Metamorphosis von hYdro_ ================================================================================ Kapitel 14: Insecurity ---------------------- 14. Insecurity –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Unsicherheit. Ein Gefühl, das jeder kannte. Ich war davon nicht ausgeschlossen. Es begleitete mich öfter als man denken mochte. Im Grunde konnte man sich keiner Sache vollkommen sicher sein. Es gab immer dieses eine Prozent, das die ganze Rechnung über den Haufen werfen konnte. Im Dunkeln zu tappen und Entscheidungen treffen zu müssen konnte hart sein. Doch es gab kein Richtig und kein Falsch, nur Konsequenzen, mit denen man leben musste. Und wie man damit umging, zeigte, aus welchem Holz man geschnitzt war. Langeweile. Etwas, das fast noch belastender war, als ein trödelnder Hidan auf Reisen. Im Normalfall hatte ich stets etwas zu tun und wenn nicht, wusste ich mich in der Regel zu beschäftigen. Ich war ein aktiver Mensch. Zu lange auf der faulen Haut herumzuliegen ging mir auf Dauer an die Substanz. Doch nun saß ich in diesem abgeschiedenen Dorf im Nirgendwo fest, war gezwungen die Füße still zu halten, das Fieber auszusitzen, ohne eine Aufgabe oder wirkliche Ablenkung. Schon wieder. Das letzte mal, als ich mich in einer ähnlichen Situation befunden hatte, war erst wenige Wochen her. So etwas durfte nicht zur Gewohnheit werden. Nichts desto trotz fügte ich mich den Gegebenheiten, ruhte mich die meiste Zeit aus oder schlief. Ich verließ nur selten mein Zimmer und ließ mir etwas bringen, sobald ich Hunger bekam. Hidan indes, schien mit irgendetwas beschäftigt zu sein, da er oft einfach nicht aufzufinden war. Ich wusste nicht was er tat oder wo er steckte, suchte aber auch nicht großartig weiter nach ihm, wenn ich sein Zimmer leer vorfand. Solange er keinen Ärger verursachte, sollte es mich nicht kümmern. Gelegentlich leistete er mir dann aber doch Gesellschaft. Nur dauerte es meist nicht lange, bis ich ihn mit meiner schlechten Laune vertrieb. Krank sein war lästig. Am dritten Tag sank das Fieber allmählich, was mich etwas aktiver werden ließ. Ich fand ein Go-Spielbrett und meine Stimmung hob sich im ersten Moment. Bis sich herausstellte, dass mir der passende Mitspieler fehlte. Mein Partner war dafür nicht zu begeistern – er nannte es verabscheuend einen Gehirnfick und dass ihm davon nur die Birne platzen würde. Vermutlich eine Ausrede, da ich wusste, dass er ein überaus schlechter Verlierer war und er sich wohl schon denken konnte, dass ich kein einfacher Gegner sein würde. Ich stellte die Steine dennoch auf das Brett und spielte eine Weile gegen mich selbst, bis mir auch das verleidete. Dann musste ich an Sasori denken und wünschte mir, dass er hier wäre. Bei den Treffen die Pain einberief, hatte es sich irgendwie ergeben, dass die Holzpuppe und ich während des Wartens ab und an spielten. Ich hielt nicht viel von den anderen Akatsuki-Mitgliedern – sie waren mir allesamt egal. Bei Sasori verhielt es sich nicht anders. Doch gerade lernte ich die Partien mit ihm zu schätzen. Als sich am fünften Tag das Wetter besserte, setzte mich draußen unter das Vordach, um etwas Sonne zu tanken. Ich schloss die Augen und genoss die warmen Strahlen auf meiner Haut. Unterwegs bekam ich nur selten ausreichend Sonne ab, da sie mich durch die dicken Stoffschichten nicht wirklich erreichte. Nach den langen, grauen Tage tat die Wärme und das Vitamin D deshalb doppelt gut. Ich konnte mich richtig entspannen, während eine innere Ruhe einkehrte. Der friedvolle Moment wurde jedoch jäh durch ein helles Lachen in der Ferne gestört. Mein Blick schweifte über den Garten, der sich parallel entlang des Gebäudes erstreckte. Ein schmaler Pfad schlängelte sich zwischen Büschen und Ziersträuchern nach hinten zum Kräutergarten hin, in dessen Nähe auch ein großer Kirschbaum emporragte. Mein Blick blieb an zwei Personen hängen, die umringt von Grün über den gekiesten Platz vor dem Baum schlenderten. Durch den roten Yukata war unschwer zu erkennen, wer sich dort mit der mandeläugigen Schönheit unterhielt. War es das, was ihn die letzten Tage so eingenommen hatte? Ich beobachtete wie Misaki auf verschiedene Pflanzen deutete, sich einmal kurz hinabbeugte, um Hidan anschließend einen Zweig hinzuhalten. Dieser roch daran, schien ihrer Erklärung untypisch geduldig zu lauschen. Ich wandte meinen Blick ab von diesem Bild, das mich nicht so kalt ließ, wie es eigentlich sollte. Und das ärgerte mich. Nachdem ich erneut die Augen geschlossen hatte, versuchte ich alle störenden Geräusche auszublenden. Der innere Frieden, der gerade erst Einzug gehalten hatte, war damit jedoch unwiderruflich zerstört. Wie ein Geschwür wuchs der Groll in mir, je länger ich darüber nachdachte. Und schließlich tat sich ein Gedanke... nein, ein Bedürfnis in mir auf, das sich hartnäckig hielt. Misaki sollte verrecken. Dafür zu sorgen würde mir keine großen Mühen bereiten, keine Frage. Trotzdem war es schwachsinnig sie zu töten, denn dafür gab es schlichtweg keinen Grund. Es ging keine Gefahr von ihr aus und so lange wir hier waren, war sie uns ja sogar nützlich. Wenn ich sie also verschwinden lassen würde, ohne einen strategischen oder praktischen Nutzen daraus ziehen zu können, würde ich damit nur ein falsches Bild vermitteln. Denn das glich einem Eingeständnis davon, dass ich mich von ihr auf eine andere Art... bedroht fühlte. Und das war beschämend. Ich war ein landesweit gefürchteter Nuke-Nin, hatte zu Zeiten der größten Shinobi-Legenden gelebt und sie alle überdauert. Der Gedanke war absolut lächerlich... warum sollte sich jemand wie ich von einem jungfräulichen, naiven Mädchen bedroht fühlen? Es vergingen Minuten, in denen ich meinen Groll herunterzuschlucken versuchte, ehe das Geräusch von knirschendem Kies unter Sohlen langsam näher kam. «Ah, Kakuzu-san, guten Morgen», grüßte Misaki mich höflich, aber zurückhaltend. Ich gab ein gebrummtes Morgen zurück und erst hatte es den Anschein, als wollte sich das Mädchen, wie es den Anstand gebührte, nach meinem Befinden erkundigen. Doch dann lächelte sie nur verlegen, während die beiden schweigend an mir vorbei liefen. Mein Fokus lag allein auf Hidan, der meinen stechenden Blick mit blanker Miene erwiderte. Wir hielten den Blickkontakt unnatürlich lange und erst als er schon fast vorbei gelaufen war, er bereits zur Seite schielen musste, erst dann hoben sich seine Mundwinkel zu einem schelmischen Grinsen. Und ich fragte mich nur eins. Was hatte er vor? ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – Sometimes the only payoff for having any faith Is when it′s tested again and again everyday I'm still comparing your past to my future It might be your wound, but they′re my sutures –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ «Ihr seid wegen des Tees hier, richtig? Verzeiht, ich kam heute noch nicht dazu, ihn für euch aufzubrühen.» Misaki neigte entschuldigend den Kopf, ehe sie die Stäbchen beiseite legte und sich erhob. Ich hatte sie und Shou offenbar beim Essen gestört. Doch es war bereits Mittag und der Tee, den sie mir stets morgens zu bringen pflegte, hatte bis jetzt auf sich warten lassen. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, weswegen sie dafür noch keine Zeit gefunden hatte. Halb hatte ich sogar schon damit gerechnet, Hidan bei ihr vorzufinden. Nicht unwahrscheinlich, so wie die beiden seit neustem aneinander zu kleben schienen. Doch überraschenderweise war neben Misaki nur Shou anwesend. Der Alte bedachte mich mit einem Seitenblick, aß ansonsten aber ungestört weiter. Er hielt sich seither im Hintergrund, versuchte insbesondere zu mir den direkten Kontakt zu meiden. Aus den Augen schien er uns dennoch nie zu lassen. Und obwohl er sich konstant unbeteiligt gab, war es offensichtlich, dass er unsere Abreise insgeheim kaum abwarten konnte. «Einen Moment, ich werde das sofort nachholen», versprach das Mädchen und begab sich eilig in die angrenzende Küche. Ich folgte ihr und wartete, während sie einen Topf auf den Herd stellte, um Wasser aufzukochen. «Geht es euch besser? Wie fühlt ihr euch?», fragte sie und durchschnitt die Stille, die ihr offenbar unangenehm war. «Gut.» Mir ging es tatsächlich so weit besser, dass wir voraussichtlich in zwei, drei Tagen weiterziehen konnten. Fieber hatte ich keines mehr und die anderen Beschwerden waren weitestgehend auch alle verschwunden. Nur so richtig zu Kräften gekommen war ich noch nicht. «Das ist schön. Hidan-san war ganz aufgelöst und wusste nicht was er tun sollte, falls die Medizin keine Besserung zeigen würde. In der ersten Nacht hat er ohne Unterlass an eurem Bett gewacht. Er war euretwegen sehr in Sorge.» Es war unbezweifelbar merkwürdig, Dinge, die Hidan betrafen, von einer dritten Person erzählt zu bekommen. Mein Partner war stets an meiner Seite und deswegen wusste ich im Normalfall bereits über alles, was ihn betraf, Bescheid. Zudem war es fast schon unangenehm, dass sie mir in diesem Plauderton ihre Beobachtungen schilderte, durch die Hidans Gefühlswelt so offen zur Schau gestellt wurde. Wahrscheinlich war es für eine zarte Person wie Misaki normal, freiheraus darüber zu sprechen und es auch zu dürfen. Als Shinobi war es untersagt Gefühle zu zeigen. Da war es als Gebrandmarkter und Verstoßener erst recht ein No-Go und konnte schon mal dein Tod bedeuten. Hidan hätte diese Dinge niemals so beim Namen genannt wie Misaki es eben getan hatte. Vermutlich hätte er auch dann noch abgestritten, dass er sich Sorgen machte, wenn es durch sein Verhalten offensichtlich gewesen wäre. Demjenigen, der etwas anderes behauptete, hätte er den Vogel gezeigt oder ihn schlicht ausgelacht. Vielleicht hätte er ihn auch auf der Stelle kalt gemacht. Je nach Laune und Gegebenheiten. «Mein Partner neigt dazu, sich zu sehr in Dinge hineinzusteigern», erwiderte ich schließlich sachlich. «Da habt ihr recht. Und impulsiv kann er sein, nicht wahr?» Sie lächelte schüchtern vor sich hin und da ich nicht vor hatte ihre Schwärmerei auch noch zu befeuern, sagte ich einfach nichts darauf. Das kochende Wasser holte sie schließlich aus ihren Tagträumen und sie machte sich daran, eine Tasse zu befüllen, um anschließend ein blättriges Kraut hinzuzugeben, welches vermutlich aus dem Garten stammte. «Ist das alles? Ist das Kraut die Medizin?» «Mh? Oh, nein, nicht ganz. Das Kraut dient nur dem Geschmack. Ohne würde man den Tee kaum runterbekommen. Das hier ist es.» Sie holte ein kleines Fläschchen aus dem Schrank und gab eine Messerspitze des darin enthaltenen gelblichen Pulvers in den Tee. «Was ist das?» «Eine Wildpflanze. Kommt, wenn ihr wollt, kann ich es euch zeigen.» Sie winkte mich mit sich und da ich interessiert war folgte ich ihr. Neben der Küchenzeile befand sich eine Tür, die vom Stil her nicht ganz zum Rest der Einrichtung passen wollte und genau zu dieser führte sie mich. Bisher hatte ich stets angenommen, dass sich dahinter eine Vorratskammer oder dergleichen verbergen würde. Sie schob die Tür auf und ein Schwall mit Gerüchen geschwängerter Luft traf uns – beim Betreten des dunklen, fensterlosen Raumes wurde man davon beinahe erschlagen. Misaki zündete eine Kerze an, stellte sie zurück in die Lampe und das Licht enthüllte eine kleine Kräuterwerkstatt. Diverses Grünzeug war zum Trocknen kopfüber an Schnüren aufgehängt worden. Zum selbigen Zweck lagen auf einem Tisch bereits abgezupfte Blätter auf Papiertüchern verteilt. Das kleine Regal zur Rechten war voll mit unterschiedlich großen Fläschchen, die mit Pulvern oder Flüssigkeiten in diversen Farben gefüllt waren. «Das Meiste hiervon sind Tinkturen und Öle, die wir als Duftzusatz verwenden. Es gibt aber auch eine Handvoll, die tatsächlich medizinische Wirkung haben.» Sie ging um den Tisch herum und deutete auf eine der Pflanzen, die an einer Schnur an der Wand hinunterhing. Es war ein krautähnliches Gewächs mit einer kolbenförmigen, gelben Blüte. «Wir nennen sie Tarabrela. Sie wächst nur in gewissen Teilen der Sümpfe und ist dementsprechend selten. Ihre Blätter habe ich unter anderem bei Hidans Behandlung verwendet. Das Pulver, das ich in euren Tee gegeben habe, besteht aus der getrockneten, gemahlenen Blüte.» Ich entdeckte Mörser und Stößel, sowie andere Verarbeitungsutensilien auf dem Tisch. Diese schienen schon älter zu sein – durch die starken Gebrauchsspuren schloss ich, dass sie schon mehrere Generationen in Verwendung sein mussten. «Ihr müsst wissen, dass die Versorgungstouren seit dem Wirtschaftseinbruch in unserem Dorf nicht mehr so zuverlässig eingehalten werden und wir deshalb immer mal wieder unter Knappheit leiden. Auch was die Arzneien angeht. Die Pflanze hat uns da hinsichtlich schon einige male aus einer Notsituation geholfen. Der Wirkstoff in der Blüte ist nicht zu unterschätzen, deshalb reicht meist schon eine Priese. Eure Größe und Statur bedacht, bin ich bei euch von einer Messerspitze ausgegangen. Jedoch darf sie nicht zu lange eingenommen werden, da sie ansonsten andere Probleme verursachen kann.» Ich hatte zwar nicht nach Details gefragt, doch unterbrechen tat ich sie trotzdem nicht. Vielleicht waren mir diese Informationen irgendwann noch nützlich, auch wenn sie im ersten Moment nicht so erscheinen mochten. Obwohl ich in all den Jahren einiges an Wissen angesammelt hatte, war mir diese Pflanze fremd. Deswegen wollte ich sie mir genauer ansehen und trat neben Misaki, worauf das Mädchen heftig zusammenzuckte. Ich zog die Brauen zusammen, warf ihr einen Blick von der Seite zu. Obwohl sie sich damit lächerlich machte, war es beinahe amüsant, wie schreckhaft sie war. In meiner Nähe fühlte sie sich sichtlich unwohl. Vielleicht hatte Shous Paranoia schon auf sie abgefärbt. Wobei zugegeben, ganz unberechtigt war diese nicht. «D-deshalb...», stotterte sie kleinlaut und verstummte. Ich nahm meinen unangenehm stechenden Blick auch dann nicht von ihr, als sie diesem nicht mehr standhielt, zittrig einatmete und anfing nervös ihre Hände zu kneten. «D-deswegen versteht ihr bestimmt, dass, uhm... dass das wohl der letzte Tee sein wird, den ich euch g-guten Gewissens geben kann. Da es euch jedoch besser zu gehen scheint, bin ich zuversichtlich, dass euer Körper mit dem Rest auch so fertig werden wird.» Ich wandte mich zu ihr und ging noch einen Schritt auf sie zu, bis ich unmittelbar vor ihr stand. Eingeschüchtert sah sie zu mir auf. Ich überragte sie um gute zwei Kopflängen. Mein Blick wanderte über ihre zarte Gestalt – die hochgesteckten Haare mit der hübschen Stecknadel, die dezent geschminkten Lippen und der verzierte Kimono, den sie heute trug, obwohl keine Festlichkeiten bevorstanden. «Lass mich dir etwas sagen, Mädchen», setzte ich in dunklem Ton an und hob meine Hand, worauf sie blinzelnd wegzuckte, als befürchtete sie, ich würde ihr etwas antun. Dabei schnippte ich nur gegen ihren Ohrring. «Hidan lässt sich davon nicht beeindrucken. Es bleiben dir zwar nur noch ein paar Tage, aber wenn du ihm näher kommen willst, versuch es mit weniger Schminke, dafür echtes Interesse an seiner Religion und...» Ich musste einen Moment überlegen und mir wurde schlagartig bewusst, wie wenig ich eigentlich über Hidan wusste. «Er liebt Essen. Also warum lädst du ihn nicht ein? Mit Fleisch punktest du bei ihm am meisten.» Da Hidan und ich nie wirklich tiefergehende Gespräche geführt hatten, waren meine Tipps dementsprechend oberflächlich. Die Punkte mit dem Essen und seiner Religion waren Dinge, die jeder wusste, der eine Woche mit Hidan verbrachte. Dazu war ich mir gar nicht sicher, ob Hidan tatsächlich keinen Wert auf Äußerlichkeiten legte. Mir war jedenfalls nicht aufgefallen, dass er sich auf der Straße großartig nach zurechtgemachten Frauen umdrehte. Bewusst darauf geachtet hatte ich jedoch auch nie. Die Realisation traf mich wie ein Schlag. Wir waren nun schon eine ganze Weile Teampartner und ich war ihm nicht viel näher als ein Fremder. Meine Ahnungslosigkeit was Hidan betraf, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Und auf einmal bedauerte ich es, ihm nie Fragen gestellt zu haben und verspürte das dringende Bedürfnis, das nachzuholen. «Uhm, w-wie b-bitte?», stotterte Misaki überfahren, ehe sie vor Scham dunkelrot anlief. «I-ich... woher wisst ihr, ich m-meine... denkt ihr wirklich er... und ich, d-das–» «Sprich in ganzen Sätzen, wenn du was wissen willst.» «Verzeiht! Denkt ihr, er wird die Einladung annehmen?», fragte sie hoffnungsvoll. «Woher soll ich das wissen? Finde es selbst heraus oder lass es. So oder so, wir werden bald fort sein. Ach, aber richte ihm was von mir aus. Sag ihm, dass ich weiß was er versucht und er es sich sparen kann. Das zieht bei mir nicht. Er soll machen was er will, es ist mir egal.» «Was soll das bedeuten? Ich verstehe nicht.» «Er wird schon wissen was ich meine.» «Uhm, o-okay? Ich–» «Misaki!», kam es aus Richtung Tür, in der Shou plötzlich stand und uns besorgt musterte. «Alles in Ordnung? Du warst so lange weg...» Man sah Shou an, dass es ihn aufs tiefste beunruhigte, seine Enkelin allein mit mir in dieser dunklen Kammer vorzufinden. So unbegründet die Sorge um Misaki zu Anfang gewesen war, je mehr er versuchte sie von mir fernzuhalten, desto mehr reizte es mich, seine Befürchtungen wahr werden zu lassen. Das Mädchen nickte, gab ein schlichtes Ja von sich, bevor Shou sie zu sich winkte. «Komm», meinte er und sie gehorchte. Der Alte warf mir einen letzten, verachtenden Blick zu, ehe er seiner Enkelin in die Küche folgte. Ich sah ihnen nur kalt nach. ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – Time slows down when it can get no worse I can feel it running out on me I don't want these to be my last words All forgotten 'cause that's all they'll be –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Dass Hidan die Einladung annahm überraschte mich nicht. Er erzählte mir am folgenden Tag davon. Ob ihn meine Nachricht über Misaki bereits erreicht hatte, ließ er jedoch nicht durchblicken. Doch das würde sie schon noch. Spätestens wenn die beiden sich zum Essen trafen. Ich war mir noch immer nicht ganz sicher, was er mit der ganzen Aktion bezwecken wollte. Dass er ganz bewusst etwas damit auslösen oder provozieren wollte, stand jedoch außer Frage. In der Hinsicht kannte ich meinen Partner. Es gab einen Grund warum Hidan plötzlich so viel Zeit mit dem Mädchen verbrachte. Spätestens seit dem schelmischen Grinsen, als ich die beiden im Garten gesehen hatte, war der Fall klar. Was auch dahinter steckte – Hidan würde durch Misaki nicht die geringste Gefühlsregung aus mir herausbekommen. Da konnte er sich noch so sehr ins Zeug legen. Die Sache mit Misaki war nicht der einzige Auslöser für die Spannungen, die sich zwischen Hidan und mir aufgebaut hatten. Es kam mir nun doch ganz gelegen, dass wir in separaten Zimmern untergebracht worden waren. Ich wusste nämlich nicht, ob ich zurzeit ein Bett mit ihm würde teilen wollen. Hidan hatte mir bisher noch immer keine Erklärung abgegeben – jedenfalls keine klare, vernünftige, die ich verstanden hätte – warum er sich mir verwehrt hatte. Warum er mir erst Dinge versprach, die er mir dann doch nicht geben wollte. Erst war er ganz klar auf Sex aus gewesen und hatte es auch so kommuniziert, nur um mich mit einem läppischen Handjob abzufertigen. Was nicht mal halb so befriedigend war, als das, was ich mit ihm vorgehabt hätte. Doch das Frustrierendste blieb immer noch, dass ich nicht wusste woran ich war. Wie sollte ich Hidan auch einschätzen können, wenn er mittendrin gefühlt drei mal seine Meinung änderte? Obendrauf kam nun auch noch die Aktion mit Misaki. Das war mir schlichtweg zu dumm. Hidan brauchte erstmal nicht mehr bei mir ankommen. Jedenfalls nicht, wenn er auf etwas hinaus war, aber im selben Zug nicht bereit war, den Weg bis zum Ende zu gehen. Da war ich radikal. Ich wollte ein klares Ja oder Nein haben und auf alles dazwischen, was mich... verunsicherte, konnte ich verzichten. Denn ich hatte genug Energie und Lebenszeit an Leute verschwendet, die nicht wussten was sie wollten. «Du hattest echt recht was die Kleine angeht», kam es aus Richtung Bad. Hidan hatte sich vor einer Weile darin verzogen, um eines seiner Rituale abzuhalten. Währenddessen hatte ich den Futon an die Wand geschoben und es mir mit einem Buch darauf gemütlich gemacht. Seit Beginn unserer Partnerschaft waren seine Rituale nicht nur deswegen ein Streitthema gewesen, weil es uns stark ausbremste, sondern auch weil es Hidan ganz offen auslebte. Auf Reisen war das an sich kein Problem. In unserem Job trafen wir oft genug auf feindlich gesinnte Shinobi, die ihm als Opfergabe zu Verfügung standen. Sobald wir jedoch an einem Ort etwas länger blieben, war der Ärger vorprogrammiert. Nicht nur, dass mein Partner mit seiner makaberen Inszenierung eine Menge Aufsehen erregte, auch die Leben, die er opferte, wurden scheinbar wahllos ausgesucht. Ich war nicht nur einmal Zeuge davon geworden, wie mein Partner mitten auf der Straße einen Passanten abstach. Befanden wir uns zu diesem Zeitpunkt in einer größeren Ortschaft, wurden wir entweder fortgejagt oder uns wurden zwei dutzend Shinobi auf den Hals gehetzt. War es nur ein kleines Dorf, hatten die Bewohner zu viel Angst vor uns, als dass sich uns jemand in den Weg stellte. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, uns anderweitig spüren zu lassen, dass wir nicht erwünscht waren. Sie entzogen uns jegliche Privilegien. Niemand beherbergte uns mehr oder gab uns Auskunft irgendwelcher Art. Unannehmlichkeiten die nicht sein müssten. Und da ich mir die verdiente Rast zwischen den langen Reisen nicht nehmen ließ und dabei auch mal meine Ruhe haben wollte, hatte ich ihm dieses Verhalten sehr schnell ausgetrieben. Seither nahm er sich zurück und hielt seine Rituale in der Zivilisation nur noch im Verborgenen ab. Doch warum er dafür jetzt gerade mein Bad beanspruchte, war mir schleierhaft. «Hätte nur nicht gedacht, dass sie sich traut einen Schritt auf mich zuzugehen, wo sie mir doch kaum in die Augen schauen kann, ohne gleich rot anzulaufen. Hättest sie mal sehen sollen, als sie mich gefragt hat. Sie hat so sehr gestammelt, ich hätte fast nicht gecheckt was sie von mir will.» Ein spöttisches Auflachen drang aus dem türlosen Durchgang der ins Bad führte. Ich nahm die Information zwar auf, ging jedoch nicht darauf ein und konzentrierte mich stattdessen aufs Lesen. Alte Bücher und Schriften zu studieren war eine meiner geheimen Leidenschaften – nur war ich seit meinem Beitritt bei Akatsuki zu beschäftigt gewesen, um mich ihr noch allzu oft zu widmen. Es gab zwar immer wieder Pausen zwischen unseren Jobs, in der ich dafür theoretisch Zeit gehabt hätte. Doch wir verweilten nur selten länger an einem Ort und Bücher mit sich zu führen, wenn man ständig unterwegs war, war ziemlich unpraktisch. Das Buch, das ich mir am gestrigen Tag aus einem Regal in der Lobby genommen hatte, war bedauerlicherweise eher zweitklassige Lektüre. Ich legte es dennoch nicht aus der Hand. Es war immer noch besser sich beim lesen zu langweilen, als es zu tun ohne irgendeine Tätigkeit auszuüben. «Ey, hörst du mir zu?» Ein Keuchen ertönte, ehe Hidan im nächsten Moment blutbesudelt und mit Loch in der Brust aus dem Bad trat. Ich warf ihm nur kurz einen Blick über den Seitenrand zu, ehe ich mich wieder dem Buch widmete. «Wenn du deine stumpfsinnigen Suizide schon nicht lassen kannst, dann begeh sie wenigstens wo anders. Du blutest mir alles voll.» «Stumpfs–?! Du nennst Jashin-samas heiliges Ritual nicht wirklich stumpfsinnig, oder? Fuck, Kakuzu, du bist echt verloren. Außerdem hast du nicht das Recht dich zu beschweren! Weil, du warst es doch, der meinte, dass ich mich benehmen soll. Ich kann aus meinem Ritual auch liebend gern ne Show für die Hinterwäldler hier machen. Es juckt mich ja schon seit unserer Ankunft in den Fingern, einen von ihnen dafür abzuschlachten. Meine letzte Opfergabe ist sowieso schon viel zu lange her. Jashin-sama wird langsam ungeduldig, ich kann es spüren.» «Du hast dich doch eben selbst geopfert. Reicht das deinem Gott nicht?» «Himmel, Kakuzu, du hörst mir echt nicht zu wenn ich drüber rede, oder? Das sind natürlich zwei verschiedene Dinge! Jashin-sama fordert das ein, was ihm zusteht: die Seelen der Ungläubigen. Ich, sein Diener, bin das Werkzeug, das ihm diese Seelen zuführt. Das Ritual ist aber nicht nur dafür da. Wenn ich es an mir selbst durchführe, wird ihm kein Leben geopfert und auch keine Seele übertragen. Es dient der Besänftigung und ist gleichzeitig Beweis meiner demütigen Treue, da Jashin-sama das Geschenk der Unsterblichkeit jederzeit von mir nehmen könnte. Auch wenn ich mich in diesen Momenten Lord Jashin so nah wie sonst nie fühle, bin ich–» Hidan verstummte abrupt, als sich unsere Blicke ineinander verhakten. Einige Sekunden sagte er nichts, bevor er augenverdrehend ein ach, vergiss es ausstieß, das Blut aus seinem Mundwinkel wischte und damit seinen Monolog beendete. Er hatte sich wohl wieder daran erinnert, dass es sinnlos war, mir das alles zu erklären. Ich war überzeugter Atheist und Religion interessierte mich nicht. Das hatte ich ihm schon mehrfach klar machen müssen. Verbal und, wenn er anfing mir seinen Glauben in penetranter Manier aufdrängen zu wollen, auch schon mal mit Gewalt. In dieser Hinsicht hatte ich keine Geduld und war äußerst reizbar. Nur hatte er meinen Blick eben missverstanden – dieses mal hatte ich gar nicht vor gehabt ihn abzuwürgen. Wäre vielleicht auch bereit gewesen meine atheistischen Ansichten beiseite zu schieben, um ihn zumindest einmal ausreden zu lassen. Ich räusperte mich, nahm das eigentliche Thema wieder auf. «Wenn du dich an den Leuten vergreifst oder allgemein zu viel Aufsehen erregst so lange wir hier sind, dann mache ich dich einen Kopf kürzer.» Nicht das erste mal, dass ich diese Drohung aussprach. Doch deshalb war sie nicht weniger ernst zu nehmen und Hidan wusste das. Dieser schnaubte. «Ja, ja, dann beschwer dich verdammt noch mal nicht, wenn ich für mein Ritual dein Bad nutze. War ja eh schon eingesaut. Da ist es doch eh der beste Ort, den du mir dafür hättest vorschreiben können.» Obwohl ich ihm damit recht geben musste, kommentierte ich seinen Punkt nicht und ließ es so stehen. Dann lenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch, las den letzten Abschnitt und blätterte auf die nächste Seite. «Ey.» «...» «Ey, Kakuzu.» «Was?», grummelte ich, ohne aufzublicken. «Ich...» Er hörte sich näher an, als hätte er ein paar Schritte auf mich zu gemacht. «Wer ist Suiko?» Diese Frage erwischte mich kalt. Innerlich erstarrt, blieben meine Augen am letzten Wort des Satzes hängen. «Woher hast du diesen Namen?» «Von dir. In der ersten Nacht, als du so abgekackt bist, hast du–» «Hab ich noch was gesagt?», schnitt ich ihm harsch das Wort ab und fügte einen Moment später hinzu: «Und hör auf das so zu nennen.» «Eh? Nein... nicht, dass ich es mitbekommen hätte. Und wie soll ich es denn sonst nennen?!» Ich las weiter, jedoch wollte der nächste Satz auch beim dritten und vierten mal keinen Sinn ergeben. Ich war vollkommen raus. «Nur jemand von früher. Niemand Besonderes.» «Früher?» «...» «Wann früher? Bei dir kann das alles bedeuten.» «...» «Besonders genug, dass du im Fieberwahn ihren Namen nennst», stellte Hidan fest, was mich einen leisen Seufzer ausstoßen ließ. «Mag sein, doch das war ein anderes Leben. Es gibt keinen Grund darüber zu reden. Sie müsste sowieso längst tot sein.» Mein Tonfall war kühl und abweisend, wodurch deutlich werden sollte, dass ich nicht mehr dazu zu sagen hatte. Ich war nicht in der Stimmung alte Geschichten auszugraben. Meine Vergangenheit um Suiko war eine verheilte Wunde die noch immer schmerzte. Es war nicht direkt sie, die Schuld daran hatte, dass ich nie so richtig damit hatte abschließen können. Wenn ich an meine erste Liebe dachte, empfand ich nichts. Nicht sie ließ mich reumütig werden, sondern das, wofür sie stand. Das Leben, das ich mit ihr hätte führen können, wenn… wenn das Schicksal mich nur nicht so hart gefickt hätte. Doch wenn ich eines gelernt hatte, dann, dass es einen nur selbst schadete, Verlorenem hinterher zu trauern. Also hatte ich Suiko zum Tabu erklärt. Und ich beabsichtigte nicht das rückgängig zu machen. «Dann stammte sie aus deinem Heimatdorf? Meintest du das mit früher?» Hidan wollte wohl trotz allem nicht locker lassen und verknüpfte die Anhaltspunkte, die ich ihm unbeabsichtigt gegeben hatte, auch noch richtig miteinander. Wenn er doch nur im Kampf seinen Kopf so anstrengen würde. «Hidan», mahnte ich ihn genervt. «Komm schon, sei nicht so! Du erzählst sonst nie was von dir. War sie deine Schwester oder deine Mutter? Vielleicht auch Freundin?» «Hidan, ich lese», knurrte ich dunkel. «Tu mir den Gefallen und geh jemand anderen auf den Sack.» «Zur Hölle, da stößt man einmal auf was Interessantes...» Er motzte und jammerte noch eine Weile unverständliches Zeug vor sich hin, bis er irgendwann still war. Ich hatte mich währenddessen wieder in das Buch vertieft, blendete seine Anwesenheit dieses mal komplett aus. Das gelang mir jedoch nur so lange, bis ich etwas an meinem Bein spürte. «Was wird das?» Ich schielte von meinem Buch zur Seite runter. Hidan hatte die Beine an den Körper gezogen und sich neben mir eingerollt wie eine Katze. Sein Kopf ruhte dabei auf meinem Oberschenkel. «Du weißt doch, dass ich immer scheiß müde werde, wenn mein Körper dabei ist sich zu regenerieren. Also lass mich in Ruhe, ich will mich kurz hinlegen.» Mit kleineren Wunden wie das Loch in seiner Brust – auch wenn sie noch so fatal waren – kam er meist klar ohne dafür eine extra Ruhephase zu benötigen. Er war schon öfter mit durchbohrtem Körper noch etliche Kilometer weit gelaufen, ohne dass er dabei übermäßig angeschlagen auf mich gewirkt hätte. Natürlich konnte er dabei seine Klappe nie halten und ließ sich darüber aus wie anstrengend und beschwerlich der Weg doch war, warf mir vor ihn zu hetzen, während er mir nebenbei ellenlange Beleidigungen an den Kopf schleuderte. Nur hatte das nichts zu bedeuten. Das tat er selbst wenn er in Topform war. Deswegen kaufte ich ihm nicht ganz ab, dass er jetzt so müde sein sollte, dass er sich hinlegen musste. Mal davon abgesehen, dass selbst das nicht erklärte, warum er dafür mich belagerte. Der Futon stand mit der kurzen Seite zur Wand, somit lag Hidan auf dem harten Fußboden. Das hielt diesen jedoch nicht davon ab, die Augen zu schließen und es sich bei mir bequem zu machen. Ich ließ ihn und sah davon ab, ihm seine Bedürftigkeit unter die Nase zu reiben. Eine Weile beschäftigte ich mich weiter mit meinem Buch, während von Hidan nur leise Atemzüge zu hören waren. Ich dachte dabei über etwas nach, was mein Partner zuvor gesagt hatte. Als es mir auch nach zwei mal umblättern nicht aus dem Kopf gehen wollte, sprach ich es schließlich an. «Wenn du sagst, dass dein Gott leer ausgeht, wenn du dich ihm selbst opferst, bedeutet das dann, du hältst dich für seelenlos?» Auch wenn sich Hidan seither nicht bewegt hatte, wusste ich, dass er nicht schlief. Ich sollte recht behalten, denn er antwortete mir beinahe sofort. «Scheiße, ja», flüsterte er. «Anders hält man es in dieser Dreckswelt doch nicht aus.» Er lachte leise auf, obwohl es sich nicht so anhörte als würde er scherzen. «Dann glaubt man als Jashinist, dass man als solcher ohne Seele geboren wird?» «Nein. Jeder besitzt eine Seele. Meine ist bei Lord Jashin. Er hat sie zu sich geholt an dem Tag, an dem ich gestorben bin und hält sie seither bei sich.» Ich fragte mich, ob mit gestorben einer seiner üblichen Tode gemeint war, doch dafür hätte Hidan es nicht so betonen müssen. Er musste von einem speziellen Ereignis sprechen. Mein Partner stellte sich selbst oft genug als mit Leib und Seele verschriebener Diener seines Gottes dar, doch wenn man seine Erklärung objektiv betrachtete, unterschied er sich nicht allzu sehr von einem Sklaven. Dann kam mir ein Gedanke. War vielleicht das der Grund für Hidans Rückzieher? «Gibt es in deinem Glauben auch irgendwelche... Verbote?» «Klar, ein paar. Warum?» «Zum Beispiel?» «Warum fragst du? Ich dachte du glaubst nicht an all das?» «Tu ich auch nicht.» «Du bist echt hoffnungslos verloren, Kakuzu. Solltest du irgendwann sterben, blüht dir die endlose Verdammnis.» Er seufzte, ehe er etwas leiser hinzufügte: «Auch wenn Jashin-sama keine Ausnahmen macht und einen Sünder wie dich in keinem Fall verschonen würde, ich... ich hab trotzdem angefangen für deine Seele zu beten.» Er redete zwar wieder Bullshit, aber... fuck. Das traf einen weichen Punkt. Ich sah erneut hinunter auf seine schlafend aussehende Gestalt und konnte nicht anders. Meine Finger versanken in die unerwartet seidigen Strähnen, meine Hand kam auf seinem Haupt zur Ruhe. «Idiot», sagte ich, in einem viel zu sanften Ton, ehe ich einhändig weiterlas. Shit. Wenn ich nicht aufpasste, erweckte er auf einmal noch meine softe Seite wieder zum Leben. ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – Now there's only one thing I can do Fight until the end like I promised to Wishing there was something left to lose This could be the day I die for you –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Es war der Abend vor unserer Abreise und ich kehrte soeben aus dem Dorf zum Kurhaus zurück. Ich hatte mir bei dem schweigsamen Händler Vorräte besorgt – größtenteils Trockenfleisch, Reis und gedörrte Früchte, dazu ein paar Gewürze. Kein Festmahl, doch ich war schon mit weitaus weniger ausgekommen. Ich war das erste mal wieder draußen unterwegs und hatte mir dementsprechend meine normale Kleidung angezogen. Diese hatte seit Tagen ordentlich gefaltet in meinem Zimmer für mich bereit gestanden. Da sie nicht allzu schlimm beschädigt worden war, hatte das Mädchen sie für mich gewaschen. So befreiend es auch gewesen war die Stoffschichten abzulegen und aufzuatmen, so beruhigend war es, nun wieder verhüllt zu sein. Der weiche Stoff des Mantels auf meiner Haut, das Stirnband am rechten Platz, meine Mimik verborgen, mein Handeln für mein Gegenüber uneinschätzbar. Das alles. Es fühlte sich wieder an wie ich. Zudem hatte ich genug von diesem Ort und dem trüben Wetter, konnte unseren Aufbruch kaum noch abwarten. Es stand mir nur noch ein Abend und eine Nacht bevor und ich plante, diese entspannt mit einem Buch in meinem Zimmer zu verbringen. Die Route für morgen hatte ich bereits kalkuliert, so weit es mir möglich war jedenfalls. Sobald wir die Sümpfe durchquert hatten, würden wir uns in den umliegenden Dörfern erneut umhören müssen. Doch sollte der Kerl die Richtung beibehalten, wäre die Nordküste nicht mehr allzu fern. Was auch immer er vor hatte, er steuerte geradewegs in eine Sackgasse. Dort war nichts außer das Meer und vielleicht war das die Gelegenheit ihn endlich zu schnappen. Mit dem Beutel voll Proviant ging ich den Pflastersteinweg zum Kurhaus hinauf und betrat das Anwesen. Die Lobby bestand aus einem Empfangsbereich mit Tresen, der seit Ausbleiben der Gäste jedoch nicht mehr aktiv genutzt wurde. Ein paar gut platzierte Pflanzen sowie ein großes Bücherregal rundeten die Einrichtung ab. Ich überflog die Buchrücken auf der Suche nach einem ansprechenden Titel. Als mein Blick an einem möglichen hängen blieb, wollte ich danach greifen, um mir den Klappentext durchzulesen. Auf halbem Weg hielt ich jedoch inne. Starrte auf meine Hand. Sie zitterte. Als wäre es erst nötig gewesen diese Beobachtung festzuhalten, brachen sogleich weitere Symptome über mich herein wie Donner über das Land. Meine Eingeweide wurden von Blitze durchzuckt, die eine plötzliche Übelkeit in mir auslöste. Mein Mund füllte sich mit Speichel und am liebste hätte ich ausgespuckt. Ich brach in kalten Schweiß aus, während mir meine Hand vor Augen verschwamm. Mein Körper gelähmt, mein Denken eingefroren, wurde ich zum Fremden, der nur zusehen konnte, wie die Hand vor mir haltsuchend nach dem nächstbesten Strohhalm griff. Bücher segelten zu Boden, als sich meine Nägel in das Holz der Ablage gruben, während mein Körper wankend gegen das Möbel schlug. Ich trotzte dem Schwächegefühl, ließ mich nicht davon zu Boden reißen, auch wenn es ein Kampf war. Benommen und mit versagenden Sinnen, blieb das Geräusch zu meiner Linken jedoch nicht von mir ungehört. Da war jemand. Und diese Erkenntnis allein genügte, damit sich meine Sicht sofort klärte. Es kehrte so viel Kraft zu mir zurück, dass ich mich mühevoll hochziehen und halbwegs gerade hinstellen konnte. «Wie lange?» Ich hatte mich nicht getäuscht. Durch das Rauschen in meinen Ohren hatte ich die Stimme jedoch nicht zuordnen können. Also fasste ich mich und wandte meinen Kopf zur Seite. «Wie lange plagt euch das schon?», wiederholte Shou seine Frage und ich spürte eine Last von mir fallen. Es war nur der alte Mann. Von allen Personen die dort hätten stehen können, war es jene, mit der ich am ehesten leben konnte. «Ich weiß nicht wovon ihr sprecht», grollte ich. Eine offensichtliche Lüge. Es war längst zu spät, um dem Alten etwas vorzumachen. Das wussten wir beide. «Es wird nicht besser werden, indem ihr es ignoriert.» «Was wisst ihr schon», knurrte ich erzürnt. «Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten.» «Ich habe lange genug Misakis Mutter, meine Tochter gepflegt, um einen Kranken zu erkennen wenn er vor mir steht.» Ich wandte meinen Blick ab, sah zu Boden. Der Beutel mit Proviant lag zu meinen Füßen – ich musste ihn in der Not fallen gelassen haben. Meine Arme zitterten, doch die aufkommende Wut erfüllte mich mit Kraft. Kurz schloss ich die Augen und drängte die Übelkeit zurück, ehe ich mich leicht vom Regal abstieß. Langsamen Schrittes ging ich auf Shou zu, um mich direkt vor ihm aufzubauen. Mit stechend kaltem Blick sah ich auf den Greis hinunter, der in meinem Schatten immer kleiner zu werden schien. «Verliert noch ein Wort darüber und ich werde eurer Enkelin Dinge antun, die euch noch lange danach bis in eure Alpträume verfolgen werden. Es wird nicht schnell vorbei sein, ich werde mir Zeit lassen. Und glaubt mir, ich kann dafür sorgen, dass ihr hinseht, damit ihr auch ja nichts verpasst.» Damit ging ich an dem erstarrten und kreidebleich gewordenen Kauz vorbei und lief mit donnernden Schritten den Gang hinunter. Als mein erhitztes Gemüt langsam abkühlte und das Ohnmachtsgefühl drohte zurückzukehren, wurden meine Schritte schneller, bis ich schließlich das letzte Stück schnaufend bis in die Küche hastete. Dort begrüßten mich ungespülte Töpfe und Pfannen auf dem Herd, ein heilloses Chaos auf der Anrichte, sowie gedämpfte Stimmen aus dem Esszimmer. Und dann fiel es mir wieder ein. Das Essen. Hidan und Misaki befanden sich im Nebenraum. So wenig Lärm wie möglich verursachend, stolperte ich die letzten Meter auf weichen Knien zu den Schränken und stützte mich auf der Anrichte ab. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln, da mir beinahe schwarz vor Augen wurde. Tief atmete ich ein und aus, im Versuch meinen Puls zu beruhigen, bevor ich zittrig den Schrank öffnete. Nein... nein! Das durfte nicht sein! Mein Herz rutschte mir in die Hose – das Fläschchen mit dem Pulver war nicht da. Und auch in den oberen Ablagen war es nirgends zu finden. Hatte Misaki es irgendwo anders hingestellt? Panisch riss ich Schrank um Schrank auf und keuchte erleichtert auf, als ich das kleine Gefäß schließlich in meine Hand schloss. Ich hatte mich bloß im Schrank geirrt. Beinahe war ich versucht mir die Medizin wie ein Wilder in den Rachen zu kippen, besann ich mich jedoch und maß mir eine Messerspitze ab. Ich sparte mir den Aufwand einen Tee zu machen und nahm es einfach so ein. Sofort verzog ich das Gesicht – das Pulver in Reinform war ohne Geschmackszusatz extrem bitter. Dazu war ein ganzes Glas Wasser nötig, bis ich das Gefühl von Sand im Mund los bekam. Langsam klang die Aufregung und die Panik ab. Ich versuchte die Schande über meine jämmerliche Verfassung runterzuschlucken, starrte das Fläschchen vor mir emotionslos an und wartete darauf, dass die Medizin anfing zu wirken. Kraftlos sank ich langsam in mich zusammen, bis ich mit meinem Oberkörper halb auf der Anrichte zum liegen kam. Mir blieb nur die Möglichkeit so zu verharren oder das Risiko in Kauf zu nehmen und auf dem Weg in mein Zimmer zusammenzubrechen. Die Wahl war schnell getroffen. Meine Knie fingen heftig an zu beben, kaum dass ich mein Gewicht auf die Beine verlagerte. Dem Ganzen setzte Hidans laute, amüsierte Lache, die dumpf durch die Wand drang, noch die Krone auf. Meine Faust schloss sich um das Fläschchen, meine Stirn sank wie zum Stoßgebet dagegen. Ich konnte es nicht mehr länger abtun, musste es mir eingestehen. Irgendwas stimmte nicht mit mir. Ich wusste nicht was es war. Aber die Medizin hatte nicht geheilt, sondern nur unterdrückt. Und ohne regelmäßige Einnahme kam es zurück. Es war keine außergewöhnliche Beobachtungsgabe nötig, um es zu bemerken. Die zeitlichen Abstände, die Symptome... Es wurde schlimmer. ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – What do you see before it's over? Blinding flashes getting closer Wish that I had something left to lose This could be the day I die for you –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)