Meine Linie von irish_shamrock (#Klaroline) ================================================================================ Kapitel 1: Meine Linie ---------------------- Meine Linie Leise, kaum hörbar kratzt das Metall der Feder über das weiße Papier. Es ist still, nur das sanfte Prasseln der Tropfen dringt an mein feines Gehör. Mein Blick gleitet von dem Schreiben zum Fenster hinüber. Die Lichter der Laternen sind kaum auszumachen, denn Regen hüllt New Orleans, meine Stadt, in Nebel und Dunst. Meine Gedanken, nicht weniger von Trübsinn erfasst, landen zielgenau bei dir. Es ist beinahe lächerlich töricht, dass du noch immer in meinem Kopf umhergeisterst. Doch leugnen, dass das, was uns verbindet, tiefer geht, werde ich nicht. Ich sagte dir, dass das, was uns als Kette dient, meinem Ursprung entstammt. Gelänge es meinen Feinden, sich meiner zu bemächtigen, wäre es auch um das schöne, blonde Mädchen geschehen. Eigenwillig wie du bist, wirst du kämpfen, auch wenn es keinen Ausweg mehr für dich, für uns, gibt. Du wirst dich wehren, kratzen, keifen, die Augen verdrehen, argumentieren und versuchen, dein Gegenüber mit Worten zu überzeugen. Was bleibt dir, wenn das Ende so nah und unausweichlich ist? Doch lass mich nicht die Zukunft in dunklen Tönen malen, meine Schöne. Für diese Art der Gedanken bist du zu hell. Ließe ich den Poeten in mir zu Tage treten, so beschriebe ich dich wohl als das, was selbst die Sonne vor Neid verblassen lässt. Ein Vergleich, der sich einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Dennoch bleiben unsere Zusammenkünfte stets einem Zerren unterworfen. Der Widerspenstigen Zähmung – zutreffender hätte es Shakespeare kaum in Worte fassen können. Ich bin dein Herr, dein Meister. Und doch gelingt es dir, dich meiner Macht zu entziehen, sich ihr zu widersetzen und mich in unsichtbare, unüberwindbare Schranken zu weisen. Kein Schmuck, keine Kleider können dir gefällig sein, so sehr sie dir auch schmeicheln. Nur zu gern streife ich in jenen Erinnerungen umher, die uns einander näher brachten. Worte, Taten, unglückliche Umstände. Rettung, Heilung, Freunde, Familie, Feinde, Todsünden, Missverständnisse, die unseren Weg pflastern. Ein einziges Leben genügt kaum, all das zu beschreiben. Du fragtest einst, ob ich ein Herz besäße. Mein Herz, es läuft, springt und hat bereits zu viel ertragen. Meine Wut, mein Sehnen, Zorn und Gleichgültigkeit. Hoffnung. Meine Erlösung, mein Geschenk an die Welt, um wiedergutzumachen, was mir durch Niedertracht eine Schneise der Feinseligkeit schlug. Mein Herz, meine Hoffnung, all das liegt nun bei dir. Lehre sie, hilf, wenn es ihr danach verlangt. Sorge dich um sie, leite sie und führe sie durch diese Wirrungen, die das Dasein mit sich bringt. Wärst du mit mir gekommen, hätte ich mich eher dem besonnen, was auf Furcht, Angst und Pein folgte. Ich wollte dir ein Freund sein, Geliebter, Beschützer und Wohltäter. Es hätte dir an nichts gemangelt, bis auf den letzten Funken menschlichen Verstandes. Du tatest gut daran, dich mir zu verweigern. Mir aus dem Wege zu gehen, mich zu meiden und mich meinem Leid zu überlassen. Ein Spiel, ohne Sieger. So war es immer, seit Anbeginn dessen, was uns zu dem machte, was wir sind. Erneut fahren meine Finger über die geschriebenen Zeilen, umkreisen die geschwungenen Lettern. Ob dich meine Worte erreichen – ich zweifle daran. Denn so, wie die vielen Briefe zuvor, wird auch dieser nicht sein Ziel erreichen. Ich schreibe, um mich von der Last zu befreien, mich der Schuld zu verwehren, dem Schmerz zu entgehen. Ein sinnlose Flucht. Ich bin nicht frei von Fehlern, ich beseitige nur, was mir im Wege steht. Leben um zu überleben, fliehen, um zu ertragen, morden, um der Unvollkommenheit zu entrinnen. Schrecken und Schmerz verband man mit meinem Namen. Ich säte Angst und erntete Zorn. Niemand traute mir. Weder meine Familie noch meine Verbündeten. Und auch du wägst ab, zierst dich, stößt mich von dir und ziehst mich zugleich an dich heran. Wir umschleichen einander wie Tiere, gefährlich, stets bereit, den anderen zu attackieren, zu zerfleischen. Und ist es nicht das, was wir letztendlich sind und immer sein werden? Wilde Kreaturen, geschaffen, um zu unterjochen, zu herrschen, zu genießen und zu dienen. Gern hätte ich dir gedient. Die Welt, ich hätte sie dir auf einem Tablett serviert. Doch das, was euch Gefühle sind, war uns ein Hindernis. Sosehr ich mich nach dir verzehrte, nie wäre mir das Vergnügen zuteil, dich zur Gänze für mich zu haben. Leid, Trauer und Schmerz stünden uns zur Seite, wann immer wir ihnen überdrüssig wären. Nie wären sie fort, immer da, um mich meiner Missetaten zu mahnen. Liebes, meine Schöne, ist es möglich, dass es dir gelang, was so viele vor dir versuchten, zu erringen? Unfassbar, unbegreiflich und doch … Alles muss ein Ende finden, so, wie es einst einen Anfang gab. Doch meine Geschichte geht hier zu Ende. Eine Rettung bleibt mir auch jetzt noch versagt. Ich bin es nicht länger wert, gerettet zu werden. Doch andere sind es. Ich wünsche dir ein Leben, das du nach deine Vorstellungen kreierst, so schmerzlich und steinig es auch sein mag. Dir zu begegnen hatte mir mein jahrhundertelanges Dasein erträglicher gestaltet. Gib Acht auf dich. In tiefer Verbundenheit und ewiger Liebe, Klaus Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)