei einige der dort lebenden Wildtiere verschreckte.   Der blauhaarige Kid-Pirat hatte sich überfressen, hing seufzend-schmollend über dem aufgebauten Lagerfeuer aus noch nicht entflammten Brennholz und blickte in Richtung des selbigen, während er weiterhin gefesselt an dem Speer verharrte.   "Ich hab' meinen Hunger verloren und meine Unnerbuchse.", seufzte er tief und pustete sich dabei eine seiner blauen Rastalocken aus dem Gesicht, welche von der Schwerkraft zu Boden gezogen wurden. "Zum Glück guckt mein Wurm nich' 'raus.. Den will echt niemand seh'n."     Heat ignorierte den Sitzkreis an Bewohnern, welcher sich um ihn gebildet hatte und zählte anschließend ein paar Ameisen, die unter ihm in einer Reihe entlangliefen, um sich so ein wenig von seiner Sorge um seine Kameraden abzulenken.   Die Idee, dass er mit seinem Feueratem die Lianen, welche um seinen Körper geschlungen waren, hätte verbrennen können, wollte ihm nicht durch den Sinn gehen. Sodass er seine Aufmerksamkeit nun Ameise Nummer 56 schenkte, welche er liebevoll `Betsy´ taufte.   ..Betsy sollte jedoch nur ein sehr kurzes Leben haben, da im nächsten Augenblick ein Fuß ihr Schicksal besiegelte.   Ein stämmiger Kriegsmann hatte sich in das Sichtfeld des Kid-Piraten geschoben und verschränkte abwertend seine muskulösen Arme vor seiner von bunten Kriegsmalen verzierten Brust. Sein Blick, welcher sich hinter der wütend schauenden Tiki-Maske verbarg, musterte den blauhaarigen Piraten abschätzig und war ebenso herabwürdigend, wie seine arrogante Körperhaltung.   Noch bevor der, sehr von sich selbst überzeugte Bewohner zum Sprechen ansetzen konnte, rächte Heat sich allerdings bitterlich für den Verlust seiner kurzweiligen, tierischen Bekanntschaft.   Nach einem besonders tiefen Atemzug, stieß der Kid-Pirat eine große Flamme zwischen seinen mit Nähten übersähten Lippen hervor, welche die üppige Beinbehaarung des leicht bekleideten Stammeskriegers augenblicklich niederbrannte, sodass der Muskelmann im darauffolgenden Moment einen knurrenden Schrei des Schmerzes ausstieß.   "Hexer!", rief gleichzeitig einer der sitzenden Zuschauer in die Runde, während die anderen Tiki-Maskenträger in seinen Ruf mit einstiegen und diesen im Chor mehrmals ertönen ließen.   "Hexer! Hexer! Hexer!"   Immer und immer lauter wurde das Gegröle der Meute. Doch hatte Heat ganz andere Probleme, weil er mit seiner unüberlegten Aktion soeben das Feuerholz entfacht hatte, welches sich direkt unter ihm befand.   Es war nur ein einzelner, kleiner Funke, der den Weg zu der leicht brennbaren Holzpyramide gefunden hatte, allerdings wuchs dieser in einem stetigen Tempo, sodass die vereinzelte Flamme sich nun rapide ausbreitete.   "Och nö.. Echt jetzt?", murrte der Rastaträger seufzend und zog dabei einen Schmollmund. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich einige wenige Funken zu den Spitzen seiner blauen Rastalocken verirrt, weswegen diese nun winzige Flammen zierten. "Hier riecht's nach Hühnchen.. Bombig, jetzt krieg' ich auch noch Kohldampf."     Der Muskelprotz mit der Tiki-Maske war indessen zwei große Schritte nach hinten gegangen, doch blieben seine verdeckten Augen, in welchen sich nun die pure Schadenfreude widerspiegelte, auf dem blauhaarigen Piraten. Dabei lachte er dreckig, in einer sehr tiefen Stimmlage.   Alle Inselbewohner stiegen in die Lache ein, sodass das Bambushütten-Dorf nun von einem grässlichen Schallen des hämischen Gelächters durchflutet wurde.   "Ich versteh's nich'.. Was is'n so witzig?", fragte Heat verwirrt in die Runde der Lachenden und versuchte dann hektisch seine flammenden Rasta-Spitzen auszupusten, was ihm nicht gelingen sollte. "Kann mir Mal jemand helfen? Oder mir wenigstens den Witz erzähl'n, damit ich auch was zum Lachen hab'?"     Keiner der umher stehenden Stammesanhänger wollte ihm eine Antwort geben. Niemand, außer einer Person. Diese stolzierte nun grazilen Schrittes durch den Personenkreis, direkt auf Heat zu, und beantwortete ihm seine Frage, in einem überaus giftigen Ton. Dabei rammte er seinen Dreizack in die Erde, einen knappen Zentimeter neben dem Gesicht des Rastaträgers.   `Bamm´   "Der faulige Witz bist eindeutig du!"   Durch die Wucht des Dreizacks wurde der erdige Boden um die Feuerstelle wild aufgewirbelt, sodass der Staub nun die Flammen erstickte und zeitgleich bedeckte, mitsamt dem Gesicht Heats, welcher ebenso eine volle Ladung davon abbekam. Zufällig hatte er dabei seinen Mund weit geöffnet, weil er die ihm bekannte Stimme augenblicklich erkannte.   "Duff flebst!", rief Heat in Richtung der dunklen Stiefel, die er vor seinen aufgerissenen Augen erblicken konnte. Erst dann schluckte er das erdige Naturgut herunter und zerriss dabei die angebrannten Lianen, die sich, dank des Feuers, gelockert hatten.   Der tollpatschige Kid-Pirat landete flach auf dem staubigen, aschebedeckten Untergrund, mit seinem Gesicht voraus, und fluchte daraufhin lautstark. Bevor er sich aufrappelte und sich verlegen hustend vor seinen Kameraden stellte.     Die Stammesmitglieder waren derweil verstummt und betrachtete die beiden Piraten mit einem verwirrt-irritierten Blick, den sie zwischen ihnen hin und her schweifen ließen.   "Nicht eine Sekunde kann man dich aus den Augen lassen!", erzürnte sich Wire weiter und wischte dabei grob einige Staubkörner aus den blauen Haaren seines vor ihm stehenden, grinsenden Gegenübers. "Guck' nicht so dümmlich, Einfaltspinsel. Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe?!", konnte der Fledermaus-Umhangträger den leicht besorgten Unterton seiner Stimme nicht verbergen, während seine Augen kritisch seinen Freund musterten, einmal von oben bis unten...   ..Bevor Wire den vollkommen entblößten Zustand Heats bemerkte und er sich hastig seine dunkel lackierten Hände vor seine geschändeten Augen hielt. Dabei stieß er einen grellen Schrei des puren Grauens aus.   "Pack' es sofort weg, bevor ich es mit dem Absatz meiner Stiefel zerquetsche, wie einen scheußlichen Käfer!", drohte Wire mit knurrend-zischender Stimme und ließ seinen besten Freund kreidebleich werden, welcher sich das Ganze etwas zu deutlich vorstellte.   Daraufhin riss der Rastaträger einem, zufällig in seiner Nähe stehenden Inselbewohner ruckartig die Palmhose vom Unterleib und zog sie sich kurz darauf ebenso eilig selbst an.     "Sorry...", murmelte Heat schuldbewusst und kratzte sich verlegen an seinem Rasta beschmückten Hinterkopf, "Lass' uns das Ganze einfach vergess'n, ok? Was machst'n überhaupt hier, bei den ganzen Weichbrötchen?"   Wire stützte daraufhin seinen Ellenbogen locker auf seinem Dreizack ab, schüttelte seufzend seinen Kopf und schwenkte dann mit einer Hand lässig in Richtung besagter `Weichbrötchen´.   "Sie haben mich zu ihrer Gottheit ernannt und himmeln mich seitdem an, wie die Meerjungfrauen Prinzessin höchstpersönlich.", erklärte der nervlich angeschlagene Kid-Pirat seufzend und beugte sich dann zu Heats Ohr herüber, um ihm daraufhin in das selbige zu flüstern. "Diese Wirrköpfe wollen mich, wegen meiner anmutigen Schönheit, opfern und lassen mich nicht gehen. Also: rette mich, hopp, hopp!"   Der etwas langsam denkende Rastaträger verstand nur die Hälfte der Informationen, die er erhielt, sodass er lediglich stumm nickte und seine Augen daraufhin einen langen Moment in den Wolken verschwanden. In seinen Ohren ließ währenddessen eine leise Zirpe ihr Lied erklingen.   "Was ist?! Beweg' dich!", holte Wire seinen gedankenverlorenen, besten Freund wieder zurück, weswegen der Rastaträger nun wirr seinen Kopf schüttelte.   Das Wichtigste war jedenfalls zu Heats Verstand durchgedrungen: Sein bester Freund brauchte seine Hilfe. Und darum musste Wire ihn gewiss nicht zweimal bitten.   Heats ausdruckslosen Gesichtszüge wandelten sich augenblicklich in eine todernste und wütende Mimik, bei der seine hellblauen Augen einen dunkleren Ausdruck annahmen, welcher in einen leichten Grauton überging.   Ein Sturm der Emotionen war nun in seinem Blick zu erkennen, welcher langsam über die überrumpelten und zurückweichenden Inselbewohner schweifte, die den plötzlichen Stimmungswandel des Piraten sofort bemerkten.   Einen einzigen Schritt ging der grauhäutige Kid-Pirat auf die verwirrte und eingeschüchterte Zuschauerschaft zu, dann stellte sich ihm der breitgebaute Stammeskrieger in den Weg.     Mit der Spitze seines großen Speeres zeigte der Muskelmann auf Heat, in einer zum Duell auffordernden Geste, und rückte dabei seine düstere Tiki-Maske zurecht. Als Antwort pustete der Rastaträger lässig eine kleine Flamme aus seinem Mund, als Zeichen der Respektlosigkeit, und zeigte dann mit seinem Daumen auf seine aufgeplusterte Brust.   "Du willst spielen? Komm' nur her, du aufgeblasener Fleischklops!", rief Heat breit grinsend in Richtung seines Gegners und schüttelte mit einer lockeren Kopfbewegung einige seiner blauen Rastalocken aus seinem Gesicht. Ehe er mit Highspeed auf seinen Widersacher zustürmte. "Mit dir fahr' ich Schlitten! Dieser `Dampfhammer´ ist für Betsy!"   Mit seiner geballten Faust schlug Heat daraufhin kraftvoll auf den Kopf des Kriegers, welcher dadurch kurz ins Taumeln geriet, dabei schüttelte der Muskelmann hektisch seinen Kopf. Dann wollte der Tiki-Maskenträger zum Gegenschlag ansetzen und hob seinen Speer angriffsbereit in die Luft, der jedoch im selben Augenblick von dem Kid-Piraten in zwei Teile gebissen wurde.   "Mogeln is' nich'! Wir tragen das hier aus, wie echte Kerle!"     Wire setzte sich derweil auf eine Bambusbank, welche im Dorf stand, überschlug dann seine Beine und schaute dem Schauspiel aus sicherer Entfernung zu, während er ungeduldig mit einem seiner Stiefel auf und ab wippte.   Er wusste den Akt seines besten Freundes sehr wohl zu schätzen und trug deswegen ein angehauchtes Schmunzeln auf seinen Lippen. Welches allerdings schnell wieder verschwand, als ihm zufällig das nicht jugendfreie Bild durch den Kopf schoss, das sich vor wenigen Momenten schmerzlich in sein Gedächtnis gebrannt hatte.   "Ich bin gestraft, bis an mein Lebensende...", seufzte Wire dramatisierend und bettete sein Kinn auf seiner Hand, während er mit seinen haselnussbraunen Augen die große Staubwolke beobachtete, in der sein bester Freund und der Krieger inzwischen untergegangen waren. "Dass der Hitzkopf auch immer so einen Wirbel machen muss..."     ~*~       Wirbelwind Nummer zwei hangelte sich in diesem Moment mithilfe der Lianen von Baum zu Baum und schien vollkommen zufrieden mit sich und der Welt zu sein. Auf seinen Lippen trug Shachi ein übergroßes Lächeln, während er seine Augen, wegen des ihm entgegen peitschenden Windes, fest zusammenkniff und lauthals lachend sein persönliches Abenteuer genoss.   Dass ihm mittlerweile um die fünfzehn Baumhausbewohner hinterherjagten, störte ihn ebenso wenig, wie die drückende Tropenhitze, die mittlerweile aufgekommen war und den Dschungel mit grell-blendenen Sonnenstrahlen verzierte.   Der Grund, warum Shachi den Zorn der Dschungelbewohner auf sich zog, war nicht nur der, dass er unerlaubt in die Behausungen eingestiegen war, sondern er sich bei seinen `Wohnungsbesichtigungen´ auch gleich diverse Gegenstände `ausgeborgt´ hatte. Natürlich hatte der aufrichtige und leicht naive Junge einen kleinen Zettel mit einem Versprechen und seiner Unterschrift hinterlassen, doch scherte dies die Anwohner recht wenig, da sie diesen nicht einmal entziffern konnten.   Für den energiegeladenen Heart-Piraten gab es in diesem Moment nur den Spaß, welchen er selbst hatte, und die nächste Liane, nach der seine Hand nun griff.   Nur war es keine Ranke, sondern eine dünne, sehr lange Schlange, deren Schuppen eine dunkelgrüne Farbe mit orangenen Flecken zierte und leicht mit einer Liane verwechselt werden konnte.   Glücklicherweise hatte Shachi seine Hand noch an der vorherigen Ranke, an der er daraufhin zurück baumelte, während er in der anderen das zappelnde Tier hielt, das er mit einem Ruck von der Baumkrone gerissen hatte, auf der es bis vor wenigen Momenten noch schlief.   "Tut mir leid, dass ich dich beim Schlafen gestört habe.", sprach Shachi entschuldigend in Richtung der Schlange und warf die zischend-wütende riesen Viper dann locker hinter sich. Sodass das Tier direkt in dem Kreis seiner Verfolger landete und den rennenden Pulk augenblicklich zum Anhalten brachte.     Lächelnd winkte der Heart-Pirat der Schlange zum Abschied. In seinen leicht naiven Augen spielte diese nun mit ihren neuen Spielgefährten fangen. Keine Sekunde später schwang der Junge sich zum nächsten Baum und steuerte das kleine Dorf an, welches er aus der Ferne sehen konnte.   `Ob die Menschen dort auch so gastfreundlich sind, wie hier?´, fragte er sich nachdenklich und näherte sich der geräuschvollen Kulisse, die er selbst von seiner entfernten Position aus deutlich hören konnte. `Die vielen, lauten Stimmen klingen, als ob sie in dem Dorf eine Menge Spaß hätten.. Vielleicht feiert sie ja eine Party, das wär' super cool!´   Sich den Kampfgeräuschen immer weiter nähernd, kam der kreative Junge dann auf die Idee, sich unter der Tiki-Maske zu verstecken, welche er sich zuvor von einem der Stammesältesten geliehen hatte.   Der Heart-Pirat kletterte auf eine der Baumkronen, nahm sich die große Kopfbedeckung, die er den Weg über auf seinem Rücken getragen hatte, und setzte sie sich dann breit grinsend auf.   "Die werden Augen machen!", kicherte Shachi freudig und krempelte dann noch die Ärmel und Hosenbeine seines weißen Anzugs hoch, damit diese nicht hinter der, für den Jungen viel zu großen, Maske herausguckten. Diese bedeckte den Heart-Piraten beinahe vollends, sie reichte ihm bis zu seinen Unterarmen und seinen Knien.   Zudem klebte er sich noch einige der Palmwedel an den weißen Stoff, damit er sicher sein konnte, dass niemand ihn erkannte. Dass er noch nie hier war und ihn damit niemand kennen konnte, außer seinen beiden Freunden, die er nicht einmal dort vermutete, daran dachte Shachi nicht.     Nachdem er seine Verkleidung zusammen hatte, begab der junge Pirat sich schließlich voller Vorfreude auf den Weg in das Dorf. Einige Strohdächer der Bambushütten fingen bereits Feuer, weswegen der vormittägliche Himmel von Flammen und dunklem Rauch erfüllt wurde.   Den grinsenden Shachi lenkte dies allerdings nicht von seinen beiden Zielen ab, die er soeben entdeckt hatte. Sprintend steuerte er auf seine gefundenen Kameraden zu, schnappte sich beim Rennen noch einen der zufällig im Boden steckenden Speere und ließ sich von nichts in der Welt davon abbringen, seinen blauhaarigen Freund zu umarmen.   ..Von nichts, außer eines unglücklichen Missverständnisses.       ~*~       Der Fledermaus-Umhangträger erblickte als erster die Gestalt mit der Tiki-Maske, die in einem immensen Tempo auf sie zu stürmte.   Noch immer saß Wire auf der Bank, welche das einzige war, was noch vollkommen unbeschadet in dem verwüsteten Dorf stand. Heat befand sich vor ihm, mit dem Rücken zu dem Maskierten gedreht, redete pausenlos auf seinen besten Freund ein und erzählte irgendwelchen Nonsens, welcher den Dreizack-Besitzer nicht hätte weniger interessieren können.   Wires Augen waren auf ihren stürmischen Besucher gerichtet, der sich ihnen immer weiter näherte und dabei den Speer freudig jubelnd in die Luft hielt, was ein jeder sehr schnell missverstehen konnte.   Der großgewachsene Kid-Pirat sah es als eine bedrohende Geste an und erkannte die verzerrte Stimme seines vermummten Kameraden unter den Geräuschen der fallenden Häusertrümmer nicht wieder. Sodass er nun überlegte, wie er die Figur am besten, und vor allem mit dem geringsten Aufwand, ruhig stellen konnte.   Da Wire ein Spezialist auf dem Gebiet der Chemie war, griff er im nächsten Augenblick nach einer seiner selbstgebrauten Mixturen. Die meisten ihrer Formeln kannte er bereits auswendig und hatte die Tränke vor einiger Zeit, mithilfe einiger auffindbaren, pflanzlichen Zutaten der Insel, hergestellt.   An seinem silbernen Kettengürtel, den er um seine Hüfte trug, hatte er die verschiedenfarbigen, kleinen Flaschen befestigt, die an vereinzelten Ringen hingen. Seinen langen, dunkel-weinroten Mantel schob Wire nun locker zur Seite, um anschließend die Mixtur mit der golden schimmernden Flüssigkeit von seinem Gürtel zu lösen.   Der weiterhin seinen Mund fusselig redende Heat bemerkte den gekonnten Handgriff seines besten Freundes viel zu spät. Nämlich erst, als der kostümierte Heart-Pirat in unmittelbarer Nähe ihrer Position war und Wire die kleine Flasche, welche er mit zwei Fingerspitzen in die Luft hielt, gelangweilt aus seiner locker gehobenen Hand gleiten ließ.   Mit einem leisen Klirren zersprang das Glas auf dem Boden, sodass die goldene Flüssigkeit sich auf der Erde verteilte und an die Luft gelangte. Dadurch nahm die Substanz augenblicklich einen dampfähnlichen Zustand an und gab dabei ein lautes Zischen von sich. Wodurch die drei Piraten für einen kurzen Moment von einer dichten, goldenen Wolke umgeben waren, bevor sich diese einen Augenblick später wieder vollständig auflöste.     Daraufhin herrschte die völlige Ruhe zwischen ihnen. Die Mixtur, welche den verdienten Namen `güldenes Schweigen´ trug, zeigte seine volle Wirkung. Kein Mucks drang mehr aus den Mündern der verstummten Piraten.   Der Rastaträger bewegte seine Lippen dennoch weiter, was ungefähr dem Bild eines nach Luft schnappenden Fisches ähnelte. Seine Stimme war nicht zu hören, weswegen er nun seine blauen Augen überrascht aufriss, während er seine Augenbrauen angestrengt zusammenzog. Bevor sich ein ahnungsvoll-beleidigter Ausdruck in seiner Mimik abzeichnete und Heat schmollend seine Arme vor seiner Brust verschränkte, seinem besten Freund dabei einen äußerst unzufriedenen Blick zuwerfend.   Nun bemerkte der grauhäutige Kid-Pirat den Tiki-Maskenträger ebenfalls, der sich zwischenzeitlich freundschaftlich um seinen Arm geklammert hatte. Wegen des vertraulichen Körperkontakts runzelte der Rastaträger irritiert seine Stirn.   `Is' das eben schon da gewesen? Was will'n der von mir?´, ratterten die Zahnräder in dem Rasta beschmückten Kopf. Ehe Heat zu einer aussagekräftigen Erklärung kam, die für ihn logischer nicht hätte klingen können. `Oh shit! Das Ding will doch nicht etwa meinen Arm fressen, oder?!´     Erschreckt, von seinen eigenen Gedanken, wich der Rastaträger einen Satz zurück, um etwas Abstand zwischen sich und dem `Kannibalen´ zu gewinnen.   Shachis versteckte Mundwinkel glitten zeitgleich nach oben, da er die Reaktion seines Freundes als eine Art spielerische Rangelei auffasste. Weswegen er einen Moment später einen zweiten Speer vom Boden aufhob und diesen dann in Richtung Heat warf.   Der fantasiereiche Heart-Pirat wollte schon immer einmal ein Ritterturnier austragen, seit er vor einiger Zeit von einem solchen in einem Buch gelesen hatte. Deswegen kam ihm spontan diese Idee, welche sich zeitgleich in seinem sturen Kopf festsetzte.   Ungläubig blickten die Augen des Rastaträgers zu der ihm hingeworfenen Waffe, dabei kratzte er sich nachdenklich an seinem Hinterkopf. Bevor ihm schließlich ein Licht aufging.   Eine Herausforderung schlug der stets siegessichere Kid-Pirat, der zudem ein echter Zocker war, niemals ab, nahm dann den Speer an sich und stellte sich seinem Gegenüber mit geschwollener Brust entgegen.   Shachi schaffte nun einige Meter Distanz zwischen ihnen beiden, in dem er zum Ende des Dorfes rannte. Für ihn musste jeder `Wettstreit´ seine Richtigkeit haben. Nur fehlte ihm das Pferd, welches in seinen Augen sehr wichtig für ein mittelalterliches Turnier war.   Auch für dieses Problem hatte der unermüdliche Junge eine Lösung. Wie es der Zufall so wollte, entdeckte er genau zur richtigen Zeit das schwarz-weiß gefleckte Shetlandpony, welches sich perfekt für seinen Plan eignete.     ..Und so ritt der breit strahlende Heart-Pirat auf dem ihn auf Anhieb liebenden Reittier. Während Heat sich kurzerhand eine der Säue schnappte, die sich vor wenigen Sekunden noch im Dreck gewälzt hatte und die er erst mühselig fangen musste. Das rosafarbene Tier rannte im ersten Moment instinktiv vor dem auf ihn zu stolpernden Rastaträger weg, da sich ein nicht unterdrückbares, hungriges Funkeln in den Augen des Kid-Piraten breit machte.   "Nu komm' scho' her, du Schnitzel! Ich werd' echt keine schweinischen Sachen mit dir machen!", rief Heat dem Tier hinterher und schluckte dabei den Speichel herunter, der sich in seinem Mund sammeln wollte. Doch hielt er sich zurück, da es zurzeit wichtigeres gab, als seinen gar unstillbaren Hunger.   Als der Kid-Pirat das eigenwillige Tier von seinen guten Absichten überzeugt hatte, setzte er sich schließlich breit grinsend auf das Schwein.   Beide Reiter nahmen dann ihre Positionen ein. Ein jeder von ihnen positionierte sich auf dem gegenüberliegenden Ende des Dorfes. Letztlich warteten die zwei gespannt auf das Startsignal, welches Wire ihnen geben sollte.   `Sollte´, doch wollte ebendieser keinen Finger rühren und sich nicht auf das, seiner Meinung nach viel zu kindische Niveau herablassen.     Wire hatte vor einigen Momenten die einzelne, orangefarbene Haarsträhne des Maskierten erblickt und somit dessen Tarnung aufgedeckt. Jedoch verschwieg er das seinem besten Freund.. Nicht, dass er hätte sprechen können, da die Wirkung seiner Mixtur ihn selbst ebenso getroffen hatte.   Der Effekt hielt allerdings nicht mehr allzu lange an, sodass die beiden Chaoten alsbald ihre Stimmorgane wiederfinden sollten. Der Gedanke daran senkte Wires angeschlagene Laune um einiges.   Wire saß noch immer in derselben, gelangweilt-versteinerten Position auf der Bank. Seine Beine waren weiterhin übereinandergeschlagen, sein Ellenbogen auf seinem Oberschenken abgestützt und sein Kinn auf seiner Handfläche gebettet. Dabei schauten seine leicht zuckenden Augen, in denen kleine Blitze der Gereiztheit zu erkennen waren, in Richtung des Chaos', welches das Chaosduo heraufbeschworen hatte.   Zugegeben war es ein wahrlich merkwürdiges Bild, welches die beiden Piraten abgaben, die gefallen an ihrem ungewöhnlichen Spiel gefunden zu haben schienen. Heat lachte ebenso laut, wie der verkleidete Shachi.   Eine Lache war dreckig und hämisch, wurde von einem selbstüberzeugten Grinsen, auf den mit Nähten übersähten Lippen, untermalt. Die andere war voller Freude und Fröhlichkeit, unterstrichen wurde sie von einem verspielten Lächeln. Mit einem zweimaligen Augenwackeln verdeutlichte Shachi obendrein seine eiserne Entschlossenheit.   Da in den beiden nun die Ungeduld Herr über ihre Sinne wurde, nahmen sie Wires desinteressiertes Gähnen als Signal, um loszustürmen.     Das Shetlandpony und sein Reiter waren die ersten, die sich in Bewegung setzten, während das Schwein zufälligerweise einen angebissenen Apfel auf dem Boden fand, welchen es laut grunzend, und in aller Seelenruhe, verspeiste.   Heat blickte nun ratlos zwischen seinem Reittier und dem auf ihn zu reitenden Rivalen hin und her. Nervosität machte sich in ihm breit, bevor er eine Entscheidung fällte, die ihm selbst sehr schwer fiel.   Seine letzte Banane, welche er aus seiner weiten Palmhose holte, opferte der nimmersatte Pirat und warf die Frucht dann mit einem weiten Wurf in Richtung Dorfmitte. Die empfindliche Schweinsnase erschnüffelte sein persönliches Lieblingsfutter sofort und rannte augenblicklich, wie vom Teufel besessen, los.   Beide Parteien hielten nun den Speer in Richtung ihres Kontrahenten, rasten in einem schnellen Tempo aufeinander zu und genossen den kurzen Augenblick der Aufregung und des Hochgefühls.   ..Bis die unaufmerksame Sau über einen der dunklen Holzscheite stolperte, den alten Bekannten des vom Unglück heimgesuchten Rastaträgers.   Während Heat, mitsamt dem Tier, nun purzelnd dem Heart-Piraten entgegenrollte, konnte man aus Richtung ebendiesem ein gerufenes "Futter Staub, Bösewicht!", hören.     Der Rastaträger war der erste, der auf dem Boden zum Stillstand kam und dort liegen blieb. Über ihm saß nun das Schwein, welches freudig die ergatterte Banane fraß. Und letzten Endes waren es die Hufe des Shatlandponys, welche auf die beiden sprang und sich stolz wiehernd auf den Rücken des Borstentiers stellte.   Der kichernde Reiter mit der Tiki-Maske, der nun die Spitze des Turms darstellte, streckte seinen Speer weit gen Himmel und genoss jubelnd seinen Sieg.   "Hihi~ Ich hab' gewonnen!"   Wie die Toastscheibe eines Sandwiches wurde Heat unter seinen Zusatzgewichten begraben, doch erkannte er nun die ihm sehr vertraute Stimme wieder.   "Shachi..? Wo bist'n?", fragte der Kid-Pirat nuschelnd in Richtung der Erde, gegen die sein Gesicht gedrückt wurde. "Hier~!", erhielt er keine Sekunde später die vielsagende Antwort des Angesprochenen.   Kurz dachte der Rastaträger nach, ortete die Stimme in unmittelbarer Nähe über sich, war sich jedoch nicht sicher von wo genau, und ging dann in seinem Kopf die Möglichkeiten durch, die er für überaus plausibel hielt.   `Der Tiki-Typ kann's nich' sein... Der Kerl is'n böser Buschmann, der mich vorhin angeafft hat...´, konnte man beinahe die Rauchwolke aus Heats Ohren steigen sehen, die seine quietschenden Denk-Räder verursachten. `..Also is' Shachi in ein Tier verwandelt worden und entweder 'ne Sau oder 'ne Kuh...´     Völlig in seinen Gedanken versunken, merkte Heat nicht, wie seine Gewichte von ihm heruntergingen. Der Denker blieb grübelnd auf dem Boden liegen, selbst den Stock, mit dem Shachi ihn nun von der Seite pikste, drang nicht zu seinem Unterbewusstsein durch.   Den gezielten Tritt in seinen Allerwertesten, welchen der feste Stiefel seines besten Freundes ihm verpasste, spürte er jedoch deutlich.   Mit einem jaulenden Aufschrei sprang der Rastaträger auf und fand zurück auf seine Beine. Dabei hielt er sich sein in Mitleidenschaft gezogenes Körperteil.   "Meine Augen haben sich dieses Desaster lange genug ansehen müssen!", beschwerte sich Wire lautstark und hielt Heat mahnend seinen Zeigefinger vor die Nase, während er seine andere Hand an seine Hüfte stemmte. "Wir suchen jetzt einen Weg hier 'raus, andernfalls folgt dem Tritt mein Dreizack.", drohte der Umhangträger seinem besten Freund und wandte seinen zornigen Blick nun dem maskierten Heart-Piraten zu, dessen Kopf daraufhin schuldbewusst in Richtung des Bodens sank.   "Und du nimmst augenblicklich diese grässliche Maske ab und...", wurde Wire immer und immer leiser, als der orangehaarige Junge langsam die Tiki-Maske mit beider seiner Hände abzog und somit den kindlich-reumütigen Blick Shachis trauriger Augen freilegte, der ein jedes Herz binnen Sekunden schmelzen konnte.   "L-Lasst uns einfach weitergehen, ok?", nahm die Stimme des Kid-Piraten nun einen unsicheren und zugleich sanfteren Klang an. Ehe er sich umdrehte und grazilen Schrittes in Richtung des Dschungels lief.   Aus der Ferne hatte Wire vor nicht allzu langer Zeit einen pyramidenförmigen Dschungel-Tempel entdeckt und hegte die Hoffnung, dort einen Hinweis zu ihrem momentanen Aufenthaltsort zu finden.       Unsere drei Helden sollten diesen auch bald in Erfahrung bringen. Doch war die Antwort eine gänzlich andere, als von ihnen erwartet.   In ebendiesem Tempel wartete zudem ihre erste Prüfung, vor welche das Trio gestellt werden sollte.   Ihr Name lautete: `Die Todesmelodie des Teufels´     Jeder Bewohner dieser Insel wusste um das Geheimnis ihres geheiligten Tempels Bescheid, wusste um die Gefahren, die sich dort verbargen und auch um die Legende, welche die Stammesgroßväter ehrfürchtig an ihre Ahnen weitergaben.   Einen Gott gab es in dem strengen Glauben der Einheimischen nicht. Einen Teufel hingegen schon, welcher sie seit Anbeginn der Zeit in Angst und Schrecken versetzte.   Laut alter Erzählungen, verlangte die übermächtige Gestalt bei Neumond eine neue Opfergabe, welche die Bewohner ihr überreichen mussten. Die familiären Verluste, die der kleine Stamm dadurch erlitt, waren nicht wieder gutmachbar.   Und doch mussten die eingeschüchterten Bewohner sich dem Willen der Kreatur beugen, das monatliche Opfer bringen und eine Person aus ihrem Kreis auserwählen, die sie schweren Herzens zu dem Tempel des Teufels schickten.   Ihre Wahl fiel diesmal auf den Kid-Piraten mit dem dunklen Umhang, in der stillen Hoffnung, dass sie dadurch eines ihrer Familienmitglieder am Leben erhalten konnten. Den Einheimischen rannte die Zeit davon, ihre Entscheidung fiel ihnen gewiss nicht leicht, der Zeitdruck und die Angst saßen ihnen stets im Nacken.   ..Weil in der heutigen Nacht der Neumond erneut den Himmel in Dunkelheit hüllen sollte.       ~*~       Es war bereits Abend, als unsere drei Helden die Kultstätte erreichten.   Das Trio stand zurzeit vor der großen Sandstein-Pyramide, deren Stufen bis zur Spitze des Bauwerkes ragten, blickten zu dritt das selbige herauf und konnten das oberste Ende der Treppe von ihrer Position aus nicht erkennen.   Links und rechts, auf je einer Seite neben dem Treppenaufgang, befanden sich zwei pechschwarze Türen, welche in das Innere des sandfarbenen Dschungel-Tempels führten.   "Wag' es dich ja nicht, daran zu denken!", warnte Wire zischend den lebhaften Jungen, dessen Augen nun eine der Türen anvisierte, während er ungeduldig von einem Bein auf das andere hüpfte. "Wir werden uns garantiert nicht aufteilen, habt ihr das verstanden?!", warf der Kid-Pirat dann einen Blick in Richtung Heat, der bereits zur anderen Tür sprinten wollte und durch die Worte seines besten Freundes davon abgehalten wurde, sodass er nun ertappt-zusammenzuckend in seiner Renn-Position gefror.   Daraufhin scheuchte Wire seine beiden schmollenden Begleiter höchstpersönlich, mithilfe seines spitzen Dreizacks, die Stufen der Pyramide hinauf. Heat kroch eilig die Treppenstufen auf allen Vieren hoch, während Shachi freudig von Stufe zu Stufe hüpfte. Nichts und niemand konnte dem energiegeladenen Heart-Piraten seine gute Laune nehmen.   Immer und immer weiter stiegen die drei mutigen Gefährten die Pyramide herauf und näherten sich ihrem Schicksal, welches nur auf sie wartete.   Im selben Augenblick lugten einige Tiki-Masken aus den Beerenbüschen heraus, die in einer Vielzahl vor dem Tempel wuchsen. Neugierig blickten die Inselbewohner den Piraten hinterher, verblieben in ihren Verstecken und wünschten unseren Helden viel Glück. Zwar hatten die Piraten ihr Dorf zerstört und ihnen einige Probleme bereitet, doch war der größtenteils friedliebende Stamm gegen Rache- und Hassgefühle, zudem brauchten ihre Behausungen ohnehin einen neuen Ausbau.   Die Einheimischen wussten, wie man jemandem verzeiht. Sie verabschiedeten sich bereits von den armen Seelen, die den von ihnen gefürchteten Tempel des Teufels bestiegen. Ihr Mitgefühl drückten sie mit einem mehrmaligen auf den Boden Klopfen ihrer Speere aus. Ihr Gedenken an die drei damit, dass sie die selbigen schließlich kraftvoll in die Erde rammten.   "Bye-Bye...", flüsterten die kleinen Figuren allesamt gleichzeitig und verschwanden letztlich wieder zwischen den Büschen. Ihre Waffen ließen sie, als Zeichen des Respekts, in der Erde stecken, sodass ebendiese nebeneinander gereiht vor der gigantischen Pyramide verblieben.     Zu dem Zeitpunkt, als unsere Helden an der Spitze des Tempels ankamen, zeigte sich der aufgehende Neumond bereits am Himmelzelt und brachte eine unheilvolle Atmosphäre aus vollkommener Stille und bedrängender Düsternis mit sich.   Es dauerte nicht mehr lange, bis der Mond den höchsten Punkt erreichte und damit das Geschöpf der Finsternis heraufbeschwor.   Als Lichtquelle diente unseren Helden einzig Heats vereinzelte Flammen, die aus seinem Mund traten und er dauerhaft aufrecht hielt. Einen seichten Schein warf das Feuer auf die große Plattform, die sich auf der Spitze des Sandstein-Gebildes befand, umgab die drei mit einer Wärme, welche die eisige Nachtluft vertrieb, und ließ ihre Umgebung schließlich erkenntlich werden.   Direkt in der Mitte der Plattform stand ein prunkvoller Opferaltar, auf welchen ihre drei Augenpaare nun blickten. Mit einem lilafarbenen Seidentuch, dessen Ränder silberne Verzierungen schmückten, wurde der große, runde Sandsteintisch verdeckt. Auf dem Tuch befand sich zudem ein Kreis aus dunklen Kerzen, deren Lichter bislang nicht schienen.   ..Jedoch entflammte Heat im nächsten Augenblick gedankenlos die einzelnen Dochte, mit einer einzigen Flamme, die er nach einem tiefen Atemzug in Richtung des Altars hauchte.   Augenblicklich wurde die Spitze der Pyramide in einen mysteriösen, grellblauen Lichtschein getaucht. Die vereinzelten Schimmer der brennenden Kerzen glichen einer hohen Flammensäule, ragten empor bis in den wolkenlosen, dunklen Himmel und warteten dort darauf, dass sie ihr Leuchten an den Mond weitergeben konnten, der sich mittlerweile in unmittelbarer Nähe des höchsten Punktes befand.     "So viele schöne Lichter~", betrachtete sich Shachi fasziniert die blauen Strahlen, während Wire, der Schlimmes ahnte, verzweifelt versuchte, die Kerzen mit einem seiner Tränke zu löschen. Vergebens, wie sich herausstellte, da die unzähmbare Flammen-Säulen sich nicht mehr löschen ließ.   Heat, der sich verlegen am Kopf kratzte, schaute schuldbewusst neben sich gen Boden, da er den tödlichen Blick, den ihm sein bester Freund daraufhin zuwarf, nicht ertragen konnte. Dabei entdeckte der Rastaträger zufällig einen Zettel, der zu seinen Füßen lag.   Nachdem er das Schriftstück aufgehoben und die vielen Worte gesehen hatte, die darauf geschrieben standen, reichte er es eilig seinem besten Freund weiter, welcher eher etwas damit anfangen konnte.   Kurz schweiften Wires skeptische Augen über die handgeschriebenen Zeilen, bevor er sie laut vorlas.   "Willkommen in deinem schlimmsten Albtraum, unglückliche Seele. Habe nur Geduld, bald werde ich dein Leiden lindern und dein Dasein beenden. Zunächst möchte ich dir eine Frage stellen: Wie viel ist dir deine irdische Existenz wert?", begann der Umhangträger zu lesen, dabei zog er eine seiner Augenbrauen nach oben. Seine beiden Begleiter hörten ihm aufmerksam zu, auch wenn sie nicht allzu viel verstanden. "Nun lasse mich dir einen Tausch vorschlagen: Wenn du mich unterhalten kannst und dein Verstand nicht dem Wahnsinn zum Opfer fällt, werde ich dich deine Reise fortführen lassen.."   Urplötzlich stockte der großgewachsene Kid-Pirat in seinem Redefluss und erfasste den letzten Absatz des Textes zunächst mit seinen haselnussbraunen Augen, in denen sich daraufhin das pure Entsetzen widerspiegelte. Bevor er tief einatmete und erneut zum Sprechen ansetzte, nicht mehr als ein Flüstern brachten seine leicht zitternden Lippen hervor. "..Solltest du es nicht schaffen, armer Unglücklicher, dann-"     Wires Stimme brach genau in dem Augenblick ab, als der Neumond auf die schimmernd blaue Flammensäule traf und schließlich den Schein dieser in sich aufsog.   Die Kerzen erloschen augenblicklich, alle zur selben Zeit, während der Mond nun ihr Licht trug. Seine Farbe wechselte, von seinem dunklen Schwarz, zu einem bläulichen Weißton und nahm letztlich eine tiefrote Farbe an.   Daraufhin erschien ein ebenso blutfarbenes, leuchtendes Pentagramm am Himmel, direkt über den Köpfen unserer Helden. Jedes seiner Seiten wirkte, wie einzeln in die klare Nacht gezeichnet. Im Anschluss daran umschloss das unheilvolle Symbol den Mond in seiner Mitte.   Das blutrote Lichtmeer erfüllte nun die Dunkelheit der Nacht, erfasste die drei Piraten mit ihrem Schein..   ..Und verschlang das Trio im darauffolgenden Augenblick.     Eine riesige, krallenartige Klaue formte sich, wie ein düsterer Nebelschleier, über den Köpfen der Piraten und streckte seinen Arm hungrig nach ihnen aus.   Die Seelen unserer Helden nahm sich die Kreatur, ihre drei seelenlosen Körper fielen synchron zu Boden und gab ihr Schicksal letzten Endes in die Hände des nach ihnen gierenden Teufels.   Entkommen konnten sie seinen kalten Klauen nun nicht mehr.       ~*~       Hinter jedem Licht verbarg sich ein Schatten, hinter jedem Leben eine Geschichte... Jede Existenz besaß ihre Bedeutung und jedes Herz trug seine Bürden.   Shachi, der immerzu lächelnde Sonnenschein der Heart-Piraten, hatte mehr Tränen in seinem Leben vergossen, als jeder andere Pirat. Für ihn waren Leid und Kummer etwas, was ihm, neben dem Alleinsein, sehr viel Angst bereitete.   Heat, der wegen seiner Fähigkeiten und seinem ungewöhnlichen Äußeren von seinen Eltern verstoßen wurde, trug ein Herz in seiner Brust, welches nur sehr langsam schlug. Viele Menschen sahen ihn als einen gefühllosen Untoten an, jedoch fühlte er gewiss die meisten Emotionen von ihnen allen und lebte jeden einzelnen Augenblick. Er kannte den Wert des Lebens und brauchte kraftvolle Gefühle, die sein Herz zum schnellen Schlagen brachten, dadurch fühlte er sich lebendig. Seine größte Furcht war der Tod, sowie Abschiede und die soziale Ablehnung.   Wire versteckte sich hinter einer eitel und gleichgültig wirkenden Fassade, um sich selbst zu schützen, da er in seinem Inneren überaus verletzlich war. Es fiel ihm schwer, die richtigen Empfindungen auszudrücken und Emotionen zu zeigen, dies tat er nur in Gegenwart seiner Kameraden und meist anders, als er es eigentlich wollte. Er wirkte oft distanziert, doch wollte er im geheimen seinen Freunden näher sein, als sonst jemand. Verrat, Demütigung und Kontrollverlust waren die seinigen Ängste.   Mut gab es nur in Verbindung mit Angst, beides konnte ohne das andere nicht existieren. Wer sich fürchtete, konnte Tapferkeit beweisen, in dem er über seinen eigenen Schatten sprang. So, wie jeder Mensch seine Schwächen und seine Stärken besaß, die ihm Vorteile und Nachteile brachten.   Niemand verdiente es allein zu sein, denn nur zusammen erschuf man Wege, welche den Augen eines Einzelnen bis dahin verborgen blieben. Nur zu dritt konnten unsere Helden die ihnen gestellte Prüfung bestehen.   Die Dunkelheit, die in dem Herzen eines jeden Menschen existierte, konnte sich wie ein Schleier um die Seele des Betroffenen legen und ihn verschlingen. Das Licht eines Lebens erlosch allerdings erst dann, wenn das Herz einer Person aufhörte zu schlagen.     Dies musste auch die kleine Voodoo-Puppe in Erfahrung bringen, die vor wenigen Minuten aus Shachis Anzugtasche gekrochen war. Erleichtert wischte sie sich mit einem ihrer strohigen, kurzen Arme über ihre Stirn, nachdem sie die vitalen Funktionen des Trios überprüft hatte.   Die Herzschläge der drei Körper, welche leblos auf der Spitze der Sandstein-Pyramide lagen, waren deutlich spürbar, was bedeutet, dass die drei Piraten noch lebten.   Nur waren sie nicht mehr hier, sondern an einem vollkommen anderen Ort, von dem das Trio nicht so leicht wiederkehren konnte. Und doch wartete die Voodoo-Puppe auf die Rückkehr ihrer drei Begleiter. Ganz egal, wie lange es dauerte.   Sie setzte sich auf den lächelnden Jolly-Roger von Shachis weißem Anzug, welcher seine linke Brustseite zierte, und drehte ihren gesichtslosen Kopf in Richtung des roten Vollmondes, der als eine Art Portal zwischen den beiden Orten fungierte.   Was genau auf der anderen Seite geschah, wussten wohl nur unsere drei Helden selbst, die sich dort aufhielten...   ..Oder eher gesagt: Ihre Seelen, welche an jenem Ort verweilten und nun vorerst eine neue Hülle für ebendiese suchen mussten...       ~*~       Die vollkommene Düsternis herrschte in der unheildrohenden Atmosphäre, die drückender und schwerer nicht hätte sein können. Kein Leben schien es hier, in dieser illusionierten Welt, zu geben.   Ein dichter Nebel umhüllte das gesamte Gebiet, sodass lediglich einzelne Schemen hinter diesem erkenntlich wurden.   Zwei Reihen von vollends abgestorbenen, dunklen Bäumen zierte die kahle Landschaft und zwischen ihnen konnte man einen schmalen Kiespfad erblicken, auf welchem sich einzelne Tropfen von Blut abzeichneten. Zudem lag ein permanenter Geruch von Fäulnis in der Luft, die so dünn war, wie eine Saite der verteufelten Harfe des Herrschers der Unterwelt selbst.   Dennoch gab es einzelne Existenzen, die sich zu diesem Zeitpunkt an diesem verlassenen Ort herumtrieben. Ein Schwarm von Motten flog wirr durch den nebeligen Schleier, sowie einige dunkelfarbige Schmetterlinge, welchen nachgesagt wurde, dass sie die Boten des Verderbens und des Todes darstellten.   An einem der vertrockneten Bäume kletterte in diesem Augenblick eine kleine Haselmaus den Stamm des selbigen hinunter, huschte anschließend springend über den Kies des Pfades und sah sich dabei neugierig um.   Direkt über dem Nagetier, an einem der dicken Äste des toten Gewächs', hing kopfüber eine Fledermaus, dessen anvisierende Augen auf die lebhafte Haselmaus gerichtet waren.   ..Und letztlich plumpste das kleine, blau-graue Ferkel, welches auf der Baumkrone saß, von ebendieser herunter und landete neben der bräunlich-orangefarbenen Maus auf dem Boden.   Woraufhin das Ferkel aufgebracht grunzte und sich lautstark über seine eigene Tollpatschigkeit ärgerte.   Die neugierige Haselmaus setzte sich dann vor das kleine Borstentier, sah es mit seinen glitzernden Knopfaugen an und neigte gedankenvoll seinen Kopf. Ehe das Nagetier einen Schmetterling erblickte, dem es dann seine volle Aufmerksamkeit schenkte und diesem daraufhin hinterherjagte.   Nun regte sich auch die Fledermaus, breitete ihre dunklen Flügel aus und flog dem orangefarbenen Tier nach, während das graue Ferkel seine Hufe ebenfalls in Bewegung setzte, um seinen beiden Begleitern zu folgen.   Das tierische Trio begab sich auf direktem Wege in Richtung ihres Schicksals und spielte so der hinterhältigen Schreckensgestalt, die sie aus der Ferne beobachtete, direkt in seine frostigen Klauen.   An dem mondlosen und düsteren Himmel hatte sich seit geraumer Zeit ein einzelnes Auge abgezeichnet, welches jeden Schritt seiner ahnungslosen drei Opfer beschattete. Die dunkle Pupille glich der eines Ziegenbocks und die Farbe der Iris war goldgelb.   Trotz des düsteren Nebelschleiers konnte das Auge sehen, wie das Trio dem schmalen Kiespfad folgte, wie die orangefarbene Haselmaus auf den Rücken des grauen Ferkels sprang, um auf diesem zu reiten und wie die genervte Fledermaus, die über den beiden flog, seufzend seinen Kopf schüttelte.     Ihr Weg sollte sie alsbald zu ihrem Albtraum führen. Es dauerte nun nicht mehr lange, bis die Todesmelodie des Teufels, welche einem Sterblichen augenblicklich seines Verstandes berauben konnte, für unsere drei Helden erklingen sollte.   ..Und so begann das dämonische Wesen schließlich seine Krallen über die Saiten seiner Harfe zu ziehen, während Shachi, Heat und Wire die Grabstätte der verlorenen Seelen betraten.       ~*~       Ein Friedhof ist ein Ort voller Erinnerungen. Ein Nachhall der Geschichten einzelner Menschen, dessen Leben ihnen viel zu früh genommen wurde.   Totes Gras, erkalteter Stein und verblasste Lebenslichter erwartete unsere drei Helden, die soeben durch das Gittertor der Ruhestätte getreten waren. Vor ihnen erstreckten sich aberdutzende Reihen von steinernen Kreuzen, die der dichte Nebel erkenntlich werden ließ.   Ein eisiger Wind wehte dort, wo es keine Luft zu geben schien, und trug eine leise Melodie durch die Dunkelheit der Grabstätte. Die traurigen Rufe einzelner, verlorener Seelen hallten ebenso dort wider und erfüllten die schwere Atmosphäre mit der endlosen Qual und dem ewigen Leid.   ..Elend, welches der gutherzige Heart-Pirat nicht ertragen konnte.   Die Augen der kleinen Haselmaus füllten sich mit Tränen, als die Stimmen der leidenden Toten in ihren Mauseohren immer und immer lauter wurden. Ihr Blick schweifte dabei hektisch zwischen den Gräbern hin und her, ehe ihr Kopf langsam in Richtung des Bodens sank.   Leise weinte die kleine Maus vor sich hin und vergoss eine Träne nach der anderen für jeden einzelnen Verstorbenen, während sie sich ihre winzigen Pfoten über ihre Ohren hielt, damit sie den unerträglichen Klagegesang nicht mehr hörte.   ..Und doch half es Shachi nicht, sodass dieser nun von Verzweiflung und Schwermut ergriffen wurde.   Neben ihm stand das blau-graue Ferkel, welches nicht wusste, was es tun sollte, um seinem Begleiter zu helfen. Auch Heat bereitete dieser Ort Unbehagen, jedoch versuchte er für seinen Freund stark zu sein.   Das kleine Ferkel stupste nun die Haselmaus sanft an dessen orangefarbenen Rücken an und wollte es damit etwas aufmuntern.. Doch sollte der Kid-Pirat kläglich scheitern.     Vollkommen aufgelöst rannte die Maus im nächsten Augenblick los, musste weg von diesem Ort, von dem es kein Entrinnen mehr gab, und lief nur noch weiter in den Friedhof hinein. Heat und Wire in Tiergestalt eilten ihrem Kameraden augenblicklich hinterher, sodass sie alle drei wenige Momente später von etlichen Gräbern umringt waren, bei denen kein Ende in Sicht schien.   Als die Haselmaus bemerkte, dass es keinen Ausweg aus der leidtragenden Ruhestätte gab, versuchte sie sich verzweifelt in die tote Erde zu graben und wühlte fieberhaft mit ihren winzigen Pfoten über den undurchdringlichen Boden.   Die unruhigen Augen des Ferkels schweiften nun von seinem Freund zu den vielen, steinernen Kreuzen. Bevor es etwas sah, was es bis auf's Mark erschütterte.   Heat entdeckte seinen eigenen Namen auf einem der Grabsteine... und wurde mit seiner schlimmsten Angst konfrontiert: Seinem eigenen Tod.   Er wollte nicht wahrhaben, was er dort sah. Weswegen das Ferkel seine Augen fest zusammenkniff und seinen Kopf wild schüttelte, dabei wich es einige Schritte von dem Grab zurück. Das Bild des offenen Sarges, welcher sich unter dem Kreuz mit seinem Namen befand, brannte sich schmerzlich in Heats Gedächtnis und wollte nicht wieder verblassen.   Die dunkle Fledermaus wirkte ebenso aufgelöst, wie ihre beiden Begleiter, denen sie nicht helfen konnte und schlug, über ihren beiden Köpfen, hektisch mit ihren Flügeln, während sie ruhelos auf der Stelle flatterte. Wire hatte die Kontrolle über die Situation vollends verloren und verfiel deswegen in Panik.   Trauer, Schmerz und Hilflosigkeit waren etwas, was jedes Lebewesen bereits erfahren hatte. Emotionen ließen einen jeden menschlich und lebendig werden. Die Frage nach dem Preis, den man dafür bezahlte, blieb auf ewig unbeantwortet.   War Angst denn wirklich ein Zeichen von Schwäche? Die Antwort darauf konnte ein jeder nur für sich selbst beantworten...     Am Horizont erschien nun eine übergroße Gestalt, die aus dem dichten Nebel hervortrat und auf unsere drei unaufmerksamen Helden zuging. Das laute, kratzige Scharben seiner großen, dunklen Hufe, welche über das tote Gras wanderten, erfüllte die Grabesstille des Friedhofes, während der Dämon sich dem Trio immer weiter näherte.   Der Körper des Wesens war pechschwarz und von borstigem Fell überzogen. Um es herum schwebten vereinzelte Glutfunken, die wirkten, als ob sie dessen Körper währenddessen verbrannten. Auf seinem Schädel trug es zwei riesige, dunkle Hörner, die wie verwurzelte Äste gen Himmel ragten und seine felligen Arme waren so lang, wie seine Beine.   Als die Gestalt einen Meter vor den drei Piraten zum Stehen kam, öffnete es eine seiner großen Pranken und streckte seine langen Krallen nach ihnen aus. Ein bösartiges und gefräßiges Grinsen breitete sich auf seiner grässlichen Fratze ab, während es sich mit seiner langen, dunklen Zunge über seine gierige Schnauze leckte.   Nun war der Moment gekommen, in dem unsere Helden eine Entscheidung treffen mussten, die über ihr aller Schicksal entscheiden sollte. Jeder von ihnen wurde vor die Wahl gestellt, ob er den hohen Preis des Lebens bezahlen wollte.. oder eine Existenz in ewiger Finsternis und Verzweiflung führen sollte.     "Wie viel ist dir deine irdische Existenz wert?", wiederholte die Kreatur seine Frage, ihre verzerrte Stimme schallend und ohne jegliche Emotionen. "Ihr, die ihr die Namen `Shachi´, `Heat´ und `Wire´ tragt, werdet mir nun eine Antwort geben, ansonsten werde ich eure Lebenslichter erlöschen lassen."   Die leeren Blicke der drei Piraten ruhten auf dem Geschöpf, dessen offene Pranke sie alle umschloss und nur darauf wartete, das Trio mit einer einzigen Bewegung unter seinen Krallen zu zermalmen.   "So sage mir: Bist du bereit, den Preis dafür zu zahlen?", drehte es seinen boshaft-hämisch grinsenden Kopf in Richtung der verstummten Haselmaus, dessen Fell seiner winzigen Schnauze die versiegten Tränen mittlerweile aufgefangen hatten. Daraufhin wanderte der hinterhältige und dunkle Blick des dämonischen Wesens zu dem erschütterten Ferkel, bevor die Figur erneut ihre rauchig-schneidende Stimme erklingen ließ.   "Wie wertvoll ist ein einzelnes Leben?", fragte es Heat, dessen von Furcht erfüllten Augen ein weiteres Mal zu der Inschrift seines Grabes schweiften, von dem sein Blick ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ablassen konnten. Letztlich richtete es seine düsteren Worte an die panische Fledermaus, während es seine krallenartige Klaue, die das tierische Trio noch immer umgab, wie in Zeitlupe, langsam schloss.   "Sind die Bürden eines Lebens nicht Grund genug, um sein Dasein und seine Seele aufzugeben?", stellte es seine letzte Frage, die Lefzen seiner Schnauze dabei weiter nach oben ziehend, sodass sein bösartiges Grinsen sich über seine gesamte Grimasse zog.   Dabei näherten sich die scharfen Krallen der Bestie den tierischen Körpern unserer Helden immer und immer weiter... "Ich nehme euer Schweigen als eure Antwort!"   ..Bevor die Klaue ruckartig zudrückte und das Trio zwischen sich begrub.     Ein siegessicheres und gieriges Grinsen breitete sich nun auf der dämonischen Grimasse der Kreatur aus und enthüllte seine spitzen Zähne. Ehe es in einem ohrenbetäubenden Ton begann, bösartig und grauenhaft zu lachen.   Das markerschütternde Gelächter der dunklen Gestalt hallte über den totenstillen Friedhof und erfüllte die Düsternis mit Bosheit und Verderben...   ..Jedoch sollte die Kreatur noch im selben Augenblick verstummen.   Womit der Dämon nicht gerechnet hatte war, dass Shachi, Heat und Wire keineswegs kampflos aufgaben. Sie waren stolze Piraten und kämpften bis zum bitteren Ende. Das Band der Freundschaft, welches das Trio zusammenhielt, war so viel stärker, als es die bösartige Kreatur für möglich gehalten hatte.   Gegen die Wärme, die ihre Herzen ausstrahlte, konnte die Kälte des Todes nicht ankommen.   Kurz bevor die Pranke der Gestalt ihre Körper zerdrücken, und ihnen damit ihr Leben aushauchen konnte, hatten die drei Piraten sich dazu entschlossen, gemeinsam ihrer Angst ins Auge zu blicken.   Die kleine Haselmaus, das Ferkel und die Fledermaus reagierten allesamt zeitgleich, waren im letzten Augenblick zu ihren beiden Begleitern geeilt und wollten ihren Freunden in ihrem allerletzten Moment zur Seite stehen. Niemand von ihnen war allein, das waren sie zu keinem Zeitpunkt gewesen.   Alle drei Tiere umarmten sich liebevoll und offenherzig, ihre Berührung voller Liebe und Warmherzigkeit. Die Maus klammerte sich an den schmalen Vorderhuf des Ferkels, die Fledermaus hatte ihre großen Flügel um sie beide gelegt und die kleine Schnauze des Borstentieres schmiegte sich letztlich an die tierischen Köpfe seiner Kameraden.   Nachdem sie unter den Krallen der Bestie begraben wurden, umgab sie noch in der selbigen Sekunde ein grelles Licht, welches sie gemeinsam mit ihrer Herzenswärme heraufbeschworen, sodass die Kreatur sich augenblicklich an ihren tierischen Körpern verbrannte. Es stieß einen grellen Schrei des Schmerzes aus, zog daraufhin seine Pranke ruckartig zurück und stampfte dann wütend mit seinen scharenden Hufen auf der toten Erde.   Die dämonischen Augen der erzürnten Gestalt fielen nun auf das tierische Trio, welches sich ihm selbstsicher entgegenstellte, keiner von ihnen wich von der Seite seiner Freunde.   Heat, dessen schemenhafte Seele nun über dem wütend blickenden Ferkel schwebte, erhob daraufhin als erster seine Stimme.   "Noch bin ich nich' abgekratzt, kapiert?! Schieb' dir dein sinnloses Geschwafel sonst wohin, das versteht eh keine Sau!", hallten Heats brüllenden Worte in der Grabesstille des Friedhofes wider, während das Ferkel zornig grunzte. Die fauchende Fledermaus trat als nächster auf die Kreatur zu. Wires zischend-scharfe Stimme erfüllte im Anschluss die schwere und schneidende Atmosphäre. "Bevor du uns nach dem `Wert´ eines Lebens fragst, solltest du minderbemittelter Hinterwäldler, dir diese Frage lieber selbst stellen!"   Das Schlusslicht stellte die aufgeregt fiepsende Haselmaus dar, über der Shachis schemenhafte Gestalt zu sehen war. "Ein Leben ist unersetzlich! Ich werde dir niemals verzeihen, dass du es den armen Menschen genommen hast, du Ungeheuer!"   Der grelle Lichtschein, welcher das Trio umgab und sich durch ihre Worte über die gesamte Ruhestätte ausbreitete, veranlasste die bösartige Kreatur dazu, sich knurrend und schreiend ihre Klauen vor ihre brennenden Augen zu halten.   Mit einem letzten, verzerrten Aufschrei verschwand die dunkle Gestalt von diesem Ort und musste sich schließlich in sein Versteck zurückziehen.     Zeitgleich wurden unsere Helden zurück in ihre Welt geschickt und sollten in wenigen Augenblicken aus ihrem tranceähnlichen Zustand erwachen, sodass sie sich in ihren alten Körpern wiederfinden sollten.   Und doch hatte sich der Dämon etwas von unseren drei Helden genommen, als Tausch für ihr Leben, und weil die Kreatur sich seine Niederlage nicht eingestehen wollte.   Was genau er sich von jedem einzelnen nahm, sollten sie erst herausfinden, wenn es längst zu spät war.       ~*~       Shachi, Heat und Wire wachten synchron aus ihrer Illusion auf, blickten sich zunächst irritiert um und atmeten erleichtert aus, als sie bemerkten, dass sie sich wieder auf der Spitze der Sandstein-Pyramide befanden.   "Es ist bereits Morgen.", stellte Wire nüchtern fest und seufzte, während er nach Heats Hand griff, welche ebendieser seinem besten Freund hinhielt, um ihm beim Aufstehen zu helfen.   "Ich hab' Kohldampf...", jammerte der Rastaträger und blickte an seinem Körper herunter, auf seinen knurrenden Magen, bevor der Heart-Pirat seine Aufmerksamkeit lockte.   "Hey Leute, seht Mal da!", rief Shachi daraufhin und zeigte mit seinem Finger wild auf den in der Mitte zerbrochenen Altar, auf dem nun ein Gegenstand lag, zu dem der stürmische Heart-Pirat dann rannte. "Was ist das..?"   Die schmalen Finger des orangehaarigen Jungen griffen gedankenlos nach der vergoldeten Brosche, dessen Form dem eines gezeichneten Herzens glich, während die beiden Kid-Piraten über Shachis Schulter blickten.   In dem Augenblick, als der Heart-Pirat den Anhänger öffnete, erschienen links und rechts neben ihnen zwei verschiedenfarbige Portale, die unsere Helden zu ihrer nächsten Prüfung führen sollten.   Doch blieben die Augen des Trios vorerst auf der Innenseite der Brosche, in der sich fünf Einkerbungen befanden. In einer von ihnen steckte bereits ein schwarz-glänzender Edelstein, der den erfolgreichen Abschluss ihrer ersten Aufgabe bedeutete, die sie soeben erfüllt hatten.     Nun bemerkten unsere Helden auch das kleine, feeähnliche Wesen, welches ebenso, wie aus dem Nichts aufgetaucht war und über dem Altar vor ihnen schwebte. Dessen Farbe war ein helles Blau, die Stimme der Fee sehr hoch und überaus nervend.   "`Hey, listen´! Ihr müsst mir genau zuhören, junge Helden!", sprach die aufgeregte Fee sie daraufhin an, während sie mit ihren winzigen Flügeln wild um das Trio herumflog. "`Listen´! Ihr müsst nun einen Weg wählen und die Herzcontai-"   `Klatsch´   Schnellten Wires Hände blitzartig hervor und brachten die nervtötende Fee zum Schweigen, die daraufhin, wie eine erledigte Fliege in Richtung des Bodens segelte.   "Igitt! Mücken gibt es hier auch noch, wie furchtbar!", zischte der insektenverabscheuende Kid-Pirat und hielt sich dann ein dunkelfarbiges Tuch vor seine Nase und seinen Mund. Bevor er nach einer seiner Sprüh-Mixturen griff und damit die Fee einsprühte, die sich soeben wieder von der Erde erheben wollte.   Sie hatte nicht die geringste Chance und wurde letztlich von Wire verscheucht, sodass sie im Anschluss wütend-fluchend wegflog.   "Können wir endlich weiter?", fragte der genervte Umhangträger daraufhin und sah zu seinen beiden Freunden, von denen je einer von ihnen vor einem der Portale stand.   "Welches nehmen wir~?", zog der energiegeladene Heart-Pirat seine Mundwinkel weit nach oben und hüpfte dabei ungeduldig auf der Stelle. Shachi hatte sein Lächeln wiedergefunden und wartete nur noch darauf, endlich losstürmen zu dürfen.   Heats Magen befürwortete diese Entscheidung mit einem grölenden Knurren, weswegen der Rastaträger seinen besten Freund ebenso erwartungsvoll anblickte. Sodass sich Wire letzten Endes geschlagen geben musste, seine dunkel lackierte Hand an seine Stirn hielt und daraufhin tief seufzte.   "Na gut. Ich würde sagen, wir-", begann der Umhangträger, unterbrach jedoch seinen Redefluss und knurrte frustriert auf, als er bemerkte, dass seine beiden Begleiter bereits durch die dunkelgrüne Pforte getürmt waren. "Diese Hohlköpfe..!", erzürnte Wire sich weiter, hob seinen Dreizack vom Boden auf und folgte ihnen im nächsten Augenblick, nachdem er die goldene Herz-Brosche an sich genommen hatte.     Und so verschwanden unsere Helden schließlich durch das Portal, um sich ihrer nächsten Prüfung zu stellen. Ihre Reise hatte gerade erst begonnen und das nächste Kapitel ihrer Geschichte wartete nur darauf, erzählt zu werden.   Ihre heldenhafte Tat, sprich: Das Brechen des Fluches, welcher über der Insel lag, wurde von den tief dankbaren Inselbewohnern niemals vergessen. Ehrfürchtig sollten sie die Legende der tapferen Piraten noch an ihre Urenkel weitergeben.   Shachi, Heat und Wire waren gewiss ein ungewöhnliches Trio und doch wurden sie die engsten Freunde, weil es keine Regeln im Buch der Freundschaft gab. Außer einer einzigen, die besagte, dass das Herz die alleinige Entscheidung darüber hatte, mit wem wir diese tiefe Bindung eingehen wollten.   Eins stand jedenfalls fest: Auch drei einfache Piraten, die von vielen oftmals wegen ihrer Unscheinbarkeit übersehen wurden, konnten zu Helden werden.   Kapitel 2: Ein wahrer Freund lässt niemanden zurück --------------------------------------------------- Freundschaft war etwas Unersetzbares. Denn jeder Mensch brauchte einen Seelenanker, welcher ihm Halt und Sicherheit schenkte.   Shachi, Heat und Wire waren Verbündete, Kameraden und zugleich auch die engsten Freunde. Ihren Weg bestritten sie gemeinsam, Seite an Seite. Dennoch gab es einige Hindernisse, die ihre Reise erschwerten und sie in manchen Situationen zweifeln ließen.   In solchen Momenten wurde das Band, welches das Trio teilte, auf eine harte Probe gestellt.   Ihre erste Prüfung hatten unsere Helden erfolgreich gemeistert und das erste Kapitel ihrer Legende in das Buch ihrer Erinnerungen niedergeschrieben. Nun blickten sie ihrer Zukunft zusammen entgegen, die das trickreiche Schicksal für sie bereit hielt.   Mutter Natur hatte unseren Helden die freie Wahl über ihren nächsten, entscheidenden Schritt überlassen und ihnen zwei Pfade offenbart in Form von zwei Portalen, von welchen sie sich eines aussuchen konnten. Ihre Entscheidung fiel unseren Helden gewiss nicht schwer, schließlich ließen sie ihr Herz darüber entscheiden. Das Trio nahm letztlich die in dunklem Grün gehüllte Pforte, statt des in seichten Orangetönen gehauchten Tores.   Was genau dies für sie bedeutete, erfuhren sie alsbald. Wohin das zweite Portal sie hatte führen wollen hingegen, sollten sie niemals herausfinden.   Wire hatte zuvor den goldenen, herzförmigen Anhänger an sich genommen und ihn an das Lederband seiner Kette befestigt, direkt zwischen den beiden Beilklingen, welche ebenfalls seinen Hals schmückten. Das Amulett war sehr wichtig für ihre weitere Reise, dies schien dem vorausahnenden Kid-Piraten vom ersten Augenblick an bewusst gewesen zu sein, auch wenn er selbst noch nicht hinter die genaue Bedeutung von der Brosche gekommen war.   Und so gerieten unsere drei Helden abermals in einen mysteriösen Strudel, welcher sie zu ihrem nächsten Ziel brachte. Nur waren sie diesmal auf das Kommende vorbereitet... dachten sie zumindest.   Was genau unsere tapfere Gefährten an jenem Ort erwartete, fanden sie in wenigen Momenten heraus. Das Schicksal, in Gestalt eines illusionierten Schattens, hielt abermals die gezinkten Würfel über das vor ihm aufgebaute Spielbrett, ließ seine viereckigen Unheilsboten im nächsten Augenblick rollen und entschied damit den Weg der drei kleinen Figuren, die es für sein Spiel auserwählt hatte.   Wie sollte es auch anders sein? Es war die dreifache 6, deren Augen die Würfel offenbarten.   Womit die drei Spielfiguren schließlich vorrückten.   Shachi, Heat und Wire stürzten sich in ihr nächstes Abenteuer, dessen Geschichte der flüsternde Wind in diesem Atemzug über die Gewässer der Neuen Welt trug.   Wenn du fällst, stehe wieder auf... Stelle dich dem Kampf, laufe nicht vor ihm weg...   Wer aufgibt, hat verloren...   Werden unsere Helden als Sieger aus ihrer Schlacht hervorgehen? Oder werden sie, einer nach dem anderen, fallen..?       ~*~       Ein riesiges Sumpfgebiet erstreckte sich vor den Augen des Trios, zu dem das Portal sie wenige Augenblicke zuvor gebracht hatte. Die feuchte und schwüle Luft erfüllte das Moorland, welches sich über die gesamte Insel zog. Von einem trüben Nebelschleier wurde es umgeben.   Alle drei hatten sie seltsamerweise ihre gewöhnliche Bekleidung wieder. Sobald die Piraten aus dem geheimnisvollen Tor getreten waren schien es, als wären sie niemals an einem anderen Ort gewesen. Nur der schwarze Edelstein blieb der Beweis für ihren ersten Zwischenhalt.   Nun lief das Trio durch das Sumpfland, begab sich auf Umwegen zu ihrem neuen Ziel und steuerte eine kurze Rast an.   Gegen die Schwärme an Insekten, die es an diesem Ort in einer Vielzahl gab, war Wire glücklicherweise gewappnet, diese konnte er mit seinen Sprühmixturen verjagen. Jedoch blieb er mit seinen hohen Absätzen des öfteren in dem Schlamm des aufgeweichten Bodens stecken, was ihn in allen nur erdenklichen Weisen missfiel.   Heat hatte Schwierigkeiten damit, brennbares Feuerholz für das von ihnen geplante Lagerfeuer zu finden. Zudem kreuzten sich seine Wege mit dem eines Krokodils, welches den Rastaträger überaus appetitlich fand. Der Kid-Pirat musste sich deswegen auf einen der Bäume des Moorwaldes flüchten, auf dem er für einige Minuten verweilen musste, bis das ungeduldige und gelangweilte Tier wieder von Dannen zog.   Während Shachi damit beschäftigt war, die kleinen Blasen zu bewundern, die aus einigen der dunklen Tümpel stiegen. Dabei sammelte er freudig und summend die Zutaten für seine Spezialität, welche der selbsternannte Hobbykoch für sie zubereiten wollte. Seine Kreation trug den feierlichen Namen: `Krötenschenkel in Blubbersuppe´ Es war eines von Shachis Geheimrezepten.     Unsere Helden gönnten sich eine Pause von den Strapazen ihrer Reise und suchten sich einen trockenen Platz unter einem dunklen Trauerweidengewächs, welches zwischen einigen flachen Tümpeln wuchs.   Der Rastaträger baute die leicht durchnässten Holzscheite zu einem Turm zusammen und entfachte diesen dann mühselig mit seinem Feueratem. Wire beobachtete das Tun seines Freundes für einen Augenblick, ehe er ein Tuch aus seinem Stiefel zog und dieses dann auf den Boden vor das Feuer legte, um sich anschließend auf dieses zu setzen. Und der schmollende Shachi, dem der Umhangträger zuvor strickt verboten hatte seine Delikatesse zu kochen, ließ sich im Schneidersitz neben ihn fallen und verschränkte dabei trotzig seine Arme vor seiner Brust.   Die von ihm gesammelten Frösche hatte der junge Heart-Pirat vor wenigen Momenten freigelassen, sodass diese nun in einer Vielzahl um das Trio und die Feuerstelle umhersprangen.   Der stehende Rastaträger beobachtete die hüpfenden und wild quakenden Kröten eine kurze Zeit lang mit betrübtem Blick. Er hatte sich bereits sehr auf die willkommene Mahlzeit gefreut und wusste die einzigartigen `Künste´ seines orangehaarigen Freundes sehr wohl zu schätzen.   "Wire. Essen.", seufzte der hungrige Kid-Pirat geschwächt und leblos, erinnerte dabei an einen Untoten und machte seinem Spitznamen zeitgleich alle Ehre. Dabei blickte er seinen besten Freund flehend an und zeigte mit seinem Zeigefinger auf seinen offenen Mund. Woraufhin sein Magen mit einem zustimmenden Knurren seine Bitte untermalte.   Sofort meldete sich der eifrige und hilfsbereite Heart-Pirat zu Wort und hob dabei seine Hand, mit welcher er aufgeregt in der Luft wedelte.   "Ich will kochen! Bitte! Bitte! Bitte! Wie wäre es mit-", redete Shachi seinen Mund fusselig, wurde aber von Wires "Nicht nötig." unterbrochen und schmollte daraufhin beleidigt weiter.   Der großgewachsene Kid-Pirat achtete stets auf gesundes und ungiftiges Essen, weswegen er Heat darum bat, verschiedene Blätter und essbare Pilze zu sammeln, aus welchen er anschließend einen Salat zubereiten wollte. Während der Rastaträger auf die Suche nach den gewünschten Zutaten ging, machte sich der hyperaktive Heart-Pirat daran, mithilfe eines spitzen Steines das benötigte Geschirr und Besteck aus Holz für ihre Mahlzeit zu schnitzen. Shachi konnte einfach nie lange still sitzen.     Wenige Momente später stand eine große, gefüllte Holzschüssel neben dem Feuer. Das Behältnis trug einem Mix aus einem Pilz- und Blattsalat, an welchem sich das Trio bediente. Wire selbst war sehr zufrieden mit seinem Werk und auch Shachi schien sich nicht groß an dem faden Mahl zu stören. Doch waren die huskyblauen Augen des Rataträgers von Enttäuschung und Trübsinn geplagt, als er die trockenen, grünen Blätter auf seinem Rinden-Teller erblickte.   `Ich's bin doch kei' Meersau...´, behielt Heat den Gedanken für sich und verzog angewidert seinen Mund, während sein Blick das ihm fremde Nahrungsmittel genauestens untersuchte. Dabei wendete er das große Blatt mehrere Male mit seinen Fingerspitzen.   Letzten Endes gab er sich geschlagen, beugte sich seinem quälenden Hungergefühl und kaute dann unzufrieden auf einem der grünen Blätter herum.   "Genieße jeden Happen meiner Köstlichkeit.", sprach der von sich selbst überzeugte Wire und stach mit der hölzernen Gabel in seine Mahlzeit, ehe er das Salatblatt mit einem Messer ordentlich in kleine Portionen schnitt.   Der experimentierfreudige Heart-Pirat musste letztlich seinen sturen Willen durchsetzen und verfeinerte sein eigenes Essen noch mit einigen Geheimzutaten, dessen Rezept wohl nur für ihn allein einen Sinn ergab. Er tat dies hinter dem Rücken seiner beiden Begleiter, da er den Koch im Umhangewand keineswegs kränken wollte.   Und so stärkte sich das Trio für ihre bevorstehende Reise. Zurzeit war es später Abend, beinahe Nacht, sodass sie bis zum Morgen warten mussten, um das unbekannte Gebiet zu erforschen.     Die Sonne war mittlerweile am Horizont verschwunden, die Umgebung wurde von einzelnen Glühwürmchen erhellt, die zusammen mit dem Schein des Lagerfeuers die Atmosphäre in eine angenehme Ruhe hüllten, welche die Gemüter unserer Helden beruhigte.   Gedankenverloren blickten die drei Piraten in die tanzenden Flammen des Lagerfeuers, die von einer leichten Brise in Bewegung gesetzt wurden. Allesamt ergriff in diesem Augenblick die Sehnsucht nach ihrem Zuhause und ihren Crews.   "Ich vermisse meinen Bruder...", flüsterte Shachi leise zu sich selbst. Seine glasigen, Goldtopas-farbenen Augen untermalten seinen Herzenswunsch. In seinem sehnsuchtsvollen Blick reflektierten sich dabei die vereinzelten Flammen des Feuers, vor welchem er saß. "Hoffentlich geht es ihnen allen gut."   "Mir fehlt das laute Gebrüll von uns'rem Boss...", seufzte der Rastaträger und entdeckte dann zufällig einen pelzigen, gelben Pilz neben sich auf dem Boden. "Der sieht aus, wie Killer... Man, was vermiss' ich seine endlosen Predigten."   "Und ich sehne mich nach meinem Beauty-Labor... Gnade ihnen Gott, wenn einer von ihnen einen Finger an meine Sachen gelegt hat.", schloss sich Wire ihrem Trübsal knurrend an und warf dann einen Blick auf seine beiden traurigen Kameraden. Ehe er einmal tief seufzte. "Das Elend, was ihr zwei abgebt, ist ja nicht mitanzusehen. Reißt euch gefälligst zusammen!"   Beide nickten sie ihrem Gefährten zustimmend zu, bevor Shachi ein letztes Mal schniefte und dann mit seinem weißen Ärmel wirr über sein Gesicht wischte.   "Wir werden bald wieder bei ihnen sein!", rief der optimistische Heart-Pirat in die Ruhe der Nacht, die von einzelnen Frosch-Gesängen untermalt wurde und ballte locker seine Fäuste, die er hoch in die Luft hielt.   Daraufhin nahm er sich einen der kleinen Äste, die zu seinen Füßen lagen, um mit diesem über längere Zeit gelangweilt in dem Lagerfeuer zu schüren. Einen Moment umgab sie erneut die Stille, bis Shachi auf eine spontane Idee kam, welche die bedrückende Stimmung etwas auflockern sollte.   "Hey Leute, wie wär's mit 'ner Gruselgeschichte~?"   Die Mundwinkel des Heart-Piraten zogen sich weit nach oben, sodass sich ein breites Grinsen auf seinen Gesichtszügen ausbreitete. Dabei verdunkelten sich seine Augen, die hinter seiner getönten Brille versteckt waren.   Sein unheilvoller Blick schweifte zunächst langsam zu den desinteressierten Augen seines rechten Sitznachbarn. Wire hatte seine Beine angezogen und sein Kinn auf seinen Unterarmen gebettet, seine Arme umklammerten dabei locker seine Knie. Er schenkte Shachis Vorschlag keinerlei Beachtung, da er sich nicht dafür interessierte und betrachtete sich stattdessen lieber stumm das Flammenspiel des Lagerfeuers.   Heat hingegen, entgleisten augenblicklich alle Gesichtszüge. Kreidebleich wurde er, während sich seine blauen Augen weiteten. Mit einer Mischung aus Furcht und Entsetzen blickte er den dunkel und vorfreudig grinsenden Jungen an.   "D-Du meinst so 'ne echte Horror-Story..? Mit Monstern?", fragte der schreckhafte Rastaträger vorsichtig, der sich meist etwas zu sehr in seine abstrakten Fantasien hineinsteigerte. Er schluckte schwer und versuchte sich dabei an einem nervösen Schmunzeln. Nebenbei spielte er unruhig mit einer seiner blauen Rastalocken. "K-Klar, wieso nicht? Haha.. ha..."   Einen Rückzieher erlaubte der Stolz des blauhaarigen Kid-Piraten nicht, weswegen er nun seinen Mut zusammenraufte und sich mit einem Korb gepflückter Pilze bewaffnete, welcher ihm als Nervennahrung dienen sollte. Heat klammerte seinen rechten Arm um den hölzernen Korb und hielt ihn nahe seiner Brust. Weil er Linkshänder war, griff er mit eben dieser Hand eilig in seine Pilz-Knabberei.   Er lag seitlich auf dem Boden, zu Shachi gedreht, während seine beiden Freunde in unterschiedlichen Posen - im Schneidersitz, sowie mit angewinkelten Beinen - schräg neben ihm saßen. Das Trio bildeten somit einen Kreis um die flackernden Flammen.     Gespannt ruhten die hellblauen Augen des Rastaträgers auf den Lippen des erzählenden Heart-Piraten und selbst Wire hörte mit halben Ohr der Geschichte zu, welche der fantasiereiche Junge sich ausdachte. Shachi war ein absoluter Fan von unheimlichen Erzählungen und ein echter Profi auf seinem Gebiet... Glaubte er selbst zumindest.   Und so begannen die schmalen Lippen des jungen Piraten zu sprechen, gewährten so einen Einblick in seine verborgenen Gedanken, während seine ungewohnt ruhige und andächtige Stimme die Bilder seiner Geschichte in den Köpfen seiner beiden Freunde zum Leben erweckte.       *~*       Der Regen prasselt laut gegen die rissige Scheibe des einzigen Fensters, das es in dem engen Raum gibt, in dem der kleine Junge sich aufhält. Er wohnt hier, in der kleinen Hütte und fürchtet sich vor den lauten Geräuschen des Gewitters, das draußen tobt. Hinter einer alten Holzkiste hält er sich versteckt.   Unter beiden Armen hat er seinen Kopf vergraben, sitzt in der dunklen Ecke der Räumlichkeit und hofft, dass das Unwetter bald vorbeizieht, damit der Strom in der stockfinsteren Hütte wiederkehrte. Er weiß, dass er früher oder später nochmals hinaus gehen muss, um neues Wasser aus dem Fluss unten am Berg zu holen, doch traut er sich nicht vor die Tür.   Seine Hoffnung auf eine Besserung des Wetters verschwindet von Minute zu Minute. Seine trockene Kehle wird immer und immer durstiger, sodass er sich letztlich leise Mut zuredet, während er sich langsam aus seiner hockenden Position hinter der Kiste erhebt.   "Ich schaffe das... Ich schaffe das...", wiederholt er flüsternd und klammert seine kleinen Finger an den blechernen Eimer, den er nun schützend an sich hält. "Mir kann gar nichts passieren..."   Leise vor sich hin redend, geht er langsam um den Holztisch herum, der sich in der Mitte des Raumes befindet und trägt den leeren, großen Eimer mit beiden Händen vor sich. Zwei Schritte trennen ihn von der leicht morschen Eingangstür, zu welcher er sich in der von lautem Donnern untermalten Dunkelheit durchschlägt.   Mit seinen zittrigen Fingern greift er zögerlich nach der Klinke der Tür, hält dabei seinen Atem an und blickt unruhig auf das dunkle Holz vor sich. `Ich schaffe das... Ich schaffe das... Ich-´   Ein dumpfes, markerschütterndes Klopfen neben seinem Ohr lässt ihn schließlich zu Stein erstarren.   Wild, lautstark und unbeherrscht hämmert etwas gegen die andere Seite des Holzes, sodass die dunkle Tür, an dessen Griff die Hand des Jungen klammert, dröhnend erbebt.   Von Schreck und Angst ergriffen, ist er nicht im Stande dazu, einen Mucks von sich zu geben. Panik und Grauen lassen seinen unbändigen Herzschlag nicht mehr los.   Nach einem Augenblick verstummt das stürmische Klopfen wieder, nur noch das Grollen, das die funkenden Blitze begleitet, ist zu hören. Doch spürt der Junge, dass er in diesem Moment nicht allein ist.   "Wer ist da?", ruft er mit verunsicherter und dünner Stimme in Richtung des Holzes. Jedoch erhält er keine Antwort.   Mehrere Minuten steht er dort, durcheinander und überaus durstig, bevor ihn sein unstillbares Durstgefühl voran treibt. Und er die leise quietschende Tür schließlich zögerlich öffnet.   Ein kurzer Blick nach draußen, zu dem prasselnden Regen und dem flimmernden Lichtspiel des Gewitters, lässt ihn wieder aufatmen. Niemand steht vor ihm, wie er es befürchtet hat. Sicher spielt ihm sein ängstlicher Verstand nur einen Streich.   "Ich muss bloß den Berg hinunter gehen und durch das kleine Wäldchen, dann bin ich schon am Fluss.", erinnert er sich an den Weg und schaut von der Haustür den hügeligen Pfad hinab, der sich vor ihm erstreckt. "Es wird auch gar nicht lange dauern."   Mit neuem Mut kämpft sich der Junge den Hügel herunter, durch den peitschenden Regen und dem starken Wind. In einer seiner Hände hält er den klirrenden Eimer, den er beinahe wegen der Böen verliert, mit der anderen schirmt er seine Augen ab, um den Weg vor seinen Füßen zu erkennen.   All seine Kleider sind durchnässt, als er an dem kleinen Wald ankommt, der zu dem Bach führt.   Einige Male atmet er tief ein und aus, "Ich schaffe das...", sagt er abermals zu sich selbst und geht dann Schritt für Schritt immer weiter in das tiefe, dichte Gebiet hinein.   Nicht einmal seine eigene Hand sieht er vor seinen Augen, sodass er auch nicht merkt, wie sich ihm sein Verfolger langsam nähert.   Erst, als er das leise Plätschern des fließenden Wassers einige Meter vor sich hört, hält der Junge an. Doch packt ihn zeitgleich etwas fest an seiner rechten Schulter...   Es ist zu spät gewesen.   Sofort dreht er sich blitzschnell um und-             "...Ende.", brach Shachi seine Erzählung mitten im Satz ab und verzog seine Mundwinkel zu einem fiesen Grinsen.   Der gebannt lauschende Heat brauchte einen Moment, um in das Hier und Jetzt zurückzufinden, dabei blinzelte er mehrmals verdutzt. Bevor er, wie von der Tarantel gestochen, hochschreckte und den grinsenden Heart-Piraten an beiden Schultern griff. Wild rüttelte er Shachi keine Sekunde später durch.   Der fassungslose Blick des Kid-Piraten bohrte sich zeitgleich in den wissenden des Heart-Piraten.   "`Und´ was?!?", brüllte Heat seinen Gegenüber verzweifelt an und schüttelte den weiterhin selig grinsenden Shachi mehrmals furios durch. "Verrat's mir! Komm' schon, das kannst'e mir jetzt nich' antun!"   Doch schwieg der Heart-Pirat wie ein Grab, behielt den Schluss der Geschichte für sich und trieb seinen aufmerksamen Zuschauer mit seinem Schweigen beinahe in den Wahnsinn. Heat ließ von den Schultern Shachis ab, raufte sich wirr durch seine blaue Mähne und zog dann einen trotzigen Schmollmund, während er sich wieder auf seinen Platz neben dem Feuer legte.   Wire war seit längerem eingeschlafen und ruhte in einer sehr ungesunden Haltung im Sitzen, dennoch behielt er dabei seinen Anmut. Nur sein lautes Schnarchen machte es gleichzeitig wieder zunichte.   Während der Rastaträger weiter, bis in den Schlaf, über den Ausgang von Shachis Erzählung grübelte - seine Überlegungen gingen dabei in sehr merkwürdige und surreale Richtungen - formten die versiegelten Lippen des Heart-Piraten ein resignierendes Lächeln.   Shachis goldbraune Augen schweiften daraufhin wieder zu dem Flammenspiel des Lagerfeuers, dabei ging ihm ein einziger Gedanke durch den Sinn, mit welchem er gedankenverloren in seine Erinnerungen abtauchte. Bis er irgendwann ebenso, wie seine beide Kameraden einschlief.     Und...   ...dann hat Peng gesagt, dass ich nachts nicht immer allein im Wald herumspazieren soll...       ~*~       Wie jedes unberührte Land, hatte auch dieses seine beschaulichen Besonderheiten, welche bislang nicht durch Menschenhand oder anderen Einflüssen zerstört wurde. Trotz der nebelverschleierten und trüben Moorlandschaft gab es einzelne Orte der unbefleckten Natur, die einige mit ihrem Anblick in Staunen versetzen konnten.   So, wie den ehrfürchtigen Shachi, der sich in diesem Augenblick mit großen Augen den Wasserfall betrachtete, den sie vor nicht allzu langer Zeit gefunden hatten. Dieser lag etwas abseits des tümpeligen Landes, das Wasser klar und rein, welches mit einem beruhigenden Rauschen den Hang hinabfloss, an dessen Fuße unsere drei Helden standen, den Selbigen hinaufblickend.   Wires Vorschlag war es zu verdanken, dass das Trio sich nach Anbruch des neuen Morgens frühzeitig zu einer Wasserstelle aufmachte, mit dessen Hilfe sie sich erfrischen konnten. Ihr Weg war mit Schlammgruben und Insektenschwärmen gezeichnet, doch schafften sie es letzten Endes frisches Wasser zu finden. Lediglich durch Heats ausgeprägten Geruchssinn, der den unverkennbaren Duft durch die nach nasser Erde riechenden Luft wahrnahm.   Als sie an ihrem Ziel angelangt waren, stürzte sich der hygienevernarrte Wire regelrecht in die Wassermündung. Keinen Atemzug ließ der Kid-Pirat verstreichen, striff sich seinen dunkelroten Umhang von seinen breiten Schultern und warf diesen, wie selbstverständlich, gegen das müde und in Falten gelegte Gesicht seines besten Freundes.   Der Morgenmuffel Heat störte sich nicht daran. Er war noch lange nicht aus dem Land der Träume zurückgekehrt und hatte sich nur widerwillig zum Frühsport mitschleifen lassen.   Während Shachi weiterhin gebannt den fallenden Tropfen des Wasserfalles zusah, bewegte sich Wire grazilen Schrittes, beinahe tänzelnd in Richtung der Mündung, in der sich das klare Gewässer kniehoch sammelte. Beim Laufen legte er auch seine restlichen Kleider ab, sodass er lediglich seine lederne Beilklingen-Kette, mitsamt der goldenen Brosche, über seiner muskulösen Brust trug. Seine schwarzen, Schulterblätter-langen Haare wippten bei seinem nachdrücklichen Gang locker auf und ab. Wohlig seufzend begab sich der Kid-Pirat schließlich in das kühle Nass, aus dem ihn so schnell nichts und niemand herausbrachte.   Auch der malerische Anblick der Natur wurde Shachi irgendwann zu langweilig, sodass der abenteuerlustige Pirat sich daraufhin spontan dazu entschied, die hohe Klippe hinaufzuklettern. Jedenfalls versuchte er es, da die aus der Wand ragenden Steine alles andere, als fest und griff-leicht waren.   Im Gegenteil: Durch die Nässe waren sie feucht und rutschig, was Shachis Kletterversuch als überaus schwierig und gewagt gestaltete. Doch kämpfte sich der Heart-Pirat tapfer Meter für Meter höher, das siegessichere Lächeln verschwand dabei nicht von seinen Gesichtszügen.   Heat stand währenddessen noch immer halb-dösend am Ufer der Mündung, mehr als nur einmal fiel sein Kopf locker nach Vorne, der Müdigkeit wegen. Wires Mantel überdeckte seinen Körper vom Kopf ab, bis zu seinen Knien, der penetrante Parfümgeruch, der an dem Kleidungsstück haftete, störte die empfindliche Nase des Rastaträgers nicht im Geringsten.   Bevor der unersättliche Kid-Pirat genüsslich in das träumerische Schnitzel beißen konnte, riss ihn das nachdrückliche Schnipsen seines besten Freundes aus seinem Tagtraum.   "Beweg' deine vier Buchstaben augenblicklich ins Wasser, du fauliges Faultier!", befahl Wire zischend und zeigte dabei auffordernd auf das sprudelnde Gewässer, in welchem er sich befand. Heats blässliche Haut war deutlich von dem Schlamm verschmutzt, durch den sie wandern mussten, was den Rastaträger selbst jedoch wenig interessierte.   Das Wort `Wasser´ war es, welches den blauhaarigen Kid-Piraten sofort hellwach werden ließ. Blinzelnd schaute er mit einem Auge unter dem Stoff des dunklen Umhangs hervor, welchen er mit einer Hand bis zu seiner Stirn anhob. Erst dann realisierte er, dass er sich in der Nähe seines schlimmsten Feindes befand: Dem blauen Übel, mit welchem er seit jeher auf dem Kriegsfuß stand.   Heats Körpertemperatur war immerzu ungewöhnlich hoch und sein Hungergefühl überaus groß, da sein Stoffwechsel im Dauertakt arbeitete, um die Fähigkeit des Feuerspeiens aufrecht zu erhalten. Seine Haut war zudem überaus kälteempfindlich, deswegen war es ihm ein Graus in kaltem oder lauwarmen Wasser zu baden, er bevorzugte stattdessen kochend heißes.   Vehement schüttelte der Rastaträger nun seinen Kopf. Bei der Vorstellung von dem morgendlichen Bad in der milden Quelle schauderte es ihm.   "Kannst'e knicken, mein Hinterschinken bleibt trocken.", murrte er muffelig in Richtung des ungeduldig wartenden Wires und zog seinen dunkelroten Vorhang wieder über seine zufallenden, hellblauen Augen. Im selben Moment platzte der dünne Geduldsfaden seines leicht reizbaren Kameraden.   Mit einigen tiefen und zischenden Atemzügen versuchte sich Wire zu beruhigen. Bei dem Sturkopf seines besten Freundes musste er andere Geschütze ausfahren, damit er ihn dazu überreden konnte, sich zu ihm zu gesellen.   Kurz darauf begleitete ein tiefes Seufzen die urplötzlich trübe und melancholische Stimme des großgewachsenen Kid-Piraten, womit er die Aufmerksamkeit Heats sofort erlangte.   "Wahrlich tragisch... Und ich habe gedacht, dass ich auf deine Hilfe zählen kann...", wehklagte Wire und hielt sich eine seiner dunkel lackierten Hände an seine Stirn, seinen Kopf dabei theatralisch nach hinten werfend. Dabei lugte er mit einem Auge zwischen seinen Fingern hindurch, zu seinem ihn verdutzt anblickenden Zuhörer.   Heat zog verwirrt eine seiner Augenbrauen nach oben, "`Hilfe´?", wiederholte er das ihn lockende Wort und wurde hörig. "Klar, helf' ich dir, Kumpel!", rief er nun grinsend, "Was brauchst'n?"   Abermals dramatisierend aufstöhnend, zeigte der schmunzelnde Wire auf seine benässten, dunklen Haare. "Ich bräuchte einen deiner Schnüre, um meine Haarpracht zusammenzubinden.", erklärte er und wartete nur auf den Moment, in dem ihm sein bester Freund diesen Wunsch erfüllte.   Der Rastaträger nickte verstehend, streckte einen seiner Arme in Richtung seines badenden Genossen und beschwor eine seiner dunklen Schnüre, die sich daraufhin schlängelnd durch die Luft auf seinen Gegenüber zu bewegte.   Als der Faden in griffbarer Reichweite war, zögerte Wire keine Sekunde und nahm in an sich. Zeitgleich zog er ruckartig an dem Material, welches noch mit dem Arm des Rasaträgers verbunden war, sodass dieser daraufhin grob ins Wasser gezogen wurde. Damit hatte sich ihre Diskussion schließlich geklärt.   In Begleitung eines lauten und dampfenden Zischens landete Heat in dem Wasser, welches einen kurzen Moment an Temperatur gewann, durch seinen erhitzten Körper, der sich gleichzeitig um einige Grade abkühlte. Ein gemeines Schmunzeln breitete sich nun auf den Lippen Wires aus.   "Vielen Dank...", entgegnete er seinem blauhaarigen Freund, der auftauchte und das Wasser ausspuckte, welches er in den Mund bekommen hatte. Beleidigt und mit einem Blick, der alles andere als Begeisterung ausstrahlte, sah Heat zwischen seinen nassen und tropfenden Rastalocken zu seinem Badegenossen, der die Unschuld in Person mimte. "Ich brauche ihn nicht mehr, trotzdem sehr freundlich von dir."   "`Ich brauche ihn nicht mehr´...", äffte der Rastaträger die Worte nach und verschränkte dabei die Arme vor seiner Brust, sich von seinem schmunzelnden Gegenüber abwendend.   "Hättst'e mich nich' wenigstens meine Sachen ausziehen lass'n könn'..? Shit! Ich glaub' mir is'n Fisch zwischen die Arschbacken gerutscht-..."   "Behalte solche Dinge gefälligst für dich, du Ferkel!", knurrte Wire ihm dazwischen, hielt sich währenddessen seine Ohren zu und warf seinem vorlauten Freund einen vernichtenden Blick zu, der ihn schließlich schmollend verstummen ließ.     Keiner der beiden hatte auf den Heart-Piraten Acht gegeben, welchen man lieber nicht aus den Augen lassen sollte, was mehrere Begründungen hatte: Zum Einen kannte Shachi seine eigenen Grenzen nicht und brauchte jemanden, der ihn in manchen Situationen zu bremsen wusste. Zum Anderen hatte er morgens die meiste Energie und nutzte diese in vollem Maße aus, wie es auch an diesem Morgen der Fall war.   Die schmalen Finger des grinsenden Jungen klammerten sich an den Rand der hohen Klippe, dessen Abhang er soeben erklommen hatte. Ausgepowert und dennoch voller Stolz, hievte er sich dann mit einem schnellen Satz nach oben. Einige kleine Steine bröckelten unter seinem letzten, abstoßenden Tritt ab, doch schaffte er es vollkommen unbeschadet auf die Spitze.   "Hihi, Glück gehabt~", jubelte er freudig und rückte sich seine verrutschten Gläser auf seiner Nase zurecht. Einen knappen Meter neben ihm befand sich das rauschende Wasser, welches einzelne nasse Flecken an seinem weißen Hosenbein hinterließ.   Shachis entschlossenen Augen blickten daraufhin den Wasserfall hinunter, dessen Abhang in etwa die Größe eines Wolkenkratzers misste. Unkontrolliert und wild klopfte sein Herz, welches hinter dem lachenden Jolly Roger seines Overalls versteckt war, während sich die Vorfreude in dem waghalsigen Jungen ausbreitete. Sein Vorhaben war alles andere als ungefährlich und mehr als nur leichtsinnig.   Dennoch breitete er im nächsten Augenblick lachend seine Arme aus, den Kopf in Richtung des leicht bewölkten Himmels richtend, während er langsam seine Augen schloss... Und dann selig lächelnd sprang.   Was er sich dabei dachte? Ob er lebensmüde geworden war?   Nein, das war er gewiss nicht. Shachi war ein freier Pirat, dessen Lebensmotto `Man lebt nur einmal.´ hieß. Zudem warteten dort unten seine Freunde, welche er mit seinem Akt überraschen wollte.   ...Die Überraschung gelang ihm gänzlich. Beide Kid-Piraten erlitten zeitgleich den Schock ihres Lebens, als sie den Jungen über ihren Köpfen auf sich zurasen sahen.   Es gab noch einen Grund, wieso der Heart-Pirat ohne den geringsten Zweifel den Wasserfall hinabgesprungen war. Sein Beweggrund hieß: Vertrauen. Und dieses besaß er für seine beiden Mitstreiter bedingungslos.   In Begleitung eines Jubelrufes genoss Shachi das unbändige Adrenalin in seinem Blut und den peitschenden Wind, wegen dem er seine bunte Ballonmütze während seines Fluges festhalten musste. Lange dauerte es nicht, bis er in dem spinnenartigen Netz landete, welches Heat in Eile und Panik binnen Sekunden erschaffen hatte.   Dieses funktionierte wie ein federndes Trampolin, bremste den fallenden Jungen aus und beförderte ihn dann mit einem leichten Schwung ins Wasser. Der herzlich lachende Shachi ging in einer Wasserfontäne unter, die seine beiden Begleiter ebenso einhüllte und tauchte dann freudig strahlend wieder auf.   "Das hat Spaß gemacht!", rief er und schaute unschuldig in die grimmigen Gesichter seiner beiden Freunde. Shachi wollte seine große Freude unbedingt mit ihnen teilen. "Wollt ihr's nicht auch Mal versuchen..?"   Dass die Frage unnötig war, merkte der Heart-Pirat erst, als er lediglich mit stummen Mienen konfrontiert wurde.   "Dann eben nicht... Ihr wisst echt nicht, was ihr ver- Autsch!", unterbrach Shachi seinen Redefluss und strich sich mit seiner flachen Hand grob über seinen Nacken. "Mich hat was gestochen.", erklärte er sich und störte sich wenig an dem synchronen Seufzen seiner Gefährten, deren Nerven er am frühen Morgen bereits strapazierte.     Daraufhin genoss das Trio, mehr oder weniger, das morgendliche Bad, bevor sie ihre Reise fortsetzten. Allesamt waren sie nun hellwach, bei vollen Kräften und bereit, ihre nächste Prüfung anzutreten, die sie bis dahin vollkommen vergaßen.   Ihren Fehler sollten sie jedoch bitter bereuen...   Folgenden Name trug das Unheil, welches auf sie zukommen vermochte:     `Das verblassende Lächeln des fallenden Engels´       ~*~       Unsere Helden folgten dem Wasserfluss aufwärts, liefen abseits des schlammigen Gebietes und vermieden den Kontakt mit tieferen Tümpeln, die ihnen den Weg erschwerten.   "Fürchterlich!", beschwerte sich der jammernde Wire zum zig dutzenden Male, während er im Laufen die Arme vor seiner Brust verschränkte, seinen Blick stur geradeaus haltend.   "Was is'n?", fragte ihn der neben ihm laufende Heat nach längerem Anhören seiner Schimpfbekundungen verwirrt, drehte seinen Kopf in seine Richtung und neigte den Selbigen nachdenklich zur Seite.   Für seine Frage erhielt er einen alles sagenden Blick seines besten Freundes.   "Meinst du das ernst? Sieh dich doch mal um! Es ist nass, kalt, matschig und einfach widerlich!", schnaufte der Umhangträger und konzentrierte sich wieder auf das Laufen. "Lass' dir lieber etwas einfallen, damit wir hier schnellstmöglich wegkommen. Hat dein Käsezinken immer noch nicht angeschlagen?"   "Nope.", antwortete ihm Heat ehrlich und zuckte locker mit seinen Schultern, "Kann ich echt nix machen, wenn kein Futter in der Nähe-"   Plötzlich blieb der Rastaträger stehen, "Wart's mal, ich riech' was...", zog er seine Augenbrauen angestrengt zusammen, während er seine Nase schnüffelnd gen wolkenverdeckten Himmel richtete. "Mieft nach gammeligem und verwesendem Fleisch...", zog er seinen Nähten übersäten Mund nachdenklich zusammen und erntete seitens seines besten Freundes ein stummes Auflachen.   "Und du bist dir sicher, dass nicht du selbst das bist?", rollte Wire mit seinen Augen und hielt dann ebenfalls in seiner Bewegung an. Bevor er seinen Blick suchend über die Umgebung von Fluss und Moorland schweifen ließ, wobei ihm etwas Ausschlaggebendes auffiel. "Wo ist-..."     "Shachi!?!", beendete der panisch gewordene Heat die Frage und preschte verzweifelt brüllend auf die Figur zu, die sich mehrere Meter hinter ihnen befand. Reglos lag der junge Heart-Pirat seit einigen Minuten in der feuchten Erde und rührte sich nicht.   Die huskyblauen Augen des Kid-Piraten waren erfüllt von Entsetzen und purer Angst, während er auf seine Knie rutschte und dann die schmale Figur des Jungen bedächtig auf seine Arme nahm. Langsam rutschten die dunklen Gläser von den schmerzvoll verzogenen Gesichtszügen Shachis und enthüllten so seine zusammengekniffenen Augen, auf dessen Lidern sich eine leichte Röte abzeichnete, welche sich bis über seine beiden Wangen zog.   "Hey, Shachi!? Scheiße, was is'n los mit dir? Antwort's mir, Shachi!", wiederholte Heats heiser gewordene Stimme den Namen des Jungen immer und immer wieder. Doch waren seine gebrochenen Rufe zwecklos. Er sollte keine Antwort erhalten.   Der Körper des Heart-Piraten krampfte abermals zusammen, am ganzen Leib zitternd, weswegen der bestürzte und verwirrte Kid-Pirat seinen Freund fest an seine Brust drückte, sodass einzelne blaue Rastalocken locker über Shachis Gesicht lagen.   Daraufhin warf Heat einen schnellen Blick über seine Schulter, zu dem ebenso schockierten Wire, der wenige Meter neben ihnen vor Schreck erstarrt war.   "Wir müssen's ihn zu 'nem Arzt bringen!", rief der todernst gewordene Rastaträger seinem Gefährten zu.   Dieser reagierte erst wenige Augenblicke später. Die Situation und der plötzliche Wandel der Ereignisse überforderten ihn vollends.   Wire konnte seine aufrichtigen Gefühle nicht zum Ausdruck bringen, es gelang ihm schlichtweg nicht. Innerlich stürzten alle seine Emotionen gleichermaßen in sich zusammen, während er Äußerlich desinteressiert und eiskalt wirkte.   "Wir gehen weiter.", waren die einzigen, emotionslosen Worte, die dem Umhangträger über die Lippen kamen, während er sich von seinen beiden Begleitern wegdrehte, langsamen Schrittes weiterlaufend. Der gekränkte Blick seiner haselnussbraunen Augen blieb ungesehen, ebenso wie der kräftige Biss auf seine Unterlippe, der Abscheu vor sich selbst wegen.   Er hasste sich in diesem Augenblick für seine kalte Fassade, die er aus eigener Kraft nicht durchbrechen konnte. Oft wurde er deswegen von Gewissensbissen geplagt, machte sich Vorwürfe und fühlte sich hinter seinen eisernen Mauern gefangen.   Was er nicht wusste war, dass seine distanzierten Wesenszüge sehr wohl von Vorteil sein konnten. Doch selbst wenn er herausgefunden hätte, dass seine ruhige Art das aufgewühlte Gemüt seines besten Freundes soeben besänftigt hatte, würde er es nicht glauben wollen.   Heat brauchte die Ruhe und Gelassenheit, die sein langjähriger Begleiter ausstrahlte, um bei klarem Verstand zu bleiben. Auch in diesem Moment rettete Wire ihn vor einem nervlichen Zusammenbruch.   Tief atmete der Rastaträger dann ein und hob den zierlichen Körper des Heart-Piraten mit größter Vorsicht hoch. Mit entschlossenem Blick, der ausschließlich auf Shachis verzerrten Gesichtszügen ruhte, folgte er den eiligen Schritten Wires und trug den Jungen schließlich in Richtung des Geruchs, welchen er zuvor erspürt hatte.   Neben dem Gestank von Verwesung hatte Heat nämlich noch etwas anderes wahrgenommen: Es waren Heilkräuter und Balsam, deren Duft sie daraufhin folgten und die ihnen Hoffnung auf Heilung für ihren Freund gaben.   Sie brauchten dringende Hilfe, weil keiner der beiden Kid-Piraten sich im Bereich der Medizin auskannte und damit ihrem kranken Freund auch nicht helfen konnten.   Was genau plötzlich mit Shachi passiert war, sollten sie bald herausfinden... Doch gefiel ihnen die erschütternde Antwort in keinster Weise.       ~*~       Das Erste, was das rennende Duo erblickte, war das große, verwitterte Holzschild, welches vor der hölzernen, runden Sumpfhütte stand. Auf dem Rand des Schildes saß ein einzelner, pechschwarzer Rabe, dessen dunkelrote Augen die neuen Besucher aufmerksam musterte. Unter dem Tier, auf der Vorderseite des hellen Holzes, befand sich eine Inschrift, die jemand zuvor mit Kohle dort eingraviert hatte:   `Die zauberhafte Schönheit Fiodora, erblasset vor Neid ihr unwürdigen Würmer!´, stand dort geschrieben.     Einen zweiten Blick schenkten die Piraten dem Schild nicht. Sie hatten die Rettung ihres Kameraden als klares Ziel vor ihren Augen und dies galt als ihre oberste Priorität.   Heat und Wire traten im nächsten Moment auf die kleine Hütte zu, die einen knappen Meter über dem Boden auf vier kurzen Säulen stand. Die ovale Tür war mit zwei hölzernen Treppen mit dem schlammigen Boden verbunden, sodass das Duo, mitsamt dem getragenen Shachi, nun die Selbige schnellen Ganges ansteuerte.   Als sie an dem großen Schild zu ihrer Rechten vorbeigehen wollten, begann der sitzende Rabe jedoch urplötzlich lauthals zu Krächzen, während er aufgeregt mit seinen schwarzen Flügeln Alarm schlug. Das Tier verdiente zu Recht seinen treuen Wachposten und machte den Besitzer der Sumpfhütte auf seine Gäste aufmerksam. Augenblicklich wurde die efeubedeckte Tür mit einem lauten Stoß aufgerissen.   "Ja, ja, ja! Ist gut, Krabatifuzius, ich komm' ja schon!", trat die kniehohe Figur an die Schwelle der offenen Tür und hielt einen Besen zwischen ihren krümmenden Fingern, den sie prompt in Richtung des Vogels schleuderte. "Jetzt halt endlich deinen elenden Schnabel, du verfluchtes Spatzenhirn!"   Ungläubig und blinzelnd starrte das Kid-Piraten-Duo auf die kleine Hexe, die ein schwarzes Gewand und eine gleichfarbige Zipfelmütze auf ihrem Kopf trug, hinter welcher einzelne weiße Strähnen ihres dünnen Haares herausragten. Ihre Haut zierte ein dunkler Grünton und auf ihrer knolligen Nase prangte eine einzelne Warze.   Der alterstrübe Blick ihrer schneeweißen Augen fiel auf ihre Besucher, während sich ein anzügliches Grinsen über ihre faltigen Wangen zog und ihre Zahnlücke, sowie den einzelnen Goldzahn enthüllte.   "Oh hoho~ Was haben wir denn hier?", pfiffen ihre violett geschminkten Lippen nahezu begeistert, sich dabei das junge Frischfleisch eingehend betrachtend. Währenddessen hob sie mehrmals ihre beiden Augenbrauen in einer deutlichen Geste und winkte ihre Gäste dann in ihre Behausung. "Tretet ein, meine Lieben, ihr werdet es nicht bereuen~..."   Unseren Helden blieb keine Wahl, als der Aufforderung der beinahe geifernden Hexe Folge zu leisten, schließlich ging es um das Wohl ihres Gefährten. Zeitgleich schritten Heat und Wire auf die Hütte zu, mit einem überaus unwohlen Gefühl in ihrer Magengegend.   "Pssst, Wire. Jetzt weiß ich auch, wo der gammelige Geruch hergekommen is'...", flüsterte der Rastaträger leise und konnte sich seinen Gedanken nicht verkneifen.   Die alte Hexe jedoch hörte seinen Kommentar und zog ihm einen Besen über seinen rastabeschmückten Kopf, während sie ihm Shachi regelrecht aus den Händen riss.   "Eine Frechheit!", erzürnte sich die selbsternannte Schönheit und trug den jungen Heart-Piraten unter seinem Rücken mit beiden ihrer schmalen Arme in ihre Hütte. Woher sie plötzlich diese Kraft hernahm, blieb den Kid-Piraten ein Rätsel. Ihnen war es zudem vollkommen gleich, da ihre Sorge um ihren Freund sie gleichermaßen in diesem Augenblick zerfraß.   Wire war es schließlich, der die Frage stellte, welche sie beide zurzeit am meisten beschäftigte.   "Was fehlt ihm?", folgte er schnellen Schrittes der vor sich hin schimpfenden Dame, die Shachi zu einer ausgebreiteten, braunen Wolldecke trug, auf welche sie ihn anschließend legte.     Die besorgten Kid-Piraten, die nun Links und Rechts neben der Hexe standen, sollten vorerst keine Antwort von ihr erhalten. Blitzschnell und routiniert fuhren die zittrigen und krummen Finger der grünhäutigen Heilerin über den krampfenden Körper Shachis, unter der strengen Beobachtung der ungeduldigen zwei Augenpaare. Das schmutzige Grinsen ihrer violetten Lippen, als sie die reine Haut des Jungen eingehend musterte, war wirklich nicht sehr vertrauenerweckend.   Heat kam nicht ohnehin sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er dort liegen würde und sich hätte abtasten lassen müssen, bei dem Gedanken schüttelte es ihn von Kopf bis Fuß.   Wire hingegen, verfolgte aufmerksam die geübten Handgriffe der Medizinerin, welche etwas von ihrem Fach zu verstehen schien. Im Anschluss warf er einen kurzen Blick über die spärlich eingerichtete Holzhütte.   Neben einigen vielen Kräutern, die an der Decke herunterhingen, stand ein großer, dunkler Kessel in der Mitte der Räumlichkeit, sowie ein zum Teil morsches Regal mit diversen, gefüllten Behältnissen. Dies bestätigte die leise Vermutung des Umhangträgers: Sie waren glücklicherweise zu einer Kräuterhexe gekommen, die ihre Chancen auf die Heilung ihres Kameraden immens erhöhte.   Gespannt warteten die Zwei nun auf eine Meinung der Hexe. Heat kratzte sich vor Nervosität wirr über seinen rechten Unterarm, während Wire mit seinen lackierten Nägeln unruhig auf seinem Oberschenkel trommelte. Die Nachricht war allerdings keine der guten Sorte, sondern eine regelrecht entmutigende.     "Ist euer Freund in den letzten Stunden von einem Insekt gestochen worden?", fragte sie die kleine Gestalt und blickte mit ihrem nachdenklichen Blick zu den beiden großgewachsenen Piraten hinauf. Ein stummes Nicken und geweitete Augen gaben ihr Bestätigung.   "Wie ich es mir gedacht habe... Ihr müsst wissen, dass der Stich eines Moor-Moskitos sich schnell im Körper ausbreitet und nach 24 Stunden mit dem Tod enden kann. Die Krankheit, die sie übertragen ist nicht ohne und der Junge hat sich vor nicht allzu langer Zeit angesteckt."   Sprachlos sahen die beiden Piraten die sprechende Hexe an, während der hinter ihr liegende Shachi mehrere Male angestrengt hustete. Ihre folgenden Worte wollte wirklich niemand der Zwei hören.   "Tut mir leid, aber ich kann nichts für ihn tun, solange ich nicht-", wurde die Heilerin plötzlich der Boden unter ihren Füßen weggerissen, als Heat sie ruckartig hochhob und aufgeregt schüttelte. Er konnte ihren Worten keinen Glauben schenken und wollte dies auch nicht, brachte jedoch selbst kein Wort aus seinem fassungslos geöffneten Mund.   "Hui Hui, immer langsam, Bürschchen!", erhob die Kräuterhexe abermals ihre kratzig-raue Stimme und zog reflexartig an einer von Heats blauen Rastalocken, um ihn davon abzubringen, ihr Schwindelgefühl weiter anzutreiben. "Hör' mir gefälligst zu und lass' mich ausreden!", mahnte sie ihn und wurde dann wieder von ihm heruntergelassen, woraufhin sie sich wieder zu dem kranken Shachi drehte.   "Ich brauche gewisse Zutaten, um einen Heiltrank zu brauen. Besorgt sie mir und ich kann dem Jungen höchstwahrscheinlich helfen... Gegen eine Bezahlung, versteht sich."   Das düstere Funkeln, welches sich kurz in den weißen Augen der Hexe breit machte, blieb nicht ungesehen, doch konnten Heat und Wire das Angebot nicht abschlagen.   "Alles klar! Ich's gehe!", beschloss Heat und ballte seine Faust, während Wire ihm zustimmend zunickte. "Tue dies. Ich werde hier bleiben."   Damit war ihr Vorhaben in Stein gemeißelt.   Die Hexe erklärte dann dem leicht vergesslichen Kid-Piraten von den benötigten Utensilien und deren Fundorte, welche sie sicherheitshalber auf einem Zettel notierte. Der Rastaträger vergeudete keine Zeit und machte sich augenblicklich auf den Weg.   Doch bevor er aus der Tür stürmen konnte, hielt ihn jedoch die Hand Wires auf, welche dieser sanft auf die Schulter seines besten Freundes gelegt hatte. "Verhungere ja nicht und wehe dir, wenn du trödelst.", waren seine leisen Abschiedsworte, deren versteckte Bedeutung Heat sehr wohl zu deuten wusste.   Ein selbstsicheres Grinsen riefen sie auf den Nähten übersäten Lippen hervor.   "Ich werd' dich nich' allein lassen, is' Ehrensache.", entgegnete der überzeugte Rastaträger seinem Gefährten. "Bis gleich, Kumpel."     Wire sah seinem besten Freund nach, bis dieser in dem Sumpfgebiet aus seinem Blickfeld verschwunden war, seufzte dann leise auf und drehte sich um. Langsamen Schrittes trat er daraufhin an die Decke heran, auf welcher der schwer atmende Shachi lag und setzte sich stumm neben seinen Kopf.   Der schmerzverzerrte Anblick und die quälenden Atemgeräusche seines leidenden Freundes waren für den Kid-Piraten schier unerträglich. Doch blieb er an seiner Seite, ganz egal wie sehr er mit sich selbst und seinen Ängsten der Hilflosigkeit kämpfte.   Das war er Shachi einfach schuldig, entweder schafften sie es alle drei lebendig aus ihrem Abenteuer oder niemand. Keiner ihrer Kameraden wurde zurückgelassen, dies war eine eiserne Regel unter ehrenhaften Piraten.     Unsere Helden wollten Shachi um jeden Preis der Welt retten. An die Hoffnung des Erfolges klammerten sie sich bis zum Schluss.   Jedoch ahnten sie nicht, dass Heat im Begriff war, die erste Stufe ihrer Prüfung anzusteuern... Und das im Alleingang, vollkommen auf sich selbst gestellt, ohne seine beiden Begleiter an seiner Seite.   Nun konnte der Kid-Pirat beweisen, was in ihm steckte.           ~*Heats Sicht*~       Ich Blödmann hab' den Spicker von der ollen schrumpel Schabracke vergess'n..., dachte ich mir tief seufzend und stiefelte weiter geradeaus, durch den muffigen Sumpf. Währenddessen murrte ich unzufrieden vor mich hin, weil ich beim Laufen mit meinen Latschen in den Gülle-Pfützen stecken blieb. Für `Chi´ setz' ich Himmel und Hölle in Bewegung! Ich werd's auch ohne diesen scheiß Rotz-Zettel schaffen!   Das, was ich mir gerade noch so gemerkt hatte, waren die drei Worte, die neben der Wegbeschreibung auf dem Papier waren, also standen meine Chancen echt nicht so schlecht. An die Zutaten `Blondinen-Pilz´, `Lollita-Kröte´ und `violette Schlangenschuppe´ erinnerte ich mich und brauchte nur etwas Glück, um die Sachen auch zu finden.   Mal ehrlich jetz', das Erste is' echt nich' schwer zu erraten..., zog ich meine Mundwinkel zu einem Grinsen, als ich in die Hocke ging und den buschigen, gelben Pilz pflückte, der hier in Massen auf dem Boden wucherte. Der pelzige Pömpel sieht aus, wie Killer, ich schwör's!   ...Och nö, jetzt muss ich wieder an ihn und den Boss denken...   Schnell steckte ich den Pilz in meine weite Ballonhose, in der ich echt alles bunkern konnte und brauchte ihn so nicht mehr zu sehen. Das blöde Teil hatte meine Laune nur weiter gesenkt, als ob's nicht schon schlimm genug war, dass es Shachi nicht gut ging, da brauchte ich nicht noch 'n Stimmungsversenker.   Ich kapierte ja nicht einmal, was ihm fehlte, was auch nicht wichtig war, solange er schnell wieder gesund wurde. Deswegen durfte ich mich von nichts und niemandem auf meiner Rettungsmission ablenken lassen. Nicht einmal von meinem jaulenden Magen, der wieder Faxen machen musste.   "Später, Großer...", beruhigte ich mein knurrendes Fressbrett und strich mit meiner flachen Hand kreisend über meinen Bauch, dem ich einen flüchtigen Blick zuwarf. Daraufhin atmete ich einmal tief durch und machte mich dann auf die Suche nach der quakenden Schleimschleuder.     Hier, in dem Matsch-Gebiet, gab es auch echt eine ganze Menge an verschiedenen Quaksalbern, die die unterschiedlichsten Farben und Formen hatten.   Zu meiner Rechten sprangen einige rotfarbene Frösche herum, die gerade mal so groß waren, wie ein Pommes. Auf dem Boden saßen die grünen Faulquappen, die vor sich hin gammelten und deren Aussehen mich an Wires Viehfutter mit dem komischen Namen `Rosenkohl´ erinnerte.   Links von mir waren die orange-braun gepunkteten Kröten, die auf den Ästen der Trauerbäume auf ihrem Sitzfleisch hockten und mich dämlich angafften. Was mir so gar nicht in den Kram passte, das Glotzen stank mir gewaltig.   Bevor ich den affigen Schleimbeulen meine Meinung geigen konnte, wurde ich jedoch von einem hohen und lauten Quaken unterbrochen. Meine Faust noch geballt und in Richtung der Gaffer-Frösche haltend, drehte ich meinen Kopf sofort nach Rechts, wo das Geräusch herkam.   Ey ne, oder..?, blinzelte ich mehrmals und schaute in das arrogante Gesicht der Kröte, die spottend und hämisch grinsend wenige Meter vor mir saß.   Ihr Gänsebraten-großer Körper war schwarz, doch von ihrem Bauch ab weiß. Das wellige Muster ließ den hellen Ton wie ein Mini-Rock aussehen, den das Tier trug. Ihre knall-pinken Augen sahen mich direkt an, so, als ob sie mich herausfordern wollte.   Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass es genau der Frosch war, den ich gesucht hatte. Keinen Atemzug später reagierte ich und stürzte mit ausgestreckten Armen auf die fies grinsende Schwabbelbacke zu.   Im selben Augenblick hob die Lollita-Kröte ihren Kopf an, sah mit ihrem Blick regelrecht auf mich herab und gab dann einen lautstarken Quak-Ruf von sich, blieb dabei aber seelenruhig auf ihren Froschschenkeln hocken.   Das war wohl das Signal, mit dem sie ihre Schleimbolzen-Kumpels alarmierte, die plötzlich in einer Vielzahl von allen Seiten in meine Richtung sprangen. Selbst die faulen Gammler bewegten ihre froschigen Ärsche auf mich zu.   Heute gibt's Froschrague und zwar knusprig kross gebraten..., breitete sich ein hungriges Grinsen auf meinen Nähten übersäten Lippen aus, während ich stehen blieb und tief Luft holte. In meinen Augen zeichnete sich ein gieriges Funkeln ab, während ich mit meinem Blick die springenden, bunten Snacks verfolgte. Auf in den Mampf-Kampf! Euch Nuggets werd' ich's zeigen!   Ein großes Flammenmeer stieß ich aus meinem Mund hervor, das alles in meiner Umgebung abfackelte. Sträucher, Bäume und- Nope, die Froschschenkel hatte es nicht gebraten. Denn die retteten ihren Kragen, in dem sie in letzter Sekunde ihren Arsch mit einem reflexartigen Sprung aus meinem Blickfeld schoben.   Sogar das zuvor noch grinsende Lolli-Vieh war nun auf der Flucht, doch konnte es einem hungrigen Kid-Piraten nicht entkommen. Die schwarz-weiße Kröte hatte keine Chance, als ich sie mit einer meiner Schnüre, die ich zu einem Lasso umbaute, einfing und daraufhin mit einem kräftigen Ruck zu mir zog.   Vor Schreck fiel der Frosch Tod um... Obwohl, nope, er wurde doch nur in meiner Hand ohnmächtig und fiel in eine lange Totenstarre, sodass ich ihn problemlos in meine Hose stecken, und mitnehmen konnte. Falls er dennoch irgendwann aufwachen sollte, war ich am Arsch, aber sowas von.     Und so machte ich mich wieder auf den Weg, damit ich bald zurück zu den anderen gehen konnte. Mir fehlte ja nur noch ein Teil, dann hatte ich den Krempel zusammen.   Der letzte Punkt auf meiner gedanklichen Strichliste war die Schuppe einer Schlange, aber auch diese Sache hatte einen Haken: Ich hab' gar keine Ahnung, wo ich die finden soll...   Mit mehr Glück, als Verstand entdeckte ich dann die große Schleifspur, die sich zwischen den Tümpeln durch das ganze Moorland zog. Die Spur war so breit, wie unser Schiff und das Kriechvieh, zu dem sie gehörte demnach alles andere, als winzig. Tierspuren konnte ich eigentlich ganz gut lesen und auch am Geruch erkennen...   Und das is' auf jeden Fall die Schleimspur eines monströsen Schwengels, der seinen Arsch quer durch die Landschaft gezogen hat, darauf würd' ich mein letztes Schinkensandwich verwetten...   "Wart's nur, dich krieg' ich.", sprach ich zu mir selbst, pustete eine meiner blauen Rastalocken aus meinem Gesicht und stiefelte los, immer der Spur, sowie meinem Riecher nach.   Ein Wurm hält mich nich' davon ab, meinem Kumpel zu helfen...   Und solange Wire bei ihm is', wird's Shachi gut gehen...   ...Da bin ich's mir sicher... Absolut...           ~*Wires Sicht*~       Klammernd krallte ich meine Nägel in das benässte Tuch, stützte meine andere Hand neben Shachis Kopf ab, mich über ihn beugend, und tupfte die einzelnen Schweißperlen von seiner Stirn. Ich wollte ihm dabei nicht in sein Gesicht sehen, konnte es einfach nicht über mein Herz bringen, den leidenden Jungen anzublicken.   Er muss fürchterliche Schmerzen haben..., quälte mich allein der Gedanke an das, was er in diesem Augenblick durchmachen musste und bohrte sich tief in meine Brust, sowie es meine Nägel taten, die sich in meine Handflächen krallten.   Mein Kopf war von Shachi weggedreht, mein Dreizack an der Wand neben seinem Platz gelehnt und der Eimer mit dem kalten Wasser stand zwischen ihm und mir. Ich brauchte diese geringe Distanz, diese blecherne Mauer hinter der ich mein verletzliches Selbst verstecken konnte... Und trotzdem brachte mir die schäbige Barrikade nicht den Schutz und die Sicherheit, die ich mir wünschte.   Ich bin ihm so nah und fühle mich gleichzeitig so verflucht weit von ihm weg...   Warum habe ich nicht besser auf ihn aufgepasst?!, knurrte ich leise auf und biss mir kräftig in meine Unterlippe, während ich das Tuch zornig in den gefüllten Eimer pfefferte.   Meine geschlossenen Augen zögerlich öffnend, drehte ich meinen Kopf langsam zu Shachis liegender Figur. Mit größter Überwindung traute ich mich schließlich, ihm in seine Gesichtszüge zu sehen.   Wenn, dann leiden wir gemeinsam, mein treuer Freund...   Mir blieb der Atem stehen, als ich flüchtig zu ihm blickte und sich der quälende Anblick seiner zitternd-verzerrten Mimik, die sonst so viel Lebensfreude ausstrahlte, schmerzlich in mein Gedächtnis brannte. Zeitgleich wurde mir bewusst, wie nah ich den Heart-Piraten eigentlich an mich herangelassen hatte... und ich bereute es keine einzige Sekunde.   "Es tut mir leid, Shachi...", entgegnete ich seiner bewusstlosen Figur wispernd und hob zögernd meine zittrige Hand, mit der ich ihm eine seiner orangenen Haarsträhnen von seiner Stirn strich. Es kostete mich viel Überwindung dies zu tun, ihn anzufassen, doch war mein Wille stärker, als das unwohle Kribbeln meiner kalt-schwitzigen Finger.   "Du schaffst es.", redete ich sanft weiter, meine Stimme ruhig und vorsichtig, "Kämpfe, Shachi. Hörst du? Du musst kämpfen... für uns alle."   Zum Ende hin wurde ich immer leiser und leiser, bis ich schließlich in Begleitung eines schweren Seufzens verstummte.     Erst dann fiel mir auf, dass ich nicht allein war. Knurrend räusperte ich mich und schaute missgestimmt über meine Schulter zu der Kräuterhexe, die auf einem Hocker saß, in meine Richtung gedreht. Dabei ließ sie ihre Beine locker über dem Stuhlrand baumeln.   Jedoch sah sie mich nicht an, sondern die von Efeuranken überwucherte Wandverkleidung hinter Shachi und mir. Sie schien nachzudenken und wirkte abwesend, deswegen redete ich mir ein, dass sie mich nicht gehört haben konnte.   Die folgenden Momente der drückenden Stille wurden lediglich von Shachis schwerem Atmen untermalt, dessen reißendes Geräusch meine eigene Kehle zuschnürte.   So kann es nicht weitergehen... Ich drehe noch durch, wenn ich nichts-     "Möchtest du ihn brauen, Bursche?", unterbrach mich die gedämpfte und ruhige Stimme der Hexe, die meinen fragenden Blick mit ihrem ernsten eigenen kreuzte. "Wie meinen?", hakte ich ungläubig nach und zog eine meiner Augenbrauen nach oben, während sie von ihrem Hocker heruntersprang, langsam auf mich zugehend.   Einige Meter vor mir blieb die miniatur Zwergdiva dann stehen, "Die da...", zeigte sie mit einem Hand-schwenken auf die gefüllten Flaschen meiner Mixturen, die ich an meinem Gürtel trug. "...Du kennst dich in der Kunst des Brauens aus, nicht wahr?"   Plötzlich realisierte ich, was die faltige Diva von mir wollte und zog meine Mundwinkel zu einem selbst überzeugten Schmunzeln.   "Tch, natürlich tue ich dies.", entgegnete ich ihr nun, ein leicht vorwurfsvoller Ton meine Stimme begleitend, während ich mich von meiner sitzenden Position erhob. "Gib' mir das Rezept und ich werde den Trank unverzüglich herstellen."   Auffordernd hielt ich ihr meine offene Hand hin, darauf wartend, dass sie meiner Anweisung nachging. Was das Plundergesicht dann auch tat und eilig etwas auf ein Stück Papier schrieb, bevor ich ihr diesen grob aus den Fingern riss.     Die Prozedur eines solchen Herstellungsprozesses nahm einiges an Zeit in Anspruch. Anstatt tatenlos zu warten bis Heat wiederkam, konnte ich die heilende Mixtur soweit vorbereiten, dass ich letztlich nur die drei fehlenden Zutaten hinzufügen musste. Für mich war dies die perfekte Ablenkung, die ich dringend brauchte.   Sicheren Schrittes ging ich nun auf den großen Kessel zu, der in der Mitte der Hütte aufgestellt war, entzündete mit einem Streichholz die darunter liegenden Holzscheite und nahm mir dann eine der flüssigen Tinkturen, die auf einem schmalen Wandregal aufgereiht standen.   Die Flüssigkeit der bauchigen, durchsichtigen Flasche schüttete ich in den Kessel, ihre Farbe war ein seichtes Blau, zu welchem sich anschließend eine dunkelrote Flüssigkeit dazu mischte. Zusammen ergaben sie einen magentafarbenen Ton.   Nach und nach füllte sich so das schwarze Behältnis mit den verschiedensten Farbtönen, wenige Augenblicke später begann das Gebräu zu sieden und gab dabei einen leichten Dampf ab.   Ich war vollends in meinem Element, ließ mich von nichts ablenken und folgte dem Rezept von Shachis Heilmixtur. Wie eine Koryphäe stolzierte ich grazil um den köchelnden Kessel umher, schnappte mir mit einer geübten Handbewegung hin und wieder die benötigte Zutat und ließ meine interessierten und hochkonzentrierten Augen auf meinem Werk ruhen.   Letztlich nahm ich mir meinen Dreizack zur Hand und rührte die gräuliche Mixtur mehrere Male geschickt um, sodass sich ein kleiner Strudel in dessen Mitte bildete. Die entstehende Spirale hypnotisierte mich kurzzeitig und zog mich mit ihrem Antlitz in ihren Bann. Ein dunkler Hauch von Wahnsinn spiegelte sich zeitgleich in meinen dunkelbraunen Augen wider, deren Farbe beinahe in einen Schwarzton überging.     Nachdem mein innerer Perfektionist zufrieden gestellt war und mein Bauchgefühl mir sagte, dass ich mein Meisterwerk vollendet hatte, betrachtete ich mir meine Glanzleistung mit einem Schmunzeln auf den Lippen.   Ich habe mich wahrlich selbst übertroffen..., lobte ich mich selbst und erhob mein Haupt, um der Heilerin einen eingebildeten und selbst überzeugten Blick zuzuwerfen.   Der alte Besen stellte sich neben mich auf die hölzerne Leiter, die an dem Kessel stand, legte ihre faltige Hand an ihr verdoppeltes Kinn und nahm mein Herzstück genauestens unter die Lupe.   Tch, wenn die Gewitterziege was zu meckern hat, kann sie dies gefälligst für sich behalten...   Niemand möchte ihren Nonsens hören, vor allem nicht meine geschätzte Wenigkeit...   Mit einem zustimmenden und anerkennenden Nicken wandte sie sich daraufhin zu mir, ihre spröden, violetten Lippen dabei weit nach oben ziehend.   "Nicht schlecht, junger Mann.", entgegnete sie mir, klopfte mir unsanft auf die Kapuze meines teuren Umhanges und sprang dann wieder von der Treppe herunter. "Wollen wir hoffen, dass euer Freund seine Reise überlebt... Wäre schade um den knackigen Hintern."   Ihren letzten Satz hatte ich geflissentlich überhört, so etwas brauchten sich meine zarten Ohren nicht anzutun. Zudem waren ihre Worte nichts, als Banalitäten, lediglich Unwahrheiten, denen ich kein Gehör schenkte.   Heat ist zäh, wie alter Kaugummi und mindestens genauso harzig..., dachte ich mir und zog einen meiner Mundwinkel nach oben, während ich mich abermals neben den mittlerweile schlafenden Shachi nieder ließ.   Er ist ein Kid-Piraten Mitglied, ihn bekommt so schnell niemand klein...   Trotz dessen: Gnade dir Gott, wenn du mich noch lange warten lässt, Brüderchen...       ~*Heats ♪ Sicht*~       "Scheiße is' das Vieh mega-", drückte ich mir schnell meine Wurstgriffel auf meine Fressleiste, "...Boaa...", beendete ich meine Worte flüsternd und glotzte mit meinen tellergroßen Augen den Monsterwurm an, vor dem ich stand. Er pennte und schnarchte. ...Sogar lauter, als der stockbesoffene Wire...   Die Spur der Schlange hatte mich in diese stinkende Höhle geführt, von deren Decke es regnete. Mehr als nur einmal war mir einer dieser arschkalten Tropfen in den Nacken gerutscht, meinen Rücken 'runtergelaufen und dann in meiner Kimme gelandet.   Der Schwanz von dem ausgeleierten riesen Wurm, den ich wegen seines dicken Ranzens `Willi´ nannte, konnte ich schon vom Eingang der Höhle aus sehen. Die Schlange hatte sich komplett ausgebreitet und ihren öligen Körper quer durch die verwinkelten, langen Gänge der Grotte gezogen.   Die hellviolette Schuppe, die mein letzter Punkt auf der Liste war, hatte ich längst von ihrem Arsch gekratzt, doch war ich einfach zu neugierig und wollte wissen, wie das Teil von Vorne aussah. Nur kurz gucken, dauert auch keine Minute.   Deswegen folgte ich dem schlängelnden Körper, dessen Farbe ein greller Weißton war, einige einzelne Schuppen waren violett und sahen auf den ersten Blick aus, wie winzige Seerosenblätter.   Jedenfalls gelangte ich nach einem endlosen Fußmarsch zu dem Kopf des Wurms. Oder besser gesagt: Zu den drei Matschbirnen. Das Teil war 'ne echte Hydra.   Der Monster-Willi war also ein Drillings-Willi und genau dieses dreiköpfige Biest starrte ich mit offenem Mund an. Mir hatte es die Maulklappe verschlagen, aus der selben presste sich sogar eine leichte Feuerschwade der Fassungslosigkeit 'raus.   Donnerwetter! Ich hätt' 'ne Foto-Schnecke mitnehmen soll'n, dann hätt' ich das Teil Shachi zeigen können..., dachte ich mir, zog meine Augenbrauen nachdenklich zusammen und ging dann unruhig vor den drei Burritos auf und ab, meinen Blick dabei Richtung Boden senkend. Kann ich das Ding vielleicht an 'ner Leine mitnehmen?   Irgendwie muss ich's aus dem Loch hier kriegen...   Ich will's ihm zeigen, er wird sich hundert pro 'drüber freuen!     Ohne groß 'drüber zu grübeln, was nach 'ner knappen Minute echt anstrengend wurde, packte ich mir einen der Matschbirnen, umarmte den schlafenden Kopf mit beiden Armen und zerrte keine Sekunde später kräftig an ihm.   Ich wollte das Teil hier 'rausschaffen und Shachi zeigen - vielleicht bringt es ihn ja zum Lächeln - dafür war ich bereit, über Leichen zu schlurfen.   "Komm' schon!", knurrte ich unzufrieden, als die schwere Speckmade sich nicht rühren wollte und schnaufte frustriert. "Muss ich dir erst in den Arsch treten, oder was?"   Gesagt, getan. Wenn Ziehen nix half, musst' ich halt Drücken.   So presste ich mit beiden Händen murrend gegen die glitschig-raue Oberfläche des linken Halses. Als es sich dann immer noch nicht bewegen wollte, hatte ich die Faxen dicke und trat mit voller Wucht gegen den mittleren Brummschädel.   "Scheiß Mistvieh, beweg's dich endlich!", fluchte ich brüllend und verzog meine Lippen zu einem breiten Grinsen, als es sich dann endlich rührte.   Jedoch sackten meine Nähten übersäten Mundwinkel kurz darauf schnell wieder nach unten. So schnell konnst'e echt nich' gucken.   Oh Shit!, ging es mir durch meine Birne, während sich meine Augen weiteten, Jetz' is' er ja wach....   Zeitgleich erhoben sich die drei Köpfe der Schlange und visierten mich allesamt intensiv an, weswegen ich schwer schluckte.   Nicht dein Ernst jetzt?! ... Nix wie weg, meinen Hinterschinken retten!   Im Nachhinein war ich echt schlauer und bemerkte meinen Ausrutscher.   Aber erst dann, als mir der schlecht gelaunte riesen Willi am Arsch klebte, der mich durch das halbe Sumpfgebiet jagte.     Mit ausgestreckten Armen preschte ich durch das tümpelige Gebiet, an Sträuchern und Moorbäumen vorbei, erkannte einige angebissene Pilzstiele wieder, die ich auf dem Hinweg gemampft hatte und folgte diesen zurück, in Richtung der Hütte des Schrumpfgnoms.   Die Zutaten hatte ich schließlich alle, nur den zischenden Wurm musste ich irgendwie abhängen.   "Zisch' ab! Zurück in deine Hundehütte!", rief ich während dem Rennen über meine Schulter, zu der Knatter-Natter, die ganz weit hinter- ...scheiße nah hinter mir war.   Ich drehte meinen Kopf schnell wieder nach Vorne, gab Gummi und ließ die Sohlen quietschen. Nein ehrlich, meine Käseklotzen gaben ein pausenloses Quietschen von sich, als ich über die schlammigen Plörre-Pfützen drüber 'rutschte.   Die waren auch mega klebrig und schmierig, das war echt nich' mehr lustig.   ...Und als ich dann auch noch auf einem dieser Dreckslöcher ausrutschte und auf meinen Heckbacken landete, hatte ich keinen Bock mehr auf den ganzen Zirkus.     Wütend starrte ich das Mistvieh an, das sich vor mir aufbaute und seine Hälse von drei Seiten zu mir reckte. Ich lag auf dem Boden, meine Beine ausgestreckt, und hielt mich auf meinen Armen gestützt aufrecht, den funkelnden Blick seiner drei verschiedenfarbigen Augenpaare mit meinem pissigen eigenen erwidernd.   Sekunden gafften wir uns stumm an, das leise Zischen der Schlange die angespannte Stille füllend, während ich auf ihren Angriff wartete.   Komm's nur... Dir zeig' ich, wo der Hammer hängt!   Es dauerte auch nicht lange, bis alle drei Mäuler sich zeitgleich öffneten, die spitzen Zähne zeigend und die drei Schlangenköpfe sich hoch in den Himmel streckten.   Blitzschnell rasten die Schlunde dann auf mich zu, wollten mich in Stücke reißen und zu ihrem Snack machen. Das war mein Stichwort.   Ich wuchtete mich nach Links, rollte mich ab und drehte mich kniend in Richtung der drei Mäuler, die ins Leere gebissen hatten. Gleichzeitig streckte ich meinen linken Arm in ihre Richtung.   "Dir verpass' ich 'nen Maulkorb.", grinste ich und ließ meine Schnüre nach Vorne schnellen, die sich im nächsten Moment mehrmals um ihre Kauleisten wickelten. "Im Angeln bin ich's Profi."   ...Würmer gehören halt an 'ne Schnur...     Klar gab der Wurm sich nicht so leicht geschlagen, versuchte aufzumucken und auf mich zuzukriechen, doch waren meine klammernden Fäden schneller, sodass ich ihn kurz darauf zum Schoßhund verarbeitet hatte. Einen Ganzkörper-Maulkorb hatte ich dem Wau-Wau verpasst, betrachtete grinsend das zusammengerollte Würstchen und ging dann auf einen der Köpfe zu.   "So ist's brav, Kleiner.", klopfte ich ihm zweimal auf jeden Kopf, drehte mich mit der Leine in der linken Hand um und sah dann aus der Ferne die Hütte der Hexe. "Du wartest hier, klar?", sprach ich dem winselnden Wurm zu und band ihn schließlich an einen der Bäume.   Bevor ich mich breit grinsend auf den Weg zu den anderen machte.   Wart's nur Shachi, gleich wirst'e wieder fit werden!   Ich bin's sofort bei dir und dann zeig' ich dir meinen W-!   ...Hund...       ~*~       Nachdem unsere drei Helden wieder vereint waren, konnte Wire den Trank für ihren kranken Freund brauen, der Shachi das Leben retten sollte.   Bangend und hoffend füllte der Umhangträger die gläserne Flasche mit seiner fertigen, violetten Mixtur, die letztlich die Farbe der Schlangenschuppe annahm, nachdem er diese als letzte Zutat in den Kessel getan hatte.   Das gefüllte Behältnis der lauwarmen Flüssigkeit trug er dann zu dem bewusstlosen Jungen, kniete sich neben Heat, der Shachi nicht aus seinen Augen ließ und verabreichte dem Patienten die Medizin über seine leicht geöffneten Lippen.   Dafür stützte er den Heart-Piraten mit einem seiner Arme in dessen Rücken ein Stück weit nach oben, damit Shachi sich nicht verschluckte. Es brauchte mehrere Anläufe, bis der Junge einige Tropfen der violetten Mixtur trank, doch schließlich konnten die beiden Kid-Piraten aufatmen, vorerst.   Nun mussten sie nur noch abwarten und hoffen, dass der Trank seine Wirkung entfaltete.   "Darf ich den Männern einen Tee anbieten~?", sprach die grünhäutige Heilerin die beiden Wartenden an und hielt ihnen ein Tablett mit zwei dampfenden Tonbechern hin. "Er ist frisch zubereitet, bedient euch ruhig."   Heat nahm die willkommene Ablenkung mit einem dankenden Nicken an, nach seinem Sprint durch das Moorland hatte er diese bitter nötig. Wire hingegen, warf dem qualmenden Gefäß einen skeptischen Blick zu.   "Woraus besteht er?", fragte er misstrauisch nach und hob eine seiner Augenbrauen, während der neben ihm sitzende Rastaträger den Becher mit einem Zug leerte.   Das heimtückische Schmunzeln der Zwergengestalt war es, was Wires leise Vermutung bestätigte.   "Soll ich dir die Zutaten verraten?", wurde ihr Ton herausfordernd, während sie ihre geschminkten Lippen weiter nach oben zog.   Der Umhangträger rollte zwischenzeitlich mit seinen Augen und nickte ihr missgestimmt zu, dabei forderte er sie mit einer nachdrücklichen Handbewegung zum Weitersprechen auf. "Nun gut, dann will ich mal nicht so sein... Die Hauptzutat ist-"   "Hochprozentiger Kräuterschnaps!", beendete der leicht beschwipste Heat ihre Frage, dabei griff er sich den zweiten Becher. "Das Zeug knallt besser, als unsre Kanonen. Zum Wohl!", rief er erheitert und hob das Gefäß hoch in die Luft.   Bevor seine Augen wieder zu dem Heart-Piraten schweiften. "Willst'e auch was, Shachi?"   Heat erhielt ein schwaches Schmunzeln als Antwort, von dem müden Shachi, der wegen des Lärms seines Freundes vor wenigen Sekunden seine Augen geöffnet hatte.   "Peng sagt, ich soll nicht so viel trinken...", entgegnete die dünne Stimme des Kranken seinem breit grinsenden Freund. Dann drehte er seinen schweren Kopf langsam in Richtung Wire, der ihn geschockt und zugleich vollends erleichtert anblickte.   So schnell hatte der Kid-Pirat wirklich nicht mit einer Besserung gerechnet und wirkte deswegen wie erstarrt. Er war vollkommen außer Fassung.   Shachis nächsten Worte waren einzig und allein an ihn gerichtet, sie waren ihm unheimlich wichtig. Dabei formten seine Lippen ein schwaches Lächeln, welches von Herzen kam.   "Vielen Dank, Wire. Du hast mich nicht allein gelassen... Du bist der Beste."     Aufrichtig und unfehlbar klang das Kompliment, welches Wires kalte Fassade zum Schmelzen brachte. Der distanzierte und gefühlsablehnende Kid-Pirat konnte nichts anderes tun, als es anzunehmen.   Doch löste es zeitgleich eine Welle an Empfindungen in ihm aus, mit denen er nicht umzugehen wusste. Ihm fehlten die Worte, stumm blickte er in die schwachen, goldbraunen Augen des Jungen und erkannte in ihnen den winzigen Funken, den er in ihnen vermisst hatte.   Wire brauchte nicht zu sprechen. Er drückte seine Gefühle gänzlich anders aus: Mit einer ehrlichen Umarmung, die er Shachi ohne jegliche Zurückhaltung schenkte.     Natürlich war der Heart-Pirat längst nicht vollständig genesen, weswegen das Trio sich noch eine Zeit lang in der Hütte der Hexe aufhalten musste. Solange, bis Shachi gesund war und sie ihre Reise fortführen konnten.   Ein langer Moment der angenehmen Stille kehrte zwischen ihnen ein, in der Heat sich weiter über das Spezialgebräu der Kräuterhexe hermachte und Shachi abermals schlief, die Röte auf seinem Gesicht schien währenddessen allmählich zu verschwinden.   Wire hing stumm seinen Gedanken über den heutigen Tag nach, jedoch fielen seine Augen durch puren Zufall auf die goldene Brosche, die er noch immer um seinen Hals trug.   Auch die Dame des Hauses entdeckte das herzförmige Schmuckstück, während sich in ihren schneeweißen Augen ein überraschter und zugleich wissender Ausdruck widerspiegelte.   "Wenn du den kleinen Klunker suchst...", begann sie, ihre Stimme dunkel und unheilvoll, dabei zog sie den Kragen ihres schwarzen Gewandes mit zwei ihrer Fingerspitzen etwas nach unten. "Musst du ihn dir nur holen~."   Pures Entsetzen, begleitet von einem angewiderten Schaudern zeichnete sich in Wires Mimik ab, ehe er hektisch seinen besten Freund an der Schulter antippte.   "Ich brauche schnell einen deiner Fäden.", wisperte er dem Rastaträger leise in dessen Ohr, doch sollte ihm dieser kein Gehör schenken.   Mit einem gemeinen Grinsen antwortete Heat nach einer langen Pause: "Ich dacht's du brauchst ihn nicht... Hast'e vorhin doch selbst gesagt, nich'?"   Wire schluckte schwer, riskierte einen letzten Blick in das Dekolletee, in welchem sich der grünlich schimmernde Edelstein befand und schloss dann tief seufzend seine Augen.   "Womit habe ich dies nur verdient...", fragte er sich selbst, biss in den sauren Apfel und streckte im nächsten Moment seine lackierten Finger in Richtung seines schlimmsten Alptraumes.   Doch hatte sich die Hexe nur einen Spaß mit ihm gegönnt, "Behalte deine Finger schön bei dir, du Perversling.", entgegnete sie ihm fies schmunzelnd und warf ihm dann das Juwel zu, welches der selbstverliebte Kid-Pirat auffing.   "Das blauhaarige Schnuckelchen ist um einiges ansehnlicher, als du. Schon einmal in den Spiegel geschaut? Du bekommst ja schon graue Haare..."   Und damit unterschrieb die Hexe schließlich ihr Todesurteil.   Was danach geschah, war abzusehen. Wire, außer sich vor Empörung, scheuchte die rüstige Diva mit seinem Dreizack von Dannen. Sie flog mit einem ihrer Besen hämisch lachend in Richtung Sichelmond, der sich in der klaren Nacht am Himmel abzeichnete.   So konnten die Piraten sich zudem vor der Bezahlung drücken, welche die Hexe zuvor von ihnen verlangt hatte. Letztlich machte es sich das Trio in ihrer Hütte gemütlich und genoss die Ruhe, bis zu ihrem nächsten Abenteuer.     Es war wahrlich eine etwas andere Prüfung, die unsere Helden erfolgreich absolvierten und doch warteten noch drei weitere auf sie.   Hinter dem nächsten Portal sollten sie eine Überraschung erleben, mit der sie nicht gerechnet hatten. Dort trafen sie einige alte Bekannte wieder, deren Gesichter sie nicht wiederzuerkennen vermochten.     Um genau zu sein, waren es zwei Personen, die sie dort antreffen sollten:   Einer von ihnen trug feuerrotes Haar, der Andere eine gefleckte Plüschmütze.   Allerdings konnte der Schein ja bekanntlich trügen...       Kapitel 3: Das Herz ist der Ort, an dem Krieger geboren werden -------------------------------------------------------------- Die Uhr des Lebens stand niemals still. Die feinen Sandkörner einzelner Erinnerungen fielen im stetigen Takt, Sekunde um Sekunde, in das Sammelbecken des Geistes und zählten zeitgleich die verbleibenden Augenblicke herunter, die einem Dasein bis zu seinem Ende blieben.   Jedes Leben war kostbar, einzigartig und unersetzlich. Doch barg es ebenso seine Schattenseiten. Ein jeder Charakter besaß Wesenszüge, welche neben seinen positiven Eigenschaften hervorstachen und in dunklen Stunden ans Tageslicht gelangten.   Attribute wie Neid, Hass und Missgunst zogen eine einzelne Existenz in die Dunkelheit und verschlangen dessen aufrichtiges Wesen. Nach und nach befleckten die dunklen Teertropfen das weiße Tuch der Seele, ehe diese getränkt in Kummer, Leid und Elend darin ertrank. Pechschwarz war die Farbe eines verlorenen Charakters.   Auch unsere drei Helden besaßen vereinzelte Makel, welche ein einzelnes Augenpaar auf den ersten Blick nicht zu erkennen vermochte. Ein jeder trug sie in sich, vollkommen unbewusst eignete man sie sich an.   Selbst die unbedeutendste Lüge oder ein unbedacht ausgesprochenes Wort konnte spätere Folgen haben, die einem bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen waren. Durch eine einzige Unwahrheit schuf man mit jeder weiteren ein Spinnennetz, in dessen Fäden man sich selbst immer weiter fesselte, bis sie einem die Luft nahmen.   Wieso log man? Welcher Grund bewegte einen dazu? War eine Lüge mit persönlicher Begründung wirklich entschuldbar?   Diese Fragen sollte sich der sonst so ehrliche Heart-Pirat auf ihrer Reise stellen, sowie er sich seinem größten Schwachpunkt stellen wird.     Doch zuvor mussten unsere Helden durch die nächste Pforte schreiten. In den Farben Gold und Silber war das ovalförmige Portal gespalten, welches sich vor ihnen aufbaute, nachdem Wire den grünen Edelstein in der Verankerung der Brosche eingesetzt hatte.   Der Umhangträger stand allein vor dem Tor, auf seine beiden Begleiter wartend, und ließ derweil einige Geheimrezepte der Hexe mitgehen. Die Wartezeit nutzte er damit, einige Tränke für ihre weitere Reise herzustellen.   Heat zeigte indessen dem genesenen Shachi sein neues Haustier, welches der tierliebende Junge augenblicklich in sein Herz schloss.   Ohne zu zögern kletterte der Heart-Pirat auf die schneeweiß-violette Hydra, die in ihrer verschnürten Form in etwa die Größe eines Sportfeldes misste, und trug dabei ein strahlendes Grinsen auf seinen Lippen. Letztlich hatte Heat damit sein Ziel erreicht und seinen Freund zum Lächeln gebracht.   Tiere reagierten von Natur aus ruhig und entgegenkommend auf das sanfte Gemüt des lebhaften Piraten, welcher sich schnell mit der gigantischen Sumpfschlange anfreundete. Als der Rastaträger sein Haustier von seinen Schnüren befreite und ihm die Freiheit schenkte, kam Shachi auf die Idee, einen großen Stock zu werfen, welchen das dreiköpfige Wesen ihm mehrere Male wiederbrachte.   Irgendwann musste das Duo sich jedoch von ihrem tierischen Freund verabschieden und ihre Reise fortführen. Während Shachi zum Abschied von den drei Schlangenzungen freudig abgeleckt wurde, biss das nachtragende Tier seinem blauhaarigen Besitzer in eine äußerst schmerzliche Stelle. Die Viper war keinesfalls giftig, auch steckte sie nicht all ihre Kieferkraft in den Racheakt. Es gab ihr lediglich eine Genugtuung, den Rastaträger aufjaulend flüchten zu sehen.   Gehässig grinsend sah die Hydra ihm nach, alle drei Mäuler zu einem zufriedenen Ausdruck verziehend, und schlängelte dann schließlich von dannen, um sich zurück in ihre Höhle zu begeben.     So versammelte sich das Trio abermals in der Hütte der Hexe, atmete ein letztes Mal ein und aus, und trat dann durch die Pforte, die sie zu ihrer nächsten Prüfung brachte.   Gold und Silber erwartete sie auf der anderen Seite. Doch waren es keine Reichtümer, sondern Seelenspiegel, an deren zwiespältigen Abbildern sie sich bitter verbrennen sollten.     Was bleibt, wenn weder Licht noch Hoffnung existieren?   Ohne Farbe verliert ein Charakter seine Tiefe... Ohne den Funken des Glaubens erfüllt ihn das Nichts...   Wenn Silber und Gold sich jedoch mit Regenbogenfarben vermischen, folgt das unkenntliche Farbspiel eines unaufhaltsamen Unheils....       ~*~       Ein flammend roter Himmel, gezeichnet von silbergrauen Wolken, erwartete unsere drei Helden an ihrem neuen Reiseziel. Die dunkle Landschaft felsig und staubig, die Luft drückend heiß und knochentrocken.   Alle drei Augenpaare besahen sich die von hohen Felsen und wenig Leben gekennzeichnete Umgebung mit einem neugierigen Blick. Die Piraten selbst standen an einer schmalen Klippe, neben einem einzelnen, über den Rand ragenden Baum, dessen braune Blätter längst von seinem Kleid gefallen waren, sodass lediglich hin und wieder eines der wenigen Verbliebenen langsam in Richtung Abgrund hinab pendelte.   Heat war es, der als Erster von ihnen einen Blick hinter sich in die Tiefe warf. Zeitgleich sprang er einen schnellen Satz von dem Rand der Klippe weg, dabei über einen kleinen Kieselstein stolpernd, ehe er sitzend einige Meter rückwärts von der schwindelerregenden Höhe wegrutschte.   Beinahe hätte der Rastaträger sich vor Schrecken an eines der langen Beine seines neben ihm stehenden, besten Freundes geklammert, doch entschied er sich stattdessen, stumm und fassungslos mit seinem Finger auf den Klippenrand zu zeigen. Kein Wort wollte ihm über seine Nähten übersäten Lippen kommen, was den ungeduldigen Wire zunehmend reizte. Er hatte die Verzögerungen seines dramatisierenden Genossen satt.   "Was ist denn nun schon wieder?!", zischte der Umhangträger seinem erstarrten Freund fragend zu, seufzte und rollte seine Augen, als er nur ein halb unverständliches: "Chilli!", als Antwort erhielt. Wire drehte sich dann mit einem grazilen Schwung seiner hohen Absätze um, damit er selbst den Grund für das seltsame Verhalten seines Begleiters herausfinden konnte.   "Es wird `Lava´ genannt, Puderkopf.", korrigierte der Umhangträger ruhigen Tones die an Essen angelehnte Bezeichnung, seine Arme vor seiner Brust verschränkend, während er sich für einen Moment schweigend die fließende Masse des zähflüssigen Lavastroms betrachtete, der weit unter ihrer erhöhten Position entlang sickerte.   Seufzend warf Wire dann einen Blick auf den neben ihm stehenden Shachi, der seine Begeisterung über die Entdeckung kaum zügeln konnte und mit glitzernden Augen das glühende Gebilde bewunderte. Am liebsten hätte der Heart-Pirat eine von Wires Flaschen mit der einäschernden Substanz befüllt, damit er einen neuen Schatz für seine persönliche Sammlung an Abenteuer Erinnerungen mitnehmen konnte.     "Ich mein's aber nich' das Chilli!", meldete sich Heat nun mit lauter Stimme zu Wort, stand murrend auf und zog sich seine leicht verrutschte Ballonhose wieder über seine Hüfte.   Mit sicherem Abstand - etwa fünf Meter hinter seinen beiden Kameraden und dem Klippenrand - drehte der Rastaträger ihnen beleidigt den Rücken zu und zeigte mit seinem Daumen hinter sich über seine Schulter. "Da drin schwimmt 'n Schnitzel. ...Und ich's hab Hunger bekommen, deshalb bin ich vor Schreck umgek-"   Der Dreizack, welcher kraftvoll in die staubige Erde gerammt wurde, unterbrach Heats grummelndes Murren.   "Red' keinen Unsinn! Hast du nichts, als Spinnenweben in deinem unbewohnten Vogelhäuschen?", drehte sich der genervte Wire zu seinem trotzigen Gefährten um, der Klippe den Rücken kehrend, und hob dabei mahnend seinen lackierten Zeigefinger. "Vor Dümmlichkeit würdest du selbst das Atmen vergessen, also spare dir die Luft lieber um am Leben zu bleiben."   Shachi interessierte sich nicht für die lautstarke Diskussion unter den beiden besten Freunden, die sich gegenseitig immer weiter hoch stachelten. Stattdessen betrachtete er sich seine neueste Entdeckung, die in diesem Augenblick ihren Kopf aus der glühenden Lava-Masse anhob und ihren langen Hals langsam zu dem jungen Heart-Piraten streckte.   "Wenn ich's sag da drin is'n Schnitzel, dann is' auch 'n Braten in der Soße!", feuerte Heat sein aussagekräftiges Argument in Richtung seines Gegenübers, ballte dabei seine Fäuste und baute sich vor dem größeren Umhangträger auf. Dass er von seinem besten Freund abermals nicht ernst genommen wurde, nervte ihn bis zum Äußersten.   "Tch. Sind deine Ohren mit Moos zugewuchert und deine fauligen Gehirnzellen bereits am Schimmeln? Heiliger Ivankov, womit haben meine Augen dieses Häufchen Putzreste verdient..?", seufzte Wire, dessen vor Wut blitzenden, haselnussbraunen Augen nicht von den huskyblauen seines Diskussionspartners abließen. Beide waren sie nun fürwahr sauer.   "Wie hast'e mich genannt?! `Pommesreste´!?", hörte der blauhaarige Kid-Pirat das, was er hören wollte, und ging knurrend einen Schritt auf seinen Gegenüber zu, die Distanz zwischen ihnen auf einen knappen Zentimeter reduzierend. "Nix gegen Pommes! Das nimmst'e zurück, Wire!"   Ihr Wortgefecht lief ins Leere, beide wurden sie immer lauter, bis sie, von einer auf die andere Sekunde, verstummten. Der Ausgang ihrer Diskussion war ein vehementes Anschweigen beider Parteien, die synchron ihre Arme vor ihrer Brust verschränkten und sich gegenseitig voneinander wegdrehten.   Genau zur richtigen Zeit, um den Heart-Piraten vor einem großen Fehler zu bewahren.   Wires Augen fielen durch puren Zufall auf Shachi, der seine Hand langsam in Richtung des mit Lava bedeckten Wesens streckte, dessen großer Kopf hinter der Klippe herauf ragte. Der Drang, es anfassen zu wollen, war stärker, als der Gedanke an die fatalen Folgen, die entstanden, wenn seine Haut in Kontakt mit der einäschernden Masse kam. Gefährlich weit lehnte sich der junge Pirat dabei über den Abgrund.   Blitzschnell, in Begleitung eines von Schreck und Empörung untermalten Aufschreis, griff der Umhangträger nach seinem unvorsichtigen Kameraden, den er sich im selben Atemzug mit einem Ruck über seine breite Schulter warf. Das langhalsige Lava-Geschöpf wurde von Wire geflissentlich ignoriert, da dieser sich darauf konzentrierte, sein zappelndes Zusatzgewicht so weit wie nur möglich von der Klippe wegzubringen.   Heat folgte seinen beiden Begleitern und warf beim Rennen einen letzten Blick auf das ihn hungrig machende Wesen, welches einem Urzeit-Dinosaurier ähnelte. Wie der futtervernarrte Kid-Pirat diesen gedanklich in Verbindung mit einem panierten Fleischgericht bringen konnte, wusste wohl nur er selbst.     "Ich hab's dir gesagt...", nuschelte der Rastaträger murrend gen Erde, hielt einen Meter Abstand zu seinen Kameraden und blieb noch immer ungehört, was ihn überaus kränkte. Zudem gab sein Magen ein lautes Knurren beim Rennen von sich, das seine Laune abermals weiter hinab zog.   Warum nimmt's mich nie jemand ernst?, dachte Heat sich schwer seufzend, hielt seinen geknickten Blick stur auf den Boden zu seinen Füßen und lief schweigend hinter seinem besten Freund her. Ich's bin kein depperter Volltrottel... Oder..?   Wire ahnte nichts von dem drastischen Stimmungswandel, der urplötzlich seinen rastatragenden Freund ergriff. Für ihn waren seine unbedacht ausgesprochenen Worte längst vergessen. Nicht für Heat, welcher sie sich tief zu Herzen nahm.   Unter den Dreien wurde es still, sodass lediglich Shachis schmollende Brummlaute zu hören waren, der seinem neuen, tierischen Freund nicht einmal einen Namen hatte geben können.   Die Stille war keine der angenehmen Sorte, sondern eine sehr trübende, die davon zeugte, dass ihr aller Nerven langsam, aber sicher an ihre Grenzen gerieten. Durch ihr fehlendes Zeitgefühl, wussten die drei Piraten nicht einmal, wie lange sie schon von ihren Crews getrennt waren. Ebenso wenig wussten sie, wie es ihren Familienmitgliedern ging...   Das Letzte, was einer von ihnen wollte war, auch seinen letzten Halt zu verlieren, den sie sich gegenseitig gaben.   Und doch konnte Heat nicht verhindern, dass sich die Verbitterung in seinem Herzen ausbreitete. Mit jedem Schritt, durch den er weiter hinter seine beiden Begleiter fiel, wurde er immerzu trauriger, sodass der trübe Funke seiner blassblauen Augen sich entfärbte, bis kaum noch Leben in ihnen zu erkennen war.   Viele verglichen den unscheinbaren Kid-Piraten mit einem Zombie, einem leblosen und seelenverlassenen Wesen, welches als existenzlose Erscheinung keine Daseinsberechtigung unter den Lebenden hatte. Die Rollenverteilung der an der Spitze stehenden Mächte der Natur war eindeutig und äußerst ungerecht. Dabei war Heat so viel mehr, als unbedeutende Augen in ihm sehen wollten.   Glaube war der Schlüssel, der den vom Schicksal gestraften Kid-Piraten am Leben hielt. Er glaubte fest daran, dass er kein Untoter war, und redete sich selbst ein, dass er genauso war, wie alle anderen auch. Nur so brachte er das verlangsamte Herz seiner linken Brustseite zum Schlagen.   Heat merkte nicht, dass sein lebenswichtiges Organ immer und immer schwächer schlug, je weiter er sich in seine zweifelnden Gedanken hineinsteigerte. Seine Schritte nahmen ebenso an Geschwindigkeit ab, bis er irgendwann stehen geblieben war.   Verbittert ballte Heat seine Hände zu Fäusten und kniff seine Augen fest zusammen, während sich auf seinen Gesichtszügen ein zutiefst verletzter Ausdruck abzeichnete.   Jedoch verblasste mit seiner Hoffnung und seinem Glauben ebenso auch die Lebenskraft seiner Mimik, sodass diese alsbald ausdrucksleer und farblos wirkte. Die Farbe seiner fahlen Züge wurde kalt gräulich, sowie der Farbton seiner blauen Seelenspiegel immer weiter bleichte, in einen pigmentlosen Weißton übergehend.   Leidenschaftslos schlurfte er dann langsam hinter Wire und Shachi her, die einige Meter vor ihm liefen und nichts von seinem inneren Kampf wussten.   Der Ausgang seines emotionalen Konfliktes verbarg schwerwiegende Konsequenzen, der zu bezahlende Preis war überaus hoch: Sollte auch der letzte Funke Zuversicht in Heats schwachem Herzen verschwinden, blieb ebendieses für immer stehen. Es bedeutete seinen endgültigen Tod.   Diesen Kampf konnte Heat nur mit sich selbst ausmachen, seinen inneren Dämonen musste er sich allein stellen, keiner seiner beiden Freunde konnte ihm dabei helfen. Ob unser Held tapfer genug war, um als Sieger hervorzugehen, war zu diesem Zeitpunkt ungewiss.   Gewiss war nur, dass der Teufel letztlich seinen Tribut von ihm gefordert hatte: Er nahm sich das Licht der Hoffnung aus Heats Herzen.   So wurde der Kid-Pirat am Ende tatsächlich zu einem emotionslosen Zombie.       ~*~       Ein riesiger Vulkan ragte hoch in die silbern-rötliche Wolkenkulisse, die von einzelnen, goldschimmernden Blitzen verfärbt wurde. Hinter dem getönten Nebelschleier blieb die Spitze des Berges vollends unkenntlich. Das grollende Donnern des Unwetters zog in regelmäßigen Abständen durch die unheilverhangene, kahle Landschaft und ließ mit seiner Stärke den staubigen Untergrund leicht beben. Einige kleine Kieselsteine erzitterten wegen der spannungsgeladenen Elektrizität, die permanent in der trockenen Luft einkehrte.   Unsere drei Gefährten standen an dem Fuße des steinernen Gebildes, vor einem schmalen Pfad, welcher sich an der Seite des schwarz-bläulichen Vulkangesteins spiralförmig in Richtung Gipfel empor streckte. Lediglich vier Meter war der Weg breit, sodass ein gedankenloser Schritt für jeden von ihnen fatale Folgen haben konnte. Um zu ihrer nächsten Prüfung zu gelangen, musste das Trio jedoch den Berg bis ganz nach Oben steigen, eine andere Möglichkeit gab es für sie nicht.   Heats nähten übersäten Lippen blieben verschlossen, stumm blickten seine leeren Augen in eine unbedeutende Richtung, während er einmal tief seufzte. Doch wurde er zeitgleich ruckartig zur Seite gerissen, von dem los sprintenden Shachi, der das Handgelenk des Rastaträgers fest umklammert hatte.   Der energiegeladene Heart-Pirat zog seinen betrübten Freund energisch mit sich, immer weiter den Spiralpfad des Berges hinauf. Denn wenn es einen gab, der etwas vom Klettern und Bergsteigen verstand, dann war es Shachi.   Wire setzte sich kurz darauf ebenfalls in Bewegung, blieb dicht hinter den beiden und beschwerte sich einige Male über ihren schier endlos erscheinenden Weg, den sie nun zu dritt beschritten.   "Es ist mir gleich, wer sich dieses scheußliche Desaster, das sich `Wandern´ schimpft, ausgedacht hat...", schnaufte der Umhangträger atemlos und kämpfte sich zischend weiter hinauf, mit seiner rechten Hand beim Gehen an seinem Dreizack abstützend. Innerlich verfluchte er seine hohen Stiefel, die es ihm erschwerten, mit dem flinken Heart-Piraten mitzuhalten. "Ich werde dem Verantwortlichen meine Meinung darüber aufdrücken, sowie ich ihm einen meiner Absätze-"   "Whoaa! Ich hab was gefunden~!", rief Shachi aufgeregt und sprach im selben Atemzug seine Entdeckung aus, weil er sie ja doch nicht für sich behalten konnte. "Eine Höhle! Und sie sieht so super geheimnisvoll aus... wie cool!"   Haargenau bis zur Zahl Drei konnte Wire gedanklich zählen, ehe der Heart-Pirat mit einem: "Komm schon, Heat, das müssen wir uns ansehen!", mitsamt dem Angesprochenen in der Felsgrotte verschwunden war.   Keiner konnte die Entdeckerfreude des lebensfrohen Jungen bremsen, das war eines der Dinge, die Wire bereits früh über Shachi gelernt hatte, weswegen er sich auch nicht mehr die Mühe machte, ihn davon abzuhalten. Stattdessen besah er sich in aller Seelenruhe den großen Eingang der Höhle.   Über ihr war ein großes, geschwungenes Leuchtschild angebracht, welches in einer seicht roten Neonfarbe aufblinkte: `Irish Pub´, zierten dunkelgrüne Schriftzeichen den flimmernden Hintergrund.   Genervt von dem unnötigen Umweg rollte Wire seine Augen, bevor er langsamen Schrittes die Grotte betrat, die von regenbogenfarbenen Lichtern geflutet wurde. Seine Absätze hallten mit einem nachdrücklichen Klacken durch die schallende Umgebung, während er zu dem grellen Licht lief und sich immer weiter dem Stimmgewirr näherte, welches er von Draußen bereits deutlich hören konnte.     Ihr kurzer Zwischenstopp führte unsere Helden zu einem Ort, den sie dort niemals vermutet hätten: Ein irisches Lokal, in welchem dutzende Zwergen-Krieger tagein, tagaus feierten.   Begrüßt wurden die drei Piraten von lautstark dröhnender Musik, deren Bass-Lautstärke die bröckelnden Wände der Höhle zum Beben brachte, sowie einer A-Kapella Zwergen-Gruppe, die ein irisches Trinklied sang. Das grölende Stimmengemenge, welches durch das vollbesetzte Lokal hallte, war ebenso unüberhörbar.   Während Shachi sich eingehend die irische Dekoration besah, die vorwiegend aus Grau- und Goldbrauntönen bestand, regte sich nun der geistesabwesende Heat und fand zu neuem Leben.   Langsam hob der Rastaträger seinen Kopf und schaute mit einem flüchtigen Blick müde durch das Lokal, dabei verdeckten ihm einige fallende Rastalocken seine Sicht. ...Bevor seine blassblauen Augen in ein intensiv hellblaues Farbspiel übergingen und er plötzlich, wie von der Tarantel gestochen, in Richtung der breiten Bartheke stürzte, die sich von einer Wandseite zur anderen erstreckte.   Für Heat gab es in diesem Moment nur eine Lösung, um sein Stimmungstief zu vertreiben. Diese hieß: Alkohol. Und davon brauchte er eine ganze Menge.   Shachi erblickte derweil die beiden Schwungtüren, die neben dem Tresenbereich zu der angrenzenden Küche des Lokals führten. Als der Koch, ein Zwerg mit einer weißen Kochmütze, durch ebendiese Türen trat, ein befülltes Essenstablett in seinen Händen balancierend, keimte in dem Heart-Piraten erneut die Leidenschaft für sein heißgeliebtes Hobby auf.   Mit einem strahlenden Lächeln, welches manch einer als unheilvoll bezeichnen konnte, sprintete der hochmotivierte Hobbykoch in Richtung der Küche, in der er sich vollends austoben wollte.   Der Dritte in ihrem Bunde setzte sich in Begleitung eines langen Seufzens an einen der hinteren Tische, um von dort aus ein Auge auf das unberechenbare Duo zu werfen. Ihr gedankenloses Verhalten kommentierte er mit einem Kopfschütteln, dabei fielen seine Augen durch Zufall auf den runden Casinotisch vor sich, auf dem ein angeregtes Roulettespiel stattfand.   Letztlich griff Wire mit seinen lackierten Fingern in seinen rechten Stiefel und holte einige Berry hervor, die er dann in die Runde warf, um sich mit dem Glücksspiel ein wenig die Wartezeit zu vertreiben.     Auch der Tresen des Pubs war von rotbärtigen Zwergen in unterschiedlichsten Größen und Hautfarben besetzt, was den Rastaträger jedoch nicht im Geringsten störte. Durch die Masse an tanzenden Figuren hindurch, kämpfe sich Heat bis zum anderen Ende der Räumlichkeit, wo der Ausschank-Bereich aufgebaut war. Er hätte schwören können, dass der Alkohol bereits singend seinen Namen rief.   An seinem Ziel angekommen, riss der Kid-Pirat einem der am Tresen sitzenden Betrunkenen den halb vollen Bierkrug aus den unkoordinierten Fingern.   "Soufe, JoHoHo!", rief Heat erheitert, als er seinen Lebensgeister-weckenden Trank ergatterte und hielt den Krug hoch in die Luft. "Prost ihr Säcke, auf dass es schmecke!"   Mit vier kräftigen Zügen zog er das alkoholische Getränk ab, seinen leeren Magen mit der betäubenden Flüssigkeit füllend. Und sprang dann kurzerhand über den hölzernen Schänktisch, wobei er einige der darauf stehenden Krüge umschmiss. Die irritierten Blicke der Gäste, inklusive des fassungslosen Wirtes, den er hinter dem Tresen anrempelte, ignorierte der Rastaträger mit voller Absicht. Keine Sekunde später hielt er seinen Kopf unter den Zapfhahn, den er im gleichen Atemzug aufdrehte.   Ein durstiger Kid-Pirat ließ sich von nichts und niemandem davon abbringen, sich sternhagelvoll zu betrinken. Dafür ließ Heat sogar das üppige Buffet links liegen.   Weil ihm der Nacken jedoch bald wegen der ungesunden Haltung schmerzte, schnappte er sich ein volles Bierfass, in das er einen breiten Trinkschlauch steckte. Den großen Strohhalm schob er sich zwischen seine Lippen und trug das Fass dann auf seinen Schultern durch die Bar.   Schwankend steuerte der angetrunkene Kid-Pirat auf einen der Gruppentische zu, an dem zu diesem Zeitpunkt ein reges Trinkspiel stattfand. "Ich mach' auch mit. Schieb 'rüber!", grüßte er lallend seine neuen Bekanntschaften und setzte sich dann, wie selbstverständlich, auf den freien Hocker der Neunergruppe an bunt gemischten Zwergen.   Heat wurde unter den feiernden Reihen freundlich aufgenommen, sogar ihren selbst gebrannten Schnaps boten sie ihrem Besucher an, der diesen ohne zu zögern annahm. Unglücklicherweise vergaß der Feuerspucker in diesem Augenblick auch die Auswirkungen, die der erhöhte Konsum von hochprozentigen Spirituosen in Verbindung mit seinen Fähigkeiten hatte.   Durch den leicht entzündlichen Stoff wurden seine inneren Flammen hoch gefährlich und unkontrollierbar. Weil in Heats Magen noch immer die gähnende Leere herrschte und nur mit den unterschiedlichsten Alkoholsorten gefüllt wurde, konnte das Ganze kein gutes Ende nehmen.     In der Küche war derweil das Chaos ausgebrochen, in dem sich der umherwirbelnde Heart-Pirat pudelwohl fühlte. Mit einem Kochlöffel in der einen Hand, sowie einer Pfanne in der Anderen, sprintete er in Windeseile um den in der Mitte des Raumes stehenden, großen Küchentisch herum. Auf diesem standen etliche Zutaten, die der Zwergen-Koch zuvor dort liegen gelassen hatte, und Shachi bediente sich reichlich an ihnen.   Noch wusste er nicht, was er zubereiten wollte, für ihn selbst blieben seine neuesten Rezepte stets eine echte Überraschung.   "Noch etwas hier von... und noch etwas davon~", summte Shachi fröhlich und nahm sich eine Hand voll gerösteter Zwiebeln, sowie eine Flasche mit Vanillesoße.   Die gusseiserne Pfanne stellte er auf der vorgeheizten Kochfläche ab, tat beide Zutaten hinein und rührte die gelblich-braune Masse dann mit dem Holzlöffel mehrere Male eifrig um. Seine Soßenkreation verfeinerte er letztlich mit einem halben Kilo Zucker und zwei Gläsern Gurkenwasser.   Während das geschmacklich undefinierbare Gemisch vor sich hin köchelte, griff er sich eine der ovalen Auflaufformen, in der er sein Hauptgericht zubereiten wollte. Dass dieses viel länger zum Garen benötigen würde, als die Soße, und somit als Erstes hergerichtet werden sollte, war dem experimentierfreudigen Hobbykoch egal. Für Shachi gab es schlichtweg keine Regeln, die ihn im Ausüben seiner Leidenschaft eingrenzen konnten.   Zwischenzeitlich wollte sich der eigentliche Besitzer der Küche in sein Reich zurückziehen, nachdem er seine Gäste mit neuen Speisen versorgt hatte. Jedoch wurde die Tür von einem großen Küchenschrank blockiert, den Shachi mit purer Willenskraft zuvor dorthin schieben konnte. Der künstlerische Schöpfer wollte bei seiner Arbeit schließlich ungestört bleiben.   Durch und durch von Enthusiasmus und Motivation ergriffen, entzündete der Heart-Pirat das Feuer des Steinofens. Das nachdrückliche Klopfen gegen die hölzerne Türblockade überhörte er bewusst, während er sich dem Mischen seines Teiges widmete.   Einen kleinen Sack voller Mehl, der halb in der Backform, halb auf der Küchenzeile landete, sowie zwanzig Eier, von denen ihm zehn abhanden kamen und auf dem sauberen Boden aufschlugen, waren nur die ersten Zutaten, die den vorschnellen Fingern des Heart-Piraten zum Opfer fielen.   Es folgten Popcorn-Maiskörner, Trauben, Minzblätter und die Überbleibsel aus dem verstopften Spülbecken-Abfluss. Shachis Lieblings-Bestandteil: Unmengen an bunten Zuckerstreuseln, durfte natürlich auch nicht fehlen. Schlussendlich dekorierte er seinen Teig mit verschiedenfarbigen Oliven und Kaugummikugeln, ehe er die randvoll befüllte Auflaufform in den Steinofen schob.   Für den Nachtisch schnitt er fein säuberlich einige Äpfel in Stückchen, sodass diese wie kleine Hasen aussahen und schnitzte ihnen als Feinschliff ein Lächeln auf ihre Gesichter.   Nach getaner Arbeit klatschte sich der Hobbykoch in seine mehlbedeckten Hände und wischte sie sich dann an seinem weißen Anzug ab, bevor er sich breit grinsend vor den Ofen stellte, um seine Schöpfung mit stierenden Augen beim Wachsen zu beobachten. Shachi hatte ein obskures Monster erschaffen, welches nach und nach immer größer und größer wurde.   "Grütz-Igel mit DuppDupp-Pudding", verkündete Shachi stolz den neuen Namen seines Meisterwerks und drehte sich dann tanzend von dem rapide aufgehenden Teig weg, um sich der überkochenden Soße zuzuwenden. Mittlerweile zog sich ein geruchlich undeutbarer Dampf durch die gesamte Räumlichkeit, deren Möblierung durch den dichten Schleier vollends vernebelt wurde.   Die angebrannte Soßenmasse - die Shachis Meinung nach genau die richtige Würze durch die schwarz gewordenen Zwiebelstücke bekam - wurde noch einige Male von ihm umgerührt, ehe er sich von seinem Arbeitsplatz entfernte. Zur gleichen Zeit schaffte es der Zwergen-Koch, mithilfe seiner großen Streitaxt, den Küchenschrank in Einzelteile zu zerlegen, wodurch Shachi ohne Probleme den Raum verlassen konnte.   Strahlend ging der Heart-Pirat an dem zu Stein erstarrten Küchenchef vorbei, bedankte sich aufrichtig bei ihm und teilte ihm mit, dass er wiederkäme, sobald seine Kreation fertig war. So begab er sich auf den Weg zu Heat, um den er sich schon seit geraumer Zeit einige Sorgen machte, das ungewöhnliche Verhalten seines Freundes war ihm sehr wohl aufgefallen.   Mit der Nachricht, dass es bald Essen gab, wollte er seinem nimmersatten Freund eine Freude bereiten.     Wires sechster Sinn warnte ihn vor dem großen Unheil, welches kurz darauf geschehen sollte. Grazilen, langsamen Schrittes begab er sich in Richtung Höhlenausgang, warf einen letzten Blick über seine Schulter, zu seinen unermüdlich feiernden Kameraden, und lief dann lange seufzend weiter. Die Taschen seines Umhangs und seine Stiefel voller Berry, konnte er zufrieden das lärmende Schlachtfeld räumen und draußen, in Sicherheit, auf seine beiden Begleiter warten.   Denn das Chaosduo machte seinem Namen wieder alle Ehre.   Heat, der betrunkener nicht hätte sein können, wollte unbedingt den Zwergen seine Feuerkünste zeigen... Mit seinen starken Flammen brannte er keine Sekunde später die hölzerne Einrichtung zu Schutt und Asche. Zeitgleich ertönte eine Explosion aus der Küche, die den bunten Teig in der ganzen Räumlichkeit verteilte, inklusive den geschockten Gesichtern der Zwerge, die sich zu dem selbigen Zeitpunkt in der Nähe der Küche aufhielten.   Niemand kam dabei zu Schaden, doch wurde die Inneneinrichtung stark in Mitleidenschaft gezogen.   Schmollend trauerte Shachi seinem Kunstwerk hinterher und hakte dieses gedanklich als Fehlschlag ab. Für solch einen Fall war er allerdings gewappnet und hatte zuvor einiges an roher Teigmasse in eine Schüssel gefüllt, die er nun seinem betrunkenen Freund lächeln hinhielt.   "Für dich", erklärte der Heart-Pirat dem benebelten Rastaträger, welcher die freundliche Geste zu schätzen wusste. Ohne Zögern nahm Heat die befüllte Schüssel an sich und klemmte sie sich unter seinen Arm, während seine Gesichtszüge sich entspannten und seine Nähten verzierten Lippen sich zu einem sanften Schmunzeln verzogen.   Anschließend verbeugten sich beide Piraten entschuldigend vor den Gästen, die sich durch das Chaos nicht vom Feiern abbringen ließen. Die Zwerge waren zu betrunken, um das Ausmaß der Zerstörung zu erfassen. Dafür sollte der Schock am nächsten Morgen, gepaart mit dem Kater ihres Lebens, seine Wirkung keinesfalls verfehlen.   Shachi und Heat begaben sich dann ebenfalls auf den Weg nach Draußen, der redselige Heart-Pirat am laufenden Band über seine zukünftigen Rezepte schwärmend, während Heat seine willkommene Mahlzeit genoss.     Ihr Umweg hatte unsere Helden einiges an Zeit gekostet, nun konnten sie endlich zu ihrer dritten Prüfung aufbrechen. Sie hatten noch einen langen Fußmarsch bis zur Spitze des Vulkans vor sich, bevor sie sich den bekannten Gesichtern entgegenstellen sollten.   ...Und so zogen sich die silbernen Gewitterwolken über das flammend rote Himmelsdach, mit ihnen die Zeit verstreichend, während das Trio sich Schritt für Schritt nach oben kämpfte.   "Was uns dort wohl erwarten wird?", rätselte Shachi und warf einen fragenden Blick zwischen seinen beiden Gefährten hin und her.   Das Kid-Piraten-Duo zuckte synchron mit seinen Schultern. Wire schwieg, weil er es mitnichten erfahren wollte. Der wankende Heat hingegen, konnte keinen gescheiten Satz mit seinen lallenden Lippen formen.   Die ausgesprochene Frage wurde von dem stärker werdenden Wind in eine unbestimmte Himmelsrichtung getragen, die Antwort sollten sie allesamt schon bald in Erfahrung bringen.   Mit jedem weiteren Schritt gen Gipfel verschlechterte sich das Unwetter, welches nicht ohne Grund den Weg unserer Helden erschwerte. Auch der schlummernde Vulkan erwachte langsam aus seinem Schlaf und verursachte in regelmäßigen Abständen eine leichte Erschütterung, die sie unter ihren Füßen deutlich spürten.   Ab und an raste ein greller Lichtblitz von einer der dunkel silbernen Wolken zur Erde hinab, schlug lautstark auf dem trockenen Boden auf und löste ein starkes Beben aus, das die illusionierte Welt erzittern ließ.   Doch hörte man ganz genau hin, so konnte man das leise Flüstern wahrnehmen, welches den starken, elektrischen Impuls stets begleitete:   "Counter Shock..."       ~*~       In der Grotte der Zwerge unterhielten sich derzeit einige Volltrunkene über das ungewöhnliche Trio, welches mit ihrem Auftritt Aufsehen unter ihnen erregte. Die irischen Anhänger sprachen über die Leichtsinnigkeit der drei Fremden, deren Weg sie gewiss bereuen würden, da waren sie sich sicher.   Wie so oft, begann einer von ihnen die Geschichte zu erzählen, an welche sich die Zwerge in alkoholgetränkten Stunden oftmals erinnerten. Sie handelte von dem Mythos des bisher unbestiegenen Vulkans und trug den selbigen Namen, wie die dritte Prüfung unserer Helden:   `Die zweischneidige Klinge von Valhalla´   Laut einer alten Zwergen-Legende führte der lange Spiralpfad des Berges zum sagenumwobenen Götterreich Valhalla. Dort existierten zwei übermächtige Krieger, die stets um die Vorherrschaft dieses Reiches kämpften. Einer von ihnen hatte die Kontrolle über alles Leben und beherrschte die Fähigkeiten von Blitz und Donner. Der Andere hingegen, besaß die Macht über die Zerstörung und jegliche Art von Metall. Selbst der geringe Eisenanteil, welcher sich in dem schlafenden Lavasee des Vulkans befand, konnte er unter seinem Willen befehligen.   Zudem besaßen die zwei Übermächte ebenso ehrwürdige Untergebene, die ihnen treu zur Seite standen und für das Gleichgewicht, sowie die Ordnung der beiden Welten zuständig waren.   Es schien, als ob die beiden Halbgötter nur für diesen Moment lebten, in dem sie ihren leidenschaftlichen Streit um die herrschende Dominanz immer und immer wieder entfachten. Wie auch zu dieser Stunde, als sie Himmel und Erde unter ihren Kräften erbeben ließen.     Unsere drei Helden wussten nichts von der anhaltenden Fehde und liefen unmittelbar auf das Schlachtfeld zu, welches nie jemand zu betreten wagte. Niemand, außer Shachi, der seine beiden Begleiter durch seinen flinken Sprint abhing und gedankenlos im Alleingang die Gipfelspitze bestieg.   Die dunkelgraue Wolkenkulisse, die als Übergang zwischen den beiden Welten diente, öffnete einen Weg für den jungen Piraten. Von dem wirbelnden Wind angetrieben, verzog sich das blitzende Nebelgebilde vor ihm und ließ ihn den Pfad der Götter beschreiten.   Als der Heart-Pirat zwischen dem Schleier verschwand, schlossen sich die silbernen Mauern hinter ihm und verwehrten jeglichen, weiteren Eintritt. Wire und Heat wurden somit ausgeschlossen, sodass sie wenige Meter vor den Wolken auf dem Gipfelpfad stehen bleiben mussten.   Warum es ausgerechnet der im Kampf Unerfahrenste von ihnen in das Reich der Krieger schaffte, wussten wohl nur die obersten Mächte, die ihm den Zutritt gewährten.   Vielleicht lag es an seinem reinen Herzen... Oder aber an dem Gesetz des Stärkeren, das besagte, stets zuerst den Schwächsten im Bunde zu eliminieren.   Shachis Augen konnten als Erstes einen Blick auf die trügerische Wahrheit der Legende werfen und ihr Trugbild enthüllen. Doch bekamen Heat und Wire zeitgleich ihre eigenen Schwierigkeiten, als der nachhallende Schuss eines abgefeuerten Revolvers hinter ihren Rücken ertönte...       ~*Shachis Sicht*~       Über den Wolken war es so cool! Ich fühlte das leichte Kribbeln der blitzenden Lichter auf meiner Haut und konnte viel höher springen, weil es hier weniger Schwerkraft gab. Links und Rechts waren ganz viele Wolken, die total schön blinkten, als ob Glühwürmchen in ihnen fliegen würden.   Mit einer Hand schob ich meine verdunkelte Brille nach oben und steckte mir mit der anderen eine Kaugummikugel zwischen meine grinsenden Lippen. Meine Augen, die vor Freude glitzerten, prägten sich jeden kleinsten Winkel des Anblicks vor mir ein. Weich, wie Zuckerwatte, sahen die Wolken aus, die sich um den vergoldeten Weg schmiegten, an dessen Anfang ich auf und ab wippend stand.   Das aller Tollste war aber die riesige Arena, die ich von hier aus sehen konnte. Auf einem Plateau zwischen dem himmlischen Lichterspiel befand sie sich, umringt von aufsteigenden Blitzen und durch die Luft fliegenden Schwertern, die wild um das runde Gebilde aus schimmerndem Metall herumwirbelten.   Je näher ich hüpfend darauf zulief, desto stärker spürte ich das kribbelnde Gefühl der bitzelnden Luft und mit jedem schwerelosen Hopser wurde mein Lächeln breiter.   Ich fühle mich, als könnte ich fliegen, frei wie ein Vogel!   Es ist toll ein Pirat zu sein! Das ganze Leben ist ein einziges Abenteuer! Jeden Tag passiert irgendwas Neues und nie wird’s langweilig!   Jetzt waren es nur noch fünfzehn Hüpfer, die mich von dem metallischen Arena-Ring trennten. Wegen der hohen Luft-Spannung, bauschten sich meine orangenen Haare auf und einzelne Spitzen kitzelten mich im Nacken, weswegen mein leises Kichern in ein herzliches Lachen überging.   Gleich bin ich da, juhu~! Ich kann's kaum abwarten, bis-   Woaa! Sind das echte Edelsteine und Juwelen?!, blieb ich abrupt vor der großen Eingangstür stehen, die über und über mit teuren Schmucksteinen beschmückt war. Mit staunenden Augen bewunderte ich die kleinen Schätze der Doppeltür, durch die ein Riese zweimal durchgepasst hätte. Ob ich mir einen von den Steinchen ausleihen darf..?   Vielleicht merkt's ja niemand, wenn einer davon fehlt..., dachte ich mir und verzog meine Lippen nachdenklich, während ich meinen Kopf mehrmals hin und her schwenkte. Nur ein einziger, klitze kleiner Stein, den niemals jemand vermissen wird...   Mit einem letzten Blick über meine Schulter versichter ich mich, dass mich niemand dabei erwischte und streckte dann meine Hand langsam zu dem daumengroßen Diamanten aus. Er war einige Zentimeter über meiner Kopfhöhe in die Tür eingesetzt, deshalb musste ich mich auf meine Zehenspitzen stellen, um an ihn heranzukommen.   Wie schön er funkelt~ Ich muss ihn einfach haben!   Mein Zeigefinger und Daumen umgriffen jetzt das kleine Steinchen, dabei biss ich mir angestrengt auf meine Zunge, die ich leicht zwischen meinen Lippen ausstreckte und zog dann mit meiner ganzen Kraft an dem Diamanten... Bis er sich löste und ich, meiner Ziehkraft wegen, purzelnd nach hinten fiel.   „Autsch...“, murmelte ich, meinen Hinterkopf reibend, und rückte mir meine verrutschte Ballonmütze zurecht. Auf meinem Hintern sitzend, richtete ich mich schwungvoll im Schneidersitz auf und hielt dann meinen glänzenden Schatz, der sich zwischen den Fingern meiner rechten Hand befand, vor mein strahlendes Gesicht. Wie Bepo seine Schokolade angeierte, genauso blickte ich funkelnd auf den Diamanten.   „Hihi, mein Schatz~“, flüsterte ich meiner neuen Kostbarkeit entgegen und hielt sie dann nah an meine Brust, dabei einen spitzbübischen Blick nach Links und Rechts werfend. Er gehört mir ganz allein!   Niemand kann ihn mir wegn-, drehte ich meinen Kopf wieder in Richtung meiner gehobenen Hand, wo zuvor noch der Diamant war, und blinzelte mehrmals stumm meiner leeren Handfläche entgegen.   „Er ist weg!“, rief ich total aufgeregt und sprang dann auf, mich einmal im Kreis drehend nach meinem Schmuckstück suchend. „Oh nein! Wo ist er denn hin..?“   Dabei habe ich ihn doch gerade erst gefunden... Menno, wie gemein...   Meine Schultern nach unten sacken lassend, verzog ich meinen Mund zu einer schmollenden Schnute und drehte mich wieder zur Tür um. Meinen gesenkten Blick wieder hebend, fielen meine Augen auf den großen Türgriff aus purem Silber, kein Augenzwinkern später formte ich meine Lippen zu einem fassungslosen O. Ehrlich, ich hätte niemals erwartet, wer meinen Schatz geklaut hatte.   Zwei kleine, strohene Hände hielten meinen Diamanten. Die Strohpuppe saß mit überschlagenen Beinen auf dem Türgriff und blickte mit schiefgelegtem Kopf zu mir herauf.   Damals hatte ich die Puppe vom Schiff der Hawkins-Piraten mitgenommen. Haws Geschenk trug ich seit unserer Reise in der Tasche meines weißen Anzugs, wo sie jetzt eigentlich auch sein sollte, nicht auf der Klinke mit meinem gemopsten Steinchen.   Wie ist die Puppe denn dahin gekommen..?, fragte ich mich und beäugte die stillsitzende Strohfigur skeptisch, mein Gesicht langsam immer näher an sie heran bewegend. Hmm... Komisch, ich hab gedacht, dass ich sie-     „Verdammt! Schonmal was von Intimsphäre gehört, Idiot?!“, stupste mir die knurrende Puppe mit ihrer fingerloser Hand kräftig gegen meine Nase, die sich einen knappen Millimeter vor ihrem mimiklosen Gesicht befand. Ihr leichter Schlag fühlte sich an, wie ein zwickender Mückenstich.   Mit einem Mal spitzten sich meine aufmerksamen Ohren, während sich ein breites Grinsen auf meine Lippen legte und ich mir lachend meine kitzelnde Nase rieb. Jetzt war ich mir absolut sicher: `Mikado´, wie ich die Voodoo-Puppe einst mit Zuckerwasser taufte, besaß Pengs Stimme!   Warum das so war, war mir erstmal egal, da ich mich einfach nur freute, die Stimme meines Bruders nach so langer Zeit endlich wieder zu hören. Doch ein entscheidendes Detail fehlte Mikado, der zwischenzeitlich weiter vor sich hin schimpfte, bis ich ihm auffordernd einen meiner Finger vor seine nicht vorhandene Nase hielt.   „Warte mal kurz...“, sagte ich zu ihm, brachte ihn damit zum Innehalten und zückte dann einen wasserfesten Filzstift, den ich immerzu für Notfälle in meiner Hosentasche bei mir hatte. Blitzschnell zog ich die Kappe des dunkelblauen Stifts ab und bewegte die Spitze der Miene flink auf den kahlen Kopf der Strohpuppe zu.   Fleißig kritzelte ich einen Umriss einer kleinen Kappe auf den hellbraunen Hinterkopf bis zur Stirn, malte die Kopfbedeckung im Anschluss genauso eifrig aus und widmete mich dann fröhlich pfeifend dem Gesicht. Zuerst bekam sie von mir ein großes Lächeln gezeichnet, dann Pengs Augenbrauen, in Form von zwei gezackten Strichen und seine Augen, im Comic-Stil. Abschließend setzte ich einen einzelnen Punkt als Nase auf mein Kunstwerk.   „Tada~!“, rief ich freudestrahlend summend, setzte den Deckel wieder auf den Stift und ließ ihn dann spielerisch zwischen meinen Fingern rotieren, während ich mein Kritzelmännchen begutachtete. Zufrieden war ich aber erst, als ich dem kahlen Körper der Puppe ein kleines Herz auf die linke Brustseite gemalt hatte.   „Sag mal, spinnst du!?“, meckerte Mikado los, sah entgeistert an sich herunter, seine Mundwinkel blieben jedoch glücklich lächend, obwohl er völlig überrascht wirkte.   Bestimmt, weil es ihm so gut gefällt!   Im nächsten Augenblick sprang er, von der silbernen Türklinke aus, auf meine Schulter, warf mir einen knurrenden Blick seiner fröhlichen Comic-Augen zu und... warf dann meinen kleinen Schatz weg!? Mit einem weiten Wurf beförderte die Puppe den Diamanten in die dunkle Wolkenkulisse, sodass ich schockiert dem funkelnden Steinchen hinterhersah, bis er von den Wolken verschluckt wurde.   Trotzig ließ sich Mikado dann auf meine Schulter fallen und verschränkte schweigend seine strohenen Arme vor seiner Brust. Kurz blieben meine Augen an der Stelle, wo ich meinen Schatz verloren hatte, dann zuckte ich locker mit den Schultern und nahm mir von der geschmückten Tür einen Neuen - ein schwarzer Onyx.   „Das ist nicht nett gewesen, Mikado.“, tadelte ich den Angesprochenen, der beleidigt sein glückliches Gesicht von mir wegdrehten. Dann klopfte ich ihm mit zwei meiner Finger aufmunternd auf den Kappen-bemalten Kopf und lächelte ihn freundlich an. „Aber ich verzeih dir, du hast es bestimmt nicht mit Absicht gemacht, stimmt's?“   Das Schweigen gab mir die Bestätigung, dass er sich in diesem Moment richtig schlecht fühlen musste und er seine Lektion bestimmt gelernt hatte. Außerdem konnte ich ihm sowieso nicht lange böse sein, schließlich war er mein Freund.   Als ich dann vorfreudig grinsend nach der großen Klinke der Edelstein-verzierten Tür der Arena greifen wollte, erklang nochmals Pengs seufzende Stimme an meinem rechten Ohr.   „Du weißt, dass das eine ganz und gar verblödete Idee ist, oder?“, fragte er mich, während ich meine Finger entschlossen um den silbernen Griff klammerte. Meine vor Vorfreude blitzenden Augen klebten bedingungslos an dem eindrucksvollen Tor, das nur darauf wartete, von mir geöffnet zu werden.   Lachend gab ich Mikado dann meine Antwort.   „Es gibt keine blöden Ideen! Nur blöde Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen!“, erklärte ich ihm wissend, mein Lächeln mit jedem Wort breiter werdend.   ...Bis ich letztlich die Klinke nach Unten drückte und die schwere Tür mit beiden Händen aufschob.   Ein mutiger Pirat schreckt vor Nichts zurück! Ich bin ein Heart-Pirat aus vollstem Herzen und stelle mich jeder Mutprobe!   Ob Heat und Wire auch so einen großen Spaß haben, wie ich..?       ~*~       Die Kugel der Magnum streifte Heats Rastalocken, verfehlte um Haaresbreite seine Halsschlagader und flog glatt durch seine blaue Haarpracht hindurch, ehe das Geschoss weiter in Richtung Himmel raste. Es war ein beabsichtigter Warnschuss, welcher der Träger der Schusswaffe abfeuerte.   Beide Kid-Piraten drehten sich gleichzeitig um, von den dunklen Wolken über ihren Köpfen weg, hin zu der Gefahr. Genau im richtigen Augenblick griff Wire in Sekundenschnelle nach seinem Dreizack, hielt ihn blitzschnell in die Luft und wehrte den Angriff der Klinge ab, die auf ihn zu schnellte.   Der gezackte Seesteinstab kollidierte mit der rotierenden Sichel, wodurch die selbige in ihrer Bewegung ausgebremst wurde.   Wenige Sekunden, die sich wie in Zeitlupe abspielten, rieben die beiden Waffen funkend aneinander, bevor der Besitzer der Klingen einen geübten Ausweichsprung nach Hinten vollführte und kniend neben dem Revolver-Träger auf dem steinigen Boden aufkam. Langsam drehten sich die beiden Sicheln aus, das leiser werdende Geräusch der Rotations-Vorrichtungen die Stille füllend, während die Spannung der elektrisierenden Atmosphäre mit jedem verstrichenen Moment stieg.   Zu viert standen sich die Charaktere gegenüber, zwei von ihnen auf jeder der Seiten, alle Augenpaare sich mit ihren Blicken kreuzend.   Heat versuchte derweil seinen schwankenden Stand zu festigen, wie auch seine verschwommene Sicht zu klären. Knappe zehn Zentimeter neben ihm befand sich der Klippen-Rand des Pfades, der in die Tiefe führte, seine Höhenangst spielte in diesem Augenblick die geringste Rolle.   Neben ihm, nahe der schwarz-blauen Felswand, hielt Wire noch immer unbewusst seinen Dreizack in die Höhe. Er erkannte das vertraute Aussehen ihrer beiden Feinde sofort und blickte sie wie versteinert an.   Ein aufkommender Windstoß wehte die langen, blonden Haare über die breiten Schultern ihres ersten Gegenspielers, direkt in Richtung des Zweiten, der nun mit dem rauchenden Lauf seines Revolvers den Schirm seiner Kappe nach oben schob. Eiskalt und dunkel war seine Stimme, welche nun die Anspannung zerriss.   „Verschwindet von hier.“, sprach der Kappenträger seine unmissverständliche Warnung aus und entriegelte beim Sprechen abermals seine Waffe, deren Lauf er auf Heats Kopf richtete. „Der nächste Schuss wird treffen. Kehrt um und lasst euch hier nicht wieder blicken.“   Blinzelnd schaute der Rastaträger auf die Mündung des Revolvers, der Alkoholschleier seiner trüben Augen sich langsam verziehend. Doch war es Wire, der zuerst von ihnen beiden die Fassung erlangte.   „Penguin-?“, wollte er seine Erkenntnis in Begleitung eines ungläubigen Untertons aussprechen, wurde aber durch einen Ellenbogenstoß Heats unterbrochen. Streng musterte der blauhaarige Kid-Pirat den Kappenträger aus halb zusammengekniffenen Augen, ehe er seinen Kopf wild schüttelte.   „Wasch red'stn für'n Käse, Wire?“, lallte er seinem besten Freund zu und zeigte dann mit seinem unkoordinierten Zeigefinger auf den Revolver-Besitzer. „Guck'ste: Da is' keine Uffschrift auf der Haube.“   Tatsächlich hatte das achtsame Auge des Volltrunkenen den Unterschied gemerkt, der die beiden, beinahe identischen Figuren von ihren Freunden differenzierte: Die täuschend ähnliche Kappe zierte keinen Namen, sowie es schwarze Haarsträhnen, statt braune waren, die hinter der marineblauen Kopfbedeckung hervorblitzten. Würde man hinter den Kappenschirm sehen können, so hätte man die dunkelblaue Augenfarbe gesehen, welche das Kid-Piraten-Duo anvisierte.   Auch der neben ihm stehende Blonde besaß entscheidende Merkmale, die ihn von ihrem Vizen unterschieden. Anstatt einer blau-weiß gestreiften Maske, vermummte er sein Gesicht mit einem giftgrünen Schal, den er locker um seinen Hals bis zu seiner Nase trug. Hinter dem blonden Pony waren pechschwarze Augen versteckt, ebenso schwarz wie es seine Sicheln waren.   Die Stimme des Klingen-Besitzers klang beherrscht und überaus ruhig, zu ruhig.   „Trefft eure Wahl: Lebt... oder sterbt.“, wurden die finsteren Worte durch den Schal gedämmt, während sich die vermummten Lippen zu einem diabolischen Schmunzeln verzogen.   Zeitgleich krachte ein einzelner Blitz in unmittelbarer Nähe auf die Erde, der grelle Lichtblitz die Vier vollends umhüllend. Wenige Augenblicke später gaben Wire und Heat ihnen ihre Antwort.   „Wir warten hier auf jemanden.“, erklärte der Umhangträger arroganten Tones und rammte seinen Dreizack neben sich in den Boden. „Wir geh'n hier nich' weg, könnt' ihr knicken!“, beendete der Rastaträger die Worte seines Kameraden und grinste.   Wie abgesprochen sprachen die beiden besten Freunde letztlich ihre Kriegserklärung aus:   „Wir fordern ein Duell./Wir fordern ein Duell!“     Ihre beiden Gegner schmunzelten synchron, ihre Mimik düster und herausfordernd, bevor der blonde Krieger einen Schritt auf sie zutrat.   „Wenn dem so ist...“, begann er mit finsterem Flüstern, seine rabenschwarzen Augen einen Blut gierenden Ausdruck widerspiegelnd, während er langsam seine rechte Hand hob. „Werden wir euren Wunsch mit Vergnügen erfüllen.“   Mit einem einzigen Fingerschnipsen brachte er sie allesamt weg von hier. In die Arena von Valhalla, wo die vier Kämpfer ihr doppeltes Duell austragen sollten.       --       Der ehrfürchtige Kampfring aus edelstem Metall war über und über gefüllt von besetzten Zuschauerrängen. Grölend und jubelnd, eiferten die Figuren der unterschiedlichsten Krieger-Rassen dem bevorstehenden Spektakel entgegen, dabei hielten sie ihre eigenen Waffen anfeuernd in die Luft.   Zwischen den Rängen, direkt in der Mitte mit der besten Sicht auf das Schlachtfeld, befand sich eine Aussichtsplattform, die hinter feuerroten Vorhängen vollends unkenntlich gemacht wurde. Dahinter waren zwei Throne aufgebaut, auf denen die beiden Halbgötter selbst saßen, um dem Schauspiel als Zuschauer, wie auch Richter beizuwohnen. Ihre kriegsgerichtlichen Pflichten standen über ihrer eigenen Fehde.   „Kämpft! Kämpft! Kämpft!“, erklangen die Rufe der Menge im Chor, mit jedem verstrichenen Augenblick immer ungeduldiger und lauter werdend. Das letzte Wort sollte jedoch von ihren beiden Anführern verkündet werden, sie hatten die alleinige Macht über die Eröffnung des Kampfes.   Mit einem synchronen Handschwenken gaben die Kriegsgötter ihren Vizen schließlich den Befehl zum Angriff.   Der Träger der Plüschmütze lehnte sich daraufhin lässig in seinem Thron zurück und faltete seine Hände locker auf seinen überschlagenen Beinen. Während der Hüne mit dem flammend roten Haar seine geballte Faust auf die Armlehne schlug und seine roten Lippen zu einem vorfreudig-dämonischen Grinsen verzog.   Alle Augenpaare waren gebannt auf das Schlachtfeld gerichtet, auf dem sich nun die vier Gegner in Bewegung setzten.   „Wählt eure Waffen.“, wurden Heat und Wire aufgefordert, während der blonde Vize auf das große Fass neben ihnen deutete, in welchem unzählige Kriegswerkzeuge steckten. Seine stillstehenden Sicheln hielt er in einer Angriffshaltung vor seine breite Brust, er war jederzeit zum Angriff bereit.   Wire brauchte keine neue Waffe, seine Wahl fiel auf seinen Dreizack, der ihn über die Jahre nie im Stich gelassen hatte. Heat hingegen, wanke zu der Kiste, in der er einen Moment lang wühlte, ehe er fand, wonach er suchte: Eine abgesägte Schrotflinte ohne Schrotkugel-Munition, die er kurz in seiner Hand abwog und dann grinsend an sich nahm.   Der Kappenträger überprüfte die Patronen-Trommel seines einzigen Revolvers mit einem flüchtigen Blick, bevor er seine entschlossenen Augen auf das Kid-Piraten-Duo richtete und ihnen knapp die Regeln des Kampfes erklärte.   „Ein Eins gegen Eins Kampf; Feuerwaffen gegen Hiebwaffen. Es gilt: Nur ein Schuss wird abgefeuert. Wer trifft hat gewonnen. Gleiches gilt für den ersten Hiebtreffer.“, offenbarte er ihnen ruhig und zog den Schirm seiner Kappe mit einer geübten Handbewegung locker über seine Stirn. „Die Duelle werden zeitgleich stattfinden. Für einen Rückzieher ist es zu spät. Habt ihr die Regeln verstanden?“   Heat und Wire nickten kampfbereit und nahmen die Herausforderung an, nun gab es kein Zurück mehr.   Alle vier Parteien bezogen dann ihre Stellung auf dem Schlachtfeld. Der betrunkene Rastaträger, mit der abgesägten Schrotflinte in seiner Hand, lehnte Rücken an Rücken gegen den Revolver-Besitzer. Neben ihnen standen sich der Dreizack-Halter und der Klingen-Besitzer in etwa 20 Meter Distanz gegenüber.   Nun fehlte nur noch das alles entscheidende Startsignal... ...welches der rothaarige Hüne in Form eines Schusses gen Himmel verlauten ließ.   Während Wire erhobenen Dreizacks auf seinen Gegner zu rannte, ließ ebendieser seine schwarzen Klingen rotierten, bevor er in einem immensen Tempo auf den Kid-Piraten los sprintete. Der Staub unter ihren Füßen wurde stark aufgewirbelt, die Kriegsrufe des Publikums die leidenschaftliche Atmosphäre untermalend, bevor das lautstarke Klirren der aufeinander treffenden Waffen alles andere übertönte.   Auf der anderen Seite flüsterte der Kappenträger dem hinter ihm lehnenden Heat ruhigen Tones zu; „10 Schritte“, erklärte er die Distanz-Spanne, bis sie sich beide umdrehen durften. Nach dem leichten Nicken des Rastaträgers, liefen sie beide wie in Zeitlupe los, Schritt für Schritt einen Fuß vor den anderen setzend.   Gedanklich zählte Heat die einzelnen Schritte herunter:   ...1... 2... 3... 5... 4... Was kommt's nochmal nach 4? ..Ah; 7... 8... 6... 10!   Beide Kontrahenten drehten sich beinahe gleichzeitig um, ihre geladenen Waffen blitzschnell auf ihren Gegenüber richtend. Es war ein Bruchteil einer Sekunde, Magnum gegen Schrotflinte, ehe die beiden Schüsse in zwei unterschiedlichen Klangfarben abgefeuert wurden.   Die Kugeln beider Feuerwaffen rasten in Richtung ihres Zieles, die Zuschauer ihren Atem anhaltend... Ehe beide Seiten einen Treffer erzielten.   Ein Treffer, mit dem niemand gerechnet hatte, da der schier unmöglichste Fall eintrat: In exakt der Mitte des Schlachtfeldes trafen beide Geschosse aufeinander, prallten aneinander ab und änderten so ihre Flugbahn, sodass beide ein Loch in dem roten Vorhang des Götterplateaus hinterließen.   Hinter dem Vorhang hörte man lediglich ein lautstark gebrülltes: „Was zum Teufel?!“ Der Sprecher der tief-rauen Stimme die Metall-Kugeln in der Luft stoppend, bevor diese zwischen seinen Beinen ein unschönes Problem verursacht hätten.   Heat hatte mehr Glück, als Verstand gehabt, im alkoholisierten Zustand vertraute er allein auf sein Bauchgefühl, seine Sicht war zum Zielen viel zu unkenntlich. Heute war das Schicksal wohl auf der Seite des vom Unglück geprägten Kid-Piraten.   Das erste Duell ging somit unentschieden aus, was keinen der beiden Gegner zufriedenstellte. Doch durften die obersten Regeln der Krieger nicht gebrochen werden, sodass sie das Ergebnis hinnehmen mussten.     Wire hatte sichtliche Schwierigkeiten die Angriffe der Klingen mit seinem Dreizack abzuwehren und mit der Schnelligkeit des Blonden mitzuhalten, ihm blieb kein Spielraum für einen Gegenangriff. Er war deutlich im Nachteil gegen den erfahrenen Krieger.   Fieberhaft suchten die aufmerksamen Augen des Umhangträgers nach einer Schwachstelle in der Verteidigung seines Gegners. Jedoch konnte er keine entdecken und konzentrierte sich deswegen darauf, die Hiebe mit aller Kraft zu parieren.   Das Problem: Für gewöhnlich kämpfte Wire nicht nur mit seiner Hiebwaffe, sondern auch mit seinen Tränken, die er in diesem Kampf nicht benutzen durfte. Sein Arm ließ allmählich an Kraft nach, doch war sein Siegeswille stärker, als das schmerzende Ziehen seines rechten Unterarmes, mit dessen Hand er seinen Dreizack nun durch die Luft wirbelte. Lange hielt der Kid-Pirat nicht mehr durch.   Die nächste Kollision folgte, eine nach der anderen, beide Parteien kämpften erbittert um einen Treffer... Jedoch sollte ihr Kampf anders enden, als erwartet.     „Genug!“, erhob der Kriegsgott mit der Plüschmütze seine autoritäre Stimme und trat hinter dem feuerroten Vorhang hervor, auf den kleinen Balkon der Aussichtsplattform. „Die Zeit ist um. Ich erkläre die Duelle für beendet.“   Neben ihm stampfte der rothaarige Halbgott in Richtung des Balkongeländers, an dem er sich mit beiden Ellenbogen abstützte, spöttisch lachend auf seinen Vizen hinab schauend.   „Du bist eingerostet.“, grinste er ihm zu und richtete dann seine unüberhörbare Stimme an alle Anwesenden. „Wir haben einen Freiwilligen für den Gladiatoren-Kampf gefunden, der lebensmüde genug ist, um es mit unseren Besten aufnehmen zu wollen.“, wurde das Grinsen seiner roten Lippen dunkel, während er dreckig lachte. „Macht euch bereit für eine verdammt große Show!“   Hellauf begeistert waren die kampf-vernarrten Krieger, deren Jubelrufe nicht zu bremsen waren. Die Zuschauer waren außer sich, die Stimmung der Arena erreichte ihren absoluten Höhepunkt.   Heat und Wire hingegen, blickten sich stumm an, während ihnen alle Gesichtszüge entgleisten. Beide konnten sie eins und eins zusammenzählen und lagen mit ihrer Vermutung, wer dieser Freiwillige sein konnte, genau richtig.   Die endgültige Bestätigung bekamen die Kid-Piraten, als Shachi hinter dem roten Vorhang hervortrat, zwischen den beiden Halbgöttern stehend, und fröhlich lächelnd der Menge zuwinkte...       ~*Shachis Sicht*~ Etwa 15 Minuten zuvor       Als ich durch das riesige Tor der Arena trat, gelangte ich in eine prunkvolle Eingangshalle, in der ganz viele coole Statuen standen. Eine davon sah aus, wie Peng, eine andere wie Killer, beide in einer total epischen Kampfpose, weswegen ich die Figuren für mehrere Momente neugierig anblickte. Es gab sogar eine von Wire und Heat. Nur keine von mir, was mich etwas traurig machte.   Warum kann ich nicht auch ein stolzer Kämpfer sein?, fragte ich mich selbst und seufzte leise, während mein Blick weiter durch den Eingangsbereich schweifte. Immer stehe ich im Schatten von allen anderen...   Die größten Denkmale waren die von meinem Käpt'n und dem Kapitän der Kid-Piraten, die über und über aus purem Silber und Gold bestanden. Beide Skulpturen waren richtig imponierend und ließen meinen Wunsch, stärker zu sein, nur noch größer werden.   Traurig lief ich nun auf Laws Statue zu, blieb vor ihr stehen und schaute dann gedankenvoll an dem 5 Meter hohen, glänzenden Silber hinauf. Mein Käpt'n war ja so schon total cool und einschüchternd, aber in der Angriffspose, mit seinem Katana erhoben, sah er gleich noch tausend Mal ehrfürchtiger aus. Mit meinen Fingern berührte ich das kühle Kunstwerk, strich langsam darüber und dachte dann seufzend nach.   Was würde mein Käpt'n mir raten..?   Wenn ich es mir so sehr wünsche...   Wieso erfülle ich mir den Wunsch dann nicht einfach?, zierte nun ein Lächeln meine Lippen. Ein Lächeln, das meinen Entschluss besiegelte. Schließlich sind Wünsche doch dazu da, um in Erfüllung zu gehen!   Zeitgleich fielen meine Augen auf den großen Eingang zum Ring, neben dem Links und Rechts die Denkmäler von unseren beiden Kapitänen standen. Hinter dem Tor konnte ich Heat und Wire, sowie Peng und Killer sehen, wie sie irgendeine spielerische Rangelei austrugen. Als ich sie einen Augenblick bei ihrem Tun beobachtete, konnte ich nicht anders, als aufgeregt auf der Stelle zu wippen, weil die Spannung in der Luft einfach super aufregend war.   Ich will auch in die Arena!, beschloss ich breit grinsend und warf einen Blick auf Mikado, der noch immer auf meiner Schulter saß.   Kopfschüttelnd seufzte er und schwieg, sodass ich mich kurz darauf mit ihm zusammen auf den Weg zu der Treppe an der linken Wandseite machte, die bestimmt irgendwohin führte. Den direkten Weg zu dem Kampfplatz wollte ich nicht nehmen, weil ich die anderen nicht stören wollte, also musste ich einen anderen finden.   Treppenstufe für Treppenstufe stieg ich die breite Steintreppe nach Oben, immer weiter in Richtung der jubelnden Menge, die mein Herz höher schlagen ließ, weil ihre Leidenschaft auf mich überging. So aufgeregt, wie jetzt, war ich schon lange nicht mehr, ehrlich!   Kurz darauf stand ich zwischen der besetzten Tribüne, schaute mich flüchtig um und steuerte dann das auffällige, rote Zelt an, das meine volle Aufmerksamkeit lockte.   Wer wohl mitten zwischen den Wolken, in einer Arena zeltet?, fragte ich mich und erinnerte mich an die Zeit, als Peng, Law, Bepo und ich das letzte Mal ein Lager auf irgendeiner Insel im Wald aufgeschlagen hatten. Die Erinnerung, wie Bepo sich an den Marshmallows schlecht futterte, Peng zu tief ins Glas schaute und Law uns in der Nacht beinahe zu Tode erschreckte, weil er uns zuvor eine total gruselige Geschichte erzählte, die er dann wahr werden ließ, brachte ein resignierendes Schmunzeln auf meine Lippen.   Ich liebe meine Familie..., dachte ich mir überglücklich, Nichts in der Welt kann sie ersetzen...   Und um sie zu beschützen, muss ich noch viel stärker werden!   Mit einem kräftigen Ruck zog ich nun den roten Vorhang zur Seite und sprang dann in das große Zelt hinein.   „Huhu, jemand Zuh-? Whoaaa!“, wollte ich laut fragen, doch verschlug es mir die Sprache, als ich die gepunktete Plüschmütze sah. „Genauso eine hat Law auch!“   Weit offen stand mein Mund, als ich die beiden Männer angaffte, deren Augenpaare beinahe zeitgleich in einer langsamen Bewegung auf mich fielen. Ich stand genau zwischen den beiden Thronen, meinen Kopf schnell zwischen den Königen hin und her drehend.   Ein Thron bedeutet, dass sie Könige sind, so steht's doch in den Büchern, oder? Also müssen die beiden die Könige der Wolken sein!   Irgendwas an ihnen kam mir merkwürdig vor, nur wollte mir nicht einfallen, was genau das war. Der, der die schwarz-weiß gepunktete Mütze trug, erinnerte mich an meinen Kapitän, doch konnte dieser es nicht sein, da er einen 1cm kürzeren Haarschnitt trug, als Law. Bei dem rothaarigen Koloss war der Ton seines Lippenstiftes, wie auch seines Nackellacks um eine Farbnuance heller, als das Rot der Lippen und Fingernägel von Captain Kid.   Demnach sind es... ihre Brüder..?, rätselte ich und ging mehrere Male um die beiden Duplikate herum, sie eingehend musternd. Ich hab gar nicht gewusst, dass Law einen Zwillingsbruder hat, noch dass dieser ein Kö-   Ein König!, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen, während ich in meiner Ausgangsposition vor den Thronen abrupt stehen blieb und ich mich an etwas Grundlegendes erinnerte, nämlich an den Umgang mit Adeligen.   „Mein Name ist Shachi, eure Hohlheiten.“, stellte ich mich höflich vor, erweiste ihnen meinen Respekt und knickste verbeugend vor den beiden stummen Lordschaften, die mich noch immer eindringlich beobachteten. Die unheimlichen Blicke unserer Kapitäne hatten sie definitiv drauf, das lag wohl in der Familie.   Mehrere Augenblicke war es ruhig, bis Captain Kid 2.0 mir seine laut brüllende Stimme entgegenfeuerte, bei der ich mir meine beiden Zeigefinger in die Ohren stecken musste, damit sie mir kein Ohrensausen verpasste.   „Was verfickt nochmal willst du hier, Zwerg?!“, knurrte er und schlug donnernd auf die Armlehne seines Throns. „Verpiss dich, wenn's nich' wichtig is', sonst mach' ich dir Beine!“   Laws Zwilling spielte den stillen Beobachter, doch zierte ein amüsiertes Schmunzeln seine Züge, während er mich interessiert musterte. Den Adler-Blick war ich ja schon von meinem Käpt'n gewöhnt, deswegen erwiederte ich ihn freundlich winkend. Dann fielen meine Augen wieder auf den wütenden König, dem ich eine Antwort schuldete.   Mutig stellte ich mich vor ihn und verbeugte mich nochmals, ehe ich ihm antwortete.   „Ich bin hier, weil...“, begann ich nachdenklich redend, während ich meine Stimme dazu zwang, männlich und stark zu klingen. „Weil ich kämpfen will. Ich will ein echter Krieger werden!“, verkündete ich selbstsicher und ballte meine Faust, die ich ihm entschlossen entgegenhielt.   Stille. Nach meinem mutigen Geständnis war nichts zu hören, außer die entfernten Zuschauerrufe, die das Ganze nicht gerade angenehmer machten.   Habe ich etwas falsches ge-?   „Hahaha!“, lachte der Hüne urplötzlich los, sein raues Lachen die Stimmung lockernd, sodass ich selbst anfing leise zu lachen, nur etwas verunsicherter. Gespannt wartete ich dann auf seine nächsten Worte, wie gebannt starrte ich auf die sich bewegenden, roten Lippen.   „Hast'e das gehört?“, drehte der König seinen Kopf in Richtung des stummen Zweiten und zeigte mit seinem Daumen auf mich. „Der kleine Scheißer will kämpfen, wie lachhaft.“, zerstörte er meine Hoffnung mit einem einzigen Satz und machte sich über mich lustig, was mich dazu brachte, meinen traurigen Blick zu senken und meine beiden Hände zu Fäusten zu ballen.   Ich werd's ihnen allen zeigen!   Warum traut mir niemand zu, dass ich kämpfen kann? Sehe ich so schwach aus, dass niemand an mich glaubt?   Menno, das ist nicht fair...   In dem Moment, als sich einzelne Tränen in meinen Augen sammeln wollten, erhob Laws Dublikat seine emotionslos-ruhige Stimme, was mich zu ihm aufblicken ließ.   „Aber", sprach er in einem festen Ton und zog dabei seine schmunzelnden Lippen weiter nach oben. Voller Erwartung blickte ich ihn nun an, während mein Herz mehrere Purzelbäume schlug und meine Hoffnung zeitgleich ins Unermessliche wuchs. „Du sollst deine Chance bekommen.“   „Juhu!“, musste ich meiner Freude Ausdruck verleihen und sprang aufgeregt auf der Stelle, meine Arme freudig in die Luft reißend, dann streckte ich dem rothaarigen Griesgram meine Zunge entgegen. Bevor ich auf Laws Zwilling zurannte und ihn ganz fest umarmte, so fest ich konnte.   „Danke, König Plüsch-Fuddel!“       ~*~       So stieg unser tapferer, junger Held schließlich in die Arena. Seine beiden Begleiter nahmen auf den Zuschauerrängen Platz, bangend sorgten sie sich um ihren Freund, der bislang nur wenig Erfahrung im Kampf sammeln konnte. Bedingungslos standen Wire und Heat Shachi gedanklich bei, was auch immer auf ihn zukommen vermochte.   Beide Kid-Piraten dachten in diesem Augenblick das gleiche: `Unser Freund wird es schaffen!´     Zuallererst widmete sich Shachi der Waffenkiste, die noch immer in der Mitte des Schlachtfeldes stand, sprintete freudig auf sie zu und begann dann, sich mit dem Inhalt vertraut zu machen. Da er selbst noch nie eine richtige Waffe in den Händen gehalten hatte, fiel ihm die Wahl recht schwer. Er konnte sich nicht entscheiden, welches der Kriegsinstrumente er zuerst ausprobieren sollte.   Flink griffen seine Finger nach den einzelnen Werkzeugen, seine neugierigen Augen ein jedes von ihnen kritisch musternd, ehe er es achtlos hinter sich warf. Dolche, Schwerter und auch Feuerwaffen waren nichts für ihn, diese landeten weggeworfen im Staub. Auch Kampfstäbe sagten ihm nicht zu, ebenso wenig wie Beile, Äxte und Bögen.   Der junge Heart-Pirat entschied sich für eine vollkommen andere Waffe, die er ganz unten, auf dem Boden des Fasses fand. Es war eine gänzlich andere Art von Bewaffnung, die Shachi eher stand.   Grinsend steckte er seine neue Waffe weg, in die Tasche seines weißen Anzugs, bevor er sich in Richtung des markierten Platzes für die Herausforderer auf machte. Letztlich zog er sich noch seine Ballonmütze vom Kopf, enthüllte seine strubbeligen, orangenen Haare und legte die Mütze, mitsamt seiner getönten Brille und der Voodoo-Puppe an einen sicheren Ort.   Shachis Goldtopas-farbenen Augen leuchteten vor Selbstsicherheit und Willensstärke, er war bereit für seinen allerersten Kampf.   „Ich bin fertig, kann losgehen!“, rief er in Richtung des Götterplateaus und atmete zweimal tief ein und aus, während er sich schnell mit einigen Aufwärmübungen vorbereitete.   Auf offenem Platz vollführte er mehrere Kniebeugen, streckte seine Arme und Beine ausgiebig und faltete abschließend seine Hände ineinander, die er knackend von seinem Körper weg drückte. Nun fehlte nur noch sein Gegner.   Ein Gladiatoren-Kampf unterschied sich grundlegend von einem Duell. Die Regeln waren jedoch einfach: Wer zuerst am Boden lag, hatte verloren. Alles war erlaubt, die Benutzung jeglicher Waffenart, wie auch das Töten. Aufgeben würde ein wahrer Krieger nicht, weswegen die Kapitulation ein strenges Verbot darstellte, welches mit einem unehrenhaften Tod bestraft wurde.   ...Und weil es ebenso auch keine Regelung für die Anzahl der Kämpfer gab, stand Shachi im nächsten Augenblick gleich zwei Gladiatoren gegenüber, die nun den Ring betraten.   Die Menge jubelte grölend, als ihre beiden Berühmtheiten die Arena beschritten. Einer von ihnen sah Heat überaus ähnlich, doch trug er silber-graue Rastalocken und keine Nähten an seinen Lippen, dafür aber einen Schottenrock um seine Hüfte. Der Andere trug keinen Umhang und auch keinen Dreizack, die Gesichtszüge ohne Schminke wirkten männlicher und markanter, zudem zierten dunkle Tribal-Tattoos seinen Oberkörper und seine Arme.   Winkend genossen die beiden Gladiatoren die Aufmerksamkeit der Zuschauer, gingen langsamen Schrittes zu der Kämpfer-Markierung und bezogen ihre Stellung. Als ihre Augen von der Menge abließen und ihre Blicke auf ihren Herausforderer fielen, konnten sie nicht an sich halten und begannen, lautstark zu lachen.   Zugegeben war es ein überaus merkwürdiges Bild, welches man nun auf dem Schlachtfeld sah: Zwei über und über durchtrainierte und erfahrene Kämpfer an einem Ende der Arena standen dem zierlichen Heart-Pirat gegenüber, der beleidigt seine Backen aufblies und ihnen einen `wütenden´ Blick zuwarf. Wer konnte es ihnen verübeln, dass sie den Jungen nicht für Voll nahmen?   „Soll das ein Scherz sein?“, begann der silberhaarige Rastaträger und zeigte auf den jungen Piraten, der die weißen Ärmel seines Overalls hochkrempelte und seine zierlichen Unterarme enthüllte. „Wenn, dann ist es ein ziemlich schlechter Witz.“, antwortete ihm sein Gefährte, der seufzend seine Wurfmesser zückte, um sich für den Kampf bereit zu machen. „Ein Herausforderer ist ein Herausforderer, nicht? Also lass uns den Kleinen schnell platt machen, dann können wir uns wieder dem Ambrosia-Trinken widmen.“   Zustimmend nickte ihm der Rastaträger zu, zog seine beiden Nunchako-Waffen und ließ sie mehrere Male bedrohlich schwingen, während er fies grinste. „Ich geb' ihm 1 Minute.“   Nachdem die nächsten Wetten unter den Zuschauerrängen gemacht wurden, die Shachi allesamt höhnisch auslachten, eröffnete der temperamentvolle Kriegsgott den Kampf mit einem gebrüllten: „Fangt endlich an!“   Das ließen sich die beiden Gladiatoren gewiss nicht zweimal sagen, doch zuvor losten sie mit einer Schwere-Stein-Papier-Partie aus, wer ihren zierlichen Gegner zuerst angreifen durfte. Beide waren sie in der festen Annahme, dass sie den Heart-Piraten wie ein Blatt im Wind mit nur einem Schlag um pusten konnten.   Der Gewinner war Wires Duplikat, der nun schmunzelnd auf Shachi zuging und seine Wurfmesser mehrmals locker in die Luft warf und wieder auffing. Unser Held wollte seinem tätowierten Gegner kameradschaftlich die Hand geben, streckte diese lächeln in Richtung des auf ihn zulaufenden Gladiatoren und bekam als Antwort ein scharf-geschliffenes Messer entgegengeworfen.   Hätte Shachi sich nicht rechtzeitig geduckt, hätte es ihm augenblicklich die Kehle durchschnitten.   Shachis verdutzter Blick wechselte nun in einen verärgerten und unbeirrbaren Ausdruck, während er sich der Gefahr bewusst wurde, die seine beiden rücksichtslosen Feinde ausstrahlten. Er konnte wahrlich viel Spaß verstehen, doch auch für ihn gab es eine Grenze, welche jetzt deutlich überschritten war.   Im nächsten Augenblick rasten gleich mehrere Wurfmesser auf ihn zu, deren Flugbahn er für einen Bruchteil einer Sekunde kalkulierte, ehe er ihnen flink auswich. Seine Stärke lag definitiv in seiner Schnelligkeit, die er zu nutzen wusste.   Durch seine Körpergröße stellte Shachi keine leichte Zielscheibe dar, wie auch sein Gegner feststellte, der nach seinen verfehlten Würfen sichtlich wütend wurde.   „Bleib gefälligst still stehen, du Ratte, damit ich dich aufschlitzen kann!“, rief er Shachi knurrend zu und erntete nur ein gerufenes: „Nö.“, welches ihn nur noch mehr reizte.   Der Rasta-tragende Gladiator lachte seinen Kameraden lauthals aus und entschied sich nun ihm unter die Arme zu greifen. „Na, brauchst'e Hilfe mit der Schmeißfliege?“, spottete er ihm zu und wirbelte provokant seine Nunchakos durch die Luft, während seine Augen den weiterhin hüpfend ausweichenden Heart-Piraten fixierten.   Bevor er jedoch zum Angriff ansetzen konnte, zog Shachi entschlossen seine Waffe aus seiner Anzugtasche und ließ seine Gegner für einen Moment zu Stein erstarren, als beide Augenpaare auf seine merkwürdige Bewaffnung fielen.   Keinen Augenblick später brachen die Gladiatoren, sowie die Zuschauer in schallendem Gelächter aus.   „Pff... Hahaha!“, hielt sich der silberhaarige Krieger vor Lachen den Bauch und wischte sich dann die Lachtränen aus seinen ungläubigen Augen. „E-Ein Jo-Jo? Mach dich doch nicht noch lächerlicher, als du sowieso schon bist.“, fand er seine verächtliche Stimme wieder und beobachtete belustigt, wie Shachi seine `Waffe´ öfters locker gen Boden rollen ließ.   Lächeln schaute auch der Heart-Pirat auf das gewöhnlich aussehende Spielzeug, welches er breit grinsen wieder mit einer Hand auffing, ehe er seine selbstsicher leuchtenden Augen auf seine Gegner richtete.   „Also ich mag es und das ist es, was zählt, nicht?“, sagte er und erntete erneut fragende Blicke, die an seinem Verstand zweifelten. Dann wechselte sein freundliches Lächeln in ein herausforderndes Schmunzeln. „Und jetzt spielen wir.“   Shachi war die Ruhe selbst, von Worten oder Gelächter ließ er sich nicht ablenken, sondern konzentrierte sich einzig und allein auf seine beiden Ziele, welche zusammen zum Angriff übergingen. Nun wurde ihr Kampf ernst und ging in die heiße Phase über, die alles entschied.   Den Wurfmessern wich unser Held erneut aus, doch streiften ihn einige davon an seinen Armen und Beinen, sodass sie dort den weißen Stoff seines Overalls zerrissen und vereinzelte Schnittwunden hinterließen, die glücklicherweise nicht tief waren. Dennoch zierten kurz darauf einzelne blutrote Stellen den hellen Stoff. Es waren nur wenige Bluttropfen, die dafür verantwortlich waren und Shachi nicht im Geringsten in seinen schnellen Bewegungen beeinträchtigten.   Als dem Messerwerfer seine Waffen ausgingen, stürmte der Rastaträger mit seinen rasselnden Nunchakos, sowie in Begleitung eines Kriegsschreis auf ihn zu, während Shachi mit seinem Jo-Jo ausholte.   Der erste schwungvolle Hieb der Nunchakos folgte, den der Heart-Pirat mit seinem ausgeworfenen Jo-Jo parierte. Daraufhin entstand ein blitzschnelles Gefecht zwischen Heats Duplikat und dem willensstarken Jungen, dessen Timing-Gefühl wahrlich zu bewundern war.   Doch knackste alsbald die Außenhülle des Jo-Jos an, bekam einen deutlichen Riss durch die schwere Waffe seines Gegners, sodass dieser einen Treffer an Shachis linker Schulter landen konnte. Nur knapp konnte der flinke Junge ausweichen, doch hinterließ der Schlag einen großen, blauen Fleck, der sich bald auf seiner Haut abzeichnen sollte.   Fies grinsend stellte sich der silberhaarige Gladiator neben seinen tätowierten Gefährten, er wollte zu seinem allerletzten Angriff übergehen. Auch Shachi bereitete sich innerlich auf die entscheidende Konfrontation vor, atmete tief durch und warf dann sein Jo-Jo mit einem letzten Wurf weit aus.   In haargenau dem Moment, als sein Gegner springend auf ihn zu stürzte, Shachis Kopf anvisierend, um seine Ketten-Waffen um seinen Hals zu schlingen und ihn damit durchzutrennen, warf der Heart-Pirat das Jo-Jo aus.   Dann geschah das, womit niemand der Anwesenden gerechnet hätte.   Die Schnur des Spielzeugs schlang sich blitzschnell um die Beine der beiden Gladiatoren, wickelte sich mehrere Male um ebendiese... und riss ihnen wortwörtlich den Boden unter ihren Füßen weg. Zeitgleich brachte Shachi seine beiden Gegner zum Fall, sodass diese keine Sekunde später im Staub der Arena landeten.   Somit war die Siegesbedingung erfüllt, der Sieger stand fest, welcher den Kampf auch ohne jemanden zu verletzen gewinnen konnte. Einzig sein Herz verhalf ihm zu seinem Sieg, sein Wille war stärker, als jede körperliche Kampfkraft es je hätte sein können.   So nahm sich letztlich der Teufel Shachis kämpferische Unschuld.     Doch blieb dem Gewinner keine Zeit, um seinen Triumph auszukosten. Wie in einer rasanten Zeitschleife ereignete sich das nächste Unglück. Die Welt um unsere Helden wurde plötzlich vollends in den bleichen Farben Schwarz und Weiß getaucht, alles um sie herum schien zu verschwimmen.   Die Illusion brach aus einem noch unbekannten Grund in sich zusammen, verlor ihre Farbenpracht und ließ die Zuschauer allesamt in Rauch verblassen, vom Wind wurden die nebelhaften Schemen der Krieger letztlich weggewischt. Selbst die Duplikate verschwanden urplötzlich, sodass sich nur noch unsere drei Helden in der lautstark einstürzenden Arena befanden.   „Wir müssen sofort weg von hier!“, rief Wire dem irritierten Shachi zu und sprang zusammen mit Heat von der Tribüne aus in den Ring. „Irgendwas stimmt nicht und ich will nicht hier bleiben, um herauszufinden was es ist.“   Das Jo-Jo behielt Shachi, ehe er seine Habseligkeiten einsammelte und mit seinen beiden Gefährten die Flucht durch das Edelstein besetzte Arena-Tor ergriff. Unsere Helden gelangten jedoch nur bis zu dem goldenen Pfad, der direkt unter ihren Füßen zusammenkrachte.   Haltlos stürzte das Trio dann durch die dunklen Wolken, im rasenden Tempo Richtung Erde hinab.   Während dem freien Fall kam Wire auf eine Idee, die ihr aller Leben retten sollte.   Durch Zufall hatte er vorhin den Diamanten auf dem Gipfelpfad gefunden, den Shachi aus der verzierten Tür entwendet hatte, und probierte diesen in einer Kurzschluss-Reaktion in eine Einkerbung der Herz-Brosche einzusetzen...   Er passte. Und öffnete zeitgleich ein Portal, welches sich unter ihnen auftat.   Shachi, Heat und Wire griffen in Eile und Panik gegenseitig nach ihren Händen, rasten von der Wolkenkulisse abwärts zum rapide nähernden Boden und wurden dann allesamt von der pechschwarzen Pforte verschluckt.   Was war geschehen? Wieso brach alles um sie herum zusammen?   Nun, zum Einen hatten unsere Helden ihre Prüfung bestanden, weswegen sich die Figuren in Schall und Rauch auflösten. Zum Anderen hatten sie sich auf ihrem Abenteuer zu sicher gefühlt.   Sie waren nicht die einzigen Eindringlinge, die sich in dem illusionierten Gebilde ihrer Reise zwischen den Welten aufhielten.   Seit geraumer Zeit wurde jeder ihrer Schritte verfolgt. Jemand hatte es auf sie abgesehen. Dieser jemand war das entscheidende Puzzleteil, welches das Gleichgewicht der Illusion aufrecht hielt und nun das Trugbild zum Zusammenbrechen brachte.     Damit nicht genug, sollte das Trio nicht an ihrem neuen Reiseziel ankommen, da sie in dem Welten-Strudel gefangen waren.   Eine verborgene Zwischendimension wurde erschaffen, genannt: `Tortuga´   Oder auch: `Das Grab der Piraten´ Kapitel 4: Wir alle tragen die Flamme der Freundschaft in unserer Brust ----------------------------------------------------------------------- ...What should we do with the cursed pirates~?...   ...What should we do with the cursed pirates~?...   ...What should we do with the cursed pirates, captured in the darkness~?...     Leise summten die verwünschten Seelen ihr Lied, welches verzerrt durch die pechschwarzen Gewässer hallte. Die verschleierten Stimmen sangen die klangvolle Melodie, mit der sie ihre neuen Besucher in ihrem verfluchten Reich willkommen hießen. Nichts, als endlose Schwärze tränkte die nebelige Umgebung, in der sich kein Himmel befand.   Tortuga war eine durch Raum und Zeit gerissene Zwischendimension, die eigentlich nicht existieren konnte... nicht durfte. Und dennoch gerieten unsere Helden dorthin, wo es weder Licht, noch Sein gab. Verschlungen von dem Schlund des Nichts, gefangen in der Existenzlosigkeit.   Auf einer einzelnen Planke trieben die drei bewusstlosen Piraten durch das dunkle Meer, welches kein Land weit und breit aufwies. Neben ihnen fuhren unzählige, kleine Boote. Das dunkle Holz der Verkleidung morsch und an vielen Stellen löchrig, sowie splitternd. Eine einzige Person saß in einem der Boote, lediglich eine brennende Kerze befand sich in den anderen. Einzig durch das unkontrollierte Flackern ihres Scheines wurde die kalte Finsternis erhellt.   Der Gesang weiter anhaltend, begannen einige der sich darunter befindlichen Stimmen urplötzlich tuschelnd zu flüstern. Ein heimtückischer Unterton ihr Wispern begleitend, ihre Worte ganz und gar unverständlich. Dies konnte kein gutes Zeichen für das schlafende Trio bedeuten.   Kurz darauf wurde der Chor, mitsamt dem Flüstern leiser, immer weiter abklingend, bis der über das Gewässer schallende Klang vollends verstummte, abgelöst von der drohenden Geräuschlosigkeit. Zeitgleich verzogen sich die friedlich schlummernden Gesichtszüge der drei Helden zu einer geplagten Mimik. Ihre Mundwinkel sich angespannt verziehend, kniffen sie ihre Augen angestrengt zusammen und verstärkten den Griff ihrer Hände um den hölzernen Rand der länglichen Planke. Ihr sechster Sinn warnte die Drei davor, unter keinen Umständen ihren rettenden Halt loszulassen.   Keine Sekunde später begab sich ihr Geist auf unruhige Wanderschaft, fern ab ihrer Leiber im Hier und Jetzt.   Shachi, Heat und Wire wurden, jeder für sich, in einen unklaren Traum hineingezogen, während ihre Körper weiter durch das Gewässer in eine unbestimmte Richtung trieben. Die Frage, ob sie je wieder aufwachten, hing von ihrem Unterbewusstsein ab, welches die träumerischen Bilder zu verarbeiten versuchte. Garantie auf ihr Erwachen gab es nicht, nur die Gewissheit einer endlosen Reise durch ihre Sinne.     Träume sind die Spiegel der Seele, geben Einblicke hinter die Fassade eines Selbst...   Sind sie eine Illusion? Eine Warnung? Oder gar reiner Trug?   Für die Einen sind sie eine Hilfe zu verstehen... Für Andere ein lauerndes Hindernis, welches Angst hervorruft...   Ein Traum kann aus purer Schönheit, vollkommener Sorglosigkeit und erfüllten Wünschen bestehen... Alpträume hingegen, enthalten Abscheulichkeit, Befangenheit und Wehmut...   Ihr beider Bedeutung ist jedoch gleichbleibend ausdrucksstark...       ~*~       Ein zuckersüßes Schlaraffenland mit den farbenprächtigsten Süßigkeiten aller Art erschuf die Fantasie des ersten Schlafenden. Bäume aus Zuckerstangen, Sträucher aus Lutschern und gepflasterte Wege aus Schokoladentafeln zierten die kunterbunte Landschaft. Von den Wolken aus weichem Soufflé hagelten vielfarbige Zuckerperlen auf die Erde hinab. Aus glänzendem, grünen Wackelpudding bestand der Untergrund. Die Luft roch, neben vielartigen Gaumenfreuden, nach einer Mischung aus ofenfrischen Plätzchen und gekochtem Vanillepudding.   Zwischen all den Süßspeisen hüpfte ein einzelner, großer Gummibär fröhlich pfeifend durch die Gegend, während er gut gelaunt: „Ich bin ein Gummibär~“, trällerte. Seine Farbe war ein leuchtendes Orange und auf seiner gelatineartigen Nase trug er eine getönte Brille aus süßem Esspapier. Er lächelte freudestrahlend bei dem Anblick der glitzernden Leckereien, an denen er vorbei hopste.   Mit ausgebreiteten Armen tanzte der Bär über den federnden Boden, durch den Perlenregen und steuerte das größte Bauwerk der ganzen Umgebung an: Ein Schloss aus einer riesigen, mehrstöckigen Sahnetorte, die vereinzelte Erdbeeren und andere Obststücke auf ihrem Haupt zierte.   In der Mitte der Torte saß eine gigantische Marzipanfigur, in Form des Jolly Rogers der Heart-Piraten, der grinsend darauf wartete, von Shachi verspeist zu werden. Bei dem Gedanken daran beschleunigten sich unwillkürlich seine Hüpfer über den Wackelpudding-Pfad, sodass er beinahe zu seinem Bestimmungsort flog. Hin und wieder naschte er dabei von einer der ihn anlächelnden Süßwaren, von allem musste er mindestens zweimal kosten.   Neben ihm huschten einige Mäuse aus Zuckerschaum umher, sowie über die Erde schlängelnde Gummischlangen. In der Nähe hörte man das Rauschen eines Karamellwasserfalles, in welchem einzelne Gummifische stromaufwärts schwammen. Zwischendurch wechselte das Wetter von perlendem Hagel, zu schneienden Zuckerstreuseln und regnender Schokoladenmilch.   Es war der Traum eines jeden Süßigkeiten-vernarrten Gourmets. Shachi fühlte sich in seinem überzuckerten Traumland pudelwohl.   Fragte sich nur, für wie lange...     Mitten auf einer großen Bühne stand der Feuerspucker, vor ihm sein ihm zujubelndes Publikum, welches auf seinen lang ersehnten Auftritt wartete. Die flutenden Scheinwerfer waren einzig und allein auf den Rastaträger gerichtet, während Links und Rechts neben ihm zwei breite Pyro-Flammen aus dem Nichts aufstiegen. Eine einzelne Schweißperle rann Heats Stirn hinab, seine Nähten verzierten Mundwinkel waren zu einem vorfreudigen Grinsen verzogen. Langsam setzten sich seine Beine in Bewegung, immer weiter zum Rand der Tribüne gehend.   Über ihm flogen tanzende, gebratene Wildschweine durch die Luft, denen er kurz einen schmachtenden Blick zuwarf, ehe er seine Augen schweren Herzens wieder auf die aufgeregte Menge vor ihm richtete. Innerlich rang er mit sich, wem er seine Aufmerksamkeit zuerst schenken sollte. Doch fällte sein Magen für ihn die Entscheidung, weswegen er wenigstens einmal herzhaft in eines der saftigen Flugschweine biss. Dann widmete er sich seiner ungeduldigen Fangemeinde.   Das Mikro hielt er fest in seiner geballten Hand, hob dieses triumphierend in die Luft und leckte sich mit der Zunge den letzten Tropfen Bratensoße von seinen Lippen. Noch bevor er mit der Show begann, flogen ihm diverse 'Geschenke', wie Berry, Spirituosen und Unterwäsche um die Ohren, die von seinen Fans in Richtung der Bühne geworfen wurden. Jedoch interessierte ihn das recht wenig, da er es kaum abwarten konnte, mit seinen Feuerkünsten den Leuten eine Darbietung zu geben.   „Rock 'n Roll!“, rief Heat breit grinsend in das Mikrofon und stellte sich in einer lässigen Pose in Position an den Rand der Bühne. Umgeben von Feuersäulen und orange-gelben Lichtern, ließ er seine letzten Worte verlauten, bevor das Mikro locker aus seiner ausgestreckten Hand gen hölzernen Boden fiel. „Ich werd's euch richtig einheizen, Freunde!“   Tief holte er Luft. Keine Sekunde später, als das Gerät geräuschvoll mit dem Holz kollidierte, stieg ein flammender Feuervogel zwischen Heats Lippen empor, seine Flügel bläuliche Flammen tragend. Seine brennenden Flügel breitete das lodernde Tier weit über den Köpfen der Zuschauer aus und flog über die staunenden Gesichter hinweg, Richtung nächtlichem Himmel, um dort seine Runden zu drehen. Gleichzeitig atmete der Feuerspucker erneut ein, ehe ein Flammenross, mitsamt Reiter dem Vogel folgte, die Hufen einzelne Feuerschwaden beim Galoppieren nachziehend.   Heat war der Mittelpunkt von allem und jedem und machte seinem Namen alle Ehre. Nach Herzenslust tobte er sich aus, genoss die Akzeptanz und Anerkennung, welche ihm entgegengebracht wurden, und knabberte ab und zu an einer der fliegenden Fleischkeulen, um sich zu stärken. Kurz gesagt: Ihm ging es prächtig.   Noch...     Laut erklangen die Schritte der nachdrücklichen Absätze auf dem Laufsteg, über den Wire wie eine geübte Grazie stolzierte. Umgeben von unzähligen Spiegeln, in welchen er sich selbst aus dem Augenwinkel bewundern konnte, zierte seine Lippen ein durch und durch von sich selbst überzeugtes Schmunzeln. Doch war er nicht hier um seine anmutige Schönheit zur Schau zur Stellen. Sein Ziel war die schneeweiße Tür mit dem goldenen Stern, welcher ausschließlich für ihn schien.   Mit einem lockeren Stoß öffnete er die Tür, schritt durch sie hindurch und wurde empfangen von einer süßlich duftenden Parfümwolke, sowie zwei Maiden, die sich an je eine seiner Seiten vor ihm verbeugten. Im Beauty-Himmel war der Umhangträger angelandet, einem Spa, in dem ihm all seine Wünsche erfüllt wurden.   Zuerst führten ihn seine Begleitungen zu einem der Massagebänke, auf der seine Muskeln die pure Entspannung genießen konnten. Währenddessen kümmerte sich die zweite Spezialistin um seine Nägel, welchen eine frische Farbe aufgetragen wurde. Wohlig seufzte Wire und schloss dabei seine Augen. Mit seinem Bauch lag er auf der Bank, sein Gesicht durch die hohle Polsterung gesteckt. Die Behandlung war überaus erholsam für seine leicht reizbaren Nerven.   Anschließend begab er sich, ausgeruht und mit neuem Glanz, zum Nebenraum, in dem der Star-Fotograf auf sein Eintreffen wartete. Unter dem Licht der strahlenden Lampe stand der Kid-Pirat vor der blanken Wand, posierte selbstbewusst vor der ihn anvisierenden Kamera und streckte seinen gelenkigen Körper in alle erdenkliche Richtungen.   „Treffe bloß meine Schokoladenseite!“, mahnte er den Fotograf schmunzelnd und wechselte seine Pose, fuhr sich mit beiden Händen durch seine schulterlangen Haare und positionierte einen seiner hohen Stiefel einen Schritt weit nach vorne. „Ich möchte zehn Abzüge von jeder Fotografie haben, in Postergröße und auf güldenem Seidenpapier gedruckt.“   Blitzlicht um Blitzlicht folgte, den Film des Apparates füllend, während das Selbstbewusstsein des Piraten mit jeder geschossenen Aufnahme wuchs. Immer und immer höher stieg sein Ego...   ...Doch je höher man flog, desto tiefer fiel man bekanntlich.     Alle Drei vernahmen sie nun unterbewusst einen Klang in ihren Träumen, welcher die Welt um sie herum veränderte. Mit jeder verstrichenen Sekunde wurde der Ton lauter, während der Wendepunkt zwischen Traum und Alptraum näher rückte. Die Zeit war gekommen, ihnen ihre Unbeschwertheit zu rauben und ihre gläserne Illusion zu zerbrechen.       ~*~       `... ... ♪~´   Wenn die Spieluhr beginnt, ihr Stück zu spielen... Werden Herz und Verstand mit einem Fluch belegt werden.   „You belong to me... / Du gehörst mir...“   `♪~ ♪~ ♪~´   Ihr Lied stimmt langsam an, ihr Rhythmus geruhsam und andachtsvoll... Begleitend von Harmonie und Frieden.   "You will be mine... / Du wirst mein sein..."   `♪~ ♫~ ♪~´   Der zweite Takt beschleunigt sich, wirkt unrhythmisch und beunruhigend... Wie ein ungelöstes Versprechen offenbaren die Noten das eintreffende Schicksal.   "I will come to get you... / Ich werde dich holen kommen..."   `♫~ ♫~ ♫~´   Ihre letzte Strophe jedoch, trägt kraftvolle und drohende Tonfärbungen... Getränkt von Gefährlichkeit und Düsternis.   "I give you my heart... / Ich gebe dir mein Herz..."   `♫~ ... ♪~´   Sobald ihre Melodie erstirbt, wird der Schwur eingelöst... Und drei Piraten werden ihn leisten.   "...But you give me your all. / ...Aber du gibst mir dein Alles.“   `♪~ ... ...´       ~*~       Shachi stand in seiner menschlichen Form vor dem riesigen Bauwerk aus Sahne und Tortenböden, blickte mit großen Augen an diesem hinauf und trug sein größtes Lächeln, welches sich bis über seine freudestrahlenden Wangen zog. Direkt vor ihm befand sich eine Tür aus dickem Lebkuchen, die in das Innere der Torte führte. Seine Aufmerksamkeit vollends auf sein zuckersüßes Ziel gerichtet, bemerkte er nicht, was hinter ihm geschah.   Die Luft, welche einst nach Pudding und Plätzchen roch, hatte einen durch und durch verbrannten Geruch angenommen. Während die Bäume aus Zuckerstangen zerbröckelten und in sich zusammenfielen, schmolz der Schokoladen-Pfad, sowie der See aus Karamell gefror. Am Himmel war nun, statt weichen Wolken, verklebte und verschmorte Teigmasse zu sehen.   Auch das Grinsen des aus Marzipan bestehenden Heart-Piraten Jolly Rogers war verschwunden, seine Mundwinkel nach unten zeigend, was Shachis Augen jedoch verborgen blieb. Für ihn war es noch immer das allerschönste Backwerk, trotz säuerlicher Sahne und vertrocknetem Teig-Boden.   Zuerst klopfte der junge Pirat aus Höflichkeit dreimal gegen die Lebkuchen-Tür, ehe er mit den Schultern zuckte und sie öffnete. Eine Staubwolke aus Puderzucker empfing ihn. Leise hustend schritt er durch sie hindurch und gelangte ins unterste Stockwerk der Konstruktion. Ähnlich einem mehrstöckigen Gebäude besaß die Torte fünf Ebenen, welche darauf wartete, von dem abenteuerlustigen Jungen entdeckt zu werden.   In dem ersten Geschoss befand sich eine Bildergalerie, die Rahmen Links und Rechts die Wände schmückend, während im Raum verteilt unzählige Stofftiere verteilt saßen. Weil es Shachis Traum war, wurden die Fotos und Gemälde von seinen Erinnerungen erschaffen. Auf ihnen konnte er seine Freunde, Familie und all die Landschaften sehen, welche er bisher gesehen hatte. Die Figuren aus Plüsch waren unter anderem Miniatur-Ausgaben seiner liebsten Menschen, sowie an die selbigen angelehnte Tiere, wie ein Pinguin, ein Eisbär und ein Schneeleopard. Auch ein graues Ferkel und eine Fledermaus fanden darunter ihren Platz.   `Sie sind so niedlich!´, dachte Shachi sich strahlend, `Besonders der grimmig guckende Schneeleopard!´   Als der Heart-Pirat sich jedes Kunstwerk eingehendst betrachtet hatte, ging er weiter Richtung der großen Treppe gegenüber der Eingangstür. Freudig lachend rannte er die aus Hartmarzipan bestehenden Stufen hinauf, zu seiner nächsten Erkundungstour. ...Dabei merkte er nicht, dass die Augen der Stoffkörper, sowie die der abgedruckten Bildergesichter ihn verfolgten.   Das zweite Stockwerk war eine große Küchenstube, die Shachi sich schon seit längerem sehnlich wünschte. Jegliches Rezept, welches er über die Jahre kreiert, und aufgeschrieben hatte, flog wie magische Buchstaben willkürlich durch die Räumlichkeit. Etliche Meisterkoch-Auszeichnungen in Form von Pokalen und Schriftstücken befanden sich aufgereiht in einer Vitrine neben den Backöfen und Kochstellen.   Jedoch war Shachis Entdeckerfreude momentan viel zu groß, als dass ihm jetzt der Sinn nach dem Ausleben seines Hobbys stand. Er wollte alles sehen, weswegen er keine Zeit verlor und sich auf den Weg zur nächsten Ebene machte. ...Woraufhin die schriftlichen Auszeichnungen hinter seinem Rücken in kleinen Fetzen loderten, sowie die schimmernden Pokale schmolzen.   Etage Nummer 3 hatte dutzende verpackte Geschenke, die den gesamten Saal füllten. Hinter den buntesten Farben an Papier, versteckte sich alles, was der Heart-Pirat sich je in seinem Leben gewünscht hatte: Kochutensilien, Leckereien und verschiedene, glitzernde Objekte für seine stetig wachsende Sammlung. Wobei ebenso viele der Pakete leer waren... Mit Liebe und Glücksgefühlen befüllt, welche er verspürte, als er die Verpackung dieser aufriss.   Nachdem er sämtliche Kästen, große und kleine, geöffnet hatte, hinterließ er das Chaos aus Geschenkpapier und Einzelteilen aus Kartonagen. ...Welches nach seinem dortigen Verschwinden lichterloh brannte.   In der vorletzten Station, vor dem Höhepunkt des Bauwerks, erwartete ihn... absolut Nichts. Ein leerer Raum, den er nach belieben nach seiner Fantasie dekorieren konnte. Eben diese Herausforderung nahm der schöpferische Pirat nur zu gern an.   Breit lächelnd stand er in dem Torbogen zwischen Treppe und kahler Räumlichkeit, schob die weißen Ärmel seines Anzugs nach oben und streckte seine Arme vor sich aus. Zeitgleich hob er seine Hände, einem führenden Dirigenten gleichend. Seine rechte Hand schwenkend, erschuf er auf der rechten Seite ein Paradies für die abstraktesten Tierarten, wie auch deren Lebensräume aus großflächigen Landschaften, Wasserstellen und Höhlen. Dafür erweiterte sein Unterbewusstsein den Platz, welcher ihm zur Verfügung stand, sodass die Räumlichkeit viel größer wirkte.   Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand malte er nach Herzenslust die prächtigsten Zeichnungen an die Wand. Seine Traumbilder unterschieden sich wesentlich in Form und Farbe von denen der Realität, welche beinahe unkenntliche Musterungen besaßen. Letztlich tobte er sich mit Ton und Gips aus, um den Rest des malerischen, linken Raumabschnittes zu verzieren.   Fertig und zufrieden mit seiner Arbeit, riss der Künstler enthusiastisch seine beiden Arme in die Luft.   „So, und jetzt geht’s auf zum Endspurt!“, rief Shachi zu sich selbst und rannte los, Richtung Endstation seines Traumes, „Ich kann's kaum abwarten, juhu~!“   Während der nichts ahnende Pirat sich seinem Unheil näherte, verschwanden die vier unteren Stockwerke von der Bildfläche. Das Torten-Gebilde fiel langsam, aber sicher in sich zusammen, das gebackene Schloss unter seinen Füßen bebend. Nun fehlte nicht mehr viel, bis Shachis träumerische Fiktion mit einem lauten Knall zerplatzte...     Heat wurde bereits ungewöhnlich oft von Alpträumen heimgesucht. Seine teilweise pessimistische Sichtweise, wie auch die ihn stetig begleitende Furchtsamkeit und Besorgnis gegenüber Schicksalsschlägen trugen die Schuld daran. Er schlief vorwiegend sehr tief und lange, wegen seiner leichten Vergesslichkeit erinnerte er sich am nächsten Morgen nicht mehr an seine düsteren Traumbilder. Doch wälzte er sich nachts oftmals unruhig hin und her, sowie er im Schlaf fluchend redete oder gar schlafwandelte.   Nun wurde ihm sein Alptraum vor Augen geführt, welchen er mit vollem Bewusstsein durchleben musste.   Auch in dieser Illusion, zwischen Feuer- und Flammenspiel, begann der hinterhältige Prozess des Fluches schleichend und wägte den Piraten vorerst in Sicherheit. Solange, bis sich die Kluft der lauernden Schwärze auftat, um den Träumenden zu verzehren. Zudem verspürte man Emotionen während des Schlafens intensiver, denn je.   Noch immer stand der Kid-Pirat grinsend auf der Bühne, seine huskyblauen Augen das fackelnde Schauspiel der knisternden Figuren am Himmel verfolgend, sowie es seine aufgeregte Zuschauerschaft tat. Zu seinen Füßen lag weiterhin achtlos das Mikrophon, welches alsbald kratzende und verstimmte Töne von sich gab. Dies stellte den Anfang der Veränderung dar, doch kümmerte es den Rastaträger bislang wenig.   Mittlerweile ähnelte die hölzerne Tribüne einem Schlachtfeld aus Fan-Tributen und abgenagten Knochen. Am nächtlichen Himmelszelt schwebten, neben Vogel und Pferd, Flammenschmetterlinge und das würdevoll lodernde Kid-Piraten Logo. Allesamt die mit vereinzelten Sternen geschmückte Hintergrundkulisse untermalend.   Mit Stolz erfüllter Brust griff der Feuerkünstler nach einer auf dem Holz liegenden Flasche Rum, die er an seinen Nähten verzierten Lippen ansetzte, während er sich eine kurze Verschnaufpause gönnte. Er war voll und ganz zufrieden mit sich selbst und seiner Leistung, wirkte gar überschwänglich, weil er allen zeigen konnte, was er drauf hatte.   Heat war innerlich Feuer und Flamme für jeden, der ihm wichtig war. Sein Herz mochte am langsamsten von ihnen allen schlagen, dafür brannte die Wärme der Freundschaft in seiner Brust heller als alles andere. Ob Zombie oder nicht war vollkommen egal. Er war mit Leib und Seele ein guter Freund und stolzer Pirat, dies war das Einzige, was zählte.   Als er Rum-trinkend dort auf der Bühne saß, schweiften seine Gedanken ab, zu all den Tagen, die er bereits erleben durfte. An gute, wie auch trübe Tage dachte er zurück, während seine Erinnerungen an das Himmelszelt seines Traumes projiziert wurden. Wie ein Film flimmerten die einzelnen Lebensabschnitte durch die Nacht... Von seiner traurigen Kindheit, bis hin zu dem Beitritt seiner Crew und noch viel weiter.   Dreckig lachende, rote Lippen zeichneten sich am Himmel ab, folgend von einem warmen Schmunzeln seines besten Freundes und eine blau-weiß gestreifte Maske. Übergehend zu einem gelben U-Boot, mitsamt des Kapitäns von diesem, dann einem freudestrahlenden Lächeln und einer dunkelblauen Kappe. Mit jedem von ihnen wurde Heats Grinsen herzlicher und seine huskyblauen Augen wässriger, dabei fiel ihm das Schlucken des brennenden Schnapses immer schwerer. Rückblickend hätte er sich kein schöneres Leben wünschen können.   Irgendwann verblassten die Bilder letztlich, sodass nur noch seine lodernden Kunstwerke unter den Sternen leuchteten. Heats glücklich-resignierender Blick senkte sich, auf seine ebenso glückselige Zuschauerschaft herab.   Doch änderte sich sein Gesichtsausdruck augenblicklich, als alle Feuerfiguren urplötzlich ineinander kollidierten... und eine riesige Explosion hervorriefen.   Heats aufgerissene Augen sahen die tödlichen Funken wie in Zeitlupe auf die Menschen vor ihm hinab regnen. Während die an seinen Lippen angesetzte Flasche langsam aus seinen Händen glitt und im Anschluss dröhnend auf dem Untergrund zersplitterte, kniff der Rastaträger panisch seine Augenlider zusammen, seinen Kopf dabei von dem schrecklichen Schauspiel abwendend, welches keinen Atemzug später folgen sollte.   ...Vor den Schreien der Verletzten und den tief beleidigenden Schuldvorwürfen konnte er seine Ohren dennoch nicht verschließen.   „Du Monster!“ … „Mörder!“ … „Verrecke und schmore in der Hölle, du Missgestalt!“ … „Stirb! Stirb! Stirb!“   Immer lauter wurden die hasserfüllten Rufe der Überlebenden, sodass sich Heat nun seine Hände auf seine Ohren presste, was ihm keinerlei Erfolg brachte. Sein Körper war zu Stein erstarrt, seine Gedanken vollends blank. Er wollte niemals jemanden mit Absicht verletzen oder gar Leid zufügen. Die Schuld traf ihn nun mit voller Stärke.   Da er seine Augen weiterhin geschlossen hielt, bemerkte er nicht, wie die wutschäumenden Zuschauer nach und nach auf die Bühne kletterten... mit Mistgabeln, Schwertern und brennenden Molotov-Cocktails bewaffnet.   Man sagte, in Träumen konnte man nicht sterben. Jedoch war dies kein gewöhnlicher Traum, den unsere drei Helden erfuhren, sondern ein verwunschener, in welchem dies sehr wohl möglich war. Wenn Heat nicht bald aus seiner Starre herausfand, sollte er nimmer mehr das Licht der realen Welt erblicken.     Wire saß in einem vergoldeten Sessel in der VIP-Lounge, ein ebenso goldenes Sektglas in seiner Hand haltend. Sein Abbild auf aberdutzenden Fotos, Postern und Autogrammkarten verewigt, die verteilt auf Wänden und Boden ihren Platz fanden, war er gänzlich mit sich selbst im Reinen. Ihm fehlte es hier an nichts... fast nichts. Sein Unterbewusstsein fühlte, dass er seinen besten Freund vermisste, selbst würde er sich dies niemals eingestehen.   Seufzend warf der selbsternannte Star seine schwarzen Haare mit einer lockeren Handbewegung nach hinten und lehnte sich zurück in die Polsterung des Sessels, seinen Ellenbogen auf der Lehne abstützend. Kurz seine Augen schließend, versuchte er den Gedanken an seinen langjährigen Mitstreiter zu verdrängen... Als er seine Lider abermals öffnete, stand ebendieser jedoch als Traumerscheinung direkt vor ihm. In dunkler Butler Aufmachung.   Mehrmals blinzelte Wire, dessen Augen die Größe von Tellern annahmen, bevor ihm das Sektglas aus seinen lackierten Fingern rutschte und die sprudelnde Flüssigkeit sich in seinem Schritt verteilte. Zischend fluchte er, ihm stand die Röte der Peinlichkeit im Gesicht geschrieben, während er aufstand und versuchte die Nässe mit seinen Händen grob wegzuwischen, was keine seiner einfallsreichsten Ideen war. Dann wurde er von seinem blauhaarigen Gegenüber angesprochen und zeitgleich an dessen Anwesenheit erinnert.   „Lasst mich Ihnen helfen, Milord“, sprach der überhöfliche Heat-Verschnitt in einem vollends kontrastfremden Charaktermuster und trat einen Schritt auf den schockierten Träumenden zu, welcher zeitgleich mehrere Stolperer rückwärts ging. Wire kam nicht drumherum, sich vorzustellen wie der Feuerspeier sein Problem beseitigen wollte, und fürchtete um seine geheiligten Kronjuwelen.   „Ich verspüre keinerlei Appetit auf kross-gebratene Eier! B-Bleib weg von mir!“, stammelte der Dreizackbesitzer sichtlich verunsichert und hielt im Rückwärtsgehen seine beiden Hände abwehrend vor sich, indessen ein einzelner Schweißtropfen seinen Nacken hinablief. Doch stieß er nicht, wie zu erwarten, gegen den Sessel als Widerstand, sondern gegen eine mit Narben überdeckte Brust, die seine Flucht verhinderte.   Ihm selbst war nie bewusst gewesen, wie viel sein bester Freund ihm im Grunde bedeutete... Bis heute, als sein träumender Geist ihm die Wahrheit offenbarte und zahllose Heat-Doppelgänger erschuf. Diese standen in den verschiedensten Ausführungen im Raum verteilt, ähnlich einer Kostüm-Party, in welcher jeder Rastaträger sich verkleidet hatte. Von Halloween-, Faschings- und Oster-Vermummungen, bis hin zu Fabelwesen-Verkleidungen war alles vertreten.   Es war Wires schlimmster Alptraum. Keines der Kleider war darüber hinaus modisch abgestimmt. Das schrecklichste Outfit, welches einer der auf ihn zulaufenden Zombies trug, war jedoch das eines grässlich geschminkten Clowns. Vor ihnen besaß er am meisten Furcht. ...Einer der Gründe, warum der Kid-Pirat vor einiger Zeit den Streckbrief eines gewissen Samurais mit roter Nase mit einer seiner Tinkturen eingeäschert hatte.   Die haselnussbraunen Augen blickten dem blanken Horror in quietschbuntem Clownskostüm entgegen, mehrere lang anhaltende Sekunden, bevor er einige Oktaven höher aufschreiend die Flucht ergriff, auf allen Vieren, durch das Gewirr an Beinen. Ja, er wollte angehimmelt werden... nicht gestalkt und von helfenden Händen überfallen. Auch wollte er seinen besten Freund wiedersehen. Nur den einzig Echten, in all seiner ungehobelten und eigenen Art, die er über die Jahre zu schätzen gelernt hatte.   Wie in einem schlechten Zombie-Film schlurften die verkleideten Gestalten ihm hinterher, wiederholten: „Lass uns dir helfen“, in Dauerpredigt und verfolgten Wire. Rennend öffnete er die Tür zum Flur und schlug sie schnell lautstark hinter sich zu. Schwer atmend, lehnte er einen Moment mit seinem Rücken gegen das Holz. Das entspricht nicht der Realität..., sprach er sein gedankliches Mantra und setzte dann zum nächsten Sprint an.   Der schmale Gang schien kein Ende zu nehmen, wurde mit jedem seiner klackernden Schritte länger und führte ins Nichts, was Wire allerdings nicht wusste. Zwischenzeitlich rissen die kratzenden Zombie-Hände die Tür ein, woraufhin mehrere Rastaträger stolpernd zu Boden fielen und die Nachkommenden achtlos über sie drüber stiegen. Ihr Anführer war der immer grinsende Zombie-Clown, dessen Fratze verzerrter nicht hätte sein können.   „Helfen... Helfen... Helfen...“, schallte das gebrummte Wort immer und immer wieder in ein und der selben Tonlage vervielfacht durch den Flur. Dabei untermalte ein Zombie-ähnliches Stöhnen die Rufe.   ...Und es kam, wie es kommen musste. Einer Wires hohen Absätze brach ab und veranlasste ihn zum Fall in Begleitung eines stockenden Aufschreis. So klischeehaft es klang, war es die reine Tatsache.   Zu allem Übel erschien urplötzlich eine Wand hinter seinem Rücken, gegen die er sich eilig presste, während er der vermummten Horde entgegen schaute. Zwei Schlurfer... drei, vier... dann hatten sie ihn erreicht.   Seinen Kopf schützend unter seinen Armen versteckend, erwartete Wire den Zusammenstoß mit seinem Alptraum mit blauer Quietsch-Nase und Bratensoße spritzendem Blumenanstecker... Ehe etwas geschah, was er niemals für möglich gehalten hatte.       ~*~       „Huhu, du da! Was machst du denn da drin?“, fragte Shachi, der vor einer riesigen Gefängniszelle stand, und beäugte die violette Flamme, die er in der Dunkelheit des Inneren ausfindig machen konnte. Das fünfte Stockwerk der Torte ähnelte einem unheimlichen Gefangenentrakt, in dem sich nur eine einzige Zelle befand, an dessen dicke Stäben der Heart-Pirat sich klammerte und seine Nase im Zwischenraum durchsteckte. „Hallooo...? Kannst du sprechen? Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst, weißt du. Schön wär's aber trotzdem...“   Von der gruselig, düsteren Umgebung ließ der Heart-Pirat sich in keinster Weise stören, stattdessen ließ er sich von dem flackernden Flammenspiel des großen Feuers vor ihm hypnotisieren. Durch dieses wurde ihm gleichermaßen warm und kalt ums Herz. Kurz darauf entdeckte er die kleine versilberte Spieluhr, die neben dem Wesen auf dem Boden stand.   „Ui, ist die toll~!“, strahlte er vor Begeisterung mit glitzernden Augen und versuchte gleichzeitig seine vorschnellen Finger nach dem Silber durch die Vergitterung zu strecken. „Darf ich mir die Mal leihen...? Ich will sie nur kurz ansehen... wirklich...“   Nach mehreren, vergeblichen Versuchen an den in der Finsternis blitzenden Schatz heranzukommen, schmollte der Heart-Pirat geknickt und ließ dabei seine Schultern hängen. Zeitgleich verspürte er jedoch das deutliche Beben unter seinen Füßen, das ihn auf den Einsturz des sahnigen Gebäudes aufmerksam machte. Augenblicklich wurde Shachi der Ernst der Lage bewusst, woraufhin er alles andere vergaß.   „Hey, Flämmchen, wir müssen hier raus!“, rief er der ruhig lodernden Erscheinung zu und erschuf in seinem Traum einen Dietrich in seiner rechten Hand, mit dem er an dem Schloss der Zelle herumwerkelte. „Komm mit mir mit! Ich bringe dich in Sicherheit, versprochen.“   Shachi war ein Meister auf dem Gebiet der Diebeskünste, weswegen er die Verriegelung nach wenigen Momenten geknackt hatte. Dass er damit den größten Fehler beging, ahnte der hilfsbereite Junge nicht.   In dem Augenblick, als er das Siegel des verfluchten Ortes löste, wurden die Würfel des Schicksal neu ausgeworfen. Der Traumfresser, wie die flammende Figur in manchen Mythen genannt ward, hatte sich nicht ohne Grund in dem Traum des Naivsten unserer Helden eingenistet.   Nun war die Kreatur frei. Freigelassen durch Tugendhaftigkeit und Selbstlosigkeit.   Das violette Feuer breitete sich schlagartig aus, nachdem Shachi den ersten Schritt in die Zelle getan hatte. Wie ein grelles Licht wuchs das eisige Flammenmeer heran, verschlang seine sämtliche Umgebung und erhielt seine zerstörerischen Kräfte wieder.   Es floh von diesem Ort, an dem es lange Zeit gefangen war, mit ihm nahm es die drei Helden, deren Träume es bislang manipulierte.   So erwachte das Trio plötzlich synchron aus ihrem Schlaf und konnte in allerletzter Sekunde der Tragödie entfliehen...       ~*~       Zurück in der Zwischendimension, wurden die an der Planke haltenden Körper an ein Ufer aus schneeweißem Sand gespühlt, welcher sich unter dem rabenschwarzen Gewässer farblich stark absetzte. Wie durch ein Wunder war keiner von ihnen ertrunken.   In einer sehr unbequemen Haltung lagen Shachi, Heat und Wire aufeinander, in umgekehrter Reihenfolge. Der Leidtragendste unter ihnen war der Umhangträger, welcher den nassen Fuß seines über ihm liegenden, besten Freundes in sein aufwachendes Gesicht gedrückt bekam. Shachi, die Spitze des Dreier-Turmes, war ein anhänglicher Schläfer und umarmte seine unteren Gefährten im murmelnden Halbschlaf.   Eine dunkelfarbene Welle schwemmte über die Drei, woraufhin sie alle schließlich in den vollkommenen Wachzustand fanden. Nacheinander standen sie auf, ein jeder von ihnen seine ausgeruhten Glieder streckend. Shachis lächelnden Lippen waren die Ersten, welche nach einem ausgiebigen Gähnen Worte formten.   „Da seid ihr ja!“, begrüßte er seine Links und Rechts neben ihm stehenden Mitstreiter freudig und warf jedem von ihnen einen eingehend-musternden Blick zu, ihr Wohlergehen prüfend. „Ich hab euch echt vermisst, Leute!“   Der unverblümte Heart-Pirat sprach das aus, was sie alle dachten und kein anderer von ihnen aussprechen konnte. Heats peinlich berührter Blick wanderte zu seinen Füßen, während Wire sich leise räusperte, um die genierliche Atmosphäre zu vertreiben. Niemand verlor ein Wort über seinen Traum, weil er aus ihren Gedächtnissen genommen wurde.   Das wärmende Feuer Heats trocknete daraufhin ihre benässten Kleider, ehe sie sich mit ihrer neuen Umgebung vertraut machten. Hinter ihnen befand sich das dunkle Meer, vor ihnen eine weitflächige Landschaft aus hellem, feinen Sand. Doch verweilte noch etwas anderes auf dem schneeweißen Untergrund, welches die huskyblauen Augen des Rastaträgers erfassten.   „'N ganzer Haufen fetter Klunker!“, posaunte Heat lautstark seinen Fund aus und verzog seine blassen Lippen dann zu einem Schmollmund, „Nope, sind's doch nur olle Steine.“   Viele Handgroße Felsen reihten sich vor seinen Füßen auf, denen er nun einen enttäuschten Blick zuwarf. Woraufhin ihn der Frust packte und er knurrend einen von ihnen wegtrat.   Womit er nicht gerechnet hatte war, dass der weiße Stein im nächsten Augenblick zu Leben erwachen sollte. Sechs Beine, mitsamt doppelten Scheren und zwei dunklen Stielaugen formten sich unter dem runden Felsgestein, welcher sich daraufhin erhob. Es waren hunderte Krebse, deren Panzer einem Stein ähnelte... Hunderte Krebse, die es nicht gern sahen, dass einer ihrer Kameraden schikaniert wurde.   Zeitlupenartig weiteten sich Heats Augen, die Erkenntnis langsam zu seinem Kopf durchsickernd... bevor er die Beine in die Hand nahm und das Weite suchte. Seine Arme von seinem Körper gestreckt, ließ er ein langgezogenes „Scheiße!“ zwischen seinen Nähten verzierten Lippen verlauten und wurde dann von den Krustentieren in einer Vielzahl über das sandige Ufer gejagt.   Shachi und Wire sahen ihrem Freund nach. Letzterer schüttelte ungläubig seufzend seinen Kopf und hielt sich eine seiner lackierten Hände an seine Stirn. Eine solche, nervliche Strapaze nach dem Aufwachen war pures Gift für den Kid-Piraten.   „Dieser Aschekopf...“, zischte er leise, während der Heart-Pirat neugierig die seltsamen Tiere bestaunte und überlegte, ihnen allen einen Namen zu geben oder eines von ihnen als Haustier zu behalten.   Als Heat die Insel einmal rennend umrundet hatte, stoppte er außer Atem neben seinen beiden Begleitern und nahm mehrere tiefe Luftzüge.   „Ich... mag's... nich'... mehr...“, schnaufte er und warf einen schnellen Blick hinter sich. Wie eine trampelnde Herde Huftiere rasten die Krebse aus der Entfernung weiterhin auf ihn zu... Doch hielten sie urplötzlich an und kehrten um, in Richtung des schwarzen Gewässers gehend, in welchem sie keine Sekunde später mit etlichen Plätscher-Geräuschen verschwanden.   „Was is'n jetzt los? Ha, die Viecher haben's Angst vor mir!“, schlussfolgerte der Rastaträger und stellte sich gerade hin, seine Brust aufplusternd. „Fürchtet's euch nur, elende Drecksdeppen! Mit mir is' nicht gut Schnitzel essen.“   „Als ob. Nicht einmal eine mickrige Fliege kannst du von deinen käsigen Klotzen vertreiben“, höhnte Wire ihm ungläubig zu und verschränkte seine Arme, während er seinem besten Freund einen alles sagenden, strafenden Blick zuwarf. „Ich hoffe, dies ist dir eine Lehre gewesen. Lerne daraus und bla bla bla...“   Statt der mahnenden Prädigt zuzuhören, blies Heat lieber einzelne Feuerschwaden der Langeweile und Desinteresse aus seinem Mund und pfiff dabei leise vor sich hin. Ohne einen einzigen Ton herauszubringen, da er nicht pfeifen konnte.     Plötzlich spürten sie alle drei eine starke Präsenz, welche sich ihnen näherte. Die verschiedenfarbigen Augenpaare schweifen gleichzeitig in Richtung Inselmitte, wo jemand geschmeidigen Schrittes auf unsere Helden zuging. Pure Gefahr strahlte die feminine Gestalt aus. Ihre makellose Haut war in einen leichten Violetton gehüllt, ihre wehenden, langen Haare ein schimmerndes Schwarz wie Ebenholz, ein heller Blauton dieses unterstreichend. Der Schwung ihrer Hüfte war der Traum eines jeden Mannes.   Jeden ihrer Schritte verfolgte das Trio wie gebannt von ihrer Erscheinung, bis sie letztlich vor ihnen zum Stehen kam. Ein herablassend und zugleich verführerischer Ausdruck auf ihren Meerjungfrau gleichenden Gesichtszügen tragend. Sie öffnete ihre vollen Lippen, als ob sie etwas sagen wollte, doch kam ihr der überdrehte Heart-Pirat zuvor.   „Guten Abend, Madame!“, sprach der lächelnde Shachi die bildhübsche Frau in seiner besten Manier an, welche er sich über die Jahre von seinem gesitteten Kapitän abgeschaut hatte. Er zog seine Ballonmütze von seinem Kopf und verbeugte sich leicht vor ihr, bevor er ihre Hand nahm, auf welcher er ihr einen Kuss auf den kleinen Finger gab. Dass diese Geste gewöhnlicherweise für den Handrücken einer Dame bestimmt war, hatte er längst vergessen oder sich nie gemerkt. „Wie lautet der Name dieses schönen Besens?“   Schnell entzog sich das weibliche Wesen dem Griff des jungen Piraten, zischte ihm abwertend zu und wendete sich von ihm ab, ihren Körper dabei von ihm wegdrehend. Der Nächste, der sein Glück versuchen wollte, war Wire, welcher ihr vorerst einen beinahe eifersüchtigen Blick zuwarf, ehe er sie ansprach.   „Lady“, begann er und musterte sie von oben bis unten, „bei aller Liebe, wie können Sie ein solch knappes Kleid mit einer solch grässlichen Farbe ihrer Pumps kombinieren?“   Auch er sollte keine Antwort erhalten, woraufhin der Letzte in ihrem Bunde auf die Frau zuging... zustolperte und mit seiner Nase voraus in ihrem üppigen Dekolletee landete. Mit hochrotem Kopf entfernte sich Heat aus dem weichen Doppel-Kissen, nuschelte eine unverständliche Entschuldigung und öffnete schließlich sein loses Mundwerk.   „Shit. Shit. Shit. Das nenn' ich Monster-Milchtüten!“, starrte er direkt, beinahe sabbernd, auf besagtes, fleischbestücktes Körperteil. Einige Sekunden später wanderte sein fassungslos-hypnotisierter Blick langsam höher, in die erzürnten Schlangen-Augen, die ihn erdolchen wollten.   Nicht im Geringsten eingeschüchtert, arbeiteten Heats Nähten verzierten Lippen beinahe mechanisch, seine nächsten Worte formend: „Willst du das Schnitzel zu meiner Soße sein?“   Mit ihrer Geduld am Ende, zog die Frau mehrere Male scharf die Luft ein und versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte ein Ziel vor Augen, welches sie nicht verlieren durfte. Den ihrer Meinung nach Einfältigsten der Dreien suchte sie sich heraus, ging mit zwei eleganten Schritte auf ihn zu und schwang ihre Hüfte dabei besonders betörend.   Mit einer ihrer violett lackierten Hände umgriff sie Shachis Kinn, sich seinem Gesicht mit ihrem eigenen nähernd, sodass ihre Lippen einen knappen Zentimeter vor den Seinigen stoppten. Und hauchte ihm mit süßlich-verführerischer Stimme leise wispernd zu.   „Du möchtest meinen Namen erfahren...?“, fragte sie ihn, ihre Stimme wie fließender Honig klingend, während sie den Heart-Piraten mit verzaubernden Pheromonen einhüllte. Ein leichtes Nicken seitens Shachi, mitsamt gebannt-kindlichen Augen antworteten ihr, woraufhin sich ihre geschminkten Lippen zu einem zufriedenen Schmunzeln verzogen.   „Ich nenne ihn dir...“, begann sie erneut ihren Zauber wirken zu lassen und spielte mit ihrer freien Hand mit einer seiner orangenen Haarsträhnen. „...Wenn du mir deine Seele gibst.“   Shachi dachte nicht nach, seine Antwort folgte prompt:   „Ok“, lächelte er mit fester Stimme, ehe sich der naiv wirkende Ausdruck in seinen honigfarbenen Augen in einen absolut bestimmten, ohne jeglichen Zweifel änderte. „Aber nur, wenn du mein Freund wirst.“   Was der Sukkubus bislang nicht wusste: Ihre Pheromone hatten keinerlei Auswirkung auf den unschuldigen Heart-Piraten. Seine Worte entsprachen der vollkommenen Wahrheit seiner ehrlichen Gedanken. Als sie dies bemerkte, wurde sie in eine Schockstarre versetzt.   „W-Was...?“, war das stotternde Erstaunen der weiblichen Stimme unüberhörbar, während sie mit ihrem Gesicht zurückwich und ihn irritiert ansah. Dass ihr Bann nicht funktionierte und er ihr aus freien Stücken seine Seele geben würde, überraschte sie. Dies hatte noch nie jemand zuvor getan.   Wieder begegnete Shachi ihr mit der reinen Ehrlichkeit, abermals seine Worte wiederholend, deutlicher als zuvor.   „Ich gebe dir alles, alles was ich habe und tue alles, was ich für dich tun kann, wenn du mein Freund wirst.“   „W-Warum?“   Der Heart-Pirat lächelte aus vollstem Herzen; „Weil ich dich mag.“       ~*~       Einst wurde eine wunderschöne Frau geboren. Ihre unermessliche Schönheit Fluch und Segen zugleich. Hinter ihrem lieblichen Gesicht ward unendliche Traurigkeit und unmenschliche Last verborgen.   „Niemand achtet dich, weil du eine Frau bist.“ Eine schallende Ohrfeige folgte den hasserfüllten Worten. „Du bist dazu da, Männer zu beglücken und ihre Kinder zu gebären.“   „A-Aber... bin ich denn wirklich nichts wert...?“, traute sich die junge Frau mit zittriger Stimme den ungepflegten Mann zu fragen, der daraufhin in lautstarkem Gelächter ausbrach. „Du? Was wert? Haha! Der Dreck unter meinen Schuhen ist teurer, als du es je sein wirst. Jetzt geh zurück an die Arbeit, Schlampe!“   Um das Leben ihrer kranken Eltern und ihr eigenes zu sichern, war sie gezwungen, ihren Körper an fremde Männer zu verkauften. Seelischer Schmerz und Selbstabscheu gingen Hand in Hand, waren ihr täglicher Begleiter und zerfraßen Stück für Stück ihr zuvor reines Herz.   „Wo gehst du hin, mein Kind?“, erklang die schwache Stimme ihrer gebrechlichen Mutter. Hustend lag die altersschwache Frau in dem Ehebett neben ihrem an Geräte angeschlossenen Angetrauten, ihre Sorge um ihre Tochter deutlich in ihren müden Augen zu erkennen. „Bitte sorge dich nicht um uns. Lebe, mein Engel.“   Es waren die letzten Worte, welche die Jugendliche von ihren Eltern hören sollte. Ihre beiden Elternteile verstarben, während sie den täglichen Kampf kämpfte, den sie nicht gewinnen konnte. Zeit zum Trauern ließ man ihr nicht. Zu tief war sie an diesem dunklen Ort gefangen.   „Heulst du schon wieder, Weib?!“, brüllte ihr die Stimme ihres Vorgesetztes entgegen, während sie ihre Tränen mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte. „Du verscheucht uns die gesamte Kundschaft, du nutzloses Stück!“   Sie hasste sich für ihre Taten, hasste ihren makellosen Körper und hasste alle Männer. Das Vertrauen in das männliche Geschlecht wurde durch jede traumatisierende Nacht bis auf den kleinsten Funken Sympathie ausgelöscht.   Ihre Existenz bestand in dem Beglücken abscheulicher Menschen, als seelenlose Hülle umherwandernd, ohne jeglichen Lebenswillen. Bis sie an den Falschen geriet, der ihr Leiden auf die furchtbarste Weise beendete, das Motiv Eifersucht...   Nur, um sie in ihre nächste Hölle zu schicken: Eine Dimension zwischen dem gefühllosen Leben und dem endgültigen Tod. Das verfluchte Reich Tortuga.   Mit dem Hass und der Unruhe in ihrem versteinerten Herzen verwandelte sie sich in ihrem gefangenen Nachleben in einen Sukkubus. Einer Kreatur, die sich von männlichem Leben und Träumen nährte und ihnen das Leid zufügen konnte, welches man ihr einst antat. Sie schwor sich Rache. Und bekam sie letztlich auch.   Niemand konnte ihren Reizen widerstehen, keiner sich ihrem Zauber widersetzen... Doch wurde dieser mit einem einzigen, freudestrahlenden Lächeln zertrümmert.     „Werde mein Nakama!“, wiederholte Shachi seine Bitte und sah die erstarrte Frau vor sich besorgt an. Er streckte eine Hand nach ihrer Schulter aus, seine Stimme einen fürsorglichen Unterton annehmend. „Hey, geht’s dir gut-?“   Panisch schubste sie den Jungen von sich weg, ging dabei einen Schritt nach hinten und schrie ihn aggressiv an.   „Fass mich nicht an!“, erklangen ihre Worte schrill und verzweifelt, indessen sie mit ihren Tränen kämpfte. Sie wollte keine Schwäche zeigen, nie wieder. Der Heart-Pirat landete mit seinem Rücken in dem sandigen Untergrund, sah kurz von unten zu ihr herauf und senkte dann traurig seinen Kopf, sodass ihm einzelne, orangene Haarsträhnen über seine Augen fielen.   „Tut mir leid... Ich habe dich nicht zwingen wollen...“, flüsterte Shachi schuldbewusst, das Rauschen der ans Ufer schlagenden Wellen neben ihm sein Wispern verschluckend. Der Sukkubus hörte sie dennoch und wirkte nur verunsicherter. Sie verstand nicht, warum er sich bei ihr entschuldigte und mit ihr befreundet sein wollte.   Heat und Wire, welche die Szene stumm beobachtet hatten, fanden nun ebenfalls aus ihrer Starre, weil die paralysierenden Pheromone ihren Effekt verloren. Der Umhangträger kniete sich neben Shachi und half ihm auf, zu einer auf dem Boden sitzenden Position, während der erzürnte Rastaträger sich der verstörten Frau widmete. Er stellte sich beschützerisch vor seine beiden Kameraden, zwischen sie und dem Sukkubus, und verschränkte knurrend seine Arme vor seiner Brust.   „Bist's du unser Freund oder unser Feind?“, fragte Heat sie in todernstem Ton und überließ ihr die Wahl, wie er ihr gegenübertreten sollte. Um seine Freunde zu beschützen, machte er bei Gegnern keine Unterschiede zwischen Geschlechtern.   Die geistesabwesenden Augen der Schönheit fanden zu den abwartenden, hellblauen des Kid-Piraten. Zwischen ihrer Vergangenheit und der Realität gefangen, wisperte ihr Stimme leise vor sich hin, den Blickkontakt aufrecht haltend.   „Ich... bin nur eine Frau...“, sprach sie die Worte, welche ihr so oft eingeprägt wurden, „Männer und Frauen können keine Freundschaft schließen.“   Heat blinzelte mehrmals, verstand nicht, was sie meinte.   „Hä?“, war das Erste, was seine Nähten geschmückten Lippen formten, „Ob Kerl oder Weib, ist's doch egal-.“   „Du verstehst es nicht!“, fauchte sie ihn an und ballte ihre lackierten Fäuste. Sie fühlte sich missverstanden und hatte genug von den drei Piraten. „Weil ich kein Mann bin...“, führte sie ihren Satz nicht zu Ende und sah verbittert zu Boden, Heats fragendem Blick nicht länger ertragen könnend.   Der Rastaträger kratzte sich nicht weiter wissend am Hinterkopf; „Du bist's echt komisch“, sagte er und begann dann breit zu grinsen. „Aber wir sind's auch. Warum können wir dann nich' zusammen komisch sein?“   Sprachlos blickte ihn die schwarzhaarige Frau an, eine ihrer zitternden Hände an ihren geöffneten Mund haltend. Von der Aufmerksamkeit der Schönheit peinlich berührt, glühten Heats blassen Wangen auf, während er schüchtern zur Seite blickte.   „N-Naja, Eins haben's wir alle gemeinsam...“, begann er in einem leisen Nuscheln zu erklären, seine grinsenden Lippen weiter nach oben ziehend, während er ihr einen verlegenen Seitenblick zuwarf, welcher dem Blick eines treuseligen Huskys ähnelte. Woraufhin er in die Hosentasche seiner weinroten Ballonhose griff und ihr eine geröstete Krabbe hinhielt. „...den Hunger.“   Heats Worte waren mitnichten unwahr. Zwar ahnte er nicht, dass ein Sukkubus keine menschliche Nahrung zu sich nehmen konnte, doch den immer währenden Hunger nach seelischen Gefühlen verspürte sie stets. Hunger war die Gemeinsamkeit, welche sie für wahr mit ihm teilte.   In die emotionale Enge gedrängt, klammerte die violetthäutige Frau nun ihre Arme fest um ihren Oberkörper, nach Halt suchend. Ihre Tränen regneten wie funkelnde Glasperlen ihre feinen Wangen herab, während sie vor dem Kid-Piraten in die Knie ging und ihr Gesicht unter ihren beiden Händen zu verstecken versuchte.   Für einen Moment waren nur ihr leises Schluchzen und das leise Wellenrauschen in der Stille zu vernehmen. Der Rastaträger fasste ihre Glücks-Tränen falsch auf, als die der Trauer, und wurde abermals von Schuldgefühlen ergriffen. Verunsichert wedelte er aufgeregt mit seinen Händen vor sich hin, gestikulierte eine Sprache, welche nur für ihn selbst einen Sinn ergab, und stammelte Worte, die keinerlei Zusammenhang hatten.   Abrupt stoppte er die unkoordinierten Bewegungen, als er die Hand seines besten Freundes auf seiner Schulter spürte. Der links von ihm stehende Shachi war es, der die Worte fand, die ihm den schweren Stein der Schuld vom Herzen nahmen.   „Siehst du nicht ihr Lächeln?“, fragte der Heart-Pirat ihn mit einem mitfühlenden Schmunzeln auf seinen Lippen und blickte warmherzig auf die kniende Frau hinab, welche die versiegelten Perlen der letztes Jahre weinte. Für ihre verstorbenen Liebsten... für ihr Leid und ihr grausames Leben, welches ihr viel zu früh genommen wurde.   Als ihre Tränen schließlich versiegten, blickte sie mit glückstrahlenden Augen hinter ihren Fingern zu den drei Piraten auf und zeigte ihre wahre Schönheit: Mit einem mädchenhaften Lächeln, welches mehr Ausstrahlung und Kostbarkeit besaß, als jede Äußerlichkeit es je hätte tun können. Nur ihre Eltern durften es bislang geschenkt bekommen.   Langsam stand sie auf, ging ohne Zurückhaltung auf Heat zu und küsste ihn sanft auf seine rechte Wange, ihm damit ihre Dankbarkeit zeigend. Keine Sekunde später verpuffte sein feuerrotes Gesicht unter einer Dampfwolke, während er sich abwesend mit seinen Fingern gar ehrfürchtig über die Hautstelle fuhr. Dann hielt der Sukkubus zaghaft ihre Hand in Richtung des sie anlächelnden Heart-Piraten.   „Entschuldige“, sagte sie und blickte kurz zur Seite, bevor sie ihn reuevoll ansah. „Aber ich habe keinen Namen mehr...“, gestand sie ihm kleinlaut und biss sich dabei auf ihre Unterlippe.   Shachi strahlte bis über beide Ohren, über die freundschaftliche Geste, zögerte keine Sekunde und nahm ihre Hand, die er sanft drückte.   „Ich bin Shachi“, stellte er sich freudig vor, „Schön dich kennenzulernen, Flämmchen.“   Eine letzte Träne perlte über ihre seligen Gesichtszüge, ihr Lächeln nicht verschwindend, indessen sie leicht nickte. Die Freude über ihren neuen Namen konnte sie nicht verbergen. Kurz darauf hielt sie ihre Spieluhr in den Händen, welche sie dem Jungen entgegenhielt.   „Spiele sie“, flüsterte sie ihm zu, über das kindliche Glitzern in den honigfarbenen Augen des Piraten leise lachend, und überreichte ihm dann ihren kostbarsten Schatz. „Um den Fluch aufzuheben, musst du ihre Melodie rückwärts erklingen lassen.“   So schnell, wie Shachis vor Freude bebenden Finger nach der geschlossenen Spieluhr griffen, konnte keiner der Anwesenden gucken. Voller Respekt sah er sich das schimmernd-silberne Heiligtum an, dessen Form sechseckig war und diverse Tribal-ähnliche Symbole zierten. Dann blickte er ehrfürchtig in die belustigten Schlangenaugen der noch immer lachenden Frau.   „Darf ich wirklich...?“, wisperten seine fassungslosen Lippen die Frage, deren `Nein´ er nicht akzeptieren würde, und erhielt ein ermutigendes Nicken als Antwort.   So öffnete der junge Heart-Pirat den versilberten Schatz mit einem leisen Klicken, während sich seine beiden Begleiter neben ihn stellten und sein Tun beobachteten. Selbst das Meer schien mit allen Anwesenden zu verstummen... als der Deckel sich anhob und das violette Herz auf dem kleinen Podest zum Vorschein kam. Es war ihr eigenes.   Rücksichtsvoll und langsam griffen Shachis Finger nach dem kleinen Dreh-Hebel, der rechts an der verzierten Box angebracht war. Alle Augenpaare blickten auf das regungslose Organ... welches zu pulsieren begann, als er den Mechanismus einfühlsam gegen den Uhrzeigersinn drehte.   Zeitgleich, mit dem Widerhall der traurigen und gefühlvollen Melodie, schickte das Herz mit jeder Strophe einen intensiven Impuls über Land und Wasser, welcher gleichermaßen die Herzen unserer Helden wärmte und den Fluch der Gefangenschaft und ewigen Alpträume von ihnen nahm.     `... ... ♪~´   "...You gave me everything from you. / ...Du hast mir alles von dir gegeben."   `♫~ ... ♪~´   "You've won my heart... / Du hast mein Herz erobert..."   `♫~ ♫~ ♫~´   "You came to me... / Du bist zu mir gekommen..."   `♪~ ♫~ ♪~´   "I am yours... / Ich bin nun dein..."   `♪~ ♪~ ♪~´   "I belong to you... / Ich gehöre dir..."   `♪~ ... ...´       ~*~       Zur gleichen Zeit   Rosafarbene Federn, wehend im wiegenden Wind. Weit über dem schwarzen Gewässer, in der Luft ohne Himmel, stand das furchteinflößende Monster. Ein verzerrtes Grinsen zierte die Lippen, welche ihre grässliche Lache verlauten ließen. Er beobachtete unsere Helden aus der Entfernung. Studierte seine neuesten Spielzeuge.   In seiner gekrümmten Hand hielt er einen rosaroten Edelstein, den er gelangweilt mehrere Male warf und anschließend wieder auffing. Der psychopathische Blick hinter seiner blutroten Sonnenbrille bedingungslos auf seine Opfer gerichtet, hätte er amüsierter nicht sein können.   „Fufufu~“, schallte der markerschütternde Klang seiner Lachsalve durch die Todesstille der verdunkelten Umgebung. Gierig leckte er sich über seine hohnlachenden Lippen. „Ihr armseligen Narren... Ich werde mir eure Köpfe holen, einen nach dem anderen. Doch zuvor reiße ich sie euch von euren Schultern.“   Keine Drohung, nein, ein Versprechen. Der totgeglaubte Mann sehnte sich nach Vergeltung. Hatte das Trio verfolgt und fand keinen Frieden, bis er seinen Rachefeldzug beendet hatte. Sein Körper weilte längst nicht mehr unter den Lebenden, sein ruheloser Geist wurde einzig und allein von seiner Bestimmung geleitet.   Er besaß nichts mehr, was er verlieren konnte... was ihn umso gefährlicher werden ließ.   Mit einem letzten Wurf, ließ er das Juwel in seiner Hand ruhen und steckte es letztlich in seine mattrosa-fuchsig gemusterte Hosentasche. Dann stürmte er los. Durch die Luft gleitend in Richtung Insel, auf das unwissende Trio zu. Nichts konnte seinen Durst nach Blut und Rachgier noch aufhalten.   Sein Federmantel flatterte unruhig hinter ihm her, seine großen Schritte die eines Raubtieres ähnelnd, während er seine Hände wie Krallen von seinem Körper weg hielt. Er jagte lautlos und präzise, mordete schnell und gewissenlos. Sein liebster Zeitvertreib das Erdrosseln mit messerscharfen Fäden.   Dreizehn... Zwölf... Elf... Schritte, bis er seine drei Ziele erreichte.   Die verbitternde Kälte strahlte er aus. Ein Herz besaß er nicht, hatte er niemals besessen. Er erinnerte sich genau an den Tag, an dem ihm das Katana seines geliebten Spielzeugs den Gnadenstoß gab. Immer und immer wieder spielte sich diese eine Szene in seinem geisteskranken Kopf ab. Wie auch jetzt. Bei dem Gedanken daran begann eine Wutader auf seiner Stirn zu pochen.   Zehn... neun... Acht... Sekunden, bevor er seiner Verbitterung Ausdruck verleihen konnte.   Unkontrolliert und vorfreudig zuckten seine Finger. Nicht mehr lange, dann kann der dunkle König seinen Schachzug auf dem Spielfeld machen. Mit rasender Geschwindigkeit bewegte er sich fort. Seine kurzen, blonden Haare mit den Federn wehend, während seine verzerrten Mundwinkel mit jedem überbrückten Meter weiter nach oben glitten, dabei seine Zähne zeigend. Sieben... Sechs... Fünf... verbleibende Augenblicke. Vier... Drei... Zwei... ...Dann war die Zeit vorbei.     Die am Ufer stehenden Personen richteten gerade rechtzeitig ihre Köpfe nach oben, um die breite Figur über ihnen zu erblicken. Nicht einmal blinzeln konnten sie, ehe sich die eiskalten Klauen des Monsters um Wires Hals legten... und zudrückten.   Wires Tribut an den Teufel wurde noch nicht gefordert. Er hatte sein Opfer bislang nicht erbracht... Wird es sein Leben sein?   „WIRE!/WIRE!“, schrien Shachi und Heat gleichzeitig, als sie die lebensbedrohliche Situation erfassten. Erschüttert sahen sie auf den übergroßen Mann, der seelenruhig zwischen ihnen stand. Sein kaltes Lächeln auf seinem Gesicht gefroren, während er den Kid-Piraten fest in seinem klauenartigen Griff behielt.   Mit einem verzweifeltem Ruf nach seinem Freund klammerte sich der Heart-Pirat um einen der Arme Doflamingos und wollte ihn von dem blasser werdenden Wire wegzerren. Doch hatte der schmächtige Junge nicht die geringste Chance. Der Rastaträger sah rot. Er verlor jegliche Beherrschung, weil sein bester Freund in größter Gefahr schwebte.   Heats Ziel war der mit Federn bedeckte Rücken, den er mit seinen zornerfüllten, Mitternachtsblau gewordenen Augen anvisierte, während er animalisch knurrend Luft holte. Seine Flamme brannte heißer, als sie es je zuvor getan hatte.   Dennoch besaß sie keinerlei Wirkung und schien von dem rosa Gefieder absorbiert zu werden, sodass sie im Nichts verschwand und sich sofort auflöste.   Wire selbst versuchte mit seinen Fingernägeln verzweifelt die um seinen Hals gelegten Arme zu zerkratzen, mit geweiteten Augen schaute er der blutroten Sonnenbrille des pinken Tods entgegen. Es bildete sich keine einzige Wunde auf der Haut seines Angreifers.   Doflamingo war unsterblich geworden, sowie er es immer sein wollte.   Stille. Die erdrückende und todbringende Stille zählte die letzten Sekunden herunter, bis eines ihrer jungen Leben entschwand. „Hör auf!“, verblich Shachis Flehen in der alles verschlingenden Dunkelheit und wurde von Wires Ohren nicht mehr wahrgenommen. Sein erschlaffender Körper wurde in eine frostige Decke gehüllt, die alles und jeden verstummen ließ und ihm der trügerischen Wärme des Todes übergab.   Letztlich übergab er seinen Tribut an den Teufel... in Form seiner Luft.   Ein allerletztes Röcheln... dann entschieden die Fäden über Wires Schicksal. ...Es waren Heats weinrote Ranken-Fäden.   „Griffel. weg. von. meinem. Blutsbruder!“, glich das Rufen eher einem aggressiv knurrenden Zombie-Aufschrei, welcher durch die Todesstille schnitt. Noch nie war Heat so wütend gewesen, wie in diesem Moment. Seine zuvor hellblauen Augen spiegelten ein tief dunkles Nachtblau wider, während seine Dornentätowierung blutrot aufleuchtete.   Von Panik und Aggressivität erschaffen, schlangen sich die dornigen Nähte des Kid-Piraten blitzschnell über seine ausgestreckten Arme, wie eine zischende Schlange auf ihre Beute zuschnellend. Woraufhin sie sich um den gesamten Körper des federnen Biestes wickelten, dem Kokon einer Spinne gleichend, und ihn von dem Umhangträger wegrissen.   Dies war das Einzige, was den aus Schicksalsfäden bestehenden Mann aufhalten konnte: Der rote Faden der Freundschaft, welcher die beiden besten Freunde verband.   Damit rettete Heat Wires Leben. Zum zweiten Mal seit dem Beginn ihrer langjährigen Freundschaft...       ~oO*Oo~       „Hey, Holzkopf, wo hast du denn das Tattoo her?“, fragte der zwölfjährige Wire den vierzehnjährigen Heat und zog eine seiner Augenbrauen nach oben, während er die dunkelroten Dornenranken musterte, welche sich über die Arme und den Hals des blauhaarigen Kid-Piraten schmiegten. Der schwarzhaarige Junge setzte sich anschließend zu seinem schweigenden Freund auf das dunkle Holz der Reling ihres Schiffes.   Mit einer Angel in seiner Hand, saß der junge Heat wie so oft des Morgens dort, blickte gedankenversunken dem Aufsteigen der Sonne entgegen und hing seinen leeren Überlegungen an vergangene Tag nach. Seine hellblauen Rastalocken sollten alsbald an Länge gewinnen, bisher reichten ihm diese nur bis über seine Ohren, sein Gesichtsausdruck war immerzu ausdruckslos, beinahe traurig wirkend.   „Ich hab's keine Ahnung“, erklärte er seinem Kameraden nach mehreren Minuten unberührt schulterzuckend und klammerte seine mit verheilten Wunden verzierten Finger etwas fester um den selbstgebastelten Stock seiner Angel. „Es ist heute Morgen einfach da gewesen... Ist's doch eh egal wie ich ausseh'.“   Ein Jahr war es nun her, seit Heat den Kid-Piraten beitrat. Die Verletzungen seiner ihn misshandelnden und verstoßenden Eltern allesamt geheilt, zu Narben der Erinnerung geworden. Die Leere in seinem langsam schlagenden Herzen blieb.   Den Blick in einen Spiegel mied er, konnte den Anblick seines Äußeres nicht ertragen und flüchtete vor jedem Gespräch darüber. Als er heute nach einem Alptraum seiner Kindheit aufwachte, sah er die dunklen Markierungen an seinen Armen, doch konnte selbst dies keine Gefühlsregung in ihm hervorrufen. Er akzeptierte es schlichtweg, wie er seine Vernarbungen hinnahm.   „Hmmm...“, summte der junge Wire leise nachdenkend vor sich hin und schaute ebenso zu dem am Horizont erscheinenden Licht, welches das Meer in sanfte Orangetöne hauchte. Seine Stimme nichts weiter, als ein Flüstern, welches die unberührte Stille nicht zu stören wagte. „Ich finde, es steht dir.“   Seine Worte wurde von den geruhsam schlagenden Wellen in die Ruhe des Morgens getragen, wo sie letztlich von dem endlosen Blau über das Meer trieben.   Über längere Zeit verweilten die beiden Freunde dort wortlos und genossen die Gesellschaft des jeweils anderen. Bis plötzlich die Schnur der Angel anschlug, die Heat fest in seinen Händen halten musste, um sie nicht zu verlieren.   „Shit, das muss ein echt großer Brocken sein!“, erkannte der Rasta-Kurzhaarträger und stemmte sein ganzes Körpergewicht gegen den Ruck des Meeresbewohners, welcher an dem Haken – mit einem dicken Fleischkeulen-Köder – angebissen hatte. Weil er es allein nicht schaffte, klammerten sich nun auch Wires Finger um den hölzernen Stock.   Zusammen schafften sie es letztlich, das Meerestier aus dem Wasser zu ziehen, das daraufhin mit einem lautstarken Platschen an die Wasseroberfläche drang. Doch hatten sie nicht mit dem gigantischen Maul gerechnet, welches sich ihnen nun entgegenstreckte.   Heat hatte mit seiner fälschlichen Köderwahl einen mittelgroßen Seekönig an Land gezogen.   Das Kid-Piraten-Schiff geriet stark ins Schwanken, der Wucht des übergroßen Fischkörpers wegen. Woraufhin der Kapitän und der Vize der Crew durch die Tür des Decks stürmten. „Was verfickt nochmal-?!“, donnerte die Stimme des rothaarigen Jugendlichen keine Sekunde später über die Planken, doch blieb das Fluchen von dem Rastaträger ungehört.   Seine sich ungewöhnlicherweise weiteten Augen sahen nur Eines: Seinen nach hinten stolpernden, besten Freund in Richtung mit scharfen Zähnen versehenen Maul fallen.   Wires junger Körper spiegelte sich für den Bruchteil eines Momentes in den huskyblauen Iriden Heats wider. Er spürte den freien Fall und bewegte seinen vor Schreck geöffneten Mund, um drei stumme Worte zu formen, die seine abgeschnürte Stimme nicht aussprechen konnte:   „Hilf mir, Heat.“   Der Angesprochene las sie von den Lippen seines Freundes ab. Doch wusste er nicht, was er tun sollte. Unbewusst streckte Heat seinen viel zu kurzen Arm zu seinem hinabgleitenden Kameraden, den er niemals hätte erreichen können... Bevor das passierte, womit niemand der drei Jungen an Deck gerechnet hätte.   Wie von selbst schlängelte sich Heats mysteriöse Tätowierung über seinen rechten Arm, bis zu seiner ausgestreckten Hand und schuf das Band, welches die beiden Kid-Piraten seit diesem Augenblick an verbinden sollte. Als die dunkelrote Ranke Wires Hand erreichte, schnitt sich dieser an einer der Dornen, sodass ein einzelner Blutstropfen auf das Tattoo herabfiel. Keine Sekunde später leuchtete die Dornenranke in einer noch viel kraftvolleren Farbe auf, blendete den Seekönig mit ihrem Licht und vertrieb ihn schließlich, bevor Eustass Captain Kid ihn mit dutzenden Schwertern hätte aufspießen können.   So entstand das unerschütterliche Band der Freundschaft zwischen Heat und Wire, durch eine Tätowierung, welche ihr Bündnis auf ewig symbolisieren sollte. Und Heats Herz fühlte sich fortan endlich vollständig, gefüllt mit der unersetzlichen Liebe zu seinem Bruder.       ~oO*Oo~       Doflamingos vor Wut bebender Körper, welcher noch immer in dunkelrote Schnüren eingewickelt war, wandte sich unkontrolliert auf dem Ufer aus weißem Sand hin und her. Sein verzerrter Schrei aus Frust und Zorn, schallte über das Land und Wasser der gesamten Dimension und ließ diese erschüttern. Woraufhin sich ein riesiger Riss über ihr aller Köpfen bildete und sich durch den nicht existierenden Himmel ausbreitete, das Bild von warnenden Polarlichtern ähnelnd.   Wie auch die letzte Illusion wollte der dunkle König die Welt mit seiner unermesslichen Macht zum Kollabieren bringen.   Wire, der sich nach mehreren ausgehusteten Luftzügen langsam erholte und wieder Farbe auf seine Gesichtszüge bekam, wandte sich an den Sukkubus. Sein sich klärender Verstand arbeitete sofort wieder.   „Wie kommen wir hier weg?“, fragte er sie in forderndem Ton, seine Stimme noch kratzig und heiser, und wartete ungeduldig auf ihre Antwort. Die junge Frau überlegte kurz angestrengt, bevor sie sich an die Worte erinnerte, welche sie einst im Sand der Insel eingraviert gelesen hatte: „`Von der Dunkelheit verschlungen, ertrunken im Meer, finden die Seelen ihre Freiheit.´“   Der Umhangträger warf ihr einen Blick zu, der an ihrem Verstand zweifelte, während sich der Untergrund zu den Füßen unserer Helden veränderte. Ungehalten schwebten die weißen Sandkörner in Richtung Himmel und wurden von dem Spalt zwischen den Dimensionen aufgesogen. Selbst das Wasser des dunklen Meeres bewegte sich unruhiger, einige große Wassertropfen bewegten sich ebenfalls auf den alles verschlingenden Riss zu.   Unseren Helden blieb nicht viel Zeit, sie mussten handeln.   „Alles klar“, nickte Shachi verstehend, seiner neuen Freundin all sein Vertrauen gebend. Und packte sich seine beiden Begleiter, je eine Hand von Heat und Wire greifend, bevor er ohne Zögern auf die schlagenden, schwarzen Wellen zuging.   „Scheiße, is' die Plörre arschkalt!“, beschwerte sich der Kälte-empfindliche Feuerspeier und schlang sich seine Arme um seinen bibbernden Oberkörper, während seine Zehenspitzen das Wasser berührten. „Da frier'n mir ja die Klöten ab-!“   „Jammere nicht, du wehleidige Triene! Niemanden interessiert dein fauliges Fallobst. Was, wenn meine zarte Haut einer schrumpeligen Rosine gleichen wird? Das wäre eine wahrhaftige Tragödie!“, argumentierte sein bester Freund klagend und band sich dabei seine schwarzen Haare zu einem kurzen Zopf. Bevor beide in eine Diskussion im Laufen verfielen, in der es darum ging, wer von ihnen beiden mehr unter dem kühlen Nass zu leiden hatte.   Als alle drei Piraten kniehoch im Wasser standen, warf Shachi der Frau einen traurigen Blick zu, weil sie selbst seelenruhig am Ufer stehen blieb. „Kommst du denn nicht mit uns mit?“, fragte er sie leise flüsternd, seine honigfarbenen Augen voller Schwermut. Ein Kopfschütteln wurde ihm als Antwort entgegengebracht.   „Ich-“, wollte Flämmchen ihnen erklären, dass sie das Trio nicht begleiten konnte, doch wurde sie von dem markerschütternden Knurren Doflamingos unterbrochen.   „Ihr Würmer bleibt hier!“, befahl er in einem Ton, der keine Wiederworte erlaubte, und riss sich mit all seiner Kraft von Heats Schnüren los, die daraufhin ein zerreißendes Geräusch von sich gaben. Zorniger denn je, pulsierten zwei große Wutadern auf seiner Stirn, seine Lippen zu einem wutzerfessenen Ausdruck verzogen, während er in seinen beiden offenen Handflächen seine scharfen Fäden heraufbeschwor.   Der Puppenspieler würde seine Opfer nicht entkommen lassen, niemals.   Der Sukkubus handelte ohne nachzudenken und gab dem zögernden Trio den entscheidenden Stoß ins Wasser. Ein dreifaches Platschen folgte, ehe die Piraten gleichzeitig wieder auftauchten. Shachi und Wire hielten sich an Heat fest, dem einzigen Schwimmer unter ihnen.   Drei Köpfe ragten nun über der Wasseroberfläche, drei Augenpaare zu ihr hinaufschauend.   „Lebt wohl“, flüsterte die junge Frau mit brüchiger Stimme, während sie ihren Kameraden einen Blick über ihre Schulter zuwarf. Das Bild des Trios unter ihren wässrigen Augen leicht verschwimmend. „Ihr... seid die ersten Freunde, die ich jemals hatte-“, versagten ihre zittrigen Lippen abermals, in ein leises Schluchzen übergehend. Dabei schloss sie ihre Augen. Dann lächelte sie, ohne Reue und ohne Bedauern.   „...Ich liebe euch.“   Es waren ihre letzten Worte, bevor sie auf den großen Mann im Federmantel losrannte. Es war der letzte Moment, vor ihrem endgültigen Abschied... Der letzte Atemzug ihres zweiten Lebens.   ...Wahre Helden sterben mit einem Lächeln...     Ihr Körper wurde von violetten Flammen umhüllt, als ihr Lebenslicht erlosch. Die letzten Glutfunken stiegen langsam tanzend den Himmel hinauf... ehe unzählige, weiße Flocken von ebendiesem auf die Erde hinab fielen: Der weiße Ascheregen der Trauer.   Letztlich war ihre geschundene Seele endlich frei.   Im gleichen Augenblick schwemmte eine Welle über die Köpfe der drei Piraten, sie in der unbeherrschten Strömung mitreißend und unter das schwarze Wasser ziehend. Wie in Zeitlupe sanken Shachi, Heat und Wire in die Schwärze hinab, keiner von ihnen sich dagegen wehrend. Ihre Hände vereint und niemals loslassend. Selbst die Angst vor dem Tod konnte sie nicht trennen.   Vorerst konnten sie ihren Verfolger abschütteln, doch war ein erneutes Treffen unvermeidlich, da sich der letzte Edelstein ihrer Reise in Doflamingos Besitz befand. Wann dieses stattfinden sollte, stand bislang noch in den Sternen.   Eines war jedoch Gewiss: `Tortuga´, das Grab der Piraten, hatte nicht nur Doflamingos Seele zurückgebracht... Und sollte seinem Namen schließlich gerecht werden.     Shachis stumme Tränen, die Wasser aufwärts perlten, wurden von dem Meer verschluckt, sowie ihr aller Luft mit jeder verstrichenen Sekunde weiter genommen wurde. Heat und Wire schlossen ebenfalls ihre Augen, die letzten Luftblasen zwischen ihren Mündern gen Oberfläche schwebend. Niemand von ihnen musste diesen entscheidenden Moment allein verbringen.   Das Trio ertrank wenige Augenblicke später friedlich und ohne Schmerz. Dieser illusionierte Ort wurde ihre Grabstätte.   Die Prophezeiung Tortugas hatte sich erfüllt. Alsbald sollten die Piraten jedoch in ihrer vollen Pracht wiedergeboren werden, wie ein Phönix aus der Asche steigend.   Mit einem Federkleid in den Farbtönen: Orangener Morgenröte, diamantblauem Firmament und haselnussbrauner Dämmerung.   Die Farben der neuen Hoffnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)