Balance Defenders von Regina_Regenbogen ================================================================================ Kapitel 51: Eindringling ------------------------ Eindringling „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.“ (Sprichwort) Destiny schreckte auf. Noch ehe sie die Augen geöffnet hatte, wusste sie, dass sie sich nicht länger bei den anderen im Trainingsraum befand. Sie sprang auf, sah sich einer Stellwand voller Fotos gegenüber, die in einer schwarzen Weite stand. Sie beachtete sie nicht, denn eine unheimliche Schwärze lauerte in ihren Augenwinkeln, ließ Angst in ihr aufkommen. Hektisch wirbelte sie zu ihr herum. Vor ihr standen mit einem Mal Sportwagen in knalligen Farben, eher einem Rennspiel als der Realität entsprungen. Sie betrachtete sie nur kurz, denn noch immer war da die Schwärze in ihren Augenwinkeln. Sie begab sich zurück in ihre Ausgangsposition. Zu ihrem Entsetzen war dort nicht länger die Wand von zuvor. Eine riesige Videospiel-Ansicht zeigte sich ihr. Ihr Kopf schnellte in die andere Richtung. Schnell wechselnde Bilder von Landschaften, Szenerien, die alles einzunehmen schienen. Destiny wich zurück, atmete hektisch. Wieder drehte sie sich. Eine Meute jubelnder Menschen: 'Du bist der Größte! Du bist toll! Wir lieben dich!' Drehung. Ein Mann mittleren Alters, der auf seltsame Weise völlig unrealistisch wirkte, noch unrealistischer als die anderen Bilder. 'Ich bin stolz auf dich.' Panisch wandte sich Destiny in alle Richtungen. Ein Kinderzimmer. Wieder eine Landschaft. Zwei Erwachsene mit einem brünetten Jungen. Ein Piratenschiff. Jedes Mal drangen neue, unbekannte Eindrücke auf sie ein, bis sie es nicht mehr aushielt. Die Arme schützend über ihren Kopf haltend, kauerte sie sich zusammen, die Augen fest verschlossen. Ein lauter Schrei entstieg ihrer Kehle. Trust riss die Augen auf. Hatte er eben Destiny schreien hören? Desire und Unite, zwischen denen er Platz genommen hatte, schienen jedenfalls nichts davon mitbekommen zu haben. Sie saßen seelenruhig mit geschlossenen Augen da. Desire verlor sich in ihrer inneren Ruhe. Ein reines Gefühl floss durch ihren Körper wie kristallklares Quellwasser und erfrischte ihren Körper und ihre Seele, spülte alles hinweg und läuterte ihr Inneres. Gerade war sie vollkommen in ihrer Meditation aufgegangen, als Trusts Stimme sie aus der Trance riss. „Wo ist Change?“ Desire und Unite waren augenblicklich wieder voll da. „Was ist?“, fragte Desire, ehe auch sie erkannte, dass Change nicht mehr neben Destiny saß. Unite blieb unbekümmert. „Vielleicht ist er auf die Toilette.“ „Destiny.“, rief Trust. Sie hatte im Gegensatz zu den beiden anderen auf seine Frage nicht reagiert. Doch auch sein Ausruf ließ sie nicht zu sich kommen. Nun doch beunruhigt, kroch Unite, die durch Changes Verschwinden nun direkt neben Destiny saß, zu ihr hinüber und berührte sie am Arm. Wie unter Hieben zuckte sie zusammen. Hitze stieg in ihr auf und ließ alles in ihr sich verkrampfen. „Angst!“, stieß sie aus und zog ihren Arm zurück. „Sie hat schreckliche Angst.“ Desire und Trust sprangen auf und rannten zu Destiny. Erneut hallte ein Hilferuf durch Trusts Gedanken. „Sie ruft nach Hilfe!“ Verwirrt sah Desire ihn an, offensichtlich hatte sie den Ruf nicht vernommen. Ängstlich rüttelte sie an Destiny. „Destiny! Komm zu dir!“ Es half nichts. „Geh du Change suchen.“, sagte Unite zu ihr und rückte näher an Destiny heran. Desire sah im ersten Moment nicht sehr begeistert aus, nickte aber und rannte in Richtung ihrer Zimmer. „Was sollen wir tun?“, fragte Trust mehr sich selbst als Unite. „Versuch mit ihr Kontakt aufzunehmen!“, rief Unite. Verständnislos blickte Trust sie an. Unite wirkte überzeugt. „Du kannst sie hören, dann kannst du sicher auch mit ihr sprechen!“ „Aber wie?“, fragte Trust. „Versuch es einfach.“, bat Unite. „Konzentrier dich.“ Trust biss die Zähne zusammen und wandte sich Destiny zu. Die Luft ausstoßend setzte er sich vor ihr auf den Boden und schloss die Augen. Mit tiefen Atemzügen versuchte er, sich zunächst zu beruhigen. Als er langsamer ausatmete als ein, entspannte er sich wieder ein wenig und begann nun sich auf Destinys Geist zu konzentrieren. Er dachte ganz fest an Destiny und rief die Beschützerin zunächst ohne Worte herbei, allein durch den Gedanken an sie. Die Dunkelheit hinter seinen Augenlidern zeigte ihm keine Bilder. Er suchte nach etwas, nach einem Hinweis. Doch da war nichts. Um nicht panisch zu werden, konzentrierte er sich wieder auf seine Atmung. Unter Druck war es unmöglich, seine Kräfte einzusetzen. Ruhig werden. Momente verstrichen. Ein ungewohnter Frieden nahm seine Sinne ein. Seine Gedanken – ein fernes Echo. Er konnte seine Gedanken noch hören und war doch von ihnen gelöst. Ebenso verlor die Situation ihre Bedrohlichkeit und Zeit ihre Bedeutung. Er vertraute. Und wusste, dass er in etwas eintauchte, das nicht länger nur seine Bewusstseinsebene war. Destiny schnappte nach Atem. Bildete sie es sich ein oder kam ein Laut aus der Ferne? Der Klang näherte sich ihr. Erst getraute sie sich nicht die Augen wieder zu öffnen, ehe sie Trusts Stimme gewahr wurde. „Justin!“ Destiny stand auf, musste aber sofort wieder die Augen schließen. Die fremden Eindrücke hielt sie einfach nicht aus. ○ Destiny. Ich bin hier. Hab keine Angst. „Justin!“, rief sie abermals, ignorierend, dass er in seiner verwandelten Form einen anderen Namen trug. „Justin, wo bin ich? Ich weiß nicht, wo ich bin!“ Sie konnte ein Schluchzen kaum unterdrücken. „Wo seid ihr alle? Was ist passiert? Bitte hilf mir!“ Trusts Stimme war sanft. ○ Bleib ruhig. Der Klang seiner Stimme hatte etwas so Tröstliches, war das einzige Vertraute in dieser völlig fremden Welt um sie herum. ○ Du sitzt noch hier im Trainingsraum, in einer Trance. Du bist anscheinend nur im Geist woanders. Wie als wir auf die Suche nach unseren Wappen gegangen sind. „Ich will hier raus!“, schrie Destiny. ○ Wir holen dich da raus. Hast du eine Idee, was passiert sein könnte? Change ist auch verschwunden. „Ich weiß nicht, was passiert ist!“, kreischte sie. „Auf einmal war ich hier! ○ Wo bist du, wie sieht es dort aus? „Ich werde hier wahnsinnig! Die Umgebung verändert sich ständig. Das ist alles so fremd. Ich weiß nicht, wo ich hier bin!“ ○ Okay. Kurzes Schweigen, das in Destiny die Angst weckte, die Verbindung zu ihrem Freund sei abgebrochen. ○ Versuch dich zu konzentrieren. Du musst mir sagen, was du siehst. Destiny wollte ihre Augen nicht nochmals öffnen. Aber es blieb ihr wohl keine andere Wahl. Wieder dasselbe Spiel wie zuvor. Sobald sie sich abwendete, veränderte sich das Bild. Dieses Mal zeigten sich ihr Actionfiguren und Spielzeugautos, danach Schulsachen, anschließend ein kleiner Junge mit braunem Haar, den sie vorhin auch bei der Familie zu sehen geglaubt hatte. Schnell drehte sich Destiny wieder weg. „Es geht nicht! Sobald ich mich wegdrehe, sehe ich etwas anderes! Da ist Spielzeug, und Autos, und Physikaufgaben!“ Trust antwortete nicht sofort. ○ Versuch dich auf einen Punkt zu fixieren, schau nirgends anders hin. Vielleicht kannst du mit deinen Gedanken auch etwas steuern. Wenn du in dir selbst bist, dann müsstest du die volle Kontrolle ausüben können, wenn du nur willst. „Ich bin ganz sicher nicht in mir!“, brüllte Serena und stieß einen Seufzer aus. Wieder öffnete sie die Augen. Vor ihr stand nun ein Schränkchen mit dem Bild einer alten Frau in einem Bilderrahmen, doch das Bild war mit schwarzem Filzstift verschmiert. Der Frau war ein Bart aufgemalt worden und Hörner, auch war das Glas des Rahmens zersprungen, als hätte es jemand mit voller Wucht gegen die Wand geschleudert. Das Schränkchen hatte Schubladen. Serena sog Luft ein und schenkte der Schwärze in ihren Augenwinkeln keine Beachtung. Wenn das eine Gedankenwelt war, konnte sie wirklich mit ihren Gedanken etwas kontrollieren? Sie konzentrierte sich auf die Schubladen und zog gedanklich die oberste auf. ‚Du kleiner Münchhausen!!!‘ Destiny schreckte von dem lauten Schrei und dem grimmigen Gesicht der gleichen Frau zurück, deren Foto, sie eben noch betrachtet hatte. Sofort sprang die Schublade wieder zu. ○ Was ist passiert?, erkundigte sich Trusts Stimme besorgt. Destiny versuchte sich zu beruhigen. „Ein kurzer Filmausschnitt oder so. Keine Ahnung. Ich habe eine Schublade aufgemacht.“ Sie entschloss sich, die übrigen Schubladen nicht anzurühren und drehte sich in eine andere Richtung. Desire kam zurück in den Trainingsraum gerannt. Nirgends auch nur eine Spur von Change! Auch vor ihrem Hauptquartier nicht. Und telefonisch hatte sie ihn ebenfalls nicht erreicht. „Ich kann ihn nicht finden!“ Keiner der beiden anderen beachtete sie. Trust saß mit geschlossenen Augen vor Destiny und Unite bewegungslos an ihrer Seite, die Hand auf Destinys Oberarm. Desire lief das restliche Stück zu ihnen. Zuerst wollte sie wieder etwas sagen, entschied sich dann aber Trust nicht in seiner Konzentration zu stören und wandte sich Unite zu. Bei näherem Blick stellte sie fest, dass Unite vollkommen steif geworden war, wie eingefroren, ihr Gesicht starr auf Destiny gerichtet, als sei sie eine Statue. „Unite?“, flüsterte sie. Die Beschützerin reagierte nicht. In diesem Moment fiel Desire wieder Destinys Fähigkeit der Lähmung ein. Was, wenn Destiny die Kräfte unwillentlich eingesetzt hatte? Vielleicht hatte sich Destiny irgendwie erschreckt und Unite, die ihren Arm festhielt, daraufhin paralysiert. „Unite...“ Vorsichtig berührte Desire Unites Rücken. Unverhofft kam das Gefühl von zuvor zu ihr zurück, als fließe etwas durch sie hindurch, nur dass es sich dieses Mal so anfühlte, als ginge es auf Unite über. Die läuternde Frische erquickte Unites Glieder und befreite sie von dem Bann, den Destiny ihr nach ihrem Schreck auferlegt hatte. Unite zog ihre Hand von Destiny weg und sah etwas verdutzt zu Desire hinüber. Dann machte sich wieder ihr typisches Lächeln auf ihrem Gesicht breit. „Danke.“, flüsterte sie. Desire verstand nicht so recht. „Für was?“ „Dass du mich geheilt hast.“, meinte Unite überzeugt. Weiterhin in Flüsterton. Desire schaute skeptisch. Doch sie wusste, dass man mit Unite nicht diskutieren konnte. Sie sah zu Trust hinüber. „Was tut er?“ „Er spricht mit Destiny.“ „Ich weiß einfach nicht, wo Change sein kann.“, klagte Desire. Nun machte auch Unite ein besorgtes Gesicht. „Vielleicht findet Trust etwas heraus.“ Atemlos stand Destiny vor einer Wand, die mit Postern behängt war. Nur das diese Poster keine Film- oder Musikstars zeigten. In der Mitte hing ein riesiges Plakat, auf dem sie selbst, Ariane, Vivien, Justin und Erik zu sehen waren. Und um dieses hatte jeder von ihnen noch ein etwas kleineres eigenes Poster. Ungläubig sah Destiny auf das Bild, das sie selbst zeigte. Es war ein etwas seitliches Foto, auf dem sie ziemlich zickig aussah, mit argwöhnischem, abweisendem Blick. Was hatte das hier zu suchen? Als hätte ihre Aufmerksamkeit einen Mechanismus in Gang gesetzt, kam das Bild näher und begann, sich zu bewegen, baute sich zu einer regelrechten Leinwand vor ihr auf. „Du bist ein Idiot!“, schimpfte die Serena in dem Film und warf dem Betrachter einen zornigen Blick zu. Eine weitere Szene folgte. „Halt die Klappe!“ Und noch einmal Serenas wütendes Gesicht. Destiny stellte mit einigem Unwillen fest, wie schrecklich sie aussah, wenn sie so schaute. Nach zwei weiteren Bildern fand die Aneinanderreihung ihrer bösen Blicke ein Ende und im nächsten Moment hatte sie ihr eigenes weinendes Gesicht vor sich. Etwas, das sie noch weniger hatte sehen wollen. Es waren zwei verschiedene Szenen, in denen sie weinte. Die Szene wechselte und es folgte ein scheuer Seitenblick von ihr. War das nicht auf dem Balkon ihres Hauses? Und schließlich ein Filmausschnitt, der ihr die Sprache ganz verschlug. Das war sie, wie sie unsicher eine Faust ballte und diese der vermeintlichen Kamera zaghaft entgegenstreckte. Die Hand des Betrachters war nun auch zu erkennen. ‚…Freunde.‘ ‚Willkommen im Team!‘ „Trust!“, brüllte Destiny. „Es ist Vitali! Change! Ich bin in Change!!!“ ○ Wie ist das möglich? „Keine Ahnung!“ ○ Aber Change ist nicht hier. Destinys Herzschlag setzte für einen Moment aus. „Aber er ist doch nicht… Ich hab doch nicht…“ Sie schnappte nach Luft und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Die Panik ließ sie zittern. ○ Destiny, er lebt noch. Ansonsten könntest du nicht in ihm sein. „Und wenn ich ihn getötet hab?“ ○ Sag sowas nicht! Das ist Unsinn. „Aber wie ist es möglich, das er verschwindet und ich in seiner Seelenwelt bin!“, schrie sie. ○ Ich weiß es nicht, aber du hast ihn nicht umgebracht. Destiny schluchzte. ○ Destiny, nicht weinen. Es wird alles gut. Hab Vertrauen! Sie schniefte. „Du bist doch Vertrauen.“ Seine Stimme wurde aufmunternd. ○ Na siehst du, und ich bin bei dir. Wir holen dich jetzt erst mal zurück. „Nein!“, kreischte sie. „Dann finden wir Change vielleicht nie wieder!“ Es brauchte einen Moment, ehe Trust darauf antwortete. ○ Was sollen wir sonst tun? „Trust, wie sprichst du mit mir?“ ○ Ich denke, durch Telepathie. „Dann versuch damit Change zu finden!“ ○ Aber er ist nicht hier. Du sitzt vor mir. „Du musst es wenigstens versuchen!“, forderte sie. „Keine Ahnung. Ich… warte solange hier. Vielleicht finde ich hier etwas heraus.“ Wieder kehrte eine kurze Pause ein. ○ Gut. „Trust?“ ○ Ja? „Bleib nicht zu lange weg.“ ○ Ich verspreche es. Obwohl Destiny nur Trusts Stimme hören konnte, hatte sie das Gefühl, dass er ihr nun ein liebevolles Lächeln schenkte. ○ Wir sind alle bei dir. Dann war seine Stimme verschwunden. Destiny spürte wieder die Angst in sich aufkommen, hier drinnen völlig alleine und verloren zu sein. Nein! Sie musste sich zusammenreißen! Sie war in Changes Seelenwelt! Und sie musste ihn finden! Sie seufzte und stand kurz bewegungslos da, anschließend ballte sie die Hände zu Fäusten. „Change! Du Trottel! Antworte!“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Wo bist du???!!!!!“ Ihre Stimme verhallte in der unbekannten Weite. Trust öffnete die Augen. „Was ist?“, fragte Desire eilig. „Sie ist in Changes Seelenwelt.“, antwortete er ruhig. „Wie kann das sein?“, rief Desire hektisch. Trust zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ „Vielleicht hat sie ihn ja in sich aufgesogen!“ Unite gab ein saugendes Geräusch von sich und untermalte ihre Behauptung mit einer Bewegung ihrer Hände. Desire sah Unite empört an. „Wie soll sie das denn gemacht haben?“ „Das ist ja wohl eher zweitrangig.“, entgegnete Unite leichthin. „Wir müssen sie da rausholen!“, verlangte Desire. Trust schüttelte den Kopf. „Sie will, dass wir zuerst Change finden.“ Auf Desires Gesicht zeigte sich jäher Unglaube. „Und du bist sicher, du hast mit Destiny geredet?“ Er ging auf ihren Kommentar nicht ein. „Ich muss nach Change suchen.“ „Ich habe schon überall nachgesehen, aber er ist nirgends zu finden.“, informierte Desire. „Er meint mit seiner Telepathie.“, erklärte Unite. Schon hatte Trust wieder die Augen geschlossen und versuchte sich zu konzentrieren, was im nächsten Moment von Unite vereitelt wurde. Sie hatte sich neben ihn gesetzt und seine Hand ergriffen. Irritiert sah Trust sie an. „Ich versuche deine Kräfte anzuzapfen.“, erläuterte Unite. „Dann kannst du nach Change suchen und ich gehe solange zu Destiny.“ Erst wollte Trust dem widersprechen, schließlich wusste er nicht, wie er sich konzentrieren sollte, während sie seine Hand hielt. Dann fiel ihm wieder Destinys ängstliche Stimme ein. Es war vielleicht wirklich das Beste, wenn jemand bei ihr war. „Also wie machst du das?“, fragte Unite, als würde es sich dabei um ein einfaches Handwerk handeln. „Ähm, ich .. ich konzentriere mich. Ich werde ganz still und… Ich weiß nicht genau. Ich habe an Destiny gedacht und sie dann gerufen.“, gab Trust unsicher von sich. Es war schwierig, das Gefühl zu beschreiben, das er gehabt hatte, als er mit Destiny Kontakt aufgenommen hatte. So hörte es sich geradezu wie ein Spaziergang an. „Okay.“, meinte Unite locker. „Probieren geht über Studieren.“ Desire fragte sich wirklich, wie Unite es immer schaffte, so gelassen zu bleiben. „Und was mache ich solange?“, wollte sie wissen. „Du wartest und wenn irgendwas schief geht, dann weckst du uns mit deiner Superkraft.“, entgegnete Unite fröhlich. Desire hob die Augenbrauen. „Superkraft?“ „Ja, dieses Läuterungs-Dingsda, was du vorhin gemacht hast. Diese Neutralisation.“ „Das war vielleicht nur Zufall!“, antwortete Desire. „Nicht so viel reden, sondern tun!“ Mit diesen Worten beendete Unite das Gespräch und schloss die Augen. Trust folgte ihrem Beispiel und versuchte seine Aufmerksamkeit weg von der Empfindung ihrer Haut zu lenken. Leider hatte das den gegenteiligen Effekt. Auf einmal spürte er an seiner Hand eine zusätzliche Wärme, die nicht allein von Unites Haut kam. So als fließe eine Energie von seinem Körper in den ihren und umgekehrt. Der Gedanke an diese Verbindung wühlte ihn auf, er wollte die Augen aufreißen, seine Hand zurückziehen. Dieses Gefühl, mit ihr eins zu sein, ließ seinen Atem flach werden. Er schämte sich! Sein Herzschlag brach in seinen Gedankensturm ein, doch auf ganz andere Weise als sonst, wenn er nervös war. Er hatte fast den Eindruck, dass sein Herz auf das reagierte, was Unite tat. Kurz schmerzte seine Brust bei seinem Versuch, sich dagegen zu wehren. Sein Herz antwortete mit einer Ruhe und Geborgenheit, die seinen Atem wieder tiefer werden ließ und seine Nervosität und Unsicherheit vergessen machte. Es war angenehm. Er atmete tief aus und ein und gab sich dem Frieden in seinem Inneren hin. Unite tat, was Trust ihr erklärt hatte, allerdings fiel ihr der Eingang in Destinys Gedanken weitaus schwieriger als gedacht. Daraufhin konzentrierte sie sich ausschließlich auf die Verbindung zu Trust über seine Hand. in dem Versuch, statt ihren eigenen Willen durchzusetzen, Trusts Gabe einfach durch sie hindurchfließen zu lassen. Sie spürte den Energiefluss zwischen ihnen. Im gleichen Moment empfand sie eine innere Ruhe, die sie an Trust erinnerte. Dieses Gefühl hatte er ihr gegeben, als sie geweint hatte, bloß auf andere Art und Weise. Diese Ruhe konzentrierte sich nicht auf sich selbst, sondern ging darüber hinaus. Sie begriff, dass sie sich selbst verlieren musste, um Destiny finden zu können. Die angenehme Stille breitete sich in ihr aus und bedeckte ihre übrigen Sinne, so dass sie sich allein auf den Gedankenstrom konzentrieren konnte und auf die Wärme von Trusts Hand. Doch auch die musste sie hinter sich lassen, um schließlich zu Destiny vorzudringen. „Change! Vitali! Hörst du mich?!“ Erneut war Destiny den Tränen nahe. Egal wie viel sie schrie und rief, es kam keine Antwort. Und den Versuch, ihren jetzigen Standpunkt zu verlassen, hatte sie gleich wieder abbrechen müssen, weil das Eindringen in andere Winkel seiner Seele ihr Angst eingejagt hatte. Was sollte sie bloß tun? Niedergeschlagen blickte sie zu Boden. ♪ ...tiny. Destiny… „Change!“ Jähe Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. Ein Lachen erklang so weit entfernt, das sie es nicht einordnen konnte. „Du Idiot! Was lachst du?! Wo bist du?!“, kreischte sie. Erst dann kam die Stimme nahe genug, dass Destiny sie identifizieren konnte. ♪ Tut mir leid. Ich bin nicht Change. „Unite? Wie …? Fantasier ich jetzt?“ ♪ Ich hab mir nur kurz Trusts Kräfte geliehen. „Geliehen?“ ♪ Er sucht nach Change. Genau wie du. Unites heitere Stimme nahm eine verschlagene Tönung an. ♪ Das wird Change sicher gefallen, wenn er das hört. „Halt die Klappe!“, blaffte Destiny, dann kam wieder die Unsicherheit in ihr hoch. „Ich finde das nicht lustig. Vielleicht lebt er nicht mal mehr…“ ♪ Ach Quatsch! Ist doch voll cool, dass du in Changes Seelenwelt bist! „Cool?!“, kreischte Destiny. „Du hast sie wohl nicht alle!“ ♪ Da kannst du jetzt alles über ihn rausfinden, was du wissen willst! „Erstens, verstehe ich hier drinnen gar nichts! Und zweitens, ist es mir vollkommen egal, was dieser Idiot denkt.“, schimpfte Destiny. Unites Stimme klang immer aufgeregter. ♪ Erzähl mir, was du siehst! Destiny stand noch vor der Posterwand. Erst wollte sie Unite davon berichten, aber gleichzeitig kam ihr das falsch vor. „Das sind seine Gedanken.“ Unite schien ihren Einwand nicht zu verstehen. ♪ Ja und? „Man schnüffelt nicht in den Gedanken anderer Leute rum.“ ♪ Willst du nicht wissen, was er über dich denkt? Auch ohne ihr Gesicht zu sehen, konnte Destiny erraten, dass Unite ein schelmisches Grinsen aufgesetzt hatte. Destiny schürzte unzufrieden die Lippen bei dem Gedanken, dass sie dieser Frage schon ungewollt nachgegangen war. Aber sie hatte das nicht beabsichtigt gehabt! „Wieso sollte ich das wissen wollen!“, stieß sie aus. Pure Begeisterung sprach aus Unites Stimme. ♪ Du hast schon nachgeschaut! „Hab ich nicht!“, kreischte Destiny hilflos. Dann fiel ihr Blick wieder auf das Poster, das sie selbst zeigte, wie sie geschaute hatte, als Vitali sie im Team willkommen geheißen hatte. Ein unsicherer Blick, ein nicht ganz geschlossener Mund. Aber sie rief das Bild nicht dazu auf, seine weiteren Geheimnisse zu enthüllen. Warum diese Wand im Gegensatz zu allem anderen hier drin nicht einfach wieder verschwunden war, war ihr schleierhaft. Vielleicht weil sie nicht wollte, dass diese Wand verschwand, schließlich war sie in diesem Wirrwarr noch das einzige, das ihr halbwegs heimisch vorkam. Das einzige, das sie mit Change teilte. „Es war bloß eine Erinnerung. Und ich hatte es nicht geplant.“, verteidigte sie sich. ♪ Wie ist das so in der Seelenwelt von jemand anderem? „Es ist unangenehm.“, sagte Destiny kurz. ♪ Vielleicht weil du dich gegen die Eindrücke wehrst. „Hey, bin ich hier drin oder du?!“, meckerte Destiny. ♪ Versuch mal, es weder zu steuern, noch dich davon überrennen zu lassen. „Was?“ ♪ Wenn es so ist wie letztes Mal, dann bist du doch in irgendeiner Welt, oder? „Es ist … anders. Das ist keine richtige Welt, also nicht wie damals. Alles ist schwarz wie in einem Planetarium. Die Bilder kommen und gehen einfach so, wenn ich mich umwende. Alles verändert sich ständig.“ ♪ Du bist ja auch in Verändern., lachte Unite. Destiny seufzte. Der Gedanke, dass Change ihr noch viel fremder war als sie je für möglich gehalten hatte, tat ihr weh. ♪ Du hast doch eben nach Change gerufen. Vielleicht kann er dir nicht mit Worten antworten wie Trust und ich, aber vielleicht kann er dir Bilder schicken! Destiny horchte auf. ♪ Versuchen kann man’s doch. „Ja.“, stimmte Destiny zu. Bloß war sie sich unsicher, wie sie das jetzt anstellen sollte. Möglicherweise sollte sie hier drin gar keine Worte verwenden, sondern ebenso Bilder. Das würde sie versuchen. Desire saß da und ärgerte sich, dass sie nicht helfen konnte. Sie kam sich so furchtbar nutzlos vor. Jeder tat etwas. Nur sie nicht. Sie wollte Destiny und Change auch helfen! Ein Seufzer entfleuchte ihr. Sie sah Destiny an, die dasaß, als wäre sie während der Meditation eingeschlafen. Ihr Kopf war auf ihre Brust gesunken. Erneut fragte sich Desire, wie es möglich war, dass Destiny in Changes Gedanken- oder Seelenwelt oder wie auch immer gelangen konnte, wo er doch verschwunden war. Aber vielleicht hatte Unite doch Recht und beides hing miteinander zusammen und Destiny war für Changes Verschwinden verantwortlich. Desire schüttelte den Kopf. Wie hätte Destiny ihn verschwinden lassen sollen? Sie dachte daran, dass sie letztes Mal alle gemeinsam in ihre Seelenwelt gelangt waren. Vermutlich war das durch die Mischung von Destinys und Unites Kräften gelungen. Nur brachte sie diese Überlegung nicht weiter, schließlich konnte sie nicht sagen, ob sie damals alle verschwunden waren wie Change oder sich nur in einer Trance befunden hatten wie Destiny jetzt. Change war neben Destiny gesessen, daher war es schon möglich, dass ihre Kräfte versehentlich ihn erfasst hatten, so wie es bei Unite der Fall gewesen war, die von Destiny paralysiert worden war. Doch Unite hatte Destiny berührt! Ooooh! Wieso fiel ihr nicht ein, was passiert sein könnte! Nervös tippte sie mit den Fingern geräuschlos auf den Boden. Sie überlegte. Unite hatte die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu fühlen und die Kräfte mit anderen zu teilen. Trust konnte Gedankenlesen und Gedanken übertragen. Destiny war fähig, andere zu lähmen und irgendwie in ihre Seelenwelt einzudringen. Sie selbst hatte, zumindest laut Unite, die Fähigkeit, andere Kräfte zu neutralisieren. Doch was war mit Change? Sofort starrte Desire hinauf an die Decke, um zu prüfen, ob Change irgendwo dort oben schwebte. Natürlich fand sie dort nichts, zumal es nicht erklärt hätte, warum er sich nicht gleich lautstark gemeldet hatte, als sie zuvor auf die Suche nach ihm gegangen war. Dennoch. Vielleicht hatte es gar nichts mit Destiny zu tun, dass Change nicht mehr da war, sondern mit Changes eigenen Kräften. Trust war noch immer auf der Suche nach Changes Bewusstsein. Er wusste nicht genau, wie er das überhaupt machen sollte. Was, wenn Change ganz woanders war? Wie sollte er ihn erreichen? Dass die Telepathie auf die kurze Distanz zwischen ihm und Destiny funktioniert hatte, grenzte für ihn ja schon an ein Wunder, aber wie sollte er Change finden, ohne zu wissen, wo er sich überhaupt aufhielt? Gedanklich rief er Changes Namen in alle Richtungen, dann wartete er. Doch es erfolgte keine Reaktion. Vielleicht musste er sich einfach mehr auf Changes Person konzentrieren, anstatt auf seinen räumlichen Standort. Was würde er bei Change erwarten? Change war ungeduldig und überschwänglich, jemand, der seinen Impulsen folgte. Er tat, was er gerade im Kopf hatte. Und das konnte sich von einer Sekunde zur nächsten ändern. Lag es vielleicht daran, dass er ihn nicht finden konnte? Möglicherweise verbaute er sich selbst den Weg, in dem er sich auf eine Seite von Change konzentrierte. Change war wechselhaft. Aber wie konnte er ihn dann ausfindig machen? Er dachte nach. Wenn Change etwas zugestoßen war, dann würde er vielleicht ebenfalls nach Hilfe rufen, so wie es Destiny getan hatte. Vielleicht brauchte er gar nicht nach Change suchen, vielleicht musste er einfach nur genau hinhören! Destiny hatte sich so gut es eben ging das Bild von Change vorgestellt, besser gesagt Vitali, denn ihre Fantasie hatte ihm automatisch normale Straßenkleidung gegeben. Zu ihrem Erstaunen hatte sich das Bild vor ihren Augen aufgebaut. Sie hatte sich nicht darum bemüht, eine gedankliche Fotografie mit allen optischen Merkmalen zu erstellen. Stattdessen hatte sie sich auf ein gewisses Gefühl konzentriert, das sie mit ihm verband. wie sie es sonst tat, wenn sie Geschichten schrieb. Sie hatte dem Bild dadurch Informationen wie den Klang seiner Stimme und seine typischen Eigenschaften als Attribute hinzugefügt. Als sie glaubte, das Bild fertig zu haben, ergänzte sie ein großes Fragezeichen. ♪ Was machst du?, wollte Unite wissen. „Stör mich jetzt nicht.“, antwortete Destiny knapp. Es war nicht einfach für sie, das Bild aufrechtzuerhalten. Sie sendete das Bild nun in alle Richtungen. Während sie es losschickte, drehte sie sich um ihre eigene Achse. Doch dieses Mal kamen nicht sofort unzählige Eindrücke auf sie zugeflogen, stattdessen schien die Schwärze nun das Bild aufzusaugen, das sie aussandte. Sie stoppte und wartete. „Ich hab ihm ein Bild geschickt.“, sagte sie jetzt zu Unite. ♪ Und was für eins? „Ein Bild von ihm mit einem Fragezeichen.“ ♪ Und was soll das heißen? „Wo er ist!“ ♪ Glaubst du, das versteht er? Also mich würde es eher wundern, wenn plötzlich in meinen Gedanken ein Bild von mir mit einem Fragezeichen auftauchen würde. „Danke!“, schimpfte Destiny. „Wie würdest du’s denn machen?“ ♪ Schick ihm ein Bild von dir. „Was?“ Gut, wenn sie es genau nahm, hatte sie ihm mit dem Bild ein Gefühl von sich geschickt hatte. Sie war sich ziemlich sicher, dass Change es erkennen würde. ♪ Oder schick ihm sonst was, das seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vielleicht was Peinliches. „So ein Quatsch.“ Destiny stockte einen Moment. „Warte mal.“ In der Ferne schien etwas aufzuleuchten, aber nur ganz schwach. Destiny bemühte sich, es mit ihren Gedanken zu fangen und dann zu sich heranzuziehen. Daraufhin stand sie einem Bild gegenüber, das sie selbst zeigte, genauer gesagt, ihren Rücken aus der Vogelperspektive. Sie saß auf dem Boden des Trainingsraums und trug ihre Beschützeruniform. Das Foto musste von heute sein. „Was soll das?“, fragte Destiny laut. Abrupt verschwand das Bild vor ihren Augen. ♪ Was?, wollte Unite wissen. „Ich hab mich gesehen, im Trainingsraum, und zwar von hinten.“ ♪ Vielleicht hat er die Frage einfach falsch verstanden. „Toll. Und was war das dann für eine Antwort?“ ♪ Keine Ahnung. Du bist doch in seinen Gedanken. Geräuschvoll stieß Destiny die Luft aus. Einen Moment herrschte Schweigen. ♪ Du hast doch gesagt, du hättest Changes Erinnerungen gefunden. Vielleicht kannst du ja den Moment finden, bevor er verschwunden ist, oder wo er sich jetzt aufhält. „Sonst noch was? Du stellst dir das ziemlich leicht vor.“ ♪ Du kannst natürlich auch für immer in Changes Seelenleben bleiben. „Überzeugt.“, sagte Destiny. Gerade wollte sie sich ans Werk machen – obwohl sie noch nicht wusste, wie – als Unite sich nochmals meldete. ♪ Destiny? Bist du noch da? „Ja. Wieso?“ ♪ Etwas hat sich verändert. „Ich hab hier schon genug Verändern.“, murrte Destiny. ♪ Ich glaub, Trust hat aufgehört Telepathie zu benutzen. „Ist das gut oder schlecht?“, fragte Destiny. ♪ Keine Ahnung. „Dann schau mal, was los ist.“ ♪ Kann ich dich alleine lassen? „Keine Angst, ich lauf nicht weg.“, sagte sie trocken. Unite kicherte, dann war ihre Präsenz verschwunden. Desire sah, dass Trust wieder die Augen geöffnet hatte. „Was ist?“, fragte sie aufgeregt. Trust sah sie noch ein wenig verwirrt an. „Ich bin mir nicht sicher. Ich hab Changes Stimme gehört, aber er konnte mich nicht hören. Er hat ständig geflucht.“, erklärte er. Er erinnerte sich an Changes Worte: ! Hinter dir! Hinter dir! Du dumme Kuh, raffst du das nicht?! Ich steh hinter dir! Rücken! Rücken! Ist das so schwer?! Dann war Changes Aufmerksamkeit zu etwas anderem geschwenkt. ! Aaaah!!! Verschwinde endlich!!! „Es schien, als würde er mit jemandem reden. Mit einer Frau.“, sagte er zu Desire. „Aber diese Frau konnte ihn anscheinend nicht hören. Das war alles etwas konfus.“ „Und was hat er zu der Frau gesagt?“, wollte Desire wissen. „Dass er hinter ihr steht.“ Trust leuchtete diese Aussage selbst nicht ein. „Wie? Bei was steht er hinter ihr?“, fragte Desire. „Nein, nicht bei einer Sache. Er hat es örtlich gemeint.“, antwortete Trust. Unites Stimme mischte sich ein: „Was hat er örtlich gemeint?“ „Du bist wieder da.“, stellte Trust fest. „Ja, das weiß ich schon. Aber was hat wer örtlich gemeint?“, entgegnete sie. Desire klärte sie auf: „Trust hat Changes Stimme gehört und die hat mit einer Frau gesprochen und gesagt, dass er örtlich hinter der Frau steht. Also in ihrem Rücken.“ „Rücken?“ Unite machte große Augen. „Change hat Destiny ein Bild von ihrem Rücken geschickt!“ „Das erklärt seine Ausdrucksweise.“, murmelte Trust. Es passte zu Change, Destiny als blöde Kuh zu bezeichnen. Er sah nochmals hinter Destiny, als hätte sich Change bisher hinter ihr versteckt. Desire sprang auf die Beine, als ergäbe jetzt alles Sinn. „Wir sehen nur niemanden!“, rief sie eilig aus. „Aber das heißt nicht, dass dort niemand ist!“ Sofort wollte sie hinter Destiny greifen, aber im letzten Moment hielt Unite sie auf. Desire rief eilig: „Versteht ihr nicht? Change kann sich vielleicht unsichtbar machen, deshalb haben wir ihn nicht gesehen. Und möglicherweise hat Destiny ihn ebenso paralysiert wie dich vorhin!“ Trust war verdutzt. Den Vorfall, dass Unite paralysiert gewesen war, hatte er nicht mitbekommen „Du darfst ihn aber nicht anfassen.“, wandte Unite ein. Desire sah sie verständnislos an. Unite erklärte: „Wenn du ihn anfasst, dann hebst du die Paralyse auf und vielleicht seine Unsichtbarkeit. Aber wir wissen nicht, welche Auswirkung es darauf hat, dass Destiny in seiner Seelenwelt ist. Wir dürfen nichts überstürzen, sonst verletzen wir sie noch!“ Auf Unites Aussage hin stand Trust auf und trat neben Destiny. Vorsichtig streckte er den Arm nach dem Bereich hinter ihr aus und stieß gegen etwas. Er hob seinen Arm auf die Höhe, in der er Changes Schulter vermutete und tatsächlich spürte er Entsprechendes an dieser Stelle. „Change ist wirklich hier.“, informierte er. Desire begehrte auf. „Aber jetzt können wir ihnen doch helfen!“ „Warte!“, ermahnte Unite nochmals. „Du musst beide gleichzeitig läutern. Aber du kannst Destiny nicht einfach berühren, denn wenn sie dich versehentlich paralysiert, dann haben wir ein Problem.“ „Aber wie sollen wir es dann machen?“, wollte Desire wissen. „Unite.“, rief Trust aus. „Unite kann deine Kräfte auf die beiden umlenken, ohne dass du Gefahr läufst, paralysiert zu werden.“ Unite nickte Trust lächelnd zu und zeigte ihm damit an, dass sie dieselbe Idee gehabt hatte. Sogleich trat er einen Schritt zurück, so dass Unite den unsichtbaren Change erreichen konnte. Unite fand Changes Arm und streckte dann ihre Linke nach Destiny aus. Glücklicherweise wurde sie dabei nicht gelähmt. „Und jetzt?“, erkundigte sich Desire. „Leg deine Hände einfach auf meine Schultern und mach das gleiche wie vorhin.“ Das gleiche wie vorhin. Das sagte sich leicht. Aber vorhin hatte Desire diese Kraft überhaupt nicht willentlich gebraucht. Sie seufzte und folgte dann Unites Befehl. Zunächst geschah gar nichts. Einige Sekunden standen sie so da, ohne dass sich etwas tat. „Es geht nicht. Vielleicht habe gar nicht ich das vorhin bewirkt.“, meinte Desire. „Ach was. Du konzentrierst dich bloß nicht. Ich hab vorhin ganz deutlich gefühlt, dass etwas aus dir auf mich übergegangen ist.“, erwiderte Unite. Daraufhin schloss Desire die Augen und versuchte, sich daran zu erinnern, was sie vorhin getan hatte. Da war dieses Gefühl gewesen wie eine Quelle in ihr, die aus ihr herausfloss. Sie horchte in sich, fühlte nach, ob sich die kühle Frische nochmals irgendwo in ihr zeigte, ging dorthin, wo der Zugang zu ihrem Wappen lag und fand endlich, was sie gesucht hatte. Unite fühlte, wie die wunderbare Energie von Desires Händen auf ihre eigenen Schultern überging. Von dort aus sprudelte sie Unites Arme entlang bis in ihre Hände und floss schließlich gleichzeitig in Destinys und Changes Körper. Zwei leise Aufschreie erklangen. Destiny kippte im nächsten Moment nach vorne und stützte sich auf ihre Unterarme, während Trust gerade noch den nun wieder sichtbar gewordenen Change auffangen konnte. Vorsichtig ließ er ihn auf den Boden sinken. Change schnappte gierig nach Atem und hielt sich die Brust. Das, was er bis eben gefühlt hatte, hatte sich zwar nicht in seiner Brust abgespielt, aber er hatte das dringende Bedürfnis die Stelle fest zu umklammern, was an der Tatsache scheiterte, dass diese Stelle nicht materiell war. Die Mädchen kümmerten sich unterdessen um Destiny. „Alles in Ordnung?“, hörte Destiny Desires besorgte Stimme. Unite kniete sich zu ihr. Erschöpft ließ sich Destiny in ihren Schoß sinken. Beruhigend strich Unite ihr übers Haar. „Jetzt ist alles wieder gut.“, versicherte Desire. Destiny fuhr wieder auf. „Wo ist Change?“ Desire erklärte: „Er ist hinter dir. Er war bloß unsichtbar. Es ist ihm nichts passiert.“ „Hinter mir?“ Mit einem heftigen Ruck wirbelte Destiny herum. Ihre Wut brachte ungeahnte Kraftreserven zum Vorschein. „Du blöder Idiot!! Was hattest du hinter mir zu suchen?!!“ Change sah sie halb weggetreten an und schenkte ihr kaum Beachtung. Er kauerte in Trusts Armen – zu erschöpft, um sich über die Unmännlichkeit dieser Pose aufzuregen. „Ist das das einzige, was dich interessiert? Ich wäre fast draufgegangen!“ Trust wandte sich an ihn. „Change, was ist passiert? Von Anfang an, bitte.“ Change murrte. „Ich bin unsichtbar geworden. Und dann wollte ich Destiny erschrecken, - “ „Du wolltest was?!!“, fuhr Destiny ihn lautstark an. „Halt doch mal die Fresse.“, beschwerte sich Change, bereute die Worte allerdings, als ihn einer von Destinys bitterbösen Blicken traf. Aber er hatte jetzt wirklich nicht den Nerv für ihr Rumgezicke. Er sprach weiter. „Als ich sie berührt hab, hab ich mich nicht mehr bewegen können. Und irgendetwas ganz Schreckliches ist – keine Ahnung, in mich rein oder so! Es war ekelhaft! Und es hat wehgetan!“ Desire klärte ihn auf: „Dieses Schreckliche war Destiny.“ „Hä?“ „Destiny war in dir.“, sagte Trust und wunderte sich darüber, wie verstörend sich dieser Satz eigentlich anhörte. Im gleichen Moment legte nun auch Change verstecktes Kräftepotential an den Tag, indem er genauso schnell wieder in die Höhe schoss, wie Destiny zuvor. „Du warst was?!!“ Trust präzisierte: „Sie war in deiner Seelenwelt gefangen und konnte nicht mehr raus.“ „Bist du noch ganz richtig?!“, brüllte Change. Destiny tobte: „Du Asozialer! Glaubst du, das hab ich mir ausgesucht, in deinem kranken Hirn rumzulungern! Ich bin beinah wahnsinnig geworden!“ Change wurde noch lauter. „Wahnsinnig geworden?! Du bist doch schon wahnsinnig! Das hat scheißwehgetan, verdammt!“ Destiny machte den Eindruck, ihn gleich zu erwürgen. „Du Vollidiot! Du bist an allem Schuld!!!“ „Was?!!“, schrie Change. „Wer hat mich denn paralysiert und ist dann in mein Bewusstsein eingedrungen!“ „Das ist nur passiert, weil du mich berührt hast!“, schimpfte Destiny. „Ach, das machst du also mit allen Leuten, die dich berühren!“, spottete Change. „Nur mit den Idioten, die mich berühren!“ Change wurde wieder leiser. „Was hast du überhaupt in meinen Gedanken gemacht? Dir einfach mal alles angeschaut?“ „Als würde man in deinem Gedankenchaos überhaupt etwas anschauen können!“, schrie sie. „Also hast du es offensichtlich versucht!“, blaffte er. Destinys Augen wurden zu zwei Schlitzen. „Es gibt nichts, was mich an deinen Gedanken interessieren würde!“ „Warum bist du dann nicht gleich wieder rausgegangen?!“, warf er ihr vor. „Das wär ich ja gern!“, kreischte sie. Empört stieß Destiny die Luft aus. Change antwortete mit einem Grummeln. Lässig trat Unite zu den beiden und berührte sie gleichzeitig. Im gleichen Moment durchzuckte sie die jeweilige Empfindung des anderen. Destiny verspürte für einen Augenblick das schreckliche Gefühl, sich nicht regen zu können, während etwas abgrundtief Fremdes sich in einem ausbreitete, derweil Change die Angst überkam, von unzähligen unheimlichen Eindrücken heimgesucht zu werden. Unite ließ sie wieder los. „Geht’s euch jetzt besser?“, fragte sie vergnügt, als wäre ihr nicht bekannt, was sie die beiden gerade hatte spüren lassen. Die beiden Streithähne schwiegen. „Also, alles in allem, war das doch ein Riesenerfolg!“, freute sich Unite übermäßig. „Das mit unseren Kräften hat viel schneller geklappt als ich gedacht hatte! Wir sind echt super!“ Die übrigen fanden ihren Optimismus jedoch eher befremdlich. Besonders Destiny und Change warfen ihr feindselige Blicke zu. „Nun kommt schon. Wollt ihr etwa die ganze Zeit jammern, nur weil mal etwas schief geht?“, meinte Unite. „Du kannst ja nächstes Mal neben Destiny sitzen.“, entgegnete Change grimmig. Destiny keifte: „Solange sie mich nicht berührt, passiert auch nichts!“ „Jetzt fangt ihr schon wieder an!“, tadelte Unite sie. Schnellstmöglich zogen Destiny und Change ihre Arme weg, sodass Unite sie nicht nochmals berühren konnte. Auf ihre Reaktion hin musste Unite lachen. Gut gelaunt setzte Unite fort: „He, wenn Change das nicht gemacht hätte, dann hätte Destiny nicht herausgefunden, dass sie in Seelenwelten eindringen kann, Trust hätte seine Telepathie nicht einsetzen können, ich hätte nicht die Kräfte mit jemandem teilen können und Desire hätte nicht entdeckt, dass sie Kräfte neutralisieren kann! Also war das doch das Beste, was uns passieren konnte!“ Sie strahlte und ergänzte: „Wenn man mal von eurer Panik und den Schmerzen absieht.“ Destiny und Change schauten böse. „Seid doch mal etwas positiver!“, rief Unite. „Hat es euch nicht doch ein klein wenig Spaß gemacht?“ „Nein!“, schrien Destiny und Change wie aus einem Munde. Unite zuckte mit den Achseln. „Zumindest seid ihr euch darin einig.“ Nach dem ungeplanten Abenteuer beschlossen sie, das Training für den heutigen Tag als beendet anzusehen. Langsam liefen sie auf den Ausgang ihres Trainingsraums zu. Desire und Trust zuerst, Destiny und Change zuletzt, Unite dazwischen. „Hey.“, flüsterte Change, während er hinter Destiny herlief. Überrascht blieb sie stehen, warf ihm aber einen feindseligen Blick zu. Als Desire und Trust ebenfalls stehen bleiben wollten, schob Unite sie kurzerhand nach draußen und wisperte so leise wie möglich: „Raus.“ Erst als sie vor der Tür angekommen waren, ließ sie von den beiden ab. Desire zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Unite?“ Unite lächelte. „Ich dachte mir, sie bräuchten vielleicht ihre Ruhe.“ „Ruhe, um sich gegenseitig umzubringen.“, wandte Desire ein. „Deswegen bleiben wir ja auch hier stehen und lauschen.“, entgegnete Unite grinsend. „Aber wisst ihr was? Wir haben das richtig gut gemacht! Findet ihr nicht? Also ich fand das war schon richtig professionell! Das sollten wir öfters machen.“ Die anderen beiden schwiegen, während Unite einen seltsamen Tanz aufführte und diesen mit einem ebenso seltsamen Singsang untermalte „Wir waren toooll. Wir waren toooll.“ Change sah sie mit vorgeschobener Unterlippe an. „Sei ehrlich. Was hast du gesehen?“ Destiny zögerte, doch Change schien die Frage wirklich ernst zu meinen. „Was soll ich schon gesehen haben?“ „Die anderen haben doch gesagt, dass du in meiner Seelenwelt warst!“, beharrte Change. Destiny wich seinem Blick aus. „Es gab nicht großartig viel zu sehen, okay? Alles hat sich rasend schnell verändert.“ „Also hast du gar nichts gesehen?“ Destiny schwieg einen Moment. Sie überlegte, wie sie der Beantwortung dieser Frage entgehen konnte. „Darf ich was Bestimmtes nicht wissen?“ „Alter, du würdest mich killen, wenn ich in deinem Privatleben rumschnüffeln würde!“, rief Change. Damit hatte er allerdings Recht. Destiny rang sich zu einer Antwort durch. „Ich hab Autos gesehen und Spielzeug und deine Familie. Zumindest glaub ich, dass es deine Familie war, ich hab sie nur ganz kurz gesehen. Außerdem hab ich einen Mann gesehen, ich glaube, es war dein Vater. Und dann war da noch ein Bild von einer alten Frau. Sie hat furchtbar geschrien. Sie hat dich Münchhausen oder so genannt.“ Changes Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Das war meine Oma. Sonst noch was?“ Für einen Moment stockte Destiny. „Du hattest auch Bilder von uns da.“ „Und weiter?“ „Nichts weiter.“, sagte sie kleinlaut. „Ich wollte es nur wissen.“, sagte er ruhig. „Ich hab das ja nicht willentlich gemacht.“, antwortete Destiny. „Ich weiß.“ Die beiden schwiegen kurz, bewegten sich aber nicht von der Stelle. „Change?“, hob sie zögerlich an. „Hm?“ „Ich bin manchmal ziemlich zickig zu dir, was?“ Change zog eine Grimasse. „Manchmal?!“, stieß er aus. „Es vergeht kein Tag an dem ich nicht ‚Du blöder Idiot!‘, ‚Halt die Klappe!‘ oder ‚Ich hätte dich doch töten sollen!‘ zu hören bekomme!“ Beleidigt schürzte Destiny die Lippen. „Ich hab’s kapiert.“ Change zuckte mit den Schultern. „Mittlerweile weiß ich ja, dass du’s nicht so meinst.“ Unsicher sah sie ihn an. „Am Anfang hat es mich echt angekotzt, aber…“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Man gewöhnt sich wohl an alles.“ Destinys Gesichtsausdruck war anzusehen, dass ihr die Aussage nicht gefiel. Change brachte ihre eingeschnappte Miene zum Lachen. Als er sich wieder beruhigt hatte, lächelte er Destiny an und hielt ihr seine Faust hin. „Freunde?“ Im gleichen Moment entgleisten Destinys Gesichtszüge. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Sie spürte Hitze in sich aufkommen. Es war, als wüsste er doch, was sie in seinen Gedanken gesehen hatte und hielte ihr das nun unmerklich vor! Change verstand die Reaktion allerdings nicht. Unglaube machte sich auf seinem Gesicht breit. Destiny nickte eilig. „Freunde.“ Ohne bei ihm einzuschlagen, sauste sie aus dem Trainingsraum und ließ Change verwirrt zurück. Verständnislos kratzte er sich am Hinterkopf. Dieses Mädchen war wirklich verrückt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)