Morgenstern von totalwarANGEL ================================================================================ Kapitel 11: Die kalte Schulter ------------------------------ 🌱   Zur Geisterstunde blieb Nebula die nĂ€chtliche Ruhe verwehrt. Frost und KĂ€lte krochen in Arme und Beine und hielten sie vom schlafen ab. Als habe sie ihre Glieder in eiskaltes Wasser getaucht. Ihre Decke bot ihr keinen Schutz vor der KĂ€lte, denn das GefĂŒhl schien aus ihrem Inneren nach Außen zu strahlen. Als sie ihre Beine berĂŒhrte, wirkten diese allerdings wohl temperiert zu sein. Sie gab den Kampf um den Schlaf noch nicht auf. Unruhig wĂ€lzte sich die Prinzessin in ihrem Himmelbett. Ihr Geist versuchte den Körper zu ĂŒberreden, sich endlich der MĂŒdigkeit geschlagen zu geben. Der Erfolg ließ weiter auf sich warten. Letztlich setzte sie sich entnervt auf und zog den Schleier zur Seite. Ihr Haar war völlig durcheinander gewirbelt und der linke TrĂ€ger ihres Nachthemd hing lose ĂŒber ihren Oberarm. Sie blickte auf, dem Fenster entgegen. Der weiße Schein des Mondes fiel hindurch und traf auf sie und ihre hochherrschaftliche Schlafgelegenheit. Weil es mit dem Einschlafen einfach nicht klappen wollte, beschloss Nebula aufzustehen und sich die Zeit damit zu vertreiben, den Erdtrabanten zu bewundern. Sie tastete nach ihren Pantoffeln und schlĂŒpfte hinein. Langsam erhob sie sich und ging zur Garderobe. Durch die trĂŒben Fensterscheiben konnte sie den Mond nicht richtig sehen, so entschied sie sich fĂŒr einen kleinen Nachtspaziergang durch den Palast. Sie wĂ€hlte einen ihrer Mantel, streifte ihn ĂŒber und verließ ihr Zimmer. Sie folgte dem Gang bis zu einer mĂ€ĂŸig ausgeleuchteten Abzweigung, welche sie zu einem Aufgang fĂŒhrte. Sie nutzte die Wendeltreppe und erklomm die Dachterrasse des linken PalastflĂŒgels. Hier lag der Blick auf den Mond frei. Sie ließ ihre Gedanken schweifen. Ihre Begleiter wusste nun, wer sie wirklich war. Wie mussten sie mit anderen Augen sehen. Sie wollte keine Sonderbehandlung, nur weil sie eine Prinzessin ist. Aus diesem Grund beabsichtigte sie niemals es ihnen zu offenbaren. HĂ€tte sie ihr Vater nicht dazu gezwungen, wĂ€re dieses Geheimnis weiter gewahrt geblieben. Sie erinnerte sich nur zu gut an ihre Kindheit. Sie war niemals allein und die anderen Kinder spielten mit ihr. Jedoch merkte sie schnell, dass sie sie immer zuvorkommend behandelten. Sie wollte ernst genommen werden, aber die anderen MĂ€dchen versuchten stets sich bei ihr beliebt zu machen. Darum prĂŒgelte sie sich lieber mit den Jungen. Sie hoffte so wenigstens von ihnen akzeptiert zu werden. Doch den Makel falschen LĂ€chelns wurden ihre Freundschaften niemals los. Caroline war ihre erste echte Freundin. Aber was hatte ihr das eingebracht? Und ihre neuen Freunde? Sie dachte an ihre Begleiter. An Clay, den JĂ€ger. Der Versuch den Ort, welchen er seine Heimat nannte, vor einem Monster zu bewahren, hatte ihm eben jene Heimat gekostet. Er musste auf die harte Tour lernen, dass Menschen meist die grĂ¶ĂŸeten Monster sind und andere oft vorverurteilen ohne weiter nachzudenken. Nebula grĂŒbelte, warum sie ihn in ihre Gruppe aufgenommen hatte. War es aus Mitleid mit ihm oder nicht doch aus Mitleid mit sich selbst. Immerhin war sie jetzt nicht mehr lĂ€nger das einzige Monster der Gruppe. An Cerise, die AttentĂ€terin mit dem losen Mundwerk, dachte sie auch. Wie weit konnte sie einer Frau trauen, welche angeheuert wurde, einen ihrer Begleiter zu töten, nur um dann die eigene Sache zu verraten und die Geliebte eben dieses Mannes zu werden? Einer Frau, der ihr fleischliches Verlangen offenbar wichtiger war, als jeder schwur. Denn zu glauben, dass es tatsĂ€chlich Liebe sein sollte, widerstrebte ihr. Könnte Cerise ihnen nicht jederzeit aus einer Laune heraus in den RĂŒcken fallen? Annemarie, das obdachlosen MĂ€dchen, kam ihr in den Sinn. Sie war noch ein Kind, welches gern MĂ€rchen las. Es war unverantwortlich sie ĂŒberall hin mitzunehmen. Nebula hatte sie aus selbstsĂŒchtigen GrĂŒnden aufgenommen und nun reiste sie mit ihnen. Sie konnte sich nĂŒtzlich machen und in die Zukunft sehen. Außerdem meinte der Hofzauberer, dass sie ein Talent fĂŒr Magie habe. Aber entschuldigte das, sie in Gefahr zu bringen? Nebula grĂŒbelte, ob sie eigentlich nur an ihren eigenen Vorteil dachte und die KrĂ€fte des MĂ€dchens fĂŒr die Suche nach den Teufelswaffen missbrauchte. Und was war mit Henrik? Ein naiver Junggeselle, der ins Verderben und wieder zurĂŒck rennen wĂŒrde, wenn es nur bedeute, er könne bei ihr bleiben. Das hatten spĂ€testens die Ereignisse des Bankett deutlich gemacht. Ohne ihn wĂ€re sie nicht mehr hier. Er vollbrachte ein Wunder. Sie stand in seiner Schuld. Ein Junge in seinem Alter sollte sich jedoch in ein normales MĂ€dchen verlieben, mit ihr eine normale Familie grĂŒnden und ein hoffentlich langes friedvolles Leben fĂŒhren. Er sollte nicht auf der Suche nach mythischen Waffen die Lande bereisen und seinen Hals fĂŒr etwas riskieren, was er nicht verstand. Sie verstand es ja selbst nicht völlig. Ihr lag etwas an ihm, das konnte sie nicht leugnen. Vielleicht liebte sie ihn auch. In jedem Fall musste sie ihm vor sich selbst beschĂŒtzen. Besser es tat einmal kurz weh, als wenn er weiterhin auf einen Abgrund zusteuerte. Vielleicht konnte sie ihn als Schmied in Ewigkeit oder einer anderen Stadt unterbringen. Aber vorher wĂŒrde sie ihn grĂŒndlich untersuchen lassen, um SpĂ€tfolgen seiner Zauberei auszuschließen. Gleich morgen frĂŒh wollte sie zu Arngrimir gehen und sich untersuchen lassen. Das war die Gelegenheit, Henrik im Anschluss genauestens unter die Lupe zu nehmen.   Am nĂ€chsten Morgen setzte sie ihren Plan in die Tat um. Ohne das sie eine klare Aussage gemacht hatte, veranlasste es den Zauberer hektisch in seinem Labor umherzueilen, um seine drei Jahre alten Unterlagen zusammen zu tragen. Er studierte seine Notizen und grĂŒbelte, wie er seine Patientin untersuchen sollte. Dann kam ihm eine zĂŒndende Idee. “Ich wĂŒrde gern etwas versuchen.” Er griff in seine Robe und holte ein Messer hervor. “Erlaubt  Ihr, Prinzessin?” “Na los, macht schon!” Das ließ sich Arngrimir nicht zweimal sagen. Er packte Nebulas rechten Arm und fĂŒgte ihr eine tiefe Schnittwunde zu. Schwarzes Blut quoll hervor doch gleichzeitig begann sich die Wunde sofort wieder zu schließen. “Wie ich es erwartet habe!”, behauptete der Zauberer und verstaute das Messer wieder in seinen GewĂ€ndern. “So schnell sind Eure Wunden frĂŒher nicht verheilt. Ihr habt Euch in der Tat verĂ€ndert. Was ist in dieser Nacht mit Euch geschehen?” Nebula schwieg. “Wenn ich Euch helfen soll, mĂŒsst ihr den Mund aufmachen!” Die Prinzessin versuchte mit ihren Blicken den Fragen auszuweichen. Sie wollte nicht antworten, denn sie wollte sich nicht daran erinnern mĂŒssen. “Bitte teilt euch mit.” Nebula seufzte. “Was ist passiert?” “Na schön!”. Sie atmete durch, um sich selbst zu beruhigen. “Der Prinz aus Aschfeuer hat... mich umgebracht.” Sie verspĂŒrte den Drang davonzulaufen aber gehorchte ihm nicht. “Ich fand mich an einem dunklen Ort wieder. Dann sah ich auf einmal dieses grelle weiße Licht. Im nĂ€chsten Moment l-lag ich in Henriks Armen.”  Der letzte Teil ihrer Aussage viel ihr unglaublich schwer und bei dem Gedanken an ihren Austausch von ZĂ€rtlichkeiten, errötete sie. “... er kĂŒsste mich.” “Und hat Euch so von den Toten zurĂŒck geholt?” “Ich weiß, das klingt LĂ€cherlich. Aber ich schwöre, ich spreche die Wahrheit!” “Henrik sagtet Ihr heißt der Bursche, richtig Prinzessin?”, fragte Arngrimir sicherheitshalber noch einmal nach und bekam es durch zaghaftes Nicken bestĂ€tigt. “Er hat Euch wiedererweckt? Mit einem Kuss. Das ist Ă€ußert... mĂ€rchenhaft!” “Seither haben sich meine Waffen verĂ€ndert. Sie fĂŒhlen sich viel leichter an als zuvor.” ”Wirklich?” Arngrimir zupfte sich an seinem Bart. ”Das ist höchst interessant!” “Kann das vielleicht Henrik verursacht haben?” “Das vermag ich nicht zu beantworten. Vielleicht sollte ich den Jungen auch einmal untersuchen! Schickt Henrik bitte zu mir.”   Achtlos warf Cerise einige stumpf geschliffene hölzerne Übungswaffen auf einen Haufen. Sie hatte die anderen bereits in der Vergangenheit kĂ€mpfen sehen und war wenig von deren Performance angetan. Aus diesem Grund trieb sie ein paar Holzschwerter auf, um Clay und Nebula etwas Nachhilfe in der Kampfkunst zuteil werden zu lassen. Denn sie glaubte, das die beiden es bitter nötig hatten. Der Übungsplatz der Kaserne schien ihr fĂŒr dieses Vorhaben ausreichend zu sein. Da sie sowieso nichts besseres zutun hatte, wĂ€hrend der Hofzauberer den Jungen auf links drehte, willigte Nebula zu diesem Vorhaben ein. Es versprach ein lohnender Zeitvertreib zu werden, der Rothaarigen beim Training die eine oder andere mitzugeben. Clay wusste, dass er kein NahkĂ€mpfer war und sich das so schnell auch nicht Ă€ndern wĂŒrde. Er war ein JĂ€ger. Und die jagen meistens mit einem Bogen aus der Entfernung. Ihm war klar, dass er in einem Nahkampf untergehen wĂŒrde. Cerise nahm sich eine der Übungswaffen. “Na los, jetzt greift euch auch welche!”, forderte sie die anderen auf. “Das Prinzesschen darf zwei nehmen.” “Gebt mir gefĂ€lligst keine Kosenamen, oder es setzt was!”, forderte Nebula. “Ich habe Euch in der Nacht des Angriffs mit zwei Waffen auf den Elf einprĂŒgeln sehen.” “Immerhin habe ich gewonnen.” “Nachdem Ihr Euch zuerst habt erschlagen lassen. Das war einfach nur peinlich! Da macht mir Eure Drohung wenig Angst.” “Wollt Ihr mich beleidigen?!” “Es sah aus, als wolltet ihr Schnitzel klopfen.” Nebula brachte ihr Missfallen durch ein kurzes grimmiges Brummen zum Ausdruck und nahm sich zwei Holzschwerter vom Stapel. Clay nahm sich ebenfalls eins. Dann begaben sich alle drei zu einem bereits abgesteckten Kampfbereich. “Auf diese Weise wird seit Generationen jungen Schattenschwestern die Kampfkunst gelehrt”, begann Cerise zu erklĂ€ren. “FrĂŒh ĂŒbt sich, was ein guter Mörder werden will!” Sie deutete auf den mit einem Stock in den Staub gemalten Kreis, welcher einen Durchmesser von fĂŒnf Metern hatte. “Das ist ein Kampfspiel. Ziel ist es, den Gegner entweder aus dem Ring zu drĂ€ngen, bewusstlos zu schlagen oder drei Punkte durch Treffer zu erzielen.” “Euch bewusstlos zu schlagen, hört sich verlockend an”, giftete Nebula. “Es steht Euch frei, es zu versuchen.” “Und wie erlangen wir drei Punkte?”, fragte Clay. “Es gibt einen Punkt fĂŒr Arme und Beine. Zwei fĂŒr Bauch oder RĂŒcken. Und drei fĂŒr Brust und Kopf.” “Und wie viele, wenn ich Euch den Arsch versohle?”, erkundigte sich Nebula. “Keine! Außer Clay. Er bekommt so viele er will... wenn er es schafft.” Cerise glaubte ihr Hinterteil nicht in unmittelbarer Gefahr. “Punkte werden nur fĂŒr Treffer mit Waffen gezĂ€hlt. Allerdings darf der ganze Körper zum Einsatz kommen.” Die Rothaarige senkte die Übungswaffe. “TeufelskrĂ€fte und starkes Haarwachstum ist nicht gestattet! Und jetzt haben wir genug geplaudert!” Sie streckte sdie unbewaffnete Hand aus und machte eine Geste, welche die anderen aufforderte, sie anzugreifen. “Zeigt mal, wie lange ihr durchhaltet!” Clay und Nebula sahen sich erst ratlos an, folgten dann aber der Einladung.   Eine Stunde verging. Die Sonne wanderte ĂŒber das von Wolken befleckte Blau des Himmels. Erschöpft ließ sich Nebula rĂŒcklings mitten in den Ring auf den Boden fallen. Der Aufprall wirbelte eine kleine Wolke aus Staub auf. Ihre Arme und Beine spreizte sie von ihrem Körper ab. Die Holzschwerter entglitten ihrem Griff. “Ich bin KO!”, stöhnte sie entkrĂ€ftet. Sich die ganze Zeit auf zwei Waffen zu konzentrieren war geistig sehr belastend. Clay war ebenfalls völlig fertig. Nicht körperlich, sondern moralisch. Er wĂŒrde lieber aus sicherer Entfernung seiner Beute auflauern, als im Nahkampf mit einem Gegner zu rangeln. Er suchte sich ein schattiges PlĂ€tzchen, setzte sich auf den Boden und versuchte sich schöne Gedanken zu machen. “Das war wirklich intensiv”, meinte er. Cerise stand noch immer aufrecht in Kampfpose. Kein Zeichen von Anstrengung verunstaltete ihr Gesicht. “Was denn, war’s das schon?”, stichelte die AttentĂ€terin. “Mir tun Muskeln weh, von denen ich nicht wusste, dass ich sie habe!”, klagte die Kriegerprinzessin. “Wenigstens von Euch erwarte ich mehr Ausdauer, Clay!” “Wieso konnten wir keinen einzigen Punkt erzielen?”, grĂŒbelte Clay.  Cerise entspannte ihre Körperhaltung. “Weil die eine ihre beiden Waffen so schlecht aufeinander abstimmt, wie ein grottiger Barde Gesang und Lautenspiel und der andere einfach viel zu vorsichtig und defensiv kĂ€mpft.” Cerise wandte sich an Nebula. “Ihr habt zwei Arme und zwei Waffen. Dennoch benutzt ihr sie nie gemeinsam. Zwei Waffen bedeuten nicht automatisch doppelte Chance auf einen Treffer.” Sie fuhr mit der Analyse von Clay fort. “Clay, Ihr fĂŒhlt Euch nicht wohl, wenn Ihr nicht mit einem Bogen schießen könnt. Im Nahkampf seid Ihr zu zögerlich und versteckt Euch hinter der Waffe. Durch bloße Verteidigung gewinnt man aber keinen Kampf.” Nebula stĂŒlpte die Unterlippe ĂŒber die Oberlippe und blies Luft aus, sodass ihr Pony aufgewirbelt wurde. Sie fĂŒhlte sich belehrt, wie damals als kleines MĂ€dchen. Aber es zu leugnen, half ihr nicht. Ihre Fertigkeiten beim Kampf mit zwei Waffen ließen stark zu wĂŒnschen ĂŒbrig. Clay schien seinen Frust ĂŒberwunden zu haben. Er senkte den Kopf und ließ die Worte der Rothaarigen auf sich wirken. Nebula erhob sich und klopfte den Staub von ihrer Schokoladenseite. “Nein, das lasse ich so nicht stehen!” Sie loderte vor Kampfeswillen. “Ihr gebt niemals auf”, bemerkte Cerise. “Das ist eine gute Eigenschaft fĂŒr die Heldin einer Geschichte. In der RealitĂ€t sollte man aber wissen, wann Schluss ist.” Sie warf die Übungswaffen auf den Boden. “Ich werde es Euch einfacher machen.” Erneut nahm sie eine kĂ€mpferische Pose ein. “Versucht, mich zu treffen!” Cerise musste sie verspotten wollen. “Mit VergnĂŒgen!” Nebula stĂŒrmte brĂŒllend auf Cerise zu, als wolle sie sich selbst beweisen, dass doch nichts an den Worten der Rothaarigen dran war. Geschickt wich die AttentĂ€terin allen StĂ¶ĂŸen aus. In einem gĂŒnstigen Moment ergriff sie beide Arme ihres GegenĂŒbers und beendete so den Angriff ihrer Gegnerin. “Lasst mich los!”, beschwerte sich Nebula. Cerise seufzte. “Ihr habt es immer noch nicht verstanden!”   Eine Ewigkeit ließ ihn der Hofzauberer das KunststĂŒck des Messer verbiegens vorfĂŒhren, als seie er ein Schausteller und gebe eine Privatvorstellung. Dabei beĂ€ugte Arngrimir jede Bewegung des Jungen mit Argusauge. Zwar erhielt Henrik eine ErklĂ€rung, was der Mann mit dem zotteligen Bart damit bezweckte, doch wirklich begriffen hatte er es nicht. Danach untersuchte Arngrimir jede nur erdenkliche KörperflĂŒssigkeit. Ohne Befund. Man konnte dem alten Mann zumindest nicht vorwerfen, nicht grĂŒndlich zu sein. Schlussendlich war die Suche nach AuffĂ€lligkeiten ein Fehlschlag. Die Quelle von Henriks Kraft verblieb ein Mysterium. Nachdem Arngrimir Henrik sich selbst ĂŒberlassen und sich aus Frust ĂŒber ein RĂ€tsel, welches er nicht zu lösen vermochte, in seinem Labor verbarrikadiert hatte, um seinen Studien nachzugehen, wollte Henrik nach Nebula sehen. Er fand sie zusammen mit Clay, Cerise und einer frostigen Stimmung auf dem Übungsplatz vor. Nebula riss sich von Cerises HĂ€nden los und bewegte sich auf ihn zu. Henrik las in ihrem Gesicht eine gewaltige Unzufriedenheit ab. Er fragte sich, wie ihr Training verlaufen war. Scheinbar nicht so gut. Vielleicht wollte sie darĂŒber sprechen. “H-Hallo”, grĂŒĂŸte er und winkte verhalten. Doch sie ging einfach wortlos an ihm vorbei, ohne ihn weiter zu beachten. Schon wieder ließ sie ihn einfach stehen. “H-Hey, warte!”, rief er und lief ihr nach. “Was hast du?” Vorsichtig streckte er seinen Arm, als er sie einholte, und legte die Hand auf ihre Schulter. Nebula wandte sich ihm in einer Drehung zu und verpasste ihm gleichzeitig einen Schlag, der den Jungen sofort zu Boden warf. “Höre auf mir nachzulaufen, du Klette!”, schrie sie ihn an, wĂ€hrend er sich langsam aufrichtete. Henrik sah angstvoll und unverstĂ€ndig in ihre roten Augen, wĂ€hrend er allmĂ€hlich den Schmerz seiner geplatzten Oberlippe bemerkte. Er schmeckte den metallischen Anklang seines eigenen Blutes, welches in seine Mundhöhle eindrang. Nebula wandte sich wieder ab und setzte ihren Weg fort. Henrik blieb sitzen und befĂŒhlte die Wunde in seinem Gesicht.   🌱   WĂ€hrend die Überfahrt nach Eldora geplant wurde, nutzte die Gruppe die Zeit, um KrĂ€fte zu sammeln und zu trainieren. Nebula konnte einfach nicht ertragen, wie Cerise sie vorgefĂŒhrt hatte und trainierte Tag ein Tag aus den Kampf mit zwei Waffen. Die Kammerdiener munkelten, man könne sie selbst im Schlaf dabei beobachten, die Bewegungen auszufĂŒhren. Clay ĂŒbte mit seinem Bogen, damit er nicht aus der Übung gerit. Training fĂŒr den Nahkampf ging er jedoch gekonnt aus dem weg. Trotz seiner Muskeln wurde er einfach nicht damit warm. Ihn plagten sowieso andere Sorgen. Der Zyklus des Mondes schritt unaufhaltsam voran. Wenn Cerise nicht bei ihrem Liebhaber war, machte sie sich rah. Keiner außer ihr wusste, wo sie sich heimlich herumtrieb. Und Henrik versuchte der Prinzessin so gut es ging aus dem Weg zu gehen. So verging die Zeit wie im Fluge. Noch immer konnte Henrik an nichts anderes denken und war ganz durcheinander. Er wollte Nebula wirklich nicht auf die Nerven gehen. Aber sie hatte so traurig und frustriert ausgesehen. Als habe sie das BedĂŒrfnis mit jemanden zu sprechen. Und er wollte fĂŒr sie da sein. Ein Irrtum. Er war so naiv! Man konnte kein Wunder erleben und gleich darauf noch eins erwarten. Kein Gott der Welt war so großzĂŒgig. Sein Kiefer tat ihm immer noch weh. Der Schmerz sollte ihm ein Lehrmeister fĂŒr die Zukunft sein. Auch wenn er sie liebte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie die gleichen GefĂŒhle fĂŒr ihn hegte. Nun lag er im Bett und starrte die Streben an der Decke an. Der alte Mann mit dem Zottelbart hatte ihn fĂŒr Morgen erneut in dessen Labor bestellt. Vermutlich wartete noch mehr Besteck, das verbogen werden wollte. Über seinen Kummer schlief Henrik ein.   Auf einem langen stabilen Tisch reihten sich unterschiedliche Klumpen aus Gestein. Jeder von ihnen wies eine andere FĂ€rbung auf. Sie hatten alle ein unterschiedliches Gewicht und etwa die GrĂ¶ĂŸe einer kleinen Melone. In ihnen befanden sich Minerale. Die OberflĂ€che der meisten StĂŒcke glĂ€nzte im dem durch die Fenster einfallenden Sonnenlicht. Langsam trugen zwei Handlanger einen weiteren Klumpen heran und wuchteten ihn auf den Tisch zu den anderen. Dieser war viel schwerer. Vermutlich ein sehr dichtes Material. Nach getaner Arbeit verließen die Bediensteten das Labor des Hofzauberers. Im nĂ€chsten Moment klopfte es an der TĂŒr. “H-Hallo!”, sprach es kaum verstĂ€ndlich hinter ihr. “K-Kann ich eintreten?” Arngrimir erkannte die Stimme seines schĂŒchternen Versuchsobjekt. “Aber natĂŒrlich”, gestattete er. “Kommt herein, Junge!” Die TĂŒr öffnete sich und Henrik betrat das Alchemielabor. Er sah sich um, und bemerkte, es war aufgerĂ€umt worden. Von der Unordnung des Vortages konnte er keine Spur mehr ausmachen. Die blubbernden GlĂ€ser und SchlĂ€uche der Destillen waren verstummt und störende BĂŒcher auf andere Tische am Rand verbannt worden. Ebenso befanden sich die schweren Kessel nun dort, wo sie niemandem mehr im Weg standen. Der große Tisch in der Mitte des Raumes war jedoch neu und zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Das Labor, der Ort an dem sonst ein Element in ein anderes transmutiert oder magische TrĂ€nke hergestellt wurden, war nicht mehr wiederzuerkennen. Gemeinsam schritten Henrik und Arngrimir an den großen Tisch. “Sind das Erze?”, fragte Henrik unbedarft. “Hervorragend! In der Tat. Es handelt sich um Brocken verschiedener Erze.” “W-Was soll ich d-damit anfangen?”” “Ich möchte sehen, welche Arten von Metall und Mineral Ihr kontrollieren könnt.” “W-Warum?” “Wir wollen beide diese Kraft verstehen lernen.” “I-Ich habe bereits S-Silbererz geformt.” “Dann sollte diese Aufgabe kein Problem fĂŒr Euch sein.”   Stunden zuvor arbeitete Arngrimir noch an einem anderen Experiment. Die Kammer fĂŒllte sich mit dem Kondenswasser, welches aus dem unter kleinem Feuer erhitzten Kolben entwich. SpĂ€t in der Nacht war ein Experiment im Gange. Es war die entscheidende Phase. Der finale Schritt, welcher ĂŒber Erfolg oder Scheitern entscheiden wĂŒrde. Ein kleiner Fehler könnte die Arbeit von Wochen zunichte machen. Tief in seine Gedanken versunken, wartete der Hofzauberer vor seiner Destille mit einem angekippten Laborglas auf den richtigen Moment, die kochend heiß siedende FlĂŒssigkeit im Kolben mit jener aus dem Glas in seiner Hand zu vereinen. Er wollte gerade vorsichtig einen Tropfen zugeben, als plötzlich die TĂŒr hinter ihm unsanft mit lautem klopfen traktiert wurde. Mitten in der Nacht erdreistete sich jemand ihn zu stören. Was fĂŒr eine UnverschĂ€mtheit! Er erschrak derart, dass ihm das Glas entglitt. Hektisch versuchte er es zu ergreifen, denn es durfte keinesfalls mehr als ein Tropfen der FlĂŒssigkeit in den Kolben geraten. Trotz all seiner MĂŒhen das Experiment zu retten, entzog sich das Glas mehrfach seinem Griff und letztlich scheiterte er. Der gesamte Inhalt ergoss sich in den Kolben und ĂŒber den Labortisch. Es folgte eine Verpuffung. Arngrimir stand entgeistert vor seinem gescheiterten Experiment. Einen Augenblick spĂ€ter ging er zur TĂŒr seines Labor und öffnete sie. Hinter ihr erblickte er die Prinzessin. “Störe ich?”, fragte Nebula. Als die Blondine den Mann erblickte, erkannte sie, dass er frontal in GĂ€nze mit Ruß bedeckt und sein zotteliger Bart nun vollends zerzaust und versengt war. Es roch verbrannt und ein blĂ€ulich-grĂ€ulicher Dunst hing schwer in der Luft. Nebula konnte sich bei diesem Anblick ein Lachen nicht mehr verkneifen. Arngrimir stampfte wĂŒtend auf wie Rumpelstilzchen. “Das war ein wichtiges Experiment!”, grĂ€mte er. “Ein bedeutender Fortschritt fĂŒr die Alchemie. Und dann kamt Ihr und habt alles ruiniert!” “Entschuldigung!” “Nichts ‘Entschuldigung’! Was wollt Ihr ĂŒberhaupt hier? Ich bestellte Euch erst fĂŒr Morgen in der FrĂŒh. Wisst Ihr, wie spĂ€t es ist?!” Der BĂ€rtige beĂ€ugte die Prinzessin. Unter ihrem Mantel guckte der Saum ihres Nachtgewand hervor. Sie musste spontan aufgestanden und zu ihm gekommen sein. Er seufzte. Es musste etwas wichtiges sein. “Wie kann ich Euch zu Diensten sein, Lady Emelaigne?” “Es geht um Henrik”, eröffnete sein GegenĂŒber. “Dann kommt herein.” Er geleitete die Prinzessin in sein Labor. “Es ist kalt um diese Zeit. Ich sollte Euch einen Tee bereiten, damit Ihr Euch aufwĂ€rmen könnt.”   Henrik stand mit geschlossenen Augen vor einem der Erzklumpen und hatte beide HĂ€nde darauf gelegt. Der Brocken bestand aus dunkelgrauem Gestein und wurde von orangefarbenen Adern durchzogen. Vermutlich handelte es sich bei diesem Exemplar um eine Probe Eisenerz. Arngrimir beobachtete die MĂŒhen des Braunhaarigen, der ein Gesicht machte, als wĂ€re er inmitten einer anstrengenden Sitzung auf dem Abort. Schon eine Weile mĂŒhte sich Henrik ab - bisher nicht von Erfolg gekrönt. Auf diese Weise konnte das nichts werden. Der Junge war viel zu angestrengt und verklemmt, wo er es einfach passieren lassen musste. Henrik spĂŒrte unerwartet die Hand des alten Mannes auf seiner Schulter und unterbrach sein angestrengtes drĂŒcken auf der OberflĂ€che des Gesteins. Er wandte sich vom Tisch ab. “Versucht Euch zu entspannen, Junge”, riet Arngrimir. “Wieso s-soll ich mich dabei entspannen?”, fragte Henrik. “I-Ich war nie entspannt, w-wenn ich diese Kraft eingesetzt habe.” “ZaubersprĂŒche und Formeln mögen vom Verstand kommen, doch die Magie selbst kommt vom Herzen.” “U-Und wie soll mir das helfen?” “Ihr mĂŒsst es fĂŒhlen. Fixiert Euch nicht zu sehr auf die Sache. Wenn Ihr wollt, das dieser Stein Euch gehorcht, hilft es, an etwas zu denken, dass Euch Kraft gibt.” Henrik wandte sich wieder dem Gestein zu. Was mir Kraft gibt, grĂŒbelte er und legte danach beide HĂ€nde entspannt auf den Klumpen vor sich. NatĂŒrlich wusste er sofort, was er wollte. Vor seinem geistigen Auge erschien niemand anderes als die Prinzessin. Henrik stellte sie sich ihn freundlich anlĂ€chelnd vor, auch wenn ihm gerade nicht klar war, ob sie ihn jemals angelĂ€chelt hatte. Vor seinem geistigen Auge verfielen beide einander in einem nicht enden wollenden leidenschaftlichen Kuss. An Fantasie mangelte es ihm zumindest nicht. Plötzlich riss ihn das Klatschen des Hofzauberers aus seiner Trance. “Heureka!”, rief dieser. Henrik öffnete seine Augen und der Stein, welcher soeben noch einen halben Meter ĂŒber der Tischplatte schwebte, stĂŒrzte nun auf sie herab. Henrik sah er BestĂ€tigung suchend den Hofzauberer an, als wolle er wie ein kleiner Junge hören, das er es richtig gemacht hatte. “Hervorragend!”, lobte der Hofzauberer. Viel mehr vermochte er aber nicht zu sagen. Was er da sah, war keine gewöhnliche Telekinese. Dieser Junge besaß ein einzigartiges Talent, welches er nur allzu gern weiter untersuchen wĂŒrde.   Nachdenklich saß Nebula auf der Bank unter dem großen Baum auf der kleinen Insel inmitten des Teiches im Schlosspark. Mit gesenktem Kopf betrachtete sie ein blaues Buch. “Volkes MĂ€rchen” stand auf seinem Deckel geschrieben. Es war jenes Werk, mit dem sich Henrik selbst das Lesen beigebracht hatte. Dazu wĂ€re es wohl nie gekommen, wĂ€re er ihr nicht begegnet. Sie hatte sein Leben bereits verĂ€ndert. Doch stand es ihr zu, ihn noch weiter ihrem Einfluss auszusetzen? WĂ€re das ĂŒberhaupt gut fĂŒr ihn? In Gedanken versunken bemerkte sie nicht, wie Clay auf sie zu kam. “Prinzessin!”, sprach dieser sie an. Nebula sah zu ihm auf. “Du sollst mich nicht Prinzessin nennen!” “Wie du möchtest, Nebula.” “Was machst du hier?”, fragte die Blondine. “Ich bin deiner FĂ€hrte gefolgt.” “Meiner FĂ€hrte? Ich bin nicht irgendeine Beute!” Sie verhielt sich ihm gegenĂŒber abweisender als eine antihaftbeschichtete Bratpfanne. ”Was willst du von mir?!”, fuhr sie ihn an. Heute schien sie wieder besonders mies gelaunt zu sein. Clay setzte sich unaufgefordert neben Nebula auf die Bank. “Es geht um dein Verhalten Henrik gegenĂŒber. Hat der Junge das wirklich verdient?” “Er ist ein Idiot und SchlĂ€ge auf den Hinterkopf helfen beim denken.” “Du hast sein Gesicht getroffen.” “Kann man ja mal verwechseln.” “Mache dir etwas vor, solange du willst. Es ist offensichtlich, dass er dir wichtig ist!” Nebula wandte sich Clay zu, um ihm deutlich zu verstehen zu geben, was sie von seiner Einmischung hielt. “Was erdreistest du dich?! KĂŒmmere dich um deinen eigenen Kram!” Sie verspĂŒrte den Drang den Behauptungen des Waidmanns aus dem Weg zu gehen, klappte das Buch zu und wollte aufstehen. Doch Clay packte ihren Arm. “Hey!” “Hier geblieben, MĂ€dchen!” Er zog sie zurĂŒck auf die Bank und mit dem Gesichtsausdruck eines bockingen Kleinkindes setzte sie sich wieder auf den Hosenboden, und musste weiter seiner Predigt lauschen. “So leicht kommst du nicht davon!” Nebula legte das Buch neben sich auf der Bank ab. ”Du willst ihn von dir wegstoßen, weil du Angst hast, zu deinen GefĂŒhlen zu stehen.” Sie wandte ihren Kopf ab. Ein verleugnendes “Pfff” entwich ihren Lippen. “Warum hast du ihn mitgenommen?” “Er kann kochen.” “Das ist doch nicht alles. Du weißt genau, dass du ihn brauchst.” “Ja, als Koch!” “Sei doch einmal ehrlich zu dir selbst!” Einem weiteren “Pfff” folgte nur noch schweigen. Er konnte froh sein, nicht Henrik zu sein, sonst hĂ€tte sie ihm schon den Einband des Buches ĂŒber den SchĂ€del gezogen. Clay fuhr indes unbeirrt mit der Analyse ihrer GefĂŒhlswelt fort, ohne dass sie ihn darum gebeten hatte. “Deine GefĂŒhle sind ein BĂ€r und du hockst auf einen Baum, an dem die Bestie rĂŒttelt. Der Junge kann das Biest besĂ€nftigen. Darum hast du ihn mitgenommen.” Die Blondine wandte sich grimmig ihrem Begleiter zu. “Halt doch endlich deine Klappe! Du hast doch keine Ahnung!” “Wenn einer weiß, wie du dich fĂŒhlst, dann bin ich das! Schau!” Er deutete nach oben zum Himmel. ”Weißt du, was heute nacht ist?” Er pausierte kurz, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich konstruktiv an der Unterhaltung zu beteiligen. Doch sie ließ sie ungenutzt verstreichen. “Vollmond!”, antwortete er schließlich auf die eigene Frage. Er nahm den Arm wieder herunter. ”Dann werde ich mich im Kerker anketten und hoffen, dass die Fesseln und StĂ€be halten und ich nicht ausbreche und im Wahn irgendjemanden in StĂŒcke reiße.” Er pausierte um durchzuatmen. “Wir haben dieses GesprĂ€ch schon einmal gefĂŒhrt, allerdings in vertauschten Rollen. Erinnerst du dich? Damals hast du mir geholfen und ein neues Zuhause gegeben, nachdem ich alles verloren hatte. Nun will ich dir helfen, bevor du das von dir stĂ¶ĂŸt, was dir wichtig ist.” Nebula begann vorsichtig zu schluchzen, aber verbarg es. Still und heimlich versuchte sie ihre Emotionen mit sich selbst auszumachen und zu verstecken, als habe sie Angst bei etwas Verbotenem erwischt zu werden. Sie sah Clay noch immer an, als sie das Verlangen zu Weinen mit Wut kompensierte. “Ich sagte doch, du hast keine Ahnung!” Sie ballte ihre Faust und begann auf Clays Brust einzuschlagen. “Keine Ahnung!”, wiederholte sie. Der großgewachsene Muskelmann legte seine Hand auf ihren RĂŒcken und drĂŒckte sie an sich. Er hatte kein Problem damit, sie zu beruhigen. Und wie durch ein Wunder hatte sie keins damit, es zuzulassen. Bald schon stellte sie das kraftlose Schlagen ein.   Falls es sein Ziel war ihn zu verwirren, so war es ihm Gelungen. Kurz nachdem Henrik den Stein schweben ließ, hatte der Zauberer bereits eine neue Idee. Henrik sollte versuchen, einen Gegenstand zu erschaffen. Also sammelte er sich und konzentrierte sich auf die ihm gestellte Aufgabe. Aus dem vorhandenen Material konnte er nicht viel machen. Er entschied sich fĂŒr etwas, seiner Zunft entsprechend. Eine Waffe. Aus dem kleinen Eisenbarren vor ihm schuf er zuerst eine glĂŒhende Kugel und formte dann aus ihr die Spitze eines Speeres. Als das WerkstĂŒck Gestalt angenommen hatte, erfasste es die Schwerkraft und es hinein in die Hand des Jungen. Interessiert trat Arngrimir heran und nahm Henrik das Erzeugnis aus der Hand. Er fĂŒhrte es vor sein kritisches Auge. Viel Verstand er nicht von der Schmiedekunst Doch die Speerspitze war solide geschmiedet und rasiermesserscharf, soviel konnte er sagen. Und das, obwohl Henrik weder Hammer und Ambos noch Schleifstein zur VerfĂŒgung hatte. Als einziges Hilfsmittel hatte er seinen eigenen Willen. Arngrimir ließ Henrik das Experiment mehrfach wiederholen. Mit jedem Versuch wurde es einfacher fĂŒr ihn und der Prozess beschleunigte sich. Henrik spĂŒrte, wie er besser und besser wurde. Arngrimir nahm sich den Braunhaarigen zur Seite. “Junge, Ihr habt ein außerordentliches Talent fĂŒr Magie”, eröffnete er. “So einen wie Euch trifft man nicht alle Tage.” Dann sah er ihm bedeutungsvoll in die Augen. “Könntet Ihr Euch vielleicht vorstellen, in Zukunft mein Gehilfe zu werden?” “A-Also i-ich
”, stotterte Henrik. “I-Ich glaube, i-ich...” Er war ĂŒberfordert. Wollte ihn der Zauberer tatsĂ€chlich als seine rechte Hand anheuern, obwohl er eigentlich ĂŒberhaupt nichts von Magie verstand? “Ich wĂŒrde Euch alles lehren, was ich weiß. Und Lehrlingsgeld mĂŒsstet Ihr auch nicht zahlen. Überlegt es Euch gut! Ihr hĂ€ttet bestimmt das Zeug dazu, eines Tages an meiner statt der Hofzauberer zu werden. Was sagt Ihr?” “I-Ich
” Der schĂŒchterne Braunhaarige konnte das unmöglich quasi zwischen TĂŒr und Angel entscheiden. Er brauchte dringend frische Luft und die verschaffte er sich auch, als er wie von der Tarantel gestochen aus dem Labor flĂŒchtete. Er rannte eine ganze Weile ohne nachzudenken. Mit der Zeit wurde er langsamer und merkte, dass ihn seine Beine in den Schlossgarten getragen hatten. Er war zu sehr beschĂ€ftigt mit seinen Gedanken, um sich noch daran zu erinnern, wie er hierher gekommen war. Als Lehrling hĂ€tte er die Aussicht, eines Tages der nĂ€chste Hofzauberer zu werden. Es hörte sich verlockend an. Bisher wagte er nicht zu trĂ€umen, in irgendeiner Form wichtig zu sein. Aber um das Angebot wahrzunehmen, mĂŒsste er Nebula und die anderen verlassen. Das kam gar nicht in Frage! Er schritt weiter durch den Schlossgarten und hoffte, dass die kĂŒhle Luft seine Gedanken fĂŒr ihn aufrĂ€umen wĂŒrde. Auf einmal hörte er Stimmen. Sie kamen ihm bekannt vor. Zögernd folgte er einem Weg zwischen Hecken hindurch, bis er einen Durchgang erreichte. Zaghaft lugte er hindurch und seine Augen weiteten sich. Er sah einen Weg, welcher zu einer BrĂŒcke fĂŒhrte. Die BrĂŒcke verband eine Insel auf einem kleinen kĂŒnstlichen See mit dem Rest der Anlage. Auf ihr befand sich ein großer Baum und unter ihm eine Bank. Henrik glaubte nicht, was er dort sah. Auf der Bank saßen Nebula und Clay. Und zum Entsetzen des Jungen schien sich die Blondine an den starken muskelbepackten Oberkörper des bĂ€rtigen Schwarzhaarigen zu kuscheln. Im nĂ€chsten Moment streckte sich Nebula und kĂŒsste Clay auf den Mund. Eilig zog Henrik seinen Kopf ein und brachte sich hinter der Hecke in Sicherheit. Langsam formte sich ein niederschlagendes Bild in seinem Kopf. Er glaubte nun zu verstehen. Das war die ErklĂ€rung, wieso sie so abweisend zu ihm war. Wieso sie seine GefĂŒhle nicht erwidern konnte. Er musste der Wahrheit ins Auge sehen. Sie interessierte sich nicht fĂŒr ihn. Muskelberge warn es, was sie anzog. Und damit konnte er nicht dienen. Hier konnte er nicht mehr lĂ€nger sein. Er musste erneut die Flucht ergreifen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)