Dead Ringer for Love von Flordelis ================================================================================ Verse 2 ------- [LEFT]Der Buchladen war tatsächlich direkt um die Ecke. Für einen kurzen Moment gab Ryusuke sich der Hoffnung hin, dass sie diesen Auftrag schnell hinter sich bringen könnten. Dann hätten sie noch genug Zeit, ihre Verabredung fortzusetzen, so wie es eigentlich geplant war.[/LEFT] [LEFT]Von außen sah der Laden ganz normal aus, abgesehen von den Büchern, die im Inneren verstreut umher lagen. Etwas Derartiges war Ryusuke in den Einrichtungen Tokyos nicht gewohnt.[/LEFT] [LEFT]»Kannst du schon etwas feststellen?«, fragte er Shiga.[/LEFT] [LEFT]Sein Freund hob die Schultern. »Ich habe meinen Laptop nicht dabei, also kann ich nichts sagen. Im Moment bemerke ich jedenfalls nichts.«[/LEFT] [LEFT]Ryusuke spürte ebenfalls keine Temperaturschwankung, genauso wenig wie er Schwefel roch. Im Moment war hier zumindest also kein Geist zugegen. »Vielleicht war das auch nur ein Versuch, uns von unserem Date abzulenken. Gibt es eine Klausel im Vertrag, die Beziehungen zwischen Kollegen untersagt?«[/LEFT] [LEFT]Shiga warf ihm einen schmunzelnden Blick zu. »Nein, gibt es nicht. Vielleicht ist das eher ein Streich. Ich traue der Chefin zu, dass sie das lustig findet.«[/LEFT] [LEFT]Eigentlich wollte Ryusuke das nicht wirklich glauben. Aber dummerweise kannte er Fukurai auch und wusste, wozu sie imstande war. Er überlegte, vorzuschlagen, dass sie einfach weitermachen sollten, aber da kam ein Fahrzeug auch schon mit quietschenden Reifen auf der Straße neben ihnen zum Stehen. Ein kurzer Blick genügte, um zu wissen, dass es der Bus der Gate Keepers war.[/LEFT] [LEFT]Kaum hatte er angehalten, ging die Tür auf. Heraus kamen Moichi Sengen und ein ziemlich angesäuerter Kojiro Yamakawa.[/LEFT] [LEFT]»Ich dachte, ihr habt keine Zeit«, begrüßte Ryusuke die beiden.[/LEFT] [LEFT]Yamakawa, der wieder einmal am Rauchen war, verzog wütend sein Gesicht. »Hatte ich eigentlich auch. Aber Chizuru meinte, es sei äußerst wichtig. Also hab ich dem alten Herrn gesagt, dass er sich um alles kümmern soll.«[/LEFT] [LEFT]Sehr glücklich war das Oberhaupt des Clans darüber sicher nicht gewesen. Ryusuke würde sich irgendwann an Fukurais Stelle dafür entschuldigen – wenn er erst einmal nicht mehr so wütend war.[/LEFT] [LEFT]Moichi richtete wieder einmal seine viel zu große Brille, die stets von seiner Nase zu rutschen drohte. »Ich war bei einem TCG-Turnier. Dort hätte meine große Stunde schlagen sollen.«[/LEFT] [LEFT]Da fiel Ryusuke siedendheiß ein, dass er Moichi eigentlich versprochen hatte, ihn zum Turnier zu begleiten. Warum hatte er ihn nicht wieder daran erinnert? Oder bat ihn nun um eine Rechtfertigung, so wie Kaede?[/LEFT] [LEFT]Yamakawa schmunzelte plötzlich. »Grad eben hast du noch geklagt, dass du schon in der ersten Runde rausgeflogen bist.«[/LEFT] [LEFT]Für diese Aussage erntete er einen wütenden Blick von Moichi. Ehe dieser aber noch etwas sagen konnte, stieg der Fahrer, Sadoi, aus dem Wagen. Wie üblich wirkte er mit seinen Bartstoppeln und dem wirren Haar reichlich ungepflegt, die Zigarette, die er locker zwischen seinen Lippen trug, war ebenfalls ein Zeichen dafür.[/LEFT] [LEFT]»Na na«, sagte er, »fangt mal nicht wieder mit streiten an, das wird echt anstrengend.«[/LEFT] [LEFT]Das wusste Ryusuke auch zu gut aus Erfahrung, deswegen war er froh darum, dass ein Erwachsener eingriff, auch wenn er nicht zwingend von allen als solcher betrachtet wurde.[/LEFT] [LEFT]Yamakawa nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette und wechselte das Thema: »Warum sind wir denn nun eigentlich hier?«[/LEFT] [LEFT]Sadoi nickte in Richtung des Buchladens. »Wir müssen da rein. Anscheinend gibt es einen ziemlich hartnäckigen Geist, der nach einem bestimmten Buch sucht.«[/LEFT] [LEFT]Zu Beginn seiner Tätigkeit als Geisterjäger war Ryusuke irritiert darüber gewesen, dass Geister etwas suchen könnten. Aber inzwischen kannte er das zur Genüge.[/LEFT] [LEFT]»Der Besitzer des Ladens hat uns damit beauftragt«, erklärte Sadoi weiter. »Schon vor einer Weile. Ausnahmsweise haben Chizuru und ich die Recherchen bereits abgeschlossen.«[/LEFT] [LEFT]Shiga wechselte einen Blick mit Ryusuke. Dieser war sich nun auch sicher, dass sein Freund recht hatte: Ihre Vorgesetzten wollten diese Verabredung sabotieren. Blieb nur die Frage, warum.[/LEFT] [LEFT]Von dieser Erkenntnis unbelastet öffnete Sadoi die Hecktüren des Busses. Dort zeigte sich die technische Ausrüstung, die Shiga benötigte, um nachzuverfolgen, was auf dem Kampffeld geschah. Direkt daneben befanden sich auch Moichis und Ryusukes Waffen, die etwas aufwändiger im Transport waren, als Yamakawas Revolver.[/LEFT] [LEFT]Jeder von ihnen nahm sich ein Funkgerät und eine kleine Kamera, die an der Stirn zu befestigen war, um möglichst viel vom Kampfgeschehen aufnehmen zu können. Shiga hatte erklärt, dass er diese Aufnahmen benötigte, um den Feind und dessen Bewegungsmuster zu analysieren.[/LEFT] [LEFT]Moichi nahm das Gerät heraus, das eine entfernte Ähnlichkeit zu einem Staubsauger aufwies, von ihm aber Plasma Buster genannt wurde. Ryusuke dagegen griff nach der Peitsche, die schon deutlich bessere Tage gesehen hatte – aber solange sie funktionierte, wollte er sich nicht beklagen.[/LEFT] [LEFT]Schließlich nickte Sadoi erneut in Richtung des Ladens. »Moichi, Kojiro, geht doch schon mal vor und klopft. Der Besitzer wird euch sicher aufmachen.«[/LEFT] [LEFT]Da Ryusuke nicht erwähnt worden war, blieb er einfach stehen, direkt neben Shiga. Kaum waren die anderen beiden außer Hörweite, wandte Sadoi sich ihnen zu. Er versuchte, ein ernstes Gesicht aufzusetzen, aber das gelang ihm bei seiner Gelassenheit nicht so ganz, deswegen blieb der Hauch eines Schmunzelns. »Also, Chizuru hat mir gesagt, weswegen ihr heute in Jimbocho seid.«[/LEFT] [LEFT]Da Shiga nicht reagierte, übernahm Ryusuke das, ein wenig trotzig möglicherweise: »Und? Ist das irgendein Problem?«[/LEFT] [LEFT]»Nicht direkt.« Sadoi seufzte. »Wir wollen nur verhindern, dass es zu Drama im Team kommt.«[/LEFT] [LEFT]»Was soll es denn für ein Drama geben?« Vielleicht war Ryusuke zu unerfahren in derartigen Dingen, aber er glaubte nicht, dass es bei irgendjemandem einen Grund zur Sorge geben könnte. Schon allein, weil er so glücklich darüber war, dass Shiga überhaupt mit ihm ausging.[/LEFT] [LEFT]»Da gibt es mehrere Möglichkeiten«, führte Sadoi unbarmherzig aus. »Zum einen gibt es die ein oder andere Person im Büro, die ebenfalls an dir interessiert ist.«[/LEFT] [LEFT]Wer sollte das denn sein? Davon hatte er auf jeden Fall nichts bemerkt. War er zu sehr auf Shiga fixiert gewesen?[/LEFT] [LEFT]»Und was, wenn das zwischen euch doch nichts wird?« Sadoi hob die Schultern. »Ihr würdet euch im Schlechten trennen, müsstet aber weiterhin so eng zusammenarbeiten. Könntet ihr das?«[/LEFT] [LEFT]Ryusuke wollte sofort protestieren, dass dies garantiert niemals geschähe, doch Shigas anhaltendes, nachdenkliches Schweigen verwirrte ihn. Deswegen sagte er nichts mehr dazu.[/LEFT] [LEFT]Sadoi nickte. »Dachte ich mir.«[/LEFT] [LEFT]Er griff in das Innere des Busses und zog ein kleines Buch hervor. Dieses drückte er Ryusuke in die Hand. »Das werdet ihr brauchen, um den Geist zu exorzieren.«[/LEFT] [LEFT]Es sah aus wie ein ganz normales Exemplar seiner Art. Der Schutzumschlag war einfarbig, die Buchstaben des Titels – Über den ewigen Lauf des Flusses – glänzten leicht im Sonnenlicht. Warum sollte ein Geist nach so etwas suchen?[/LEFT] [LEFT]»Viel Erfolg«, sagte Sadoi noch, ehe einer von ihnen nachhaken konnte; damit schlurfte er davon.[/LEFT] [LEFT]Ryusuke wartete, bis er außer Hörweite war, dann wandte er sich an Shiga. Dieser war inzwischen damit beschäftigt, seinen von Sadoi mitgebrachten Laptop hochzufahren und für die neue Mission vorzubereiten.[/LEFT] [LEFT]»Warum hast du eben nichts gesagt?«, fragte Ryusuke.[/LEFT] [LEFT]Shiga warf ihm nur einen kurzen Blick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf den Bildschirm. Das Display spiegelte sich in seiner Brille. »Weil ein Widerspruch ohnehin sinnlos gewesen wäre. Ich denke nicht, dass es etwas bringt, mit ihnen zu reden, wir müssen eher Taten sprechen lassen.«[/LEFT] [LEFT]»Du meinst, zeigen, dass es zu keinem Drama kommt?«[/LEFT] [LEFT]Der Hauch eines Lächelns breitete sich auf Shigas Gesicht aus. »Ganz genau. Ich wusste, du verstehst das. Also geh da rein, und zeig, dass du deine Arbeit ernst nimmst.«[/LEFT] [LEFT]Neu motiviert folgte Ryusuke den anderen in den kleinen Buchladen. Dort stellte er schnell fest, dass der Kundenbereich, abgetrennt durch eine Theke vom hinteren Teil des Raumes, nicht sonderlich groß war. Sie könnten Probleme bekommen, wenn sie hier zu kämpfen versuchten.[/LEFT] [LEFT]Ein alter Mann kniete auf dem Boden und war gerade dabei, Bücher aufzusammeln. Während er dies tat, murmelte er vor sich hin, offenbar ging es darum, wie man seine Waren nur derart behandeln konnte.[/LEFT] [LEFT]Ryusuke wandte sich daher an seine teilnahmslos dastehenden Kollegen. Zumindest hatte Yamakawa seine Zigarette gelöscht. Moichis Schultern hingen kraftlos herab. »LG-Ryusuke, es tut mir leid, dass wir deine Verabredung stören mussten.«[/LEFT] [LEFT]»Eigentlich hatten wir geplant, das allein zu machen«, fügte Yamakawa hinzu. »Aber die beiden Chefs wollten unbedingt, dass wir euch dazuholen.«[/LEFT] [LEFT]Also hatten beide von seiner Verabredung gewusst. Machte Moichi ihm deswegen keine Vorwürfe? Vielleicht sollte er ihn ein andermal danach fragen.[/LEFT] [LEFT]Er warf einen Blick aus dem Schaufenster. Seine Augen fielen direkt auf Sadoi, der im Bus saß, den Nacken zurückgelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Typisch.[/LEFT] [LEFT]»Dann habt ihr kein Problem damit?«, hakte Ryusuke nach.[/LEFT] [LEFT]Dafür erntete er fragende Blicke. Deswegen spezifizierte er, dass er seine Beziehung zu Shiga meinte. Darauf klärten sich die Gesichter seiner Kollegen.[/LEFT] [LEFT]»Warum sollten wir?«, fragte Moichi.[/LEFT] [LEFT]»Ja«, stimmte Yamakawa zu, »das ist ja schließlich eure Sache.«[/LEFT] [LEFT]Statt ihnen zu erzählen, was Sadoi gesagt hatte, versicherte er ihnen, dass er nur neugierig gewesen war. »Also nicht weiter wichtig. Kümmern wir uns lieber endlich um die Arbeit.«[/LEFT] [LEFT]Der Mann war nun auch endlich fertig damit, die Bücher vom Boden aufzusammeln, und widmete sich ihnen. Er musterte sie alle abweisend. »Ich habe nicht gedacht, dass sie mir zwei High School Schüler und einen Yakuza schicken.«[/LEFT] [LEFT]Yamakawa knurrte leise. »Die sind nun aber hier. Also was gibt es?«[/LEFT] [LEFT]Da er wohl einsah, dass ihm keine andere Wahl blieb, setzte der Mann zur Erklärung an: »Seit einigen Wochen treibt ein Geist in dieser Buchhandlung sein Unwesen. Er hat schon einige meiner Angestellten vertrieben, deswegen muss ihm endlich Einhalt geboten werden.«[/LEFT] [LEFT]»Möchte er denn etwas Bestimmtes?«, hakte Moichi nach.[/LEFT] [LEFT]Ryusuke blickte wieder auf das Buch in seiner Hand hinab. »Ich denke, er sucht hiernach. Wenn er wieder auftaucht, können wir es ihm geben.«[/LEFT] [LEFT]Moichis Gesicht hellte sich sofort auf. »Vielleicht geht die Mission mal schnell vonstatten. Dann kann ich mir noch das Finale des Turniers ansehen.«[/LEFT] [LEFT]»Ich würde nicht darauf bauen«, murrte Yamakawa.[/LEFT] [LEFT]»Was ist aber so besonders an dem Buch?«, fragte Moichi, ohne auf die Worte des anderen einzugehen. »Warum sucht jemand gerade danach?«[/LEFT] [LEFT]»Das habe ich mich auch schon gefragt.« Von außen war nichts zu sehen, deswegen schlug Ryusuke es einmal auf – und da entdeckte er endlich etwas, das ein Hinweis sein könnte. »Ist das hier eine Signatur?«[/LEFT] [LEFT]Ehe einer seiner Kollegen reagieren konnte, riss der Besitzer ihm das Buch schon aus der Hand. Dann musterte er selbst die verschnörkelten Schriftzeichen auf der ersten Seite. Während sie auf die Einschätzung des Mannes warteten, wechselten sie mehrere verwirrte – und genervte – Blicke miteinander.[/LEFT] [LEFT]Schließlich riss der Besitzer seine Aufmerksamkeit wieder von dem Objekt seiner plötzlichen Begierde los und richtete diese auf die Gruppe vor sich. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, die Lippen zusammengekniffen. »Woher habt ihr dieses Buch?«[/LEFT] [LEFT]»Unsere Chefs haben es uns gegeben.« Ryusuke deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Sie meinen, der Geist suche danach.«[/LEFT] [LEFT]»Warum ist das so wichtig?«, fragte Yamakawa.[/LEFT] [LEFT]Die Finger des Besitzers schlossen sich wie Klauen um den Folianten. »Ich habe dieses Buch aus dem Nachlass eines Verstorbenen gekauft. Es ist eine signierte Erstausgabe von Yasu Kawaguchi, dem Autor des Werkes. Entsprechend viel wert ist es natürlich.«[/LEFT] [LEFT]Allerdings konnte Ryusuke sich nicht vorstellen, dass der Geist es auf monetäre Werte abgesehen hatte, auch nicht für etwaige Erben. Jedenfalls war ihm so etwas bislang nicht untergekommen. Aber vielleicht verband er vielmehr Nostalgie damit. Das könnte dazu beitragen, dass seine Gefühle stark genug waren, dass er sich wieder manifestierte.[/LEFT] [LEFT]»Vor kurzem«, fuhr der Besitzer fort, »wurde das Buch allerdings gestohlen. Deswegen würde mich sehr interessieren, wo eure Chefs es gefunden haben.«[/LEFT] [LEFT]Das hatte er Sadoi nicht gefragt, und er sah auch nicht ein, deswegen noch einmal hinauszugehen. Schon allein, weil er seinen Vorgesetzten – auch Fukurai – zutraute, dass sie es sich über illegale Wege beschafft hatten. Davon wollte er lieber nichts wissen.[/LEFT] [LEFT]Yamakawa schnaubte. »Zählt nicht nur, dass wir den Schinken haben? Ist doch egal, warum, Hauptsache wir können den Geist damit exorzieren.«[/LEFT] [LEFT]Dem stimmte Ryusuke zu. Aber die Sekunden verstrichen bislang unbarmherzig, ohne die Aussicht, dass er bald fertig wäre – schon allein, weil sie nun noch darauf warten müssten, dass der Geist überhaupt erschien. Manchmal konnte das einige Zeit dauern, wie er wusste.[/LEFT] [LEFT]Aber zu seinem Glück schien das Schicksal ihn an diesem Tag unterstützen zu wollen, denn plötzlich erwachte sein Funkgerät knisternd zum Leben, als Shigas Stimme daraus erklang: »Temperatur-Abfall und Schwefel-Konzentration bestätigt. Ankunft des Geistes in geschätzten zwei Minuten!«[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)